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Die Verantwortung für dein Leben

«Freiheit bedeutet Verantwortung.

Das ist der Grund, warum die meisten Menschen sich vor ihr fürchten.»

(George Bernard Shaw - irischer Dramatiker und Politiker; 1856-1950)

Jeder Mensch ist für sein eigenes Leben selbst verantwortlich. Entweder man übernimmt die Verantwortung oder man gibt sie an andere ab. Wenn man aber die Verantwortung abgibt, so wie es viele Menschen tun, dann ist es unsinnig und dumm, sich stetig zu beklagen, dass das was geschieht, nicht richtig sei. Es ist feige und unfair gegenüber denjenigen, welche die Verantwortung anderer übernehmen, sich engagieren und gestalten.

Henry Miller war ein erfolgreicher und sehr geschätzter Geschäfts- und Familienmann. Er wuchs mit seinem Bruder in schwierigen, ärmlichen Familienverhältnissen in der New Yorker Bronx auf. Sein Vater war ein Trunkenbold, der seine Kinder und seine Frau schlug und misshandelte. Die Startchancen der beiden Söhne waren deshalb wirklich alles andere als optimal. Der Bruder von Henry Miller betrog viele Menschen, verliess seine Frau und Kinder und lebte schlussendlich als Alkoholiker auf der Strasse. Als pures Gegenteil verlief das Leben von Henry Miller. Auf die Frage, warum aus ihnen das geworden ist, was sie nun sind, antworteten beide gleich: „Kein Wunder wurde ich das, was ich bin - bei so einem Vater.“ Die Brüder entwickelten sich diametral zueinander und nahmen die Vergangenheit dafür als den ausschlaggebenden Grund. Für Henry Miller war es die Motivation, anders zu werden: für seinen Bruder zählte die Ausrede.

Es ist für mich klar, spätestens nach den ersten 20-25 Lebensjahren ist man selbst für das eigene Glück, die Taten und den Weg, den man einschlägt, verantwortlich. Ab einem gewissen Alter ist man befähigt, selber Einfluss zu nehmen. Menschen, die mit vierzig Jahren noch die Lebensumstände für ihr Unglück verantwortlich machen, haben die Macht über sich selbst längst abgegeben und glauben an ihre Ausreden. Wie viele sagen desillusioniert, die Politiker oder die Chefs «da oben» machen ja eh, was sie wollen. Diese Menschen geben Macht ab. Die Politiker oder die Anderen sind nicht «da oben». Sie wohnen meist gleich nebenan. Wer anfängt, anderen Schuld zu geben, gibt automatisch Macht und Energie an andere ab.

Gemeinsam mit einem Freund hatte ich in meiner Jugend eine Eventfirma. Wir veranstalteten einen Grossanlass mit bekannten Musikbands. Der Event wurde leider ein grosser Misserfolg, und wir standen über Nacht mit horrenden Schulden da. Noch schlimmer, selber hatten wir absolut kein Geld. Ein Kollege von uns, der bei einer Bank die Lehre machte, riet uns, unsere Firma in Konkurs gehen zu lassen. Doch meinem Geschäftspartner und mir gefiel diese Idee nicht. Wir haben doch eben erst als Jungunternehmer gestartet, waren knapp über zwanzig Jahre alt und nun das. Wir entschieden uns gegen einen Konkurs und dafür, die Verantwortung für den Verlust zu übernehmen. So riefen wir unsere Gläubiger an, baten sie um Entschuldigung und um Aufschub für die Bezahlung der Rechnungen. Wir wollten alles zurückbezahlen, brauchten dafür aber Zeit.

