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Wirkungen des Einathmens der Aetherdämpfe

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Die Wirkung der eingeathmeten Dämpfe besteht in einer Reihe der wunderbarsten Erscheinungen, deren schon im Allgemeinen gedacht worden ist. Hier will ich dieselben noch näher angeben. Unmittelbar nach den ersten Athemzügen stellt sich bei Vielen und besonders dann, wenn der Kranke, welcher schon vorher aufgeregt war, mit Hast das Athmungsgeschäft beginnt, ein kurzer Husten ein, wodurch die Patienten veranlaßt werden, den Apparat vom Munde wegzureißen. Dieser Husten ist die Folge der directen Einwirkung der Aetherdämpfe auf die Luftorgane und wird sogleich dadurch beseitigt, daß man etwas atmosphärische Luft wieder einathmen läßt. Ist die Willenskraft aber stark genug, so hört der Husten beim fortgesetzten Einathmen der Dämpfe von selbst auf.

Die Wirkung der eingeathmeten Aetherdämpfe tritt nun bei den verschiedenen Individuen, je nach Jugend oder Alter, großer Reizbarkeit oder Unempfindlichkeit entweder schon nach den ersten Athemzügen oder nach Verlauf einer geraumen Zeit, und am spätesten bei Trinkern ein. Schon nach ⅓ Minute sah ich sie bei einem Individuum erfolgen, während bei einem anderen, an geistige Getränke gewöhnten nach ¼ Stunde nicht die mindesten Veränderungen eintraten.

Die Erscheinungen, welche wir nun der Reihe nach beobachten, sind von sehr heterogener Art, und in den meisten Fällen die folgenden. Der Ausdruck der Müdigkeit und bald darauf der eines betäubungähnlichen Zustandes verbreitet sich über das Gesicht. Der Kranke athmet langsam und kaum merklich, der Mund entgleitet dem Apparat oder schließt sich gegen den Aether. Die Augenlider bedecken das Auge, welches nach oben rollt. Sämmtliche äußere Muskeln erschlaffen, der Kopf senkt sich auf die Seite, die Arme fallen herab, die Beine gleiten vorwärts, der Rücken wölbt sich, die Brust sinkt ein, die Bewegung der Gedärme fühlt sich durch die Bauchdecken langsamer. Das Athmen ist tief und ruhig, der Herzschlag oft kaum fühlbar, mitunter ist der Athem schnarchend. Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die Sinnesthätigkeiten, so bemerken wir, daß mit der Zunahme der Betäubung ein Sinn nach dem anderen verschwindet. Zuerst hört das Gefühl auf. Der Kranke nimmt nicht wahr, daß er gekniffen oder mit einer Nadel gestochen wird. Alle übrigen Sinne sind noch thätig. Dann erlischt der Geschmack, der Aetherisirte empfindet und unterscheidet die Geschmackseindrücke nicht mehr; dann das Gesicht, und darauf der Geruch, während das Gehör noch thätig ist. Endlich hört auch dieser Sinn, welcher oft bis dahin in größter Feinheit fortbestand, auf, und völlige Betäubung tritt ein. Dieser Zustand ist der gewöhnliche und allgemeine.

Mit dem Nachlassen der Aetherwirkung nach Verlauf mehrerer Minuten oder in einer unverhältnißmäßig langen Zeit, kehren die Sinne in umgekehrter Reihe einer nach dem anderen zurück. Zuerst fängt der Betäubte wieder an zu hören, dann zu riechen, dann zu sehen, dann zu schmecken und endlich auch zu fühlen, und zwar sind bei der Rückkehr der einzelnen Sinne die Folgen noch genauer, regelmäßiger, deutlicher und schärfer von einander getrennt.

Schon vor dem Beginn der Einathmung der Aetherdämpfe ist das Athmen schwer, in Folge der geistigen Aufregung. Beginnt die Inhalation, so ist dasselbe gewöhnlich in Folge der Anlegung des Apparats ganz unregelmäßig. Manche Kranke benehmen sich dabei sehr ungeschickt und ungelehrig, athmen bald zu schnell, bald zu tief ein und vermehren dadurch die schon durch den Aether bewirkte Reizung, so daß ein Hüsteln eintritt. Erst beim Beginn der Empfindungslosigkeit und noch mehr bei dem Schwinden der übrigen Sinne wird der Athem tief und langsam, bisweilen schnarchend.

