Читать книгу E R S A N - Dieter Gronau /// AMEISE - Страница 9
Überschrift 6
Оглавлениеschon längst entdeckt haben.“ Sinnierte Bebe halblaut und für Ersan verständlich, vor sich hin.
„He Dicker, man sieht, du ernährst dich mal wieder nur von deinen Tomaten!“ Lästerte Ersan.
„Wollen wir ihm mal einen fürchterlichen Schreck einjagen, Ersan, was meinst du? Hier hast du eine rote Pudelmütze, setze sie auf, ziehe sie dir ordentlich in die Stirn, damit der alte Fettsack dich nicht wiedererkennt, wenn wir ihn gleich überholen. Wenn du direkt neben ihm bist, lass das Seitenfenster runter und schimpfe und schreie laut mit ihm! Erst einmal Pieschen wir ihn mit unseren vier Fernscheinwerfern von hinten an. Wenn er dann noch immer nicht ordentlich rechts fährt, bekommt er unsere Fanfare solange in den Arsch geblasen, bis er endlich Platz macht!“
Bebe war richtig angriffslustig und wütend auf den Dicken da vor sich.
„Ok, den Scherz mach ich mit Wonne mit!“ Stimmte Ersan dem Vorschlag von Bebe zu. Der vor ihnen fahrende alte und auch vermutlich vollkommen überladene Lkw wurde von hinten so stark von den Scheinwerfern angestrahlt, das Ersan deutlich jeden Nagel, jede Schraube in der Holzverkleidung des Anhängers deutlich sehen konnte.
„Nichts, absolut nichts! Du Fettsack, hast du uns noch immer nicht bemerkt? Oder stellst du dich nur stur? Na warte mal!“
Eine gewaltige Fanfare, in mehreren Tonlagen, dröhnte von hinten zu den vorne fahrenden und in einer schwarzen Auspuffwolke gehüllten Lkw
„Kannst du uns wegen deiner Gestankswolke nicht sehen? Das wird es sein.“
Aber jetzt, ganz plötzlich, zuckte der vor ihnen fahrende Lkw ruckartig nach rechts an den Straßenrand. Der Anhänger schlingerte, von dieser plötzlichen Fahrtrichtungsänderung, hin und her und drohte fast umzukippen. In wenigen Sekunden waren Bebe und Ersan direkt neben ihm. Jetzt sah Ersan den Fahrer vom Tomaten-Express, seinen dicken Kumpel, den Fresssack. Mit hochrotem Kopf, mit den Armen wild an irgendwelchen Bedienteilen am Armaturenbrett rumhantierend, blickte er kurz zu Ersan hinüber und grinste auch noch unverschämt.
„He, du, alter Fettsack, was suchst du hier auf der Straße mit deinen schon stinkenden Tomaten? Fahr lieber einen Traktor, aber lass dich nicht selber von deinem Traktor überholen, wenn du schläfst!“
Ersan hatte selber einen hochroten Kopf bekommen, so angestrengt schrie er durch sein runtergekurbeltes Türfenster und spukte dem Dicken neben ihm auf die Fensterscheibe.
„Gut, mein Kleiner! Dem hast du es aber gegeben. Schau nur, schau nur, der hat noch immer große Schwierigkeiten seinen Tomaten-Express auf Kurs zu halten. Ich möchte nicht seine Reifen sehen, die haben bestimmt schon lange kaum noch ein Profil. In Rumänien würde man diesen Lkw sofort von jeder Straße verbannen und verschrotten.“
Im Seitenspiegel konnte Ersan tatsächlich gut beobachten, wie der Anhänger hin und her pendelte und kein Pkw-Fahrer sich traute, ihn zu überholen, aus Angst, vom Anhänger getroffen zu werden. Der Dicke, hinter ihnen, wurde im Rückspiegel von Ersan immer kleiner und kleiner und verschwand nach einer Kurve vollends aus dem Sichtfeld. Gute Reise, mein dummer Dicker, dachte Ersan im Stillen und Fairerweise, er war ja schließlich auch nur ein Mensch, auch wenn er viele unangenehme Erfahrungen mit ihm gemacht hatte.
