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2. Kapitel Fritz rettet eine Katze

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Einige Tage später sprach Vater Reckwisch am frühen Nachmittag über den Gartenzaun mit dem Nachbarn über die Zustände, die sich auswuchsen bis nach Altona. Inzwischen waren offenbar Handgranaten von wütenden Bürgern auf das Hamburger Rathaus geworfen worden. „Wie mag es bloß dazu gekommen sein?“, wunderte er sich. Dass seine Jüngste ihm das detailliert hätte schildern können, ahnte er nicht.

Herr Leu berichtete nur aus zweiter Hand, und was er da erzählte, wusste inzwischen jeder: „Das’s ’ne richtige Rewolutschoun is das! Aber is doch wahr, so ’ne Schweinerei, Herr Reckwisch, vergammelte Tiere inne Sülze für das hungernde und geknechtete Volk!“

Für das Volk empfand Adolf Reckwisch nur sehr bedingt Sympathie, sofern es nicht in seiner Eigenschaft als Gast in den Stern marschierte. Ihn interessierte etwas anderes.

„Ich hab gehört, Reichswehrminister Noske hat Generalmajor von Lettow-Vorbeck und seine Männer einbestellt, um die Unruhen niederzuschlagen?“

Doch, das war Herrn Leu ebenfalls zu Ohren gekommen.

Nun kam Addi in Fahrt. Wusste Herr Leu, dass er selbst ja unter diesem Mann in Afrika gedient hatte?

„Da bin ich meinen Arm losgeworden, in der Fremde fürs Vaterland. Und Sie können sich nicht denken, Herr Leu, was für ein Mensch das ist, der von Lettow-Vorbeck! Ein ganzer Mann, sage ich Ihnen; stark, konsequent, voller Geist! So ist unser deutscher Adel. Das sind erlesene Menschen. Edel. Daher kommt ja schließlich das Wort Adel. Das sieht man schon am Blick. So ein Blitzen in den Augen. Unnachahmlich …“ Er selbst guckte entsprechend.

Herr Leu, der mehr für das Volk war als für den Adel, wollte nun seine Hecke schneiden, aber Adolf hielt ihn am Ärmel fest. „Hab ich Ihnen schon mal erzählt, dass unser Name ursprünglich von Reckwisch gelautet hat?“

„Ach nee“, meinte Herr Leu und blinzelte über seinen fettigen Kneifer.

„Allerdings. Wir waren Freiherren. Bis so ein gemütskranker Großvater plötzlich unsern Adel abgeschafft und auf das ‚von‘ verzichtet hat. Dem waren in der Märzrevolution 1848 auf einmal so liberale Ideen gekommen …“

„So. Das’s ja interessant. Aber da ruft, glaub ich, meine Frau …“, behauptete der Nachbar und entriss dem Kaffeestubenbesitzer mit der adligen Vergangenheit seinen Ärmel.

Addi schaute ihm finster hinterher. Er fühlte, dass er nicht ernst genommen wurde, und seine immer parat liegende Wut drängelte sich hervor. Er litt an nervösen Zuständen. Das heißt, eigentlich litt nicht er selber sondern seine Umgebung. Alle versicherten sich gegenseitig, der Krieg hätte Vater zerrüttet. Und der Verlust des Arms! Keiner gab zu, dass Addi vor dem Krieg genauso cholerisch gewesen war. Damals konnte er sogar noch mit beiden Händen zuschlagen.

An Erich, seinen Ältesten, wagte er sich allerdings seit Jahren nicht heran, egal, wie viele Arme ihm zur Verfügung standen. Seit seinem vierzehnten Lebensjahr war der Bengel größer als der Vater, inzwischen sogar mehr als einen Kopf.

Noch vor zwei Jahren, kurz vor seiner Verletzung, auf Heimaturlaub, wollte Adolf den Sohn züchtigen, überzeugt davon, dass seine Autorität den Größenunterschied unwichtig machte. Er hatte ausgeholt – und war vom damals sechzehnjährigen Erich umklammert und hochgehoben worden. Sein hochrotes Gesicht mit den wütenden, weit aufgerissenen edlen blauen Augen hatte nun ein Stück über und dicht vor dem seines Ältesten gehangen, der offensichtlich nicht genau wusste, wohin mit dem erzürnten, strampelnden Vater.