Das Auge drückt schon vor dem Anfange der Einathmungen eine etwas besorgliche Aufregung aus, der Blick ist lebendiger, das Auge glänzend. Schon nach einigen Athemzügen bemerkt man eine stärkere Blutanfüllung der oberflächlichen Gefäße und bei jungen, vollblütigen Personen oft eine leichte Röthung. Die Pupillen verengern sich gewöhnlich etwas im Anfange der Einathmung, erweitern sich dann wohl auf einige Minuten, um sich von Neuem zusammen zu ziehen, mit dem Eintritt einer tiefen Betäubung sind sie oft sehr erweitert. Da die Kranken gewöhnlich die Augen schließen, so sind die Veränderungen an der Pupille ohne Aufheben des oberen Lides selten genau zu beobachten.

Der Puls erleidet eine merkliche Veränderung. Mit dem Beginn des Einathmens fängt er an schneller zu werden, so daß er wohl 20 bis 30 Schläge in der Minute mehr hat. Hat der Aether hieran auch wohl einigen Antheil, so wird diese Beschleunigung doch größtentheils durch das Anfangs beschwerliche Athmen herbeigeführt. Allmälig, bei eintretender Ruhe, verliert er an Schnelligkeit und sinkt auf die normale Zahl der Pulsschläge herab, und nur selten und bei großer Betäubung wird er noch langsamer als im natürlichen Zustande. Also vermehrte Frequenz des Pulses im Anfange der Einathmung und späteres Langsamwerden ist das Gewöhnliche.

In anderen Fällen beobachten wir Folgendes: der Puls nimmt wenig oder gar nicht an Frequenz zu, oder er ist bald schnell, bald langsam, bald klein, bald groß, und selbst mitunter aussetzend. Eben so wechselt er in Bezug auf Härte und Weiche, Vollsein und Leere ab. Doch sind dies Alles Verschiedenheiten, welche sich nur bei einzelnen Individuen zeigen, und als Ausdruck der Eigenthümlichkeit ihrer Constitution und der Reizbarkeit oder Unempfindlichkeit ihres Nerven- und Gefäßsystems zu betrachten sind.

Mit der Verflüchtigung des Rausches, der Wiederkehr der schlummernden Sinne und des vollen Bewußtseins, nimmt der Puls an Fülle und Frequenz wieder zu, so daß er noch um 5 bis 10 Schläge mehr hat als vor dem Einathmen der Aetherdämpfe.

Das Herz verhält sich meistens ruhig, und seine Schläge sind selten stärker als im natürlichen Zustande. Oft erbebt es nur leise und die einzelnen Schläge sind kaum von einander zu unterscheiden. Nur selten trat wirkliches Klopfen ein, und dies entweder beim Anfange der Inhalation oder bei der Wiederkehr des Bewußtseins, wo es sich dann plötzlich hob.

Um die Wirkungen der eingeathmeten Aetherdämpfe in Bezug auf die Anwendung in der Heilkunde genauer zu prüfen und zu würdigen, sind von Aerzten eine große Menge von Versuchen an gesunden Personen und auch an sich selber angestellt worden. Als die ersten sind die von der Gesellschaft deutscher Aerzte in Paris, so wie die hier in Berlin von dem talentvollen jungen von Gräfe, dem Sohne des berühmten, seeligen v. Gräfe, angestellten zu erwähnen. Die an Aetherberauschten gemachten Beobachtungen, sowie die Selbstbeobachtungen fanden während der niederen Grade der Aethereinwirkung Statt.

Folgende Resultate ergaben die Versuche der Aerzte der deutschen Gesellschaft in Paris, welche an sich selbst experimentirten.

In Bezug auf die Frequenz des Pulses zeigte sich bei Allen eine deutliche Zunahme in den ersten 3 Minuten, hierauf ein Nachlassen der Frequenz, die jedoch immer noch stärker als im normalen Zustande war. Gegen das Ende des Versuches, gegen die 6te oder 8te Minute hin, begann eine merkliche Reaction des Herzens, dessen Contractionen an Intensität verloren hatten, indem es wieder stärker und schneller schlug. Dieselben Erscheinungen zeigten sich selbst bei weiter fortgesetzten Versuchen. Durchschnittlich ergab sich die mittlere Zahl der Pulsschläge auf 106.

