Читать книгу Out of Pommern Band I - Die Liebe zum Wasser - Dietrich Bussen - Страница 6

4. Kapitel

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Das dritte Schuljahr, das Hannes besuchte, war in einem der beiden kleineren Schulgebäude - von insgesamt dreien - untergebracht. Die beiden kleinen Häuser standen sich gegenüber an den Längsseiten des Schulhofes, vor ihnen Blumenbeete, hinter ihnen Gärten von beträchtlichem Ausmaß zur Selbstversorgung für Lehrer mit Familie. Das Hauptgebäude an der Stirnseite - schmucklos, ohne gärtnerische Anlagen -, hinter dem Haus drei mächtige Nussbäume, dann eine Hecke und dahinter Ackerland. Ein Schotterweg an der vorderen Schmalseite des Schulhofes verband das Schulgelände mit der Welt außerhalb des Dorfes.

Diesen Weg ging Hannes jeden Morgen zur Schule. Er war die kürzeste Verbindung von seinem Haus zu seinem Klassenzimmer, nur fünfzig oder sechzig Meter. Heute machte er einen Umweg.

Ich muss sie beerdigen, wenn sie da noch liegt, dachte er, sonst wird sie gefressen oder überfahren, die... die... - der Name fiel ihm nicht ein - die fahren hier oft mit dem Trecker und dann kann sie nicht mehr weglaufen.

Ihm ging durch den Kopf, dass das seine Schuld war, dass er nicht mal richtig bestraft worden war, und ob es auch einen Himmel für Katzen geben würde.

Bestimmt, dachte er.

Die Frage, ob man nur in den Himmel kommt, wenn man auch richtig begraben worden ist, wollte er am Nachmittag mit seiner Schwester besprechen, nahm er sich vor. Sehen wollte er die Stelle nicht, wo es passiert war, gestern Abend.

Er überquerte den Schotterweg, vermied jeden Blick zur Mauer links von ihm, lief geradeaus weiter an den Lehrergärten vorbei auf einem schmalen Sandpfad zum Hauptgebäude, machte an einem Nussbaum eine Pause, ging dann zu seinem Schulhaus, den Blick beständig auf den Boden gerichtet; erst im Flur hob er den Kopf. Von hier aus konnte man die Mauer nicht mehr sehen.

Beim Schönschreiben in den ersten beiden Stunden durfte er schon ins Heft schreiben. Er gehörte zu den wenigen, die kaum noch Fehler machten und beim Malen der Buchstaben sehr schnell den Bogen raus gehabt hatten. Fleißkärtchen gab es dafür - seitdem Fräulein Wienhold den Unterricht übernommen hatte - in Form von Heiligenbildchen.

Während Hannes die Kärtchen mit den bunten Heiligen sammelte, kratzten die meisten noch auf Schiefertafeln herum. Immer wieder schickte ‚das Fräulein‘ sie zum Wassereimer neben der Tafel.

„Abwaschen und von vorne“, bekam jeder mit auf den Weg. Dann ging das Gekratze von vorne los, wobei einige den Griffel so handhabten, als sei er eine Waffe im Kampf gegen den holzgerahmten Schiefer vor ihnen. Mit ungelenker kindlicher Kraft ritzten sie buchstabenähnliche Striche in das Fossilienviereck und stießen mit ihrem Schreibwerkzeug so heftig zu, dass es immer wieder zu Bruch kam. Die radikalsten unter ihnen kämpften schon nach kurzem Gebrauch mit Griffelstümpfen, die sie nur noch mit Mühe zwischen den Fingern halten konnten.

„Son Schiet“, rief einer und wurde vom Fräulein vor die Tür geschickt, während Hannes weiter die Buchstaben in gefälligen Schwüngen in die Schönschreiblinien malte.

„Heute gibt’s aber keine Bildchen“, sagte das Fräulein hinter ihm. „‚Himmel‘ mit einem ‚m‘, ausgerechnet ‚Himmel‘.“

Hannes murmelte eine Entschuldigung.

Das Fräulein hatte natürlich Recht, wie immer, das wusste jeder, auch Hannes, und für die, die das nicht einsehen wollten, stand der Rohrstock an der Wand unter dem Kreuz.

