Читать книгу Digitale Markenführung - Dieter Georg Herbst - Страница 6
2.3 Wie sich Markenführung entwickelt hat
ОглавлениеDas Verständnis von Marken als Produkte und Leistungen mit einem einzigartig attraktiven und belohnenden Erlebnis ist im Lauf der Zeit entstanden. Werfen wir einen Blick auf diese Entwicklung:
► Marke als Absenderhinweis: In den Anfängen war die Marke der Absenderhinweis auf einem Produkt: Im Altertum markierten die Händler ihre Tonwaren mit einem unverwechselbaren Zeichen. Dieses Zeichen signalisierte jedem, wer den Tonkrug gefertigt hatte. Amerikanische Cowboys drückten ihren Rindern ihr einzigartiges Brandzeichen aufs Fell, um sie von den Rindern der anderen Farmer zu unterscheiden. Hiervon stammt auch der englische Begriff Brand, der ins Deutsche als Brandmarke oder Brandzeichen übersetzt wird. Marke und Markierung waren also identisch. Die Grundlage der Beziehung und des Vertrauens zwischen Händler und Käufer bildete der persönliche Kontakt.
► Marke als Merkmalsbündel: Durch die Industrialisierung löste sich der persönliche Kontakt zwischen Hersteller und Konsument auf. Vertrauen sollte von nun an entstehen, indem das Produkt als Marke bezeichnet wurde und bestimmte Merkmale garantierte: Die Marke stand für eine markierte Fertigware von bleibend hoher Qualität, die in gleicher Menge und gleicher Aufmachung in einem größerem Absatzraum angeboten wurde und durch starke Verbraucherwerbung und hohe Anerkennung im Markt gekennzeichnet war. Allerdings reichten diese Merkmale nicht aus, um sich gegen die Konkurrenten ausreichend abzugrenzen: Wie sollten sich Autos unterscheiden, wenn sie alle von guter Qualität und breit verfügbar sind? Zudem setzten Konsumenten gute Qualität zunehmend als selbstverständlich voraus. Breite Verfügbarkeit? Es gibt starke Marken, die gerade dadurch gekennzeichnet sind, dass sie nicht breit verfügbar sind, wie zum Beispiel ein Rolls Royce. Gleichbleibende Aufmachung? Dann hätte eine der erfolgreichsten Marken der letzten Jahrzehnte keine sein dürfen: die Schweizer Swatch-Uhr. Die Einengung auf Fertigwaren schien zu eng, da der Wettbewerb auch im Dienstleistungssektor und in der Investitionsgüterindustrie drastisch zunahm. Das zentrale Problem war, dass der Verbraucher durch die Produktorientierung nur Randfigur war – seine Wünsche, Erwartungen und Vorstellungen wurden nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie die dynamischen Beziehungen zwischen Marke und Verbraucher. Der zunehmende Wettbewerb änderte dies.
► Marke als Vorstellungsbild: Seit Mitte der 70er Jahre rückt der Konsument in den Mittelpunkt der Markenführung: Allein seine Vorstellungen vom Produkt (Markenimage) gelten als entscheidend dafür, was die Marke ist und was nicht. Das Verständnis wandelte sich also vom Aussagekonzept (Markeneigenschaften) zum Akzeptanzkonzept (Markenwirkung). Weitere Entwicklungen führten auch dieses Konzept an seine Grenzen:
► Wenn nur der Verbraucher entscheidet, was eine Marke ist, hat die Markenführung wenige Anhaltspunkte, um Marken gezielt aufzubauen und zu entwickeln.
► Indem die Marke nur darauf gerichtet ist, dem Kunden zu gefallen, ändert sich die Marke nach dessen Belieben und nach dem Zeitgeist. Dies wäre vergleichbar mit einem Menschen, der allen gefallen will. Jedoch verliert hierdurch die Marke an Aussagekraft und Persönlichkeit. Ein fataler Fehler! Der Verbraucher braucht Orientierung und Vertrauen in eine Leistung, die seinen Wünschen dauerhaft entspricht und die sich von anderen unterscheidet.
► Ein weiteres Problem der Konzentration auf das Image: Wie die Marke handelt, wird zu wenig beachtet. Folge: Der in der Werbung erzeugte Eindruck stimmt nicht mit den Alltagserfahrungen der Konsumenten überein.
► Probleme verursachte schließlich das Führen von mehreren Marken unter einem Markendach und das Ausdehnen von Marken in andere Segmente: Welches Markendach ist glaubwürdig? Welche Eigenschaften kann die Marke in andere Märkte transportieren? Antworten waren mit dem einzig am Image bezogenen Verständnis nicht möglich.
► Marke als Persönlichkeit: Seit den 90er Jahren sind beide Sichten verbunden: Die Marke wird als Produktpersönlichkeit verstanden. Die Marke als Mensch zu sehen, hat den Vorteil, dass der Konsument jene Marke wählt, die seiner eigenen Persönlichkeit am stärksten entspricht. Markenführung bedeutet den Aufbau und das Entwickeln dieser Produktpersönlichkeit (Absenderkonzept). Ziel der Markenführung ist die langfristige Gestaltung des Markenimages, also jener Vorstellungen, die der Verbraucher und andere Bezugsgruppen, zum Beispiel Mitarbeiter, von der Marke haben (Empfängerkonzept). Die Markenführung richtet sich demnach nach innen und außen. Damit ein klares, widerspruchsfreies Image entsteht, sind alle Aktivitäten des Unternehmens vernetzt. Probleme zeigen sich auch mit diesem Konzept:
► Die Marke kann dem Kunden etwa bieten, was dieser selbst nicht hat. Ein Beispiel wäre ein Arzneimittel, das die Kontrolle über die eigene Gesundheit verspricht, die der Kunde sich nicht selbst geben kann. Ein anderes Beispiel wäre die Beratungskompetenz einer Bank oder die Kreativität einer Marke wie Apple, die der Käufer selbst nicht haben muss.
► Die neuen Möglichkeiten der Hirnforschung zeigen, dass eine Marke keine Aktivitäten in unserem Gehirn auslösen wie ein Mensch. Der Vergleich der Marke mit einer Person ist also höchstens eine bildhafte Hilfe.
► Die Konzentration auf die Persönlichkeit von Marke und Käufer lässt die Bedeutung von Emotionen aus dem Blickfeld rücken. Jüngste Forschungen zeigen, dass es die Emotionen sind, die Handlungen auslösen und den Markenkauf.
Die starken Gefühle durch die Marke können letztlich den Markenkauf erklären
► Die Marke als Belohnung: Viele aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen nach Erlebnissen entscheiden - wir wollen bestmögliche Gefühle mit einer Marke erleben. Ein Beispiel: Wir könnten 3 Computer kaufen - von Apple, von Dell, von Microsoft. Um sich zu entscheiden, stellt sich unser Gehirn parallel und gleichzeitig vor, was wir erleben, wenn wir jeden dieser Computer kaufen. Es fragt sich, mit welchem Computer wir uns am wohlsten fühlen und wie wir mit dem Kauf auf andere wirken. Jene Marke, die uns mit den stärksten Erlebnissen belohnen, werden wir kaufen.