Das Athmen war meist beschleunigter als im normalen Zustand, wobei jedoch zu bemerken ist, daß selbst vor dem Versuche der Puls und die Respiration meist schon schneller waren, als im normalen Zustande, was durch die geistige Spannung und Aufregung derer, die sich dem Experiment unterwarfen, wohl zu erklären ist. Die Respiration verhielt sich in Bezug auf Frequenz und Ausdehnung vollkommen wie der Puls.

Die Wirkung der Einathmung auf das Nerven-System war in den allermeisten Fällen eine vollkommene Aufhebung des Gefühls des Schmerzes, wovon man sich durch Stechen der Ohren, der Nase und Hände mit Nadeln, durch Einschnitte in den Arm, durch Abbrennen von Feuerschwamm und Betröpfeln mit heißem Siegellack überzeugte. Hierbei ist zu bemerken, daß oft erst nach längerem Einathmen diese Unempfindlichkeit gegen den Schmerz sich zeigte, während kürzere Zeit dauernde Versuche bei denselben Individuen ohne Resultat waren.

Die Dauer und Intensität der Wirkung hing zum größten Theil von der Dauer und Genauigkeit der Einathmung ab. Die Unempfindlichkeit dauerte 1 Minute 3 Sekunden bei dem Einen, 1 Minute 30 Sekunden bei einem Anderen, bei einem Dritten 1 Minute 14 Sekunden, bei Einem Vierten über 10 Minuten. Mehrere hatten Traumerscheinungen. Einer hatte leichte Lichterscheinungen in den Augen, und es zeigten sich einige Symptome von Schwindel. Zwei erwachten mit Lachen aus ihren heiteren Träumen. Der Tastsinn war vollkommen ungestört, so lange die Individuen bei Bewußtsein waren, und sie entdeckten ohne Hülfe der Augen die kleinsten Unebenheiten eines Körpers. Die Wirkung des Aethers scheint bei den Versuchen drei Stadien durchgemacht zu haben. Im Anfang ist das Empfindungsvermögen, wie der Puls und die Respiration, gesteigert, darauf verminderte sich die Wahrnehmung des Schmerzes mit der Bewegung des Kreislaufes, und Verletzungen wurden nur schwach empfunden. Im dritten Stadium hörte alles Gefühl auf, und das Individuum war so unempfindlich wie ein Cadaver. Die Wirkung des Aethers verschwand bald, und es blieb hernach nur ein Gefühl von Schwäche und Schwere des Kopfes, was indeß nach höchstens einer Viertelstunde auch vorüberging. Alle stimmten darin miteinander überein, daß die Wirkung des Aethers ihnen eine angenehme Empfindung, ähnlich der eines leichten Rausches, verursacht habe.

Professor Gerdy in Paris beschreibt folgendermaßen die Wirkung der Aetherdämpfe auf sich selbst. »Ich bediente mich des Charrière'schen Apparats und überwand bald den Reiz zum Husten, den die Aetherdämpfe in der Luftröhre erzeugten, der Kitzel und der Husten schienen dann durch die beruhigende Wirkung des Aethers nachzulassen. Von diesem Augenblicke an fühlte ich schon eine Betäubung im Kopfe mit dem Gefühle von Hitze verbunden, wie bei beginnendem Rausch. Diese Betäubung verbreitete sich allmälig über den ganzen Körper und gewährte einen dumpfen, aber sehr angenehmen Eindruck, ähnlich der Trunkenheit nach dem Genuß von Bier oder jungem Wein. Die Wirkung des Aethers gleicht auch der des Morphiums, unterscheidet sich aber, wenigstens für mich, von der Opium-Berauschung durch den Mangel der wenig angenehmen Wirkung der letzteren.

Der Gesichtssinn war nicht merklich durch die Betäubung abgestumpft, denn ich las bei schwachem Lichte, als ich schon benommen war. Das Gehör war mehr verändert. Mit der Zunahme der Betäubung nahm die Stärke des Schalls ab, und erst mit dem Schwinden des Rausches wurden die Klänge wieder deutlicher.