Heute hätte er auch keine Belohnung haben wollen, nach dem, was gestern passiert war. Hannes dachte an die Katze und das Grab und, wie er es anstellen sollte.

Mit den Heiligenbildchen vielleicht, wenn ich die mit reinlege, alle, und ich sie dann nicht mehr eintauschen kann, zehn gegen ein Klümpchen aus Mamas Nachtschränkchen, zu denen sein Bruder nach ersten Französisch-Stunden mit nasaler Weltläufigkeit ‚Bonbons’ sagte.

Das wollte er tun, auf jeden Fall. Dieser Gedanke ließ ihn hoffen, dass vielleicht doch noch alles gut würde.

Und da war ja noch Regina, seine Schwester, zu der er immer kommen konnte, wenn er nicht mehr weiter wusste.

Der wird das sicher auch gefallen mit den Heiligenbildchen, die will ins Kloster und kennt sich aus mit so was, dachte er.

Reginas Ratschläge hatten ihm schon aus so mancher Klemme geholfen in der Vergangenheit, nur mit dem Einnässen hatte auch sie ihre Schwierigkeiten, bis jetzt. Seine Frage, ob es dafür nicht auch einen Heiligen gäbe, wie für so viele andere Sachen auch, hatte sie erstmal verneint aber versprochen, die Sache im Auge zu behalten, vielleicht, dass sie doch noch einen finden würde. Das hatte er ihr hoch angerechnet und sogar erwogen, mit ihr zusammen in den Urwald zu gehen, natürlich erst, wenn sie Nonne wäre; sie könnte sich dann um die Frauen bei den Negern kümmern und ums Kochen.

Aber anfassen kann ich die Katze nicht, dachte er, während er zwei Zeilen mit ‚Himmel‘ beschrieb, und ihm fiel auch sonst niemand ein, der sowas machen würde.

Außer Otto, dachte er, aber der rennt damit noch zu Papa oder schmeißt sie bei uns in den Flur und dann ist alles vorbei. Robert hat sogar schon mal tote Pferde gesehen, am Straßenrand, als sie geflohen sind, und wie Leute davon was abgeschnitten haben zum Essen, vielleicht dass er ...

Diese Gedanken wurden vom Läuten des Schuldieners unterbrochen. Der bucklige Griesgram ging mit seiner glänzend polierten Messingglocke über den Schulhof und verkündete mit ihr den Pausenanfang. Die Glocke war sein ein und alles, sein Schatz, der ihn anstrahlte, ihm widerstandslos auf jede Bewegung gehorchte, die seine hingebungsvolle Pflege mit Klängen belohnte, die nur er ihr entlocken konnte, die seine Gefühle aufnahm, wenn er sie mit dem Klöppel streichelte oder zornig auf sie einschlug, oder wenn er sie einfach nur bimmeln ließ nach der Arbeit, in seinem Schuppen, wenn ihn keiner mehr störte und er keine Schüler mehr sehen musste. Mit denen gab es immer Streit. Die hatten es auf ihn abgesehen, riefen ihm ‚Buckel‘ nach, stellten sich vor ihn mit ausgestreckter Zunge, und wenn Otto seinen Spaß haben wollte, baute er sich in Pinkelhaltung vor ihm auf. Am liebsten hätte er sie alle windelweich geschlagen, aber dazu war er zu langsam, denn an einem Bein stimmte auch was nicht, was wiederum mit seinem Buckel zusammenhing. Nur zwei Verbündete blieben ihm in diesem aussichtslosen Kampf gegen seine Peiniger: Seine Glocke und seine Uhr. Mit ihrer Hilfe verlängerte er die Schulstunden und verkürzte die Pausen, je nach Gemütszustand. Das war seine Rache, die ihm kurze Genugtuung verschaffte. Er stellte sich vor, dass es in diesen wenigen Minuten, die er den Schülern die Unterrichtsstunden verlängerte, den einen oder anderen doch noch erwischen würde, mit dem Rohrstock am besten, und möglichst von Lehrer Falkenmeier.

Der ist der Allerbeste für so was, dachte er.

