Читать книгу E R S A N - Dieter Gronau /// AMEISE - Страница 3

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E r s a n

Das Gebet seiner Väter!

Der Mensch wird hineingeboren an einen Platz oder Ort, wo er manchmal, wie sich später herausstellt, und er auch selber feststellen muss, er es sich niemals so gewünscht hätte. Das nennt man dann klugerweise Schicksal!

Der eine wird förmlich im Dreck geboren, bedroht an Leib und Seele vom ganzen Unrat um ihn herum, der andere auf einem Haufen Reichtum und Macht und bedroht von Neidern und Nichtgönnern.

Also ist es doch eigentlich völlig egal, an welchem Ort der Mensch geboren wird. Entscheidend ist doch, wie er sein weiteres Schicksal beeinflussen und womöglich etwas verändern kann, ob zu seinem Besten oder zu seinem Nachteil, das weiß man zum Glück nie vorher. Die Wahrheit stellt sich immer viel später heraus. Es gibt da eben doch noch eine höhere Gerechtigkeit auf Erden, die so genau keiner erklären kann. Wichtig ist, es gibt sie und sie funktioniert zuverlässig. Selbst der größte Großrechner kann das das Ergebnis nicht vorausberechnen, selbst er zeigt verschiedene Möglichkeiten und Ergebnisse an.

Es geschieht tausendmal und öfter in der Sekunde auf unserer so schönen und dennoch grausamen Welt.

So auch in der Türkei, in Eski-Datca, auf einer Landzunge zwischen dem Ägäischen- und dem Mittelmeer. Einer Gegend, die jeder Türke gut kennt, wegen der gesunden Luft und den vielen Stränden. Ganz zu schweigen von dem antiken Ort, Knidos, wo die alten Griechen schon medizinische Schulen betrieben und heute noch jedem Besucher, der sich etwas mit dieser antiken Stätte befasst hat, sich die Nackenhaare sträuben. Es ist noch immer eben ein magischer und ungewöhnlicher Ort, dieses Knidos. Wo der ständige Wind dem Besucher viel erzählen will, könnte man ihn verstehen. Es reicht schon, findet man an diesem Ort die innere Ruhe und erahnt etwas, das reicht schon, um einen Gänseschauer nach dem anderen zu erleiden.

Am Rande von diesem kleinen Ort Eski-Datca, in einer kleinen Olivenplantage, mit Olivenbäumen, die schon ein halbes Jahrhundert überlebt haben, lebt Jusuf, mit seiner Frau Emine und seinen nun inzwischen schon fünf Töchtern. Jusufs sehnlichster Wunsch, wie bei allen türkischen Familien, ist es, endlich einen Sohn in den Armen zu halten, einen Erben für sein Lebenswerk. Er wusste auch seit 15 Jahren, wie sein Sohn heißen müsste, Ersan, so wollte er ihn nennen. Ein für Jusuf magischer Name und Ausdruck für Kraft und Stärke. Die er selber besaß, wie Jusuf von sich selber behauptete, aber leider viel zu selten beweisen konnte, weil ihm die Mittel und Möglichkeiten dazu fehlten, denn er lebt mit seiner Familie nur in einem kleinen Dorf in der Türkei und Hatte noch nie eine große Reise unternommen, um andere Menschen und Städte kennenzulernen. So hatte er sich damit begnügt, das beste aus seinem Leben zu machen Inzwischen war er schon so bescheiden geworden, das er sich jeden Morgen nach dem Aufstehen und dem Morgengebet, über den neuen Tag bei Allah bedankte. Im Abendgebet vergaß er nie, seit 15 Jahren, bei Allah um einen Sohn zu bitten. Aber Allah hatte noch immer kein Erbarmen mit Jusuf. Nun hatte er schon geduldig sich mit 5 Töchtern abgefunden, aber einen Sohn, das wäre doch wirklich etwas. Welche schwere Bürde hatte Allah dem Jusuf auferlegt!

Jetzt war Jusuf und Emine wieder guter Hoffnung, Es wurde täglich mit einer erneuten Geburt gerechnet.