Der Geruchs-, Geschmacks- und Gefühls-Sinn waren durch die allgemeine Betäubung nicht gelähmt; aber die Augenlider waren mir schwer, und ich fühlte das Bedürfniß zu schlafen, um mich meinen Gefühlen zu überlassen. Ich bekämpfte indeß die Müdigkeit und setzte meine Beobachtungen fort, wobei ich bemerkte, daß, mit Ausnahme des Gefühls von Schwanken und Betäubung, wodurch das Allgemeingefühl abgestumpft war, und des Summens vor den Ohren, wodurch ich verhindert wurde, klar zu hören, meine Auffassung so wie mein Verstand vollkommen frei seien. Ich versuchte auch zu gehen, was mit schwankendem Schritte, wie bei Betrunkenen, geschah. Das Sprechen fiel mir schwer und war langsam, sonst schienen mir alle übrigen Functionen des Körpers leicht. Mein Bruder beobachtete während dieser Zeit meinen Puls, und fand weder die Zahl noch die Stärke der Schläge verändert.«

Dieselben Versuche wurden von Gerdy bei zehn Personen, Männern und Frauen wiederholt und gaben ähnliche Resultate. Einige verloren ihr Selbstbewußtsein, Andere wurden sehr heiter gestimmt, bei Anderen stellte sich Verdunkelung des Gesichts ein.

Dem von Herrn Gerdy an sich selbst vorgenommenen Experimente füge ich die von v. Graefe an sich selbst und zahlreichen Anderen gemachten Versuche sowie seine eigene Mittheilung, welche zugleich die Kritik des Gerdy'schen Experiments enthält, hinzu.

Was zuerst die Betäubung anbetrifft, von der Gerdy als dem ersten Zeichen der Aetherwirkung redet, so ist ihm dieselbe allenfalls zuzugeben. Sie hat aber mit der wirklichen Betäubung bei beginnendem Rausch nicht die mindeste Aehnlichkeit; denn während diese sichtbarlich auf der Hervorhebung der Subjektivität gegründet ist, finden wir hier nichts Anderes als eine plötzlich herabgesetzte und cessirte Anspannung der Nerventhätigkeit, und zwar in beiden Sphären derselben, in der sensiblen und in der motorischen. Man kann die Aetherwirkung passend mit dem das Einschlafen begleitenden Zustand vergleichen. Man könnte zwar behaupten, daß beim Einschlafen das Gefühl des ohnmächtigen Dahinsinkens ganz fehle, welches sich hier vorfindet; doch ist auch bei der Aetherisation dies Gefühl nicht konstant, vielmehr beruht es auf einer gewissen Aengstlichkeit, die bei öfterer Wiederholung des Versuchs verschwindet. »So hatte ich, sagt von Graefe, bei den letzteren an mir selbst angestellten Versuchen statt der von Gerdy erwähnten rauschähnlichen Betäubung am Anfang ganz das Gefühl einer hohen, körperlichen und geistigen Trägheit, weshalb willkührliche Bewegungen und logische Schlüsse, wie sie sonst mechanisch verrichtet werden, zu ihrer Ausführung die ganze Willenskraft in Anspruch nahmen, und bald darauf die Empfindung eines durch Abspannung herbeigeführten Einschlummerns.

Das Gefühl von Hitze im Kopfe und von Kälte der Extremitäten ist allerdings nicht selten, das Arterienklopfen sogar so häufig, daß ich darauf die von Gerdy meinen Versuchen zufolge überaus frühzeitig beobachtete Alteration des Gehörsinns zu schieben geneigt bin.«

Diese Alteration sah ich, allerdings bei Leuten, die zu subjektiven Gehörerscheinungen irgendwie geneigt sind, sich durch das Gefühl eines eigenthümlichen, klingenden, doch immer noch rhythmischen Geräusches manifestiren, das ihnen beim ersten Versuch oft große Angst einflößte, indessen die Wahrnehmung des Schalls nicht sehr behinderte.

»Das Gefühl von Uebelkeit kann sich in dem ersten Zeitraume der Aetherwirkung kaum einstellen, wenn es nicht etwa Folge des Schluckens des Aethers ist. Es muß als eine sympathische Erscheinung der Cerebralaffektion angesehen werden, die sich erst viel später einstellt. Was Herr Gerdy über die verschwindende Sinnesthätigkeit sagt, so ist es gewiß, daß er seinen Versuch nicht lange genug oder bei einer zu geringen Imprägnation der Luft mit Aethergas fortgesetzt hat.«