Heute jedoch ließ er sich von solchen Gedanken nicht leiten. Er läutete pünktlich, ließ sich von den Frechheiten der Schüler nicht aus der Ruhe bringen, ja, es war ihm sogar nach einem Lächeln zumute, innerlich, in größeren Abständen. Den heutigen Nachmittag würde er wieder bei seinen Tieren verbringen. Er würde ihnen alles erzählen, was sich in den letzten Tagen angesammelt hatte, würde sie vorsichtig bürsten und streicheln, manchmal sogar gegen den Strich, dann spürte er noch mehr zwischen den Fingern und am ganzen Körper. Mit seinem Lieblingstier würde er in seiner Schlafecke liegen und träumen, dass es immer so sein möchte. Nur sonntags und am Donnerstag-Nachmittag, wenn er keinen Dienst hatte, konnte er sich seinen Tieren so widmen, wie er es gern auch an den anderen Tagen getan hätte, an denen er nur nach dem Rechten sehen konnte, immer in Sorge, dass ihnen während seiner Abwesenheit etwas zugestoßen sein könnte. Die Schüler hatten es bisher nicht gewagt.

Aber wer weiß, wozu die alles fähig sind, dachte er. Und heute kommt vielleicht noch eins dazu - er hatte so was läuten hören -, dann kann ich wieder ganz von vorne anfangen.

Bei dem Gedanken lächelte er auch äußerlich. Seinen Eintopf würde er mit in den Schuppen nehmen, dass er auch da wäre, wenn einer käme.

Aber Robert ist evangelisch, dachte Hannes, die dürfen nicht mal auf unseren Friedhof, wenn sie tot sind, und auf den Friedhof muss die Katze, sonst nützt das alles nichts.

Er war sich jetzt nicht mehr sicher, ob er das alles mit seiner Schwester besprechen könnte.

Robert wartete auf ihn am Ausgang zum Schulhof.

„Langweilig heute“, sagte er. „Die anderen hatten Religion und ich musste in die Kammer und was aus Erdkunde abschreiben.“

„Zwei Stunden?“

„Ja, die ganze Zeit.“

„Blöde.“

„Achtundneunzigprozentig.“

In diesem Punkt waren sie sich schon mal einig und Hannes dachte, dass er Robert jetzt vielleicht auch die Sache mit der Katze und den Eiern, oder nur den Eiern, erstmal, erzählen könnte. Aber bei den vielen Schülern um sie herum, dem Lärm und den Lehrern, die wie Suchhunde auf dem Schulhof nach irgendwelchen Missetaten schnüffelten, fürchtete er, dass man ihm ansehen würde, was er Robert erzählte.

Die Achtklässler schienen heute nicht in Form. Sie beteiligten sich nicht an dem Gejohle und Gerenne, balgten sich nicht und suchten auch keinen Streit. Sie standen in Gruppen zusammen, redeten miteinander, wehrten Annäherungsversuche von Andersklässlern unmissverständlich und konsequent ab, so, als ob es um etwas ginge, wofür nur sie zuständig wären. Neugierigen Lehrern, die betont uninteressiert heranschlenderten, begegnete Schweigen.

Es hat sich also herumgesprochen, dachte Herr Falkenmeier, als auch er versuchte im Vorbeigehen etwas aufzuschnappen. Vielleicht wissen die sogar mehr als wir. Man sollte sie ins Gebet nehmen, einzeln, irgendeiner wird sich schon verplappern und man kann sie zur Räson bringen. Sonst erzählen die noch weiß Gott was. Darauf warten die doch nur, so, wie die sich benehmen. Auf mich haben die es sowieso abgesehen, weil ich was von ihnen verlange und nichts durchgehen lasse.

„Ich geh heute in die Höhle“, sagte Hannes, „kommste auch?“

„Achtundneunzigprozentig, darauf kannste einen lassen.“

Zum Zeichen seiner Dankbarkeit stubste Robert Hannes mit der Faust leicht in die Seite.

„Ich bringe vielleicht was mit.“

„Was denn?“

„Wirste sehen.“ Er stubste ihn nochmal, dann liefen sie um die Wette und spielten bis zum Pausenende Fangen mit ein paar Schülern aus der Klasse von Hannes.

Nach dem Mittagsschlaf seiner Eltern durfte er nach draußen.

„Aber nur so weit, dass du uns noch hörst“, sagte seine Mutter jedes Mal. Die Rufweite war das Maß seiner nachmittäglichen Möglichkeiten. Alles, was darüber hinausging, musste ausführlich und plausibel begründet werden. Genehmigt wurden solche Ansinnen nur in Ausnahmefällen, bei strengen Auflagen und dem Versprechen, sich auch an diese zu halten.