Loslassen wollte er ihn nicht; es ging ihm ja darum, ihn am Prügeln zu hindern. Schlagen wollte er ihn auch nicht – wo kam man denn hin, wenn Kinder ihre Eltern schlugen? Aber bis in alle Ewigkeit konnte er ihn auch nicht so hochhalten. Schließlich hatte Erich seinen Erzeuger die Treppe hinauf in die Wohnstube getragen und mit Schwung aufs Kanapee geworfen, bevor er das Haus verließ.

Nie wieder hatte Adolf den Großen angefasst, angebrüllt oder auch nur ermahnt. Auf eventuelle Fragen zu diesem Thema pflegte er in ironischem Ton zu antworten, der sei nun erwachsen genug, um den Rest der Erziehungsarbeit an sich selbst zu vollenden.

Tatsächlich hatte er Angst vor Erich.

Fiti war ein Trampel und bekam hin und wieder was an die Ohren.

Jetta – nein, die Schönheit seiner Kleinen mochte Vater Reckwisch nicht antasten. Meistens benahm sie sich ja auch lieb, zumindest ihm gegenüber.

Es war am angenehmsten, Friedrich zu verhauen. Der wehrte sich nicht, widersprach nicht, schützte sich nicht einmal. Er ließ sich ohrfeigen und beschimpfen. Zum Schluss weinte er meistens. Sowohl die Schläge als auch das Weinen gaben leuchtend rote Flecke in seinem weißen Gesicht. Manchmal bekam er Nasenbluten, nicht durch die Schläge, sondern durch die Aufregung.

Den Fritz konnte Adolf schon deshalb nicht leiden, weil er ihm zu ähnlich war. So blond, so zart, so hübsch. Der Vater argwöhnte, unter dieser Biskuitfassade lauerte ein wurmstichiger Charakter wie sein eigener.

Wo mochte der Bengel stecken?

Er drehte sich um und stapfte durch den Garten auf sein Haus zu.

Das gelbe, rechteckige Gebäude im Pepermöhlenweg, in dem sich die Kaffeestube Zum Stern befand, stammte aus dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts und machte einen schüchternen Versuch, tempelartig zu wirken durch zwei Säulen links und rechts neben dem Eingang und einen flachen Dreiecksgiebel obendrüber.

Von Anfang an als Gastwirtschaft geplant, besaß das Haus zwei hallenartige Räume und eine Küche im Erdgeschoss, sowie eine Riesenküche und etliche Vorratsräume im Souterrain. In diesen Kellerzimmern waren früher einmal kostbare Weine gelagert worden. Inzwischen lagerten nur noch die zweieinhalb dienstbaren Geister der Familie Reckwisch hier: Das waren der „geerbte“ Kellner, Herr Knoll – ein Gespenst von einem alten Mann, grau und bleich und mager, mit lippenlosem Mund und haarlosem Schädel – sowie Amalie Kosalke und ihr Töchterchen.

Amalie – von der Familie Malchen gerufen – putzte und scheuerte und kochte und backte. Manchmal servierte sie sogar den Kuchen, wenn ein paar mehr Gäste in der Kaffeestube saßen. Oder sie sprang ein, falls der alte Knoll mit seiner Gallenblase kämpfte und sich nicht mehr aufrecht halten konnte. Oder falls er mal wieder übelnahm.

Irma Kosalke war Malchens fleischgewordener Fehltritt, ein elfjähriges Mädchen, schmächtig und klein wie eine Achtjährige. Irmas großer Mund mit den langen Vorderzähnen stand immer halb offen unter der kleinen Stülpnase. Vielleicht bekam sie die Lippen nicht über die Zähne. Dafür hielt sie ihre riesigen braunen Augen meistens halb geschlossen, was schläfrig wirkte und täuschte: Irma war schnell wie eine Eidechse.

Wenn sie nicht in der Schule saß oder am Verandatisch über den Hausaufgaben, tintenverschmiert, dann sollte sie „helfen“. Sie harkte Laub im Garten und rang mit dem großen Rechen wie mit einem Ungeheuer, sie wischte Staub und schlug die Fußmatten an der Hauswand aus, in einer Staubwolke hustend.

Sprechen hörte man Irma so gut wie nie. Sie beobachtete nur immer alles mit diesen Schlafzimmeraugen, den Mund halb offen.

Kosalkes stammten aus Ostpreußen. Malchen war westwärts geflohen, als sich ihre Schwangerschaft nicht mehr übersehen ließ und ihr moralisch entrüsteter Vater sie allabendlich durchprügelte. Inzwischen war sie ungefähr Ende dreißig, mit majestätischem Busen und ängstlichem kleinem Mopsgesicht.