Wenn wegen der oben erwähnten Inertie eine mangelhafte Reaktion auf Sinneseindrücke stattfindet, so ist eine mangelhafte Aktion der Sinne selbst, und zwar aller Sinne unverkennbar. Mit Unrecht glaubt Gerdy den Geruchs-, Geschmacks-, Gefühlssinn ausnehmen zu dürfen, die eben so deutlich und im Allgemeinen noch eher als der Gehörsinn betroffen werden. Alle Sinne werden dumpf, verlieren allmälig ihren eigenthümlichen Charakter, lösen sich in eine allgemeine, mechanische Perception auf und verschwinden endlich ganz. Wie es überhaupt der Willenskraft gelingt, die Aetherwirkung sehr zu verzögern, so geschieht dies besonders in dem Zeitraume, wo die Sinneswahrnehmung anfängt sich zu verwischen; eine angespannte, intense Bethätigung der sensoriellen Funktionen hält deren Verfall bedeutend auf. So sind denn scharf riechende, schmeckende Substanzen, Anspritzungen mit kaltem Wasser die besten und schnellsten Antidota für die Aetherwirkung in diesem Grade. Vortrefflich ist das, was von Graefe über das Verschwinden der Sinne beobachtete. Die Reihenfolge, in der die Sinne verschwinden, variirt also nach der ihnen willkührlich verliehenen Bethätigung. Schließen der Augen bewirkt frühzeitiges Verschwinden der Sehkraft, Fixiren einzelner Gegenstände mit den Augen erhält dieselbe, genaues Aufmerken auf Alles, was gesprochen wird, erhält das Gehör, Unachtsamkeit macht es bald stumpf.

Abgesehen von dieser willkührlichen Erhaltung der einzelnen Sinne, beobachtete man gewöhnlich diese Folgereihe. Das Gefühl wird dumpf, fast gleichzeitig mit dem Geschmack, dann das Gesicht, dann der Geruch und endlich das Gehör. Das gänzliche Stillestehen der Sinnesthätigkeit findet gewöhnlich in derselben Succession Statt. Sehr oft geht aber die Beobachtung einer deutlichen Folge verloren, nämlich wenn in einem tiefen Athemzuge der Uebergang von der gedämpften Reizempfänglichkeit zur vollkommenen Reizlosigkeit und Bewußtlosigkeit vermittelt wird. In solchen Fällen beobachtet man beim Erwachen gewöhnlich die Rückkehr der Sinne in der oben beschriebenen umgekehrten Folge.

Unerwähnt ist in dem Bericht von Gerdy der dritte Zeitraum, der auf die aufgehobene Wahrnehmung mit physiologischer Nothwendigkeit folgen muß, nämlich die vollständige Bewußtlosigkeit, wo Verstand und Auffassung nicht mehr frei bleiben. Jede bewußte Communication mit der Wirklichkeit ist abgeschnitten, der Wille, etwas auszuführen, ist nicht mehr vorhanden, da dem Geiste alle Anhaltspunkte zur Aufrechthaltung oder Wiedererlangung des Selbstbewußtseins entzogen sind; dieser Zeitraum ist es, der allerdings mit dem Rausche zusammengestellt werden kann, da sich hier die, vorher bloß scheinbare, Gehirnaffektion wie im Schlaf durch Sinnesbetäubungen, nur auf eine andere Art wirklich ausbildet, wovon uns die Symptome Rechenschaft geben. War vorher eine Trübung des Bewußtseins, so findet jetzt ein wirkliches Aufhören desselben Statt.

Die Träume der Aetherisirten, wie von Graefe bemerkt, sind äußerst verschiedener Art, gewöhnlich nur die traumhaften Vorstellungen aus dem zweiten Zeitraume, da im dritten ebenfalls hierfür der Rückerinnerung alle Stützpunkte genommen sind. »Mir selbst blieb,« sagt er, »wie den meisten Anderen aus diesem Stadium nur das Gefühl einer unendlich langen, durchlebten Zeit zurück. Vergebens haschte ich in Gedanken nach der vergangenen Traumwelt, die mir wie vielen Anderen gleichsam einen reicheren Quell des Lebens zu umfassen schien. Eben so wenig verräth sich die Natur der Träume durch den Gesichtsausdruck. So hörte ich Jemanden bei der Aetherisation furchtbar stöhnen und sogar in förmliche Weinkrämpfe verfallen; er erwachte mit dem Gefühl des größten Wohlbehagens. Einen Anderen sah ich mit dem entschiedenen Ausdruck eines himmlischen Verzückens unbeweglich verharren; beim Erwachen glaubte er sich in der Mitte eines Haufens Gassenbuben, die seiner spotteten etc.