„Hoch und heilig“, forderte seine Mutter, und er versprach es mit innerlich zum Schwur erhobener Hand in der verlangten hohen und heiligen Gesinnung.

Für die Höhle aber reichte die Rufweite, Gott sei Dank.

Um vier Uhr wollte er sich mit Robert treffen. Er nahm sich vor, seine Schularbeiten besonders ordentlich zu machen, nicht dass es deswegen noch zu Verzögerungen kommen würde. Auffallend schöne Schrift und fehlerlose Rechenaufgaben waren die Grundlage für kleine Vergünstigungen. Überhörten Rufen und geringen Verspätungen wurde dann mit Verständnis im tadelnden Blick begegnet. So konnte er sich Vergebung statt Strafe schon vor potentiellen Verfehlungen erarbeiten.

Während er sich mit einer Geschichte, die von ‚Tieren auf dem Bauernhof‘ handelte, beschäftigte - abschreiben und die Tiere auswendig lernen war die Aufgabe -, musste er immer, wenn von dem Bauern die Rede war, der sich fleißig und voller Verantwortung um Haus und Hof kümmerte, an seinen Vater denken.

Er sah sein Gesicht wieder über sich, dann der Schlag, dann nichts mehr, dann die Schritte aus dem Zimmer, und der einzige Schlag hatte auch nicht so wehgetan wie sonst.

„Vielleicht ist er ja krank, dass er nicht so kann“, dachte Hannes.

Er hatte das Gefühl, dass sich seit gestern alle anders verhielten. Alles ging leiser zu, kein Türenknallen, keine lauten Rufe, seinen Vater hatte er kaum gesehen, seitdem. Der saß an seinem Schreibtisch im Wohnzimmer und wollte nicht gestört werden.

Nur Mama darf rein und dann hört man auch nichts, dachte Hannes. Papa ist krank, schwer wahrscheinlich und muss vielleicht ins Krankenhaus. Ich frage Regina, heute Abend nach der Höhle, die muss es wissen. Mama hat ihr sicher gesagt, was mit Papa ist, der erzählen sie immer alles.

Robert war pünktlich. Hannes sah ihn vom Fenster des Jungenzimmers aus und rief ihm zu: „Hinten rum“.

Robert wusste, dass damit der Pfad hinter dem Hauptgebäude, an den Nussbäumen vorbei, gemeint war.

Sicher ist sicher, dachte Hannes, wenn doch welche auf dem Schulhof sind, und die das mitkriegen, und wir dann nicht in die Höhle können.

Seine Hausarbeiten hatten die erhoffte Anerkennung gefunden, sodass seine Mitteilung, dass er noch draußen spielen gehen wolle, durch keine weiteren Auflagen eingeschränkt wurde als den üblichen Rufweitenhinweis.

Auch er lief ‚hintenrum‘, schon wegen der Katze, die er nicht sehen wollte. Robert wartete vor der Stelle, durch die man in die Hecke kriechen musste, um dann nach wenigen Metern die Höhle zu erreichen. Außer ihnen hatte noch niemand diesen Unterschlupf entdeckt und das sollte auch so bleiben. Das mit Robert war eine Ausnahme. Weshalb er Robert eingeweiht hatte, wusste er auch nicht so richtig. Er hatte es einfach getan, als Robert wieder mal nicht mitspielen durfte. Beide hatten seitdem das Gefühl, dass sie Freunde waren.

„Mit Tasche?“, fragte Hannes.

„Da is es drin.“

„Was?“

Vorsichtig löste Robert die beiden Lederriemen aus den Hakenverschlüssen, klappte den Überschlag hoch und ließ seine Hände langsam in die Tasche gleiten. Dann schob er sie unter irgend etwas, das Hannes noch nicht erkennen konnte, und bewegte es in die Höhe, so behutsam, als handele es sich um rohe Eier oder andere Zerbrechlichkeiten. Zentimeter für Zentimeter erschien nun die Kostbarkeit vor Johannes; ein Buch offensichtlich, nur größer und dicker als die üblichen, in rotem Einband mit goldener Umrandung und mit großen Buchstaben im unteren Drittel, ebenfalls in Gold.