Die Übernahme der Verantwortung brachte uns sogleich die ersten positiven Erlebnisse. Viele der Gläubiger bedankten sich bei uns, dass wir selber den persönlichen Kontakt suchten. Sie vertrauten uns und stimmten der längeren Zahlungsfrist zu. Wir mussten uns als Unternehmen neu «erfinden» und akquirierten verschiedene Werbemandate, unter anderem eines für ein Coiffeur Unternehmen mit vielen Filialen. Bei diesem Unternehmen konnten wir in Zürich, an bester Lage am Limmatquai, als Untermieter günstig ein Büro beziehen. Mein Geschäftspartner und ich trennten uns leider nach einiger Zeit, doch wir arbeiteten beide hart, um die Schulden zurück zu bezahlen. Tagsüber arbeitete ich in der eigenen Firma, während der Nacht auf der Sihlpost in Zürich als Hilfsarbeiter und an den Wochenenden als DeeJay in Bars und Clubs oder beim Radio als Moderator. In manchen Nächten stand ich, nach der Nachtarbeit bei der Sihlpost in Zürich, noch bis früh in den Morgen in einem Club an der Kasse. Auch meine Eltern unterstützten mich in dieser nicht einfachen Zeit. Ich bekam von ihnen zwar kein Geld, doch ich durfte kostenlos zu Hause wohnen und essen. Das war sehr hilfreich, und ich bin nachträglich unsagbar dankbar dafür. Nach etwa eineinhalb Jahren war es endlich soweit – alle Schulden waren zurückbezahlt. Nun, mit den ersten fünfzig Franken, die ich für mich ganz alleine verdiente, wollte ich mich selbst für das Ausharren belohnen. Ich ging in den Media Markt mit dem Plan, mir ein Computerspiel zu kaufen. So stand ich vor der riesigen Wand mit dutzenden von Computerspielen und entdeckte daneben ein kleines Regal mit Büchern. Mir stach sofort ein Buch in die Augen mit dem Namen „Goldgrube Internet“. Der langen Rede kurzer Sinn: Ich kaufte anstelle des Spieles dieses Buch und las es innerhalb von zwei Nächten komplett durch. Während des Lesens notierte ich auf einem Zettel etwa zwanzig Businessideen. Der Zufall wollte es, dass ein paar Tage später die Marketingleiterin eines grossen internationalen Kosmetikunternehmens in unserem Büro stand. Voller Enthusiasmus erzählte ich ihr von den Chancen, die das Internet künftig bieten wird. Sie zeigte sich sehr interessiert und teilte mir mit, ich solle in zwei Wochen vor der Konzernleitung des Unternehmens meine Ideen präsentieren. Zuerst einmal war das ein Schock für mich. Wir waren in den 90er-Jahren und ich kannte dazumal das Internet nur aus diesem Buch und nicht real. So habe ich mich mit einem Freund getroffen, der damals schon sehr viel von Computer und Grafik verstand, und machte mich in Internet-Cafés über das Internet und die Programmiersprachen schlau. Schliesslich programmierten wir für die Präsentation eine Testversion eines Internet-Shops beziehungsweise eines interaktiven Kundenbetreuungssystems. Für dieses Projekt habe ich glücklicherweise die absolut richtige Person angefragt. Besagte Person ist heute in Zürich Professor für Gamedesign. Wir präsentierten also unsere Idee der Konzernleitung, die begeistert war und uns einen Grossauftrag erteilte. So wurden wir, quasi über Nacht, zu einer der ersten und später durch eine Fusion zu einer der dazumal größten unabhängigen Internetfirmen der Schweiz.

Immer wieder stelle ich mir die Frage: Was wäre gewesen, wenn ich mich vor der Verantwortung und den Schulden gedrückt hätte? Wenn ich den Misserfolg als Ausrede genommen hätte und meine Verantwortung nicht übernommen hätte? Wenn ich nicht ein «Unternehmer», sondern ein «Unterlasser» geworden wäre? Ich weiss es nicht. Ich weiss nur, dass mich «das Messer am Hals» zu Höchstleistungen gebracht hat. Nachträglich bin ich stolz darauf, diese Verantwortung schon in jungen Jahren getragen zu haben, obwohl in dieser Zeit vieles sehr schwer war. Oftmals konnte ich mir kein Mittagessen leisten, und ich wusste damals natürlich auch nicht, dass alles doch noch gut kommen wird.

Unser Glück steht in unserer eigenen Verantwortung! Wir sollten, wenn immer möglich vermeiden, Verantwortung an andere abzugeben. Zum Thema Eigenverantwortung hat mich ein Videopost des amerikanischen Schauspielers Will Smith (*1968) beeindruckt. Seine Frau Jada Smith (*1971) meinte: «Man kann eine Person nicht glücklich machen, auch nicht in einer Ehe. Man kann jemanden zum Lächeln bringen, man kann dafür sorgen, dass sich jemand gut fühlt, aber ob jemand glücklich ist, können wir nicht beeinflussen.» Will Smith erwidert seiner Frau Jada: «Ok, das war’s. Ich höre auf und versuche nicht mehr, dich glücklich zu machen. Du musst dich von nun an selbst glücklich machen und mir beweisen, dass das überhaupt möglich ist.» Sie redeten davon, dass sie wohl diese falsche, romantische Vorstellung hatten, dass sie nach der Hochzeit Eins sein würden. Stattdessen wurde ihnen bewusst, dass sie zwei vollkommen unterschiedliche Menschen sind, auf zwei vollkommen unterschiedlichen Wegen. Aber sie haben sich entschieden, die unterschiedlichen Wege zusammen zu gehen. Will Smith meinte: «Wir haben erkannt, dass ihr Glück ihre Verantwortung und mein Glück meine Verantwortung ist.» Sie entschieden sich dazu, ihre eigene, innere, persönliche Freude zu finden und diese dann dem anderen sowie der eigenen Beziehung weiterzugeben. Nicht einfach zum anderen zu gehen mit der Erwartung, glücklich gemacht zu werden; und nicht zu verlangen, dass der andere für das Glück verantwortlich ist. Es wäre unfair und unrealistisch oder gar zerstörerisch, die Verantwortung für das eigene Glück jemand anderem als sich selbst aufzuerlegen.