Uebrigens gilt für diese Träume, was für alle Träume gilt, daß sie im Allgemeinen die wichtigsten Hebel des inneren Lebens wählen. Träume von Verstorbenen beziehen sich meistens auf dahingeschiedene Verwandte und Freunde, welche die Seele sehr beschäftigen, bei Schwärmern sind Visionen religiöser Personen etc. sehr häufig. Beim Erwachen aus dem Zeitraume vollkommener Bewußtlosigkeit findet der Uebergang zum Normalzustande durch den zweiten Zeitraum bei successiver Sinnesrückkehr Statt. Ist die Aetherwirkung thatsächlich bis in den dritten Zeitraum gediehen und hat darin einige Zeit bestanden, so tritt sehr häufig Erbrechen ein, wie ich es an mir selbst zweimal wahrnahm. Was den Puls anlangt, so ist ebenfalls die Erfahrung des Herrn Gerdy nicht allgemein gültig.

In den meisten Fällen findet während der ersten Stadien eine bedeutende Acceleration Statt, die freilich zum großen Theil auf die psychische Aufregung zu schieben ist, doch erreichte selbst bei den letzten Versuchen an mir selbst, wo ich sehr ruhig war, der Puls eine Frequenz von 170 bis beinahe 180 Schlägen. Mehrere Male mußte ich Versuche wegen großer Pulsfrequenz unterbrechen. Eine Erscheinung, die aber nie fehlte, war die veränderte Qualität. Der Puls wird stets weich, was auf die herabgesetzte Contractilität der Arterienhäute zu beziehen ist. In den meisten Fällen sah ich auch eine kleinere Blutwelle.

Das Athmen ist im Anfange auch bei zweckmäßigen Apparaten stets beschleunigt, was theils auf die geistige Aufregung, theils auf die durch veränderte Luftmischung herbeigeführte Beschwerde zu beziehen ist; es stellen sich aber nach und nach längere Intervalle zwischen den Athemzügen ein, so daß die Frequenz bald unter das Normale geht und bei vollendeter Betäubung oft auf 8-10 Schläge sinkt.

Die mit elektrischen Schlägen vielfach angestellten Versuche bewiesen mir, daß die Empfänglichkeit für dieselben mit dem gänzlichen Erlöschen des peripherischen Gefühls ebenfalls aufhört. Später wurden auch sehr starke Schläge von äußerst empfindlichen Individuen gar nicht mehr percipirt. Sie zuckten zusammen, fühlten aber gar Nichts.

Bei allen zu Krämpfen geneigten Individuen treten dieselben gewöhnlich bei der Aetherisation ein, weshalb die ersten Stadien des Aetherschlafes bei Epileptischen und auch vielen Hysterischen verwerflicher sind, als bei vollsaftigen, die nur das letzte, wirkliche Congestions-Stadium zu vermeiden haben. – An 2 Individuen sah ich während der Betäubung eine ausgeprägte Catalepsie, Arme und Beine verharrten in der ihnen gegebenen Lage.

Erschwerte Sprache, die mehrere Tage andauerte, sah ich in einem Versuche unmittelbar nach der Aetherisation.

Im dritten Stadium fand ich gewöhnlich eine relative Retardation und eine steigende Größe und Fülle des Pulses, Erscheinungen, die auf die sich entwickelnde Congestion des Blutes in den Centralorganen hindeuten. Das Verhalten der Pupille variirt auch nach den Zeiträumen, doch bin ich, wiewohl ich in den letzten 100 Versuchen genau darauf achtete, noch keineswegs im Stande, eine gültige Regel dafür aufzustellen. Im dritten Stadium sah ich aber in ⅓ Fällen eine entschiedene Dilatation.

Es ist bei der Beobachtung eines schon an sich so schwierigen Zustandes, als der Aetherschlaf ist, durch die genauere Analyse der graduellen Entwickelung wenigstens gehörige Klarheit zu wünschen. Denn Ausdrücke wie: »der Geruchsinn ist nicht gelähmt« etc. geben ihrer Unbestimmtheit wegen zu großen Irrthümern Anlaß. Eine solche Analyse nun ist freilich nicht das Produkt einiger Versuche, sondern kann erst durch tausendfältige Wiederholung zu erzielen sein. Das Streben nach einer solchen analytischen Untersuchung möchte aber wenigstens den heut zu Tage so vielfach angestellten Experimenten eine wissenschaftliche Methode und ein wohl begründetes Ziel verleihen.«

Der Aether gegen den Schmerz

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