Die Hebamme, aus der Nachbarschaft, eine alte Frau, die sich gut mit Kartenlegen und Wahrsagen aus dem Kaffeesatz auskannte, hatte schon vielen Kindern aus Eski-Datca und den Nachbarorten auf die Welt geholfen, sie hatte ihre Fähigkeiten vor vielen Jahren in einem Krankenhaus in Mugla, der Kreisstadt, erworben und galt als beste Kraft in dieser schweren Stunde, einer Geburt.. Wie alt sie inzwischen schon war, wusste keiner im Ort, sie vermutlich selbst auch nicht. Einen Ausweis besaß sie nicht, den hatte sie auf einem Heimweg unbemerkt verloren und nie wiede bekommen. Vermutlich hatte eine Ziege ihren Ausweis aufgefressen, denn der Wegesrand wurde noch immer ständig von unzähligen Ziegen abgeweidet. Wozu brauchte sie auch einen Ausweis, jeder im Ort kannte und schätzte sie., das genügte doch! Sie war in weitem Umkreis eine verehrte und bekannte Persönlichkeit, bekam von allen Müttern, denen sie in ihrer schwersten Stunde erfolgreich geholfen hatte, Früchte von Garten und Feld, Fleisch, Brot und Käse, alles frisch. Sie brauchte sich nur noch um ihre Trinkwasser zu kümmern., das sie aus einem alten Brunnen hinter ihrem Haus gewann.

In der Nachbarschaft munkelte man inzwischen, in diesem Brunnen soll sich besonderes Wasser sammeln, weil sie allen so gesund und rüstig erschien. Wie alt dieser Brunnen schon war, konnte auch keiner bestimmen. Einige, besonders Kluge, dazu zählte auch der alte Dorflehrer, meinten nach dem zweiten Raki, einem Anisgetränk, den Brunnen hatte einst ein griechischer Bauer errichtet und soll einen unterirdischen Zugang zu einer Höhle gehabt haben, wo sich der Bauer, samt Familie, bei räuberischen Überfällen verstecken konnte. Diese Bauernfamilie sollen die Gründer von Eski-Datca gewesen sein.

Ein Nachbar soll, so gegen Mitternacht, auf seinem Nachhauseweg von einer Feier beobachtet haben, wie die Hebamme, die alte Frau, sich tief über den Brunnen gebeugt, am Zugseil des Wasserbehälters sich festklammernd, sich aufgeregt mit etwas oder jemand im Brunnen unterhielt und kurz darauf den Wassereimer aus dem Brunnen nach oben zog, der, wie der Nachbar noch heute schwört, bis an den Rand gefüllt war mit Weinflaschen, deren Inhalt im Mondlicht deutlich tiefrot aufleuchtete. Was war das bloß für ein Brunnen? Oder war es der Eingang in eine andere Welt, ins Jenseits, wie man in unseren Kreisen zu sagen pflegte. War das der Quell ihrer Lebensenergie, von der alten Frau, der Hebamme?

Genau sie hatte Jusuf, wie bei den Geburten seiner fünf Töchter, um Hilfe gebeten. Hilfe für seine Frau Emine, Hilfe für das Kind, hoffentlich einen Sohn!

In der Nacht zuvor hatte Jusuf einen merkwürdigen Traum. Er hütete, wie so oft, wieder einmal seine Ziegenherde am Hang des Berges. Es war Mittag, alle Ziegen hatten sich, an einem schattigen Plätzchen, zur Mittagsruhe niedergelegt. Die Sonne war stechend heiß und schien durch seinen alten Hut auf dem Kopf und auf seine Halbglatze zu brennen, das es ihm in den Ohren zu sausen und zischen begann. Jusuf tat es seinen Ziegen gleich, die Natur machte es dem Menschen oft vor, wie er sich zu verhalten habe und streckte sich auf seiner alten, stets mitgeführten, grob gewebten Decke, der Länge nach unter einem alten Feigenbaum aus und schlief auch kurz darauf sofort tief ein. Dann hatte er diesen ungewöhnlichen Traum: sein Ziegenbock stand plötzlich , so groß und gewaltig wie ein ausgewachsener Bulle, vor ihm und senkte langsam seinen Kopf, streckte sein spitzes Gehörn ihm entgegen und sprang mit aller Wucht auf ihn, rammte die rechte Hornspitze in Jusufs rechte Brustseite, zog das Gehörn wieder heraus und blickte ihn mit blutbespritztem Kopf und Augen voller Hass an. Kurz darauf ertönte eine liebliche Musik es klang wie von vielen Harfen gezupft. Alle seine Ziegen standen im Kreis um Jusuf herum und blickten ihn erstaunt mit ihren dunklen braunen Augen an. Dann schien Jusuf von etwas getragen zu werden, ganz langsam und behutsam schwebte er über den Erdboden. Dann wurde Jusuf plötzlich wach, ergriff seinen knorrigen Hirtenstab und drosch auf den aufgeschreckten Ziegenbock mit solcher Wucht ein, das sich das arme Tier auf seiner Flucht vor weiteren Schlägen fast ein Bein brach und erschreckt und an allen vier Beinen sichtlich zitternd auf einer Anhöhe stehen blieb und zu ihm hinunter schaute.

Du verdammtes Mistvieh! Was sollte das sein? Was sollte das bedeuten? Du hast mich umgebracht, du As!“ Schrie Jusuf seinem verstörten Ziegenbock zu und begann seine Ziegenherde in das nächtliche Gatter zu treiben und einzusperren.