Ihre Frisur löste sich ständig, immer mal wieder wischte sie die Hände an der Schürze ab, wickelte ihr dünnes Haarbüschel um den Finger und steckte die Nadeln von links und rechts neu hindurch – bis zum nächsten Mal. Nichtsdestotrotz konnte sie zupacken und mitdenken, und sie tat beides.

Eben schrubbte sie auf den Knien die Böden der großen Räume, in denen in anderthalb Stunden der Publikumsverkehr losgehen sollte. Als ihr Herr mit finsterer Miene an ihr vorbeitrabte, zog sie den Kopf ein und machte sich möglichst unsichtbar, um nicht gerempelt oder zusammengebrüllt zu werden.

Adolf stieg die Treppe hinauf zu den Wohnräumen der Familie. „Fritz? Wo bist du?“

Der Junge hatte neben dem Klavier am Fenster gesessen und etwas gelesen. Er fuhr hoch, stopfte hastig seine Lektüre, ganz zerknüllt, in die Hosentasche und wirkte praktischerweise wie das verkörperte schlechte Gewissen.

„Was lungerst du da herum, Pastor? Hast du nichts Sinnvolles zu tun?!“

Pastor war eine Anspielung auf Friedrichs Paten, Pastor Mahlke. Dem war die ungewöhnliche Intelligenz des Jungen früh aufgefallen und er hatte sich dafür eingesetzt, dass Fritz – als Einziger der Familie – das Gymnasium besuchte. Dadurch schien irgendwie festzustehen, er würde später auch Theologie studieren. Pastor Mahlke ging jedenfalls davon aus.

Fritz musste das Heftchen herausgeben, auf dessen Bildern Adolf undeutlich Fotografien unbekleideter Damen erkannte, und das er nun dazu verwendete, es seinem Sohn links und rechts um die Ohren zu hauen. Zum Schluss weinte der ganz richtig, wie es sich gehörte.

Adolf fühlte sich erfrischt.

Er ging nach unten, wo Frau und Töchter in der großen Küche werkelten, ließ sich Kaffee geben und zog sich in sein Bürozimmer zurück. Dort durfte ihn niemand stören und er konnte das Heft seines Sprösslings, dieses kleinen Ferkels, in Ruhe betrachten. Nackte Weiber! Prächtig. Das wurde ja der richtige Pastor!

Sein Sohn blieb schluchzend eine halbe Stunde lang auf der Treppe sitzen. Dann wischte er sich über die Augen und versuchte, mit den Händen sein helles Haar zu glätten. Er mochte in keinen Spiegel sehen, um jetzt nicht sein rot-weißes Gesicht zu erblicken.

Eine Weile wünschte er sich, sein Vater möge auf der Treppe stolpern, wenn niemand sonst im Hause war, sich verfangen und mit seinem einen Arm nie wieder hochkommen. Das Blut sollte ihm in den Kopf steigen, in diese weiße, zarte Haut, und dann sollte ihn der Schlag treffen …

Fritz sprang auf und lief aus dem Haus, ein Stück den Pepermöhlenweg hinunter, quer über die Elbchaussee und an den Strand. Keuchend hockte er sich dicht am Wasser hin, bemüht, nicht auf die eigenen, etwas knochigen Knie zu schauen.

Er hasste es, dass er kurze Hosen tragen musste. Er hasste es, noch ein Kind zu sein. Er hasste seinen Vater. Er hasste das Leben.

Zwei junge Mädchen gingen vorbei, blickten ihn an, mit diesem ganz bestimmten Ausdruck, den er fast immer in den Menschen hervorrief, einer Mischung aus Neugier und Abneigung.

Er sah sehr gut aus, das war ihm bewusst. Und doch war etwas an ihm, das abstieß, ihn selber ja auch. Was mochte das nur sein?

Eine grau gestreifte junge Katze, noch nicht ausgewachsen, tappte über den weißgrauen Elbsand auf ihn zu, stolperte über ein Zweiglein und miaute kläglich. Sie sah abgemagert und etwas struppig und recht elend aus.

Fritz streckte ihr die Hand entgegen und lockte sie mit seiner hellen Jungenstimme: „Komm zu mir, Kleine! Komm her, armes Kätzchen. Hast du deine Mama verloren?“

Die kleine Katze zögerte, dann kam sie näher und stupfte mit der Nase gegen seine Finger. Fritz kraulte sie zwischen den Ohren, in der Hoffnung, sie möge kein Ungeziefer an sich haben. Das Tier begann leise zu schnurren.