Der amerikanische Senator Robert Kennedy, ehemaliger Justizminister und Bruder des ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy war der Meinung: «Nur Gott und die Engel dürfen blosse Zuschauer auf Erden sein». Er teilte die Auffassung des Griechen Platon (427-347 v. Chr.), dass in einer Demokratie ein Staatsbürger zu sein, die aktive Teilnahme am politischen Geschehen und am Leben bedeutet. In einer Demokratie soll sich die ganze Bevölkerung bemühen und engagieren. Aussagen wie, «die machen ja eh was sie wollen» oder «der Staat soll endlich was machen » oder «der Staat soll bezahlen, wenn was schiefläuft» stammen von Menschen, welche die Eigenverantwortung abgegeben haben. Wer ist denn dieser ominöse «Staat» in einer Demokratie? Wir alle sind das, wir Bürgerinnen und Bürger sind der «Staat». Wenn wir den «Staat» anprangern, dann prangern wir uns selbst an. Wenn der Staat Geld ausgibt, dann geben wir unser Geld aus. Wenn wir uns über „die da oben“, die in Bern oder die in Berlin oder in anderen Hauptstädten beschweren, dann gilt die Beschwerde uns selber. Wir können von denen, die den Mut hatten, einen Staat zu gründen, die Demokratie aufzubauen und zu schützen, sehr viel lernen. Und es gilt, das grosse «Erbe» mit Verstand, Zuversicht, Mitgefühl, Demut aber auch mit Ausdauer und Konsequenz zu schützen und zu ehren. Nichts ist perfekt, doch keine andere Ideologie auf der Welt hat es bis anhin geschafft, mehr Glück und Wohlstand für so viele Menschen zu schaffen als das System Demokratie. Viele, die grundsätzlich Anderes und Radikales propagieren, sind zum Glück schnell zu durchschauen, da sie stets extreme Forderungen stellen und auf ihren eigenen Vorteil schauen. Sie verlangen Rederecht oder gar einen Minderheitenschutz, aber gleichzeitig verbieten sie anderen Menschen eine eigene Meinung. Unter dem Schutzmantel der Political Correctness, des Zeitgeistes oder extrem rechter respektive linker Ideologien lehnen sie Andersdenkende radikal ab und diffamieren diese Menschen. Noch nie in der Weltgeschichte brachte irgendein Extremismus, welcher Auslegung auch immer, den Menschen Glück. Angelehnt an Robert Kennedys Aussage würde es für die Schweiz heissen: „Was aus der Schweiz, Europa und der Welt wird, hängt davon ab, was wir mit dem anfangen, was andere uns hinterlassen haben, um daraus aus bestem Wissen und Gewissen das Beste zu machen.“ Frühere Generationen, unsere Gross- und Urgrosseltern, haben unser Land zu einem Land gemacht, in dem wahrlich Milch und Honig fliesst. Logisch, vieles ist und war rückblickend nicht immer optimal, aber vieles wurde richtig gemacht. Die Arbeit und der Verzicht der Vorgenerationen sind die Grundlage für den Erfolg und unseren Wohlstand. Dies darf nicht vergessen gehen. John F. Kennedy meinte: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern frage, was du für dein Land tun kannst.“

Quellen und weiterführende Literatur

• Will Smith - I'm not responsible for making Jada happy.

https://youtu.be/nUwzrqcPujg

• John F. Kennedy, Zivil Courage, Econ Verlag, 14. Auflage, 1969.

• Dale Carnegie & Assoc. Der Erfolg ist in dir! Scherz Verlag, 14. Auflage 2001.

• Dr. Joseph Murphy, Die Gesetze des Denkens und Glaubens, Hugendubel Verlag, 14. Auflage, 2001.

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