Читать книгу Die Ruhrpotters - Band V - ,Der Schrott is hot' - Dietrich Bussen - Страница 5

3. Kapitel

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«Die sind noch zugelassen, ich meine für den normalen deutschen Straßenverkehr? Leck mich am Arsch», staunte Klotz, nachdem Finn am nächsten Morgen die Tür zum Fahrradschuppen geöffnet hatte.

Hoffentlich sieht uns keiner, dachte Klotz.«Wie wär’s mit Verpflegung, falls die Teile da auseinanderfallen und das Ganze ne Wanderung wird, ne längere. Ich mein ja nur», schob er nach, als er auf Finns Gesicht sowas in der Richtung von fuck you erkannte.

«Quatsch nich. Wo geht’s lang?»

«Na gut, Allah sei uns gnädig. Und wie heißt deiner, vorsichtshalber?»

«Gott, wie sonst. Meistens mit lieber davor.»

«Okay, dann der auch.»

«Gleich is Zieleinlauf», rief Klotz, als er Finn überholte. «Die letzte Ampel da vorne. Dann haben wir’s.»

«Und wieder mal rot. Die xte Ampel, immer, bei uns, rot», ärgerte sich Finn. «Wie wär’s mal mit ner Grünen Welle statt regelmäßig roter Schwelle für …»

«Scheiße, ich hab’s, ich hab’s, leck mich am Arsch», schrie Klotz plötzlich in Finns Gemaule. Beide standen vor der Ampel, beide sahen sich an, Finn schickte Fragezeichen zu seinem Freund, und beide übersahen, dass sich inzwischen die Ampelfarbe zu ihren Gunsten geändert hatte.

«Das grüne Licht vor euch sagt euch nix, oder?», erkundigte sich ein Verkehrsteilnehmer im Rennfahrerdress, dem sie den Weg versperrten. «Vorschlag, mit euren Karren zum nächsten Schrottplatz, aber schieben, is für alle das Beste, und jetzt das Ganze in subito{1}

Finn winkte entschuldigend, und Klotz dachte, mit dem Schrottplatz is was dran.

«Und nu rück raus», sagte Finn, als sie wieder nebeneinander fuhren, «von wegen deiner Nummer eben: ich hab’s, ich hab’s.»

«Gleich, wenn wir da sind. Wirst schon sehen.»

Wenn man nich dran denkt, is es auf einmal da, ging ihm durch den Kopf. Komisch.

Aber, denken is eben auch sone Sache. Hab ich immer schon geahnt. Nehm wir nur mal Finn. Die Highlights denkt der auch nich, die träumt der. Na ja, is eben nochmal was Spezielles.

«Die Räder am besten an den Baum da», schlug Klotz vor, «außer Sichtweite.»

«Von wem?»

«Meinem Vater. Der findet sofort irgendwelche Arbeiten, verstehste?»

«Alles klar. Warte, eben noch abschließen.»

Warum eigentlich, dachte Klotz, vielleicht erbarmt sich ja einer und wir sind die Schrotteile endlich …

«Verdammt, kein Schlüssel, vergessen oder verloren oder sonstwas. Und jetzt?», platzte Finn in Klotz‘ Gedanken.

«Keine Sorge, Alter, die klaut keiner, die nich», beruhigte er Finn. Leider, dachte er.

«Und nu, deine Erscheinung?» sie hatten sich auf der nächsten freien Bank niedergelassen.

«Erscheinung?, ich? Is doch dein Spezialgebiet», wehrte Klotz ab.

«Eben an der Ampel, tu nich so.»

Ach das. Das sei keine Erscheinung gewesen, sondern das Ergebnis harter Arbeit, kopfmäßig, klärte er Finn auf.

Stimmt zwar nich so ganz, oder auch absolut nich, dachte er, aber ab und zu mal …

«Wir - also auch ich - arbeiten für - und jetzt musst du ganz stark sein - für die Schule.»

«Das heißt korrekt - nur so nebenbei - für die Schwulen, mit ‚w‘ und ‚n‘ am Ende. Und wieso ausgerechnet für …»

«Ich sagte nicht Schwule, sondern Schule, ohne ‚w‘ und ‚n‘ am Ende, Finn. Kapikko?»

«Nee.»

«Wieso nee?»

«Überleg doch mal: du und Schule und dann auch noch arbeiten? Geht nich, absolument pas{2}.

Lern du erstma richtig deutsch. Absülemonpa, son Quatsch, grummelte es in Klotz. Du glaubst doch, erklärte Finn weiter, dass die den Korb für Basketball vergessen haben vor dem, was wir Tafel nennen, und dass dieses Brett, bei dem alle anderen - wie gesagt - an eine Tafel glauben, viel zu groß ist und viel zu niedrig hängt für dein behämmertes Basketball. Und dann wäre da noch die Sache mit den Leuten, die sich meistens vor dieser … dieser Basketballtafel aufhalten, von uns auch Lehrer genannt. Die hast du doch zu deinen persönlichen Feinden erklärt.»

«Aber hallo, mit dem Korb und dem Basketball, wär doch der Hit, echt. Und das mit den Lehrern …, wenn ich da an …», er grinste, «an …»

«Na gut», räumte Finn ein, «außer Labor-Leo und vielleicht Lady Chatterly. Das war’s dann schon. Ich könnte auch noch Hausaufgaben und Schwänzen … Aber mal nebenbei, warum das Ganze?»

«Is ja gut Finn. Machst hier Aufstand, nur wegen Schule und arbeiten. Wart’s ab.

Erst in Ruhe kucken, dann abschreiben, meine Devise. Verstehste?»

