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Der Aether
ОглавлениеDer Schwefeläther wurde zuerst im Jahre 1544 von einem Arzte, Valerius Cordus, unter dem Namen »süßes Vitriolöl« beschrieben. Er hat das Verfahren zur Bereitung und die Eigenschaften des Aethers angegeben, der Ruhm der Erfindung gebührt ihm indessen nicht, da schon in früheren Jahrhunderten weingeistige Mischungen des Aethers zu medizinischen Zwecken angewendet wurden. Die Mittheilungen des Cordus und sein neues Oel scheinen sich aber keiner besonderen Theilnahme erfreut zu haben, denn schon im folgenden Jahrhundert war der Aether wiederum gänzlich unbekannt, bis im Jahre 1792 ein deutscher Chemiker, Frobenius, von Neuem das Interesse der Aerzte und Scheidekünstler auf ihn lenkte, und ihn mit dem vielversprechenden, poetischen Namen »Aether« belegte. Diesen schönen Namen verdankt er theils der Neigung der Alchymisten, pomphafte Bezeichnungen für ihre Arcana zu wählen, theils seinen physicalischen Eigenschaften, seiner Flüchtigkeit, seiner Farblosigkeit, seiner stark lichtbrechenden Kraft und seiner leichten Brennbarkeit. Froben war glücklicher, als der Medicus Cordus. Der Aether wurde von nun an vielfach untersucht, und von den berühmten Aerzten des 18ten Jahrhunderts in die Heilmittellehre eingeführt, unter denen namentlich Friederich Hoffmann durch seinen liquor anodynus, die bekannten Hoffmannstropfen, – Aether mit 3 Theilen Weingeist versetzt – viel zur Verbreitung desselben beigetragen hat.
Die Aetherarten werden durch Einwirkung stärkerer Säuren auf Alkohol erzeugt. Der Schwefeläther, Aether schlechtweg, wird gewonnen, indem man ein Gemisch von 9 Theilen concentrirter Schwefelsäure und 5 Theilen Alkohol von 85 % in einer Retorte bis zum Sieden erhitzt. Durch eine Vorrichtung an der Retorte lässt man fortwährend so viel Alkohol in das Gemisch hineinfliessen, als aus demselben Flüssigkeit überdestillirt. Die sich entwickelnden Dämpfe werden in einer durch auftröpfelndes Wasser, Schnee u. s. w. sorgfältig abgekühlten Vorlage zu einer Flüssigkeit condensirt, welche den sogenannten rohen Aether darstellt. Dieser rohe Aether, welcher noch Wasser, kleine Mengen Alkohol und gewöhnlich auch etwas schweflige Säure enthält, wird durch kalihaltiges Wasser gereinigt, dann über Kohlenpulver und gebrannter Magnesia rectificirt. Reiner Aether darf Lackmuspapier nicht röthen, nicht nach schwefliger Säure riechen, auch sonst keinen Nebengeruch haben. Soll der Aether ganz wasserfrei dargestellt werden, so muss man ihn nach der Rectification durch einen Zusatz von gebranntem Kalk einer nochmaligen Reinigung unterwerfen. – Wegen seiner Eigenschaft, mit Säuren eine chemische Verbindung einzugehen, Salze mit ihnen zu bilden, haben die Chemiker der neueren Zeit den Aether als das Oxyd eines hypothetischen Kohlen-Wasserstoff-Radicals, des Aethyls, (4 Kohlenst., 10 Wasserstoff. Ae.) angesehen, und damit das Gesetz der binären Verbindung auch auf die organische Chemie ausgedehnt. Sie bezeichnen demzufolge den Aether, welcher aus 4 Atomen Kohlenstoff, 10 Atomen Wasserstoff und einem Atom Sauerstoff besteht, als Aethyloxyd, Ae+O, den Alkohol, welcher aus 4 Kohlenst., 12 Wasserst. und 2 Sauerst. zusammengesetzt ist, und sich nur durch ein Plus von einem Atom Wasser (1 Sauerst., 2 Wasserst.) vom Aether unterscheidet, als Aethyloxydhydrat, und so fort.
Es würde zu weit führen, die verschiedenen Theorien über die Aetherbildung ausführlicher anzugeben. Wir begnügen uns mit einigen kurzen Andeutungen. Da nämlich die Schwefelsäure durch den Proceß der Umwandlung des Alkohols in Aether nicht zersetzt wird, und da der Weingeist, wie bereits erwähnt, nur durch das Wasseratom in seiner Zusammensetzung vom Aether differirt, so lag die Vermuthung sehr nahe, als bedinge die concentrirte Schwefelsäure nur durch ihre starke Verwandschaft zum Wasser die Umänderung des Alkohols in Aether. Diese von Fourcroy und Vauquelin aufgestellte Theorie ist durch weitere Experimente und Forschungen über diesen Gegenstand sehr erschüttert worden, und gegenwärtig fast gänzlich verlassen. Die electro-chemische Theorie erklärt die Aetherbildung aus der electrischen Spannung, welche in dem in Rücksicht der chemischen Affinität indifferenten Alkohol durch die starke Säure hervorgerufen wird, und welche ihn zwingt, sich in eine Basis umzubilden. Auch die Lehre von der Contact-Wirkung hat die Deutung des Vorganges auf sich nehmen wollen.
Von den Eigenschaften des Aethers sind einige schon oben erwähnt worden, andere mögen hier noch folgen. Der Aether hat einen eigenthümlichen, höchst durchdringenden Geruch und Geschmack; sein specifisches Gewicht (Gay-Lussac) ist bei +20° = 0,713, das specif. Gewicht seines Gases = 2,586. Er kocht bei gewöhnlichem Luftdruck in einer Temperatur von 28° R. Bei -24,8° R. fängt er an in weissen, glänzenden Nadeln zu erstarren, und bei -36° R. bildet er eine weiße, feste, krystallisirte Masse. Er brennt mit einer hellen, weißgelben, Ruß absetzenden Flamme, ist mit Weingeist in allen Verhältnissen, mit Wasser, welches ⅟10 seines Gewichts Aether auflöst, nicht mischbar. Campher, Phosphor, Kautschuk, fette, aetherische Oele, Chlormetalle u. s. w. werden von demselben aufgelöst. – Einer Eigenthümlichkeit des Aethers, nämlich der leichten Brennbarkeit, muß hier nochmals gedacht werden. Wegen seiner Flüchtigkeit werden die Dünste schnell durch größere Räume verbreitet, und es läßt sich nicht bestimmen, in welche Entfernung ein brennendes Licht von einem offenen, mit Aether gefüllten Gefäße gesetzt werden mag. Schon mehrmals sind Unglücksfälle dadurch vorgekommen, daß man in der Nähe eines Lichtes Aether aus einem Gefässe in das andere goß. Kürzlich hat Runge auf diesen Uebelstand aufmerksam gemacht, und an die Möglichkeit gefährlicher Explosionen in Folge von Entzündung des mit der Luft gemengten Aethergases erinnert. Es bildet dieses Gemenge eine Art von Knallgas, und seine Wirkungen sind denen des in atmosphärischer Luft verbrennenden Waßerstoff- oder Sumpfgases ähnlich. Es könnte sich daher z. B., wenn keine Vorsichtsmaßregeln getroffen werden, bei der Anwendung des Glüheisens oder der Moxen sehr leicht ereignen, dass sich die durch den Aether erzielte Betäubung über eine zu große Zahl von Individuen ausdehnte.