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Einführung von Peter Zimmerling 1. Entstehung und Hintergrund
ОглавлениеDas Buch „Schöpfung und Fall“ stellt den Druck einer Vorlesung dar, die Dietrich Bonhoeffer im Wintersemester 1932/33 an der Berliner Universität unter dem Titel „Schöpfung und Sünde. Theologische Auslegung von Genesis 1–3“ gehalten hat.1 Hörer der Vorlesung hatten Bonhoeffer gedrängt, das Manuskript zu veröffentlichen. Weil im Herbst 1931 schon ein anderes Buch mit dem gleichen Titel wie die Vorlesung erschienen war, musste der Titel von Bonhoeffers Vorlesung für die Veröffentlichung geändert werden. „Schöpfung und Fall“ ist das erste Buch Bonhoeffers, das im Christian Kaiser Verlag in München erschien. In diesem Verlag wurden auch Karl Barths Bücher und die seiner theologischen Weggefährten gedruckt. Indem Dietrich Bonhoeffer in diesem Verlag veröffentlicht, bekennt er sich auch äußerlich zu der von Karl Barth initiierten sog. dialektischen Theologie, die in Anknüpfung an die reformatorische Theologie als Theologie des Wortes die Bibel zur Grundlage ihrer Überlegungen gemacht hat.
Der Winter 1932/33 war eine für Deutschland schicksalsentscheidende Zeit. Nicht zuletzt aufgrund der Weltwirtschaftskrise hatten die meisten Deutschen das Vertrauen in die Weimarer Republik verloren. In Berlin lieferten sich Nationalsozialisten und Kommunisten blutige Straßenschlachten. Noch vor dem Ende der Vorlesung am 21. Februar 1933 hatten die Nazis am 30. Januar die Macht ergriffen. Obwohl Bonhoeffer in seiner Vorlesung mit keinem Wort direkt auf die politischen Zustände eingeht, bildet die gesellschaftliche Situation doch die dunkle Folie, auf der die vorgetragenen Überlegungen besondere Tiefe und Ernst erhalten. Dazu kam noch etwas anderes: die Wirkung der Persönlichkeit Bonhoeffers. Ein Hörer schreibt im Rückblick: „Dietrich Bonhoeffer war es! […] Dieser außerordentliche Mensch Bonhoeffer sprengte in dieser Vorlesung für mich alles Gewohnte – Tradierte – in Theologie/Kirche, Staat/Politik, Wissenschaft/Forschung und so fort.“2 Man kann verstehen, warum die Studierenden wie elektrisiert von Bonhoeffers Überlegungen waren. So etwas hatten sie in Berlin noch nicht gehört. Hier wagte ein Theologe, die exegetische und systematische Schultradition seiner Zeit hinter sich zu lassen und die Bibel unmittelbar nach Antworten auf die brennenden Probleme der Gegenwart zu befragen. Auch heute noch fragt sich der Leser unwillkürlich, wie ein so junger Mann (Bonhoeffer wurde am 6.2.1933 erst 27 Jahre) in einer Vorlesung derart tiefe Einsichten über das Menschsein, über die Welt und über Gott entwickeln konnte. Das Atemberaubende war, dass die Grundlage dafür entscheidend die Bibel bildete. Auch wenn Bonhoeffer seine Gedanken im Gespräch mit der Literatur seiner Zeit entwickelt, bleibt diese doch im Hintergrund. Er verzichtet ganz auf gelehrte Anmerkungen. Das Buch unterscheidet sich von den beiden vorangegangenen Veröffentlichungen (der Dissertation und der Habilitation) auch in der Sprachform. Es ist so geschrieben, dass es auch für den gebildeten theologischen Laien verständlich ist. Dass Bonhoeffer den biblischen Texten einen Vertrauensvorschuss einräumt, führt dazu, dass sie tatsächlich zu sprechen anfangen, Antworten geben auf die grundlegenden Fragen, die Menschen zu allen Zeiten mehr oder weniger stark umtreiben, die jedoch in einer politisch hochbrisanten Zeit ungleich drängender werden als in ruhigen und friedlichen Lebensumständen. Was ist der Auftrag des Menschen in der Welt? Wie kann das Zusammenleben von Mann und Frau funktionieren? Welche Rolle spielt die Sexualität? Wie ist das Verhältnis von Mensch und Natur zu gestalten? Wie ist mit der Tatsache umzugehen, dass zum Menschsein Versagen und Schuldigwerden untrennbar dazugehören? Gibt es eine Bestimmung des Menschen, die über seine irdische Existenz hinausreicht? Hat die Welt eine Zukunft? Welche Rolle spielt dabei eine transzendente Macht, eine Macht, die größer ist als der Mensch? Und vor allem: Welche Antworten gibt der christliche Glaube auf diese Fragen?
Dass Bonhoeffers Buch Resonanz fand, zeigt sich daran, dass 1937 eine zweite, unveränderte Auflage erschien. Die dritte Auflage wurde erst nach dem Krieg, 1955, veröffentlicht.