Читать книгу E R S A N - Dieter Gronau /// AMEISE - Страница 6
Überschrift 3
ОглавлениеLastwagen, Bus oder Pkw entlang. Mit schnellen langgestreckten Beinen, war Ersan am Straßenrand
„Welche Fahrtrichtung? Wo stand die Sonne? Das ist Westen, dann ist da Norden und Izmir und noch weiter Istanbul.“ Erklärte er sich selber halblaut. Nachdem sich Ersan für die richtige Reiserichtung entschieden hatte, versuchte er durch winken am Straßenrand ein Fahrzeug anzuhalten. Es dauerte eine ganze Weile. Keiner wollte den einsamen Jungen mit dem kleinen Rucksack mitnehmen.
Doch endlich, ein riesiger Lastkraftwagen mit einem Anhänger voller Tomatenkisten hielt mit quietschenden und laut jaulenden Bremsen etwa 50 Meter weiter neben ihm an. Ersan lief schnell den Rest der Strecke bis zum endlich stehenden Lastkraftwagen. Die Beifahrertür des Fahrerhauses wurde mit Schwung aufgestoßen und wippte im Wind leicht hin und her. Ein kugelrundes Gesicht von einem ebenso kugelrunden Mann blickte lachend zu Ersan herab.
„Na junger Mann, wo soll es denn heute hingehen? Komm steig ein! Du kannst mir während der Fahrt alles in Ruhe erzählen.“
„Oh danke guter Mann!“ Ersan war mit einem Satz im Fahrerhaus des Lastkraftwagens.
„Toll haben sie es hier! Ich bin noch nie in so einem großen Auto mitgefahren. Vielen Dank! Ich will nach Norden zu meinem Vater, er wohnt in Istanbul,“ erklärte sich Ersan.
„Na da hast du aber Glück, das ist auch mein Fahrtziel. Morgen Mittag soll ich die Tomaten dort in einer Fabrik abliefern. Dann können wir ja zusammen weiterfahren. Prima, so können wir ein wenig während der Fahrt plaudern und es ist nicht mehr so langweilig für mich. In diesem Fahrzeug ist leider das Radio defekt, habe versucht es zu reparieren, hat nichts gebracht, Pech! Muss vermutlich ein Fachmann in einer Werkstatt machen. Hast du vielleicht ein bisschen Ahnung? Ihr jungen Leute habt doch heutzutage alle ein so glückliches Händchen für technische Probleme, besonders was die Musik angeht.“
„Klar, ich kann es mal versuchen!“ Ersan sah sich das Radiogerät in der Konsole an. Ich müsste das Gerät einmal rausziehen, um die Rückseite zu sehen. Strom bekommt das Gerät. Die Dioden leuchten alle. Mh, so geht es nicht! Hast du so etwas wie einen Schraubenzieher?“
„Neh, mein Junge! Mit dem Bordwerkzeug haben sich schon alle meine Vorgänger eingedeckt. Mein Privatwerkzeug habe ich leider in aller Eile vergessen. Der Auftrag für diese eilige Fahrt traf mich nachts während des Schlafes, so habe ich die Hälfte vergessen. Sogar etwas zu Essen. Ich lebe seit acht Stunden nur noch von Tomaten und deren Saft. Hast du etwas Vernünftiges zu beißen dabei?“
„Klar, dafür haben meine Eltern gesorgt. Ich habe frischen Ziegenkäse und Brot aus unserem Backofen, sowie frisches Wasser aus unserem Brunnen im Garten dabei.“
„Lecker, wollen wir nicht mal erst eine kleine Pause einlegen? Dann ruckelt das Fahrzeug auch nicht so und du kannst dich leichter mit dem Radio befassen!“
„Na gut, es ist fast Mittag. Ich habe zwar noch keinen großen Hunger, aber naschen, so zwischendurch, kann man eigentlich immer.“ Mit viel Geruckel und Gequietsche hielt der Lkw in einer Parkausbuchtung neben der Straße, die wie ein Rastplatz wirkte. Ersan kramte seinen Käse, das Brot und stellte beide Wasserflaschen neben sich auf die Sitzbank im Fahrerhaus.