Du bleibst heute Nacht alleine draußen! Ein Wolf soll dich ruhig fressen! Such dir deine Futter und Wasser selber, du Ungeheuer!“

Abends, fast bei Vollmondschein, klopfte es an der Haustür von Jusuf seinem bescheidenen Heim.

Es ist so weit! Die Sterne sagen es mir und haben einen guten Standort am wolkenklaren Himmel über Eski-Datca. Es muß stündlich so weit sein. Euer sechstes Kind will auf die Welt. Lass uns gemeinsam zu dem alten Olivenbaum im Garten gehen, wie bei der Geburt eurer Töchter. Der alte Baum ist ein guter Schirmherr für unser Vorhaben“, rief die alte Hebamme durch die Haustür noch immer ständig mit ihrer Faust an die Haustür klopfend. Die Haustür sprang lautlos auf und Emine stand in einem weißen sauberen Tuch gehüllt vor der alten Dame.

Ja, Allah will es so! Es soll geschehen! Ich gebe mich in deine heiligen Hände, Allah! Allah sei mit uns und beschütze uns!“ Betete Emine mit gefalteten Händen und hin und wieder zum Himmel aufschauend, so schritt sie langsam zu dem Platz im Garten unter dem alten Olivenbaum. Die alte Dame, die Hebamme, breitete ein großes Tuch auf dem mit halbhohen Gras bewachsenen Platz aus, eilte noch einmal schnellen Schrittes ins Haus und kehrte mit einem tönernen Krug voll Wasser und einer Handvoll weißer Tücher zu Emine unter dem Olivenbaum im alten Garten hinter dem Haus zurück.

Emine stand vor dem alten Baum, die gefalteten Hände weit über den Kopf in die Höhe gestreckt und betete etwas in flehendem Ton. Ein plötzlicher, stechender Schmerz ließ sie in sich zusammensinken und fand sich liegend auf der rechten Seite auf dem großen Tuch am Boden wieder. Die alte Frau neben ihr, griff in ihren Umhang, zog eine Flasche mit einem roten Inhalt hervor und stellte sie auf den Stammstumpf eines Olivenbaumes, der vor einigen Wochen gefällt werden musste, ab.

Ein unüberhörbares Stöhnen, das nicht von dieser Welt schien, ließ das Gezwitscher der Vögel in den umliegenden Bäumen je verstummen. Mal tönte es lauter, dann wieder leiser fast zischend, dann wieder klagend um kurz darauf vollends zu verstummen. Ein neugierig, über dem Platz da unten, seinem Lieblingssitz in den obersten Zweigen, jetzt aufgeschreckt und am Himmel seine Kreise zeichnender Falke zeigte mit seinem langgezogenen Ruf an, das jetzt eine besondere Stunde begonnen hätte und heute ein besonderer Tag wäre. Ein lauter Schrei, ähnlich dem des Falken am Himmel in luftiger Höhe, zeigte an, es war so weit, die Welt, die Familie von Jusuf hatte einen Erdenbürger mehr. Ein zuerst leises Wimmern, dann Geschrei, ließ die Hebamme aufgeregt hin und her hantieren. Es war immer wieder erstaunlich, wie beweglich und flink, trotz ihres scheinbar hohen Alters, diese alte Dame noch war. Sie griff nach einigen Minuten nach den Flaschen mit dem roten Inhalt auf dem Baumstumpf neben dem alten Olivenbaum, hielt die merkwürdiger Weise bereits geöffnete Flasche Emine an den verschwitzten Mund und ließ von dem Inhalt einige Schlücke Emine trinken.

Es ist geschafft! Allah, wir danken dir für einen Sohn!“

In hohem Bogen schleudert die alte Frau, einen Schluck des Flascheninhaltes gegen die Stammrinde des alten ehrwürdigen Olivenbaumes, nahm dann ebenfalls einen tiefen Schluck aus der geheimnisvollen Flasche, über deren genauen Inhalt es bei den Nachbarn von Jusuf

die merkwürdigsten Spekulationen gab, beträufelte dann den Kopf des neugeborenen Knaben ebenfalls mit dem tiefroten Inhalt und zerschmetterte dann die noch halbvolle Flasche auf einem großen Stein, der sich an der Aufschlagstelle blutrot färbte.

Oh Allah, du hast uns mit deiner ungeheuren Kraft und Güte beigestanden und uns gestützt mit deiner unendlichen Macht! Sei Dank! Sei Dank viele mal! Gib du dem neuen Erdenbürger etwas von deiner Macht, Stärke und Güte, er wird es gebrauchen in seinen noch vor ihm liegenden langem Leben! Hab

E R S A N

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