„Na, biste zufrieden mit unserer Aktion?“
„Klar, das war ein voller Erfolg, ich werde öfter noch daran denken, es wird mich jedes Mal erneut amüsieren!“
„In etwa sechs Stunden, bei unserem guten Tempo, werden wir in Istanbul sein. Dann geht es weiter in Richtung bulgarischer Grenze. Ersan, ich fahre bis zur Grenze in einem Rutsch durch. Gegen Mitternacht sind wir dann am Grenzübergang. Um die Nachtzeit sind die Kontrollen dort auch nicht mehr so gründlich. Mich kennen dort schon die meisten Kontrolleure, weil ich fast jede zweite Woche den Übergang passiere. Letztes mal haben die mich einfach durchgewinkt. Ich brauchte gar nicht zu stoppen und mich auszuweisen. Hast du einen Ausweis, Ersan? Na klar, du bist noch zu jung dafür.“
„Bebe, ich habe ein Schreiben von der Verwaltung in Mugla, der Kreisstadt, über meinen Geburtsort und Tag. Das ist alles, was ich bei mir habe!“
„Nicht schlimm, ich kriege dich schon sicher über die Grenze!“ Schweigen und Nachdenken erfüllte das nobel ausgestattete Fahrerhaus von Bebe und Ersan. Nur das Autoradio mit seiner Stereoausstattung sorgte für weitere Unterhaltung.
„Ja, Ersan, ich habe es! Die Schlafkoje, hat einen mit Stoff bespannten Himmel, an der Vorderseite ist da eine Konsole von etwas 30cm Breite. Du bist ein so dünner Specht und kannst dich dort gut für eine Stunde lang drauflegen. Auf mein Bett werde ich einen Teller mit zwei Brötchen, belegt mit stark riechender rumänischer Salami, abstellen. So riecht ein Spürhund nur die Wurst in der Schlafkoje und nicht dich, oben unter dem Dach. Du reibst dir vorher noch tüchtig mit der gleichen Wurst Arme und Beine ein. Brauchst dann keine Angst zu haben. Im Kühlschrank habe ich reichlich gelagert, von dieser Wurst. Der Schrank an der Fahrerseite ist immer noch eine kleine Sensation für die Kontrolleure an den Grenzen. Besonders die Türken wollen auch immer ein paar Scheiben probieren. Man, der Plan erscheint mir wirklich genial!“
„Es wäre zu schön, wenn es so klappen könnte, Bebe!“
„Siehste, da hinten, von da bis da, alles gehört zu der Stadt Istanbul. Es ist fast schon ein kleines Land, so groß, finde ich. Riesig, riesig! Warst du schon einmal dort?“
„Nein, leider noch nie, aber es sollen dort eine Tante und ein Onkel von uns wohnen. Aber frage mich nicht, in welchem Stadtteil. Selbst meine Mutter weiß, weiß das auch nicht. Die beiden haben sich schon endlos lange nicht mehr bei uns in Eski-Datca, gemeldet. So haben wir keinen Kontakt mehr, eigentlich sehr schade, findest du nicht auch? Ich hätte sie zu gerne einmal besucht und gesprochen!“
„Bei mir ist es ähnlich. Einige meiner Verwandten sind ins Ausland gezogen und haben sich nie wieder gemeldet. Wir wissen teilweise nicht einmal, ob sie überhaupt noch am Leben sind, das ist wirklich traurig!“ So ist das Leben und das Schicksal! Keiner kann etwas daran ändern. Findest du nicht auch, Bebe?“ Die Lichter von Istanbul verschwanden langsam zwischen irgendwelchen Hügeln langsam und beide starrten schweigend in den Scheinwerferkegel vor sich auf der Straße. Jeder hing seinen Gedanken nach und schien innerlich sehr damit beschäftigt zu sein.
Tatsächlich, kurz vor Mitternacht:
„Siehste das Helle am Himmel? Das ist der Grenzübergang. Ich stoppe gleich, dann machen wir alles, wie besprochen. Mach dir keine Sorgen, ich kriege das schon hin!“
„Mir ist irgendwie sehr mulmig! Ich habe ein ungutes Gefühl!“
„Du kannst mir ruhig vertrauen! Bete noch einmal, wenn wir anhalten und es wird alles klappen. Mh, hier ist die Salami!“
„Puh, die hat aber einen merkwürdigen Geruch!“