„Herrlich, das ist ja ein göttliches Essen. Lecker, der Käse, selbst gemacht?“
„Ja, von meiner Mutter, auch das Brot!“
„Du hast aber eine tüchtige Mutter. Wieso ist dein Vater nicht bei euch zu Hause?“
„Er arbeitet in einer großen Fabrik bei Istanbul und schickt uns jeden Monat etwas Geld. Bei uns im Ort hat er keine Arbeit mehr gefunden.“ Ein seitlicher, nur für Ersan bemerkbarer Tritt gegen sein rechtes Schienenbein und eine tiefe Stimme sagte,“ Na, mein Junge, das wollen wir lieber nicht sagen, das ist doch nicht die Wahrheit, oder?“
„Ja Vater, das ist keine Lüge, das ist nur eine Ausrede um das Ziel meiner Reise besser zu erklären.“
nun gut, ich verzeihe dir diesmal, mein Sohn! Aber treibe es nicht zu doll!“
Ersan hatte das Fahrerhaus verlassen, um draußen einen passenden Gegenstand zu suchen, womit er das alte Autoradio raushebeln konnte. Er fand auf der Straße ein plattgefahrenes stück Blech, das sich für sein Vorhaben eignete.
„Na siehste, es klappt doch! Da haben wir den Übeltäter. Der Antennenstecker hatte sich gelockert und war fast ganz abgerutscht. Das haben wir gleich wieder in Ordnung. So jetzt! Kannst du jetzt einmal die Zündung einschalten, um Strom zu bekommen!“
„Klar, das haben wir gleich!“ Sagte der auf beiden Backen mampfende dicke Mann und leerte noch schnell die zweite Wasserflasche von Ersan.
„Juhu, es knackt und rauscht schon! Jetzt muss ich nur noch einen Sender einstellen. Dann habe ich mir aber einen tiefen Schluck Wasser verdient!“ Irgendein türkischer Sänger krächzte aus dem Radio durch das Fahrerhaus, der noch immer eifrig kauende Fahrer grinste und stellte die leere Wasserflasche neben sich auf seinen Sitz. ab.
„Na wunderbar, jetzt haben wir keine lange Weile mehr. Wo ist mein verdientes Wasser?“
„Oh je, mein Junge, ich habe ausversehen auch noch deine Wasserflasche geleert. Ich besorge dir bei nächster Gelegenheit neues Trinkwasser“
„na schön, das ist aber eine schlechte Entlohnung bei dir! Machst du das immer so? Nur an sich selber denken, den Rest bekommt dann, wenn überhaupt noch etwas übrig ist, die andere Seite!"
Schweigend fuhren beide bis in die Abenddämmerung. Nur das musikalische Geplätscher aus dem Autoradio verschönte die Atmosphäre im Fahrerhaus etwas. Ersan dachte mit etwas Trauer an sein Elternhaus. Da gab es immer genug für jeden und alle hatten Hochachtung vor dem anderen. Was war der Dicke neben ihm wohl für ein komischer Mensch? Hatte er auch ein vernünftiges Elternhaus gehabt? Vielleicht erzählte er, während der Weiterfahrt auch freiwillig mal etwas über sich selber. An einer Tankstelle stoppte der Dicke sein Fahrzeug. Er ließ seinen Treibstofftank auffüllen, zog ein Bündel Geldscheine aus seiner Hosentasche und bezahlte den Dieselkraftstoff beim Tankwart.
„Du, da hinten ist ein Wasserhahn. Fülle unsere beiden Wasserflaschen da auf!“ Befahl der Dicke Ersan, seinem tüchtigen Beifahrer. Ersan tat nachdenklich, was ihm der Dicke aufgetragen hatte, trank unter dem voll aufgedrehten Wasserhahn so viel, wie er irgendwie selber trinken konnte und füllte dann beide Wasserflaschen bis zum Überlaufen. Wer weiß, wann es wieder Wasser für ihn gab. Wasser war wichtig. Essen, was ihm der Dicke alles restlos weggefressen hatte, darauf konnte Ersan ruhig einige Tage gut verzichten. Als Ersan mit den Wasserflaschen in beiden Händen zum Fahrzeug zurückkehrte, palaverte der Dicke gerade mit einem anderen Fahrer.