„Briefmarkenalbum“, las Hannes und sah in ungläubiger Bewunderung in das strahlende Gesicht von Robert.

„Sind da auch welche drin?“

„Und was für welche.“

Robert rutschte sich neben Hannes und öffnete seinen Schatz.

„Warte, ich gucke erst.“

Hannes schob ein paar Zweige zur Seite und überprüfte, ob von der Umgebung auch wirklich keine Gefahr zu erwarten war.

„Ist die Luft sauber?“

Hannes nickte, gab aber mit einem an den geschlossenen Mund angelegten Finger zu verstehen, dass man trotzdem den weiteren Ablauf möglichst geräuschlos gestalten sollte.

So etwas hatte er noch nicht gesehen. Gezackte Abenteuer und Träume taten sich vor ihm auf, Königinnen und Könige, Herrscher aus fremden Ländern mit langen Gewändern und eigenartiger Kopfbedeckung, exotische Tiere, edle Pferde, Schlösser und Burgen und sogar Pyramiden. Und alle hatten Stempel, deren Aufdrucke wie verschlüsselte Botschaften auf den Marken lagen. Und von jedem aufgeschlagenen Blatt wehten ihm Düfte entgegen, die er noch nie gerochen hatte.

Fast wie Weihrauch beim Hochamt, dachte er und seine Gedanken glitten weg ins Morgenland und andere fremde Welten, zu Eseln und Kamelen, deren Geruch wahrscheinlich in die Briefe, die sie beförderten, eingedrungen war.

Jede Marke klebte mit einem Falz auf der eigens für jede einzelne mit dem gleichen Motiv bedruckten Stelle.

Hannes sammelte auch, allerdings in einem alten Schulheft mit Seiten, auf die er mit Hilfe von Kartoffelklebe Papierstreifen zum Einstecken befestigt hatte. Drei Seiten hatte er beklebt. Die fünf Streifen der ersten Seite waren fast gefüllt mit Marken, die plötzlich jeden Reiz verloren hatten.

„Geklaut?“, flüsterte er zu Robert.

„Nee, von Onkel Tom“, flüsterte der zurück. „Ich hab auch doppelte, kannste haben, für die Höhle.“

Ein paar Augenblicke war es so still um Hannes und Robert, als hielten alle Menschen auf der ganzen Welt den Atem an, dann hielt Hannes Robert eine Hand hin und Robert sagte, dass er sie jetzt aber nicht dabei hätte, und als Hannes seine Hand nicht wegzog, verstand er. Er löste langsam eine Hand von dem Album, legte sie an die Hand von Hannes und rieb sie zweimal an deren Innenfläche.

Achtundneunzigprozentig, dachte Hannes, das ist achtundneunzigprozentig, ganz bestimmt.

„Das mach ich immer mit meiner Mutter“, flüsterte Robert.

Hannes rieb zurück und fragte: „Darf ich auch mal halten?“

„Aber vorsichtig, sonst knickt man welche beim Umblättern.“

Dann reichte er ihm das Buch, langsam und fast feierlich, so, als ob er ihm den Vertrag ihrer Freundschaft in die Hände legen würde zur endgültigen Besiegelung.

Die Rufe seiner Mutter nahm Hannes heute erst wahr, als diese zum wiederholten Male und mit einem unangenehmen Unterton in der Höhle ankamen. Diese Stimme überzeugte auch Robert, und er riet zum sofortigen Aufbruch.

Zuhause kam es dank der tadellosen Schularbeiten vom frühen Nachmittag nicht zur Verhängung von sonst üblichen Spielverboten. Seine Mutter ließ es bei einer ernsten Ermahnung bewenden.

Erst im Bett fiel ihm ein, dass er die Katze ganz vergessen hatte, und Regina und den Kirschbaum. Aber morgen würde Robert ihm vielleicht die Briefmarken mitbringen und dann ..., dann schob der Gedanke an die Marken auch jetzt die Katze beiseite und alles, was sonst noch zu erledigen gewesen wäre, und er ließ sich von den bunten Bildern, die er am Nachmittag gesehen hatte, in den Schlaf begleiten.

Out of Pommern Band I - Die Liebe zum Wasser

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