Fritz blickte sich einmal hastig um, ob ihn niemand beobachtete, dann griff er mit beiden Händen fest in das Fell, trug die Katze zum Wasser, watete ungeachtet der Tatsache, dass er Stiefel und Strümpfe trug, ein Stück in die Wellen und tauchte seine Beute tief unter.

Die Katze wehrte sich schwächlich, ziemlich kraftlos.

Fritz spürte, wie ihr Widerstand nachließ.

„Was machen Sie denn da?“, fragte auf einmal eine Stimme so dicht über seiner Schulter, dass er einen erschrockenen Ausruf nicht unterdrücken konnte.

Fritz riss die triefende Katze hoch, die jetzt wieder kräftiger zappelte. So nass, wie sie nun war, konnte man sehen, dass sie nur aus Haut und Knochen bestand. Sie öffnete das Mäulchen zu einem lautlosen Schrei.

„Ich sah etwas im Wasser – hier – das ist ein Kätzchen, glaube ich …“, stammelte er. Er fühlte, wie sein Gesicht dunkelrot wurde, aber das konnte ja auch am Wind liegen.

Eine ältere Dame war es, die ihm ins Wasser nachgewatet war, ebenfalls in ihren Stiefeln. Sogar ihr Mantelsaum stippte in die Elbe. Sie nahm einen bunten, breiten Schal von ihrem Hals und wickelte das Katzenkind hinein, es an ihre Brust drückend.

„Das haben Sie gut gemacht, junger Mann, bravo! Und haben ganz nasse Schuhe bekommen. Das ist uneigennützig. Ich nehme die Kleine mit nach Hause, wenn Sie nichts dagegen haben. Habe schon zwei. Ich verstehe mich darauf …“ Die Frau nickte ihm freundlich zu und wanderte in ihren nassen Stiefeln hinauf zur Elbchaussee.

Sie hatte ihn anders angesehen als die beiden Mädchen vorhin. Und sie hatte „Sie“ zu ihm gesagt.

Fritz ging zurück nach Hause, in die Küche, zeigte seiner Mutter und den Schwestern seine nassen Füße und berichtete, er hätte eine junge Katze aus der Elbe gerettet und eine Frau hätte sie mitgenommen. „Sie sagte, sie versteht sich darauf, sie hat schon zwei. Sie sagte, wahrscheinlich wollte jemand die Katze ertränken und ich bin großartig, weil ich einfach in Schuhen ins Wasser gegangen bin. Sie sagte, solche wie mich müsste es mehr geben.“

Magda nahm sein Gesicht in ihre Hände und küsste ihn auf die schöne schmale Nase.

Fiti lächelte ihm zu.

Jetta, natürlich, blickte skeptisch. „Du magst doch Katzen überhaupt nicht“, sagte sie.

Nachdem Jetta in der Küche geholfen hatte, machte sie in dem Zimmer, das sie mit Fiti teilte, ihre Hausaufgaben. Anschließend versuchte sie, ihr langes Haar so zu stecken, dass es wie kurzes aussah. Man musste längliche Wellen mit der Handkante eindrücken, alles knapp über den Ohren umschlagen und dann locker im Nacken mit Nadeln befestigen. Einmal war ihr das schon so gut gelungen, dass ihr Vater sie anbrüllte, wie sie sich unterstehen könne, ihr schönes Haar abzuschneiden.

Derart perfekt hatte Jetta es bisher nie wieder hinbekommen.

An diesem Freitagabend wollte sie ihre Freundin Ada besuchen. Die besaß einen zwanzigjährigen Bruder, und immer, wenn Jetta sich in dessen Augen spiegelte, sah sie besonders hübsch aus.

Sie holte das Schraubgläschen mit ihrer Geheim-Mixtur, Ruß und Rizinusöl, aus dem Schrank, tuschte vorsichtig damit ihre Wimpern, rieb eine sehr kleine Dosis auf ihre Augenlider, um sie dunkel und glänzend zu machen, und verteilte einen Tropfen Öl ohne Ruß auf den Lippen.

Gerade als Jetta die Treppe hinunterhüpfte, klingelte das Telefon in der Diele.