„Nach etwa 5 Kilometer ist die Straße blockiert. Da ist ein Anhänger umgekippt. Ihr müsst vorher abbiegen und durch ein Dorf fahren.“
„Ok, das werde ich machen!“ Erwiderte der Dicke seinem Gesprächspartner im anderen Lkw. Ersan hatte eine Wasserflasche in seinen Rucksack gesteckt, die zweite versteckte er, nicht sichtbar für den dicken Fahrer, hinter seinem Sitz. Nach ein paar weiteren Stunden des Schwitzens und Schweigens,
Verdammt, ich habe einen Durst! Kannst du mir mal das Wasser reichen! Oh je, an der letzten Tankstelle haben wir vergessen, uns etwas zu essen zu besorgen!“ Der Dicke trank mit ein paar Schlücken die halbe Wasserflasche leer., verschraubte sie wieder und stellte sie neben sich auf seinen Sitz. Er kam überhaupt nicht einmal auf die Idee, Ersan zu fragen, ob er auch Durst hätte. Nur er selber war wichtig. Nach einer weiteren Stunde war auch der Rest der Wasserflasche geleert
„Oh man, ich hab Durst. Eine Affenhitze heute. Die Tomaten kommen nur noch als Matsch an. Macht sowieso nichts, die machen dort nur Ketchup draus. Was die Flasche ist leer? Wo ist die andere, die zweite Flasche?“
„Ach je, die muss ich bei der Tankstelle vorhin in aller Eile stehen haben lassen! In meinem Rucksack ist auch keine. Das tut mir leid!“
„Du dummer Kerl, kannst nicht mal auf zwei Wasserflaschen aufpassen. Dich sollte man doch wirklich! Dafür bleibst du heute Abend durstig und hungrig!“
„Ach lieber Mann, das kannst du mir doch nicht antun, immerhin habe ich dir dein Autoradio repariert und mein ganzes Essen hast du mir einfach weggegessen. Findest du das gerecht von dir?“
„Was ist heutzutage schon noch gerecht? Gerecht ist etwas, wenn es einem persönlich nützt! So jetzt halten wir an. Ich muss mir selber etwas zu trinken schaffen. Du kannst zuschauen und etwas lernen!“
Der Lkw hielt ruckelnd und laut quietschend endlich an. Der Dicke ließ sich, auf seiner Seite nach dem Öffnen der Tür, regelrecht aus dem Auto fallen, denn normal aussteigen, konnte er bei seiner Leibesfülle schon gar nicht mehr. Der Sitzplatz auf der Sitzbank, wo er bisher gesessen hatte, wirkte pitschnass von seinem Schweiß und stank fürchterlich. Jetzt war die beste Zeit für Ersan, ein Griff mit der linken Hand hinter seinen Sitz, zog die zweite Flasche hervor und leerte imnu die halbe Wasserflasche mit dem Wasser von vorhin, von der Tankstelle und ließ sie sofort wieder in dem Versteck hinter seinem Sitz verschwinden.
„He Junge, wo bist du? Komm her, ich will dir etwas zeigen!“
„Ja, einen Moment!“ Ersan schwang sich elegant von seinem Sitzplatze und landete mit beiden Füßen gleichzeitig auf der asphaltierten Straße. Dann eilte er schnellen Schrittes zu dem Dicken, der sich aufgeregt an einer Tomatenkiste auf dem Anhänger zu schaffen machte.
„Ja, schau mal, so macht man es!“ Nach diesen Worten griff der Dicke mit seiner rechten Pranke in die Tomatenkiste, nahm eine Tomate in die Hand, quetschte seinen Kopf in den Nacken und presste die überreife Tomate so lange über seinem weit geöffneten Mund, bis der Saft der Tomate tropfte, mal dicker, mal dünner, dann warf er die ausgequetschte Tomate an den Straßenrand und ergriff sofort die nächste aus der Kiste auf dem Anhänger.
„Siehste, so hilft man sich weiter, ist das Trinkwasser mal knapp. Hast du großen Hunger, kannst du den Rest der Tomate auch noch aufessen. Das sättig dann noch. Für ein paar Stunden und ist außerdem sehr gesund.“ Ende der Belehrung für Ersan, Wenn der Dicke wüsste, wie viele Tomaten, sonnenwarm und herrlich süß, Ersan schon selber zu Hause im Garten genascht hatte. Lieber den Mund schön halten und sich unbemerkt etwas amüsieren Es bot sich Ersan wirklich ein Bild zum laut loslachen, Der Dicke da ihm, mit hochroten Kopf von der enormen Anstrengung, gerade zu stehen und auch noch dabei den Kopf möglichst weit in den Nacken zu pressen.,. Das halbe Gesicht, unterhalb der Nase war voll bekleckert mit dem roten Tomatensaft, sogar sein Hemd wirkte hier und da rötlich gefärbt, was sich jedoch bald mit seinem Körperschweiß neutralisierte und sich der allgemeinen Schmutzfarbe des Oberhemdes anpasste. Was für ein ekeliger Kerl, dieser dicke Lkw-Fahrer! Nach dieser gelungenen Belehrung, ein Getränk für den Wassernotstand zu produzieren, rollte der Lkw eine riesige schwarze Rauchwolke hinterlassend wieder weiter.