Читать книгу Gesundheitsförderung für Lehrpersonen und Schulleitungen - Departement Bildung Kultur und Sport Aargau - Страница 10
1.4 Schulleitung: Schule kohärent und heiter führen
ОглавлениеWeil das Handeln der Schulleitungen nachweislich direkt und indirekt Einfluss auf die gesundheitlich relevanten Bedingungen der Schule nimmt, wird Lehrergesundheit inzwischen als Führungsaufgabe verstanden (Harazd, Gieske & Rolff, 2009). Dabei stehen Schulleitungen als »soziale Innenarchitekten« (Rolff, 2013) vor der Herausforderung, für die Schule eine in sich stimmige und sinnstiftende Vision und Konzeption zu entwerfen und hierfür die passenden Strategien und Strukturen für wirkungsvolle Prozesse aufzubauen und zu pflegen, durch die Schulentwicklung in einem kollegial-unterstützenden und wertschätzenden Klima als »Sinn stiftend« verstanden und handhabbar wird. Und dies, obwohl von vielen Schulleitungen die Kontexte und Anforderungen von außen, denen sich Schule gesellschaftlich und politisch ausgesetzt sieht, als zunehmend inkohärent und zuweilen auch als widersprüchlich wahrgenommen werden. Dennoch gilt es, die in der Steuerung erlebten Widersprüche, Zielkonflikte und Dilemmata für alle anderen der Schulgemeinde möglichst gesundheitsfördernd und kohärent zu gestalten – und dies, ohne dabei selbst zu erkranken. Vor diesem Hintergrund schlagen wir als salutogenes Motto für Schulleitungen vor: »Schule kohärent und heiter führen«.
Zum einen haben Schulleitungen die Aufgabe, die eigene Schule kollisionsfrei durch die Irrungen und Wirrungen des Alltags zu steuern, indem sie die personellen, administrativen, finanziellen und organisatorischen Herausforderungen umsichtig managen. Mit diesem Aufgabenkanon sichern sie die Funktionstüchtigkeit und damit das »Standbein« der Schule, indem sie für versteh- und handhabbare Ziele und Kontexte sorgen, transparent entscheiden und steuern und dabei Erfolge sichtbar anerkennen und verstärken (Dubs, 1994; Seitz & Capaul, 2005; Buchen & Rolff, 2006).
Dieses »Standbein« umfasst einerseits ein schulisches Gesundheitsmanagement, das (z. B. mithilfe eines repräsentativen Gesundheitszirkels) dafür Sorge trägt, den gesundheitlichen Belastungen aller Mitarbeitenden eine Stimme zu geben und mit kleinen und großen Veränderungen gesundheitsfördernde Entlastungen zu ermöglichen (z. B. durch den Aufbau eines Unterstützungssystems für Lehrpersonen) bzw. gegenüber Entscheidungsträgern notwendige Verbesserungen durchzusetzen. Andererseits umfasst das Gesundheitsmanagement ein umsichtiges (Selbst-)Management, durch das Schulleitungen als »Fels in der Brandung statt Hamster im Rad« (Kéré Wellensiek, 2012a) die eigene Gesundheit selbstverantwortlich schützen und pflegen (Kéré Wellensiek, 2012b).
Zum anderen haben Schulleitungen als »Agentin des Wandels« (Schratz, 1998) die Aufgabe, Freiheitsgrade und Gestaltungsspielräume auszuloten, um die Schule zukunftsfähig pädagogisch weiterzuentwickeln. Dazu gilt es die Schule kohärent zu führen (Leadership), indem Schulleitungen frühzeitig Bedarf und Bedürfnisse erkennen, zwischen Wünschenswertem und Machbarem sowie zwischen Bewahren und Verändern eine immer wieder neu zu tarierende Balance finden (Dubs, 1994; Seitz & Capaul, 2005; Buchen & Rolff, 2006).
Im Gegensatz zum Management, das kreative Lösungen im System bzw. im gegenwärtigen Paradigma zu finden sucht und im Umgang mit Mitarbeitenden durch Motivation und Kontrolle geprägt ist, zeichnet sich Leadership vor allem durch eine Arbeit am System bzw. in der Entwicklung neuer Visionen und neuer Paradigmen aus. Mitarbeitende sollen durch Inspirationen beflügelt und vertrauensvoll begleitet werden, was von Lüde in Voß (2002) als »Sinn-Management« beschrieben hat und im hier skizzierten Kontext einer Stärkung des Kohärenzsinns eine neue Bedeutung erfährt. Die hierfür nötige Gestaltungskraft einer erfolgreichen Leadership wird durch eine von den Mitarbeitenden erlebte Stimmigkeit zwischen politisch-moralischen, administrativen, symbolischen, human-sozialen und pädagogischen Kräften wirksam (Dubs, 1994), die wir als kohärente Führung beschreiben und die das individuelle und teambezogene Können, Sollen und Wollen der Mitarbeitenden salutogen färbe (Heyse, 2011) und den schulischen Arbeitsplatz und Lebensraum gesundheitsförderlich gestalten (Brägger & Posse, 2007; DAK & Unfallskasse NRW, 2012).
Die inneren und äußeren Kräfte, die im umsichtigen Managen und Verwalten auf das »Standbein« und im kohärenten Führen und Gestalten auf das »Spielbein« wirken, bilden vermutlich die eigentliche Herausforderung für Schulführungskräfte. Gesund bleiben wird hierbei nur, wer sich mit der Kernkompetenz einer professionellen Resilienz (Kéré Wellensiek, 2014) zusätzlich die älteste Medizin der Menschheit zunutze macht: Heiterkeit und Humor.
Abb. 6: Schulführung in gesunden Schulen
Bei aller professioneller Steuerung zwischen datengestützten Ist-Analysen und wertgeschätzten Ergebnissen, zwischen individuellen, team- und systembezogenen Interventionen oder bei virtuosen Balanceakten zwischen scheinbar unaufschiebbaren Alltagsproblemen und visionären Perspektiven wird der heitere Blick auf menschliche Unzulänglichkeiten, Fehler und Irrtümer zum salutogenen Zaubermittel. Vor allem der positive Humor mit seiner heiteren Gelassenheit hilft, kritische Lebensereignisse erfolgreich bewältigen zu können, wie es uns psychosomatische und psychosoziale Forschungen eindrucksvoll belegen (Frank & Storch, 2011; Faust, 2011; Klapps, 2012).
Schule heiter gestalten – als Ausdruck einer tiefen Sympathie für Menschliches – hilft auch und gerade in scheinbar aussichtslosen Lagen eine gelassen-kritische Distanz zu finden, sich und andere auch mit den Augen eines Eulenspiegels zu betrachten und eigene Werte nicht als die allein gültigen zu betrachten, sondern fehlerfreundlich und heiter sich selbst und anderen gegenüber zu sein.