Sie hakte den Hörer ab, hielt ihn ans Ohr und sprach in die Muschel: „Kaffeestube Zum Stern in Nienstedten, guten Tag, hier spricht Henrietta Reckwisch?“

„Das ist aber nett, dass ich gerade Sie erwische!“, quakte das andere Ende. „Guten Tag, Fräulein Reckwisch. Hier spricht Rudolf Büttner. Wie geht es Ihnen?“

Jetta strahlte. „Vielen Dank, Herr Büttner, gut!“

„Hat man Sie erwischt – Sie wissen schon?“

Jetta kicherte. „Nein, es ist alles gut gegangen.“

„Ich wollte mich mal erkundigen, ob wir uns nicht vielleicht sehen können. Wenn Ihre Eltern es erlauben. Wir könnten beispielsweise zusammen in eine Konditorei gehen und eine Schokolade trinken und etwas Kuchen essen und uns unterhalten, wenn Sie Lust dazu haben.“

„Bei der Konkurrenz?“, fragte Jetta unwillkürlich.

„Ach, daran hab ich gar nicht gedacht. Nein, dann anders. Wir könnten das Museum für Völkerkunde am Rothenbaum besuchen, wenn Sie so was mögen. Und hinterher in die Kaffeestube Ihrer Eltern zum Kaffeetrinken?“

„Das finde ich wunderbar! Und vielleicht …“ Jetta unterbrach sich, weil ihre Mutter über die Diele kam. „Gut, Herr Büttner! Also ein Tisch für zwei Personen! Für wann möchten Sie ihn bestellen?“, fuhr sie sehr geschäftsmäßig fort und lächelte Magda flüchtig an.

Rudolf Büttner schien zu verstehen, dass sie nicht mehr alleine war. „Wenn noch was frei ist – für übermorgen? Also Sonntagnachmittag? Wann darf ich Sie dann abholen?“

Magda war zwar inzwischen weitergegangen, aber dennoch wagte Jetta nur in die Sprechmuschel zu flüstern. „Um halb drei! Kommen Sie mit einer Autodroschke?“

„Ja, gerne.“

„Dann warte ich an der Stelle, wo meine Schultasche versteckt war, abgemacht? Ach, und vielleicht gehen wir für die Schokolade einstweilen doch lieber zur Konkurrenz, weil …“ Diesmal polterte Adolf die Treppe hinunter und ging an Jetta vorbei, weshalb sie ihren Satz beendete: „ …weil man da nichts machen kann. Das tut mir leid, mein Herr, dass Ihre Frau Gemahlin gerade bemerkt hat, Sie hätten schon etwas anderes vor. Also doch kein Tisch in unserer Kaffeestube. Sicher ein anderes Mal. Ich wünsche noch einen guten Tag!“

Rudolf Büttners Stimme quäkte an ihr Ohr: „Hatte ich eigentlich schon gesagt, dass Sie schrecklich süß sind, Fräulein Reckwisch?“

Jetta antwortete mit einem kleinen Lachen in der Stimme: „Auf Wiedersehen, mein Herr!“ und hängte den Hörer ein.

Ihr Vater streichelte ihre Schulter und brummte: „Du bist ein tüchtiges Kind, meine Jetta. Wenn einer gut mit den Gästen umgeht, dann bist du das. Nett machst du dich in diesem Sommermantel. Willst du ausgehen?“

Sie gab ihm ein Küsschen auf die Wange. „Nur zu Ada, Papa. Mal sehen, vielleicht gehe ich übrigens mit der auch am Sonntagnachmittag ins Museum für Völkerkunde am Rothenbaum, darf ich das?“

Addi schmunzelte auf seine hübsche Tochter herab. Wie reizend das Kind aussah. Wirklich, wie Erich gesagt hatte, eine Naturschönheit, ganz ohne Schminke und Tünche! Ihre Augenlider glänzten von selbst ein wenig und die feinen Lippen ebenfalls. Und wie nett sie sich immer benehmen konnte. Da machte sich das blaue Blut bemerkbar.

Er angelte in der Jackentasche nach seiner Geldbörse, nahm nach einigem Zögern zehn Papiermark heraus und raschelte Jetta den dunkelgrünen Schein in ihr Händchen. „Lade deine Freundin mal ein, mein Kind!“

Jetta fiel dem Vater um den Hals, bedankte sich sehr und dachte entzückt: Da ich ja von Herrn Büttner eingeladen werde, ist das alles meins. Ich kann mir, wenn ich nächstes Mal in Hamburg bin, ein Töpfchen Rouge besorgen …

Der Stern der Elbe

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