War echt ein bisschen blöd, so auf den Putz zu hauen, dachte Finn.

«Aber klar doch, alter Abkucker. Dann lass mal kucken oder auch hören», bot er an.

«Also, geht doch. Aufklärung der Schrottplatzsache, darum geht’s. Als erstes: Klärung der örtlichen Verhältnisse. Was liegt wo? Was is in dem Schuppen los? Gibt es Verstecke zum Beobachten?, Fluchtwege und all sowas. Klar?»

Finn nickte.

«Aber dafür müssen wir erstmal aufs Gelände, ohne dass der Onkel stutzig wird. Der will das ja alles nich, weil er Schiss bis zum Geht-nich-mehr hat. Und jetzt kommt die Schule ins Spiel und mein genialer Plan. Kurzfassung: Wegen längerem Unterrichtsausfall geben die Schulen - also auch unsere - ihren Schülern Hausaufgaben auf. Schüler dürfen Einzelarbeit oder Gruppenarbeit wählen. Was wählen wir, na, was meinste?, spuck’s aus …»

«Einzelarbeit natürlich», bot Finn mit breitem Grinsen an. Und bevor Klotz zu groben Beleidigungen ausholen konnte, ergänzte er: «Wer dumm fragt … Auch alles klar?»

Klotz atmete tief durch. «Ich dachte schon … Also weiter. Jetzt kommt nämlich erst der eigentliche Hammer. Die Aufgabe, weshalb wir unbedingt auf das Gelände müssen, lautet: Beschreibe einen Beruf oder einen Betrieb, der in deiner Familie oder bei deinen Freunden vorkommt. Sowas in der Art. Das erzählen wir jedenfalls Onkel Schrotti. Und dass wir dafür sogar ein paar Tage richtig mit malochen würden auf dem Platz und im Haus, damit wir ja nix Falsches schreiben, und auch Tante Aische was davon hätte. Mädchen ins Haus, wir aufem Platz. Klasse, oder?»

«Kann man drüber reden, eventuell, vielleicht …»

«Nur nich loben», maulte Klotz.

«Im Ernst, nich übel. Und das haste alles bei Rot an der Ampel …?»

«Bisschen Grün war auch dabei», sagte Klotz.

«Stimmt», sagte Finn, und sie machten den Handabschlag.

«Und jetzt zu ‚Öztürks Vitaminzentrale - Obst und Gemüse aus Nah und Fern‘. Verpflegung schnorren. Dahinten das Schild, unser Stand, vom Feinsten, behauptet mein Vater wenigstens.»

Vater Öztürk bediente gerade Kunden, als sie ankamen. Stolz stellte er seinen Sohn vor und dessen Freund und dass die gerade recht kämen zum helfen.

Ach du Kacke, dachte Klotz.

«Und dann noch freiwillig», wunderte sich eine Kundin. «Wenn ich da an meinen denke. Dem muss ich Fußfesseln anlegen, dass er nich abhaut.»

Kein Wunder, bei dem Drachen, dachte Finn.

«Ihr könnt schon mal die leeren Kisten ins Auto packen», schlug Vater Öztürk mit listigem Lächeln vor. «Habt Glück, sind heute nich viele.»

Die beiden sahen sich an, zuckten mit den Schultern und machten sich an die Arbeit.

«Die können se mir mal ausleihen, sone Prachtexemplare. Nix für Ungut. Bis nächstens, tschüsskes.»

«Nich in diesem Leben», murmelte Klotz.

«Für’s helfen.» Vater Öztürk drückte seinem Sohn nach getaner Arbeit einen Zehner in die Hand. «Und fahrt vorsichtig, bei dem Verkehr.»

«Sowieso», rief Klotz. «Cola mit Pommes Schranke?», fragte er Finn.

«Aber immer.» Finn strahlte. «Endlich mal was Ungesundes.»

Wieder auf der Bank genossen sie das Ungesunde.

«So kann man’s aushalten», bemerkte Finn.

«Ebenso, prost. Kuck mal, die scharfe Schnitte dahinten.»

«Scharfe Pommes sind mir lieber im Augenblick», brummte Finn.

Klotz wandte sich zu Finn: «Und wie wär’s mit beides?»

«Mit beidem Klotz, wir sagen auch schon mal mit beidem, mit m wie Mama.»

Klotz verengte seine Augen zu schmalen Sehschlitzen, schärfte seinen Blick, dass man automatisch an Rasiermesser dachte, und während Finn schon: «Friede mein Freund, Friede», bettelte, drohte Klotz ihm ein qualvolles Ende durch sehr, sehr langsames Erwürgen an.

«Und außerdem, wo is se denn, deine scharfe Schnitte?»

«Na an dem Baum … Tatsache, weg is se. Wahrscheinlich geflüchtet, als se dich gesehen hat.»

Er sah nochmal an den Bäumen entlang, die den Marktplatz begrenzten, stutzte und dachte, irgendwas is anders als eben, auch ohne die Schnitte.

Er schickte nochmal prüfende Blicke zu jedem Baum und sagte: «Finn, siehst du auch das, was ich nicht sehe.»

«Schon wieder ne scharfe Schnitte, oder was?»

«Mehr oder was.»

«Is ja gut Klotz.»

«Is ja gut Klotz, is ja gut Klotz. Kuck dir doch mal die Bäume an, und zwar genau an, mein ich.»

«Na schön: erster Baum, zweiter Baum, dritter Baum …» Er kam bis neun, sagte: «Alle durch, und?»

«Nix aufgefallen?»

«Nee.»

«Dann versuch’s nochmal mit Baum Nummer fünf.»

«Nur wenne dann die Klappe hälst.»

«Versprochen.»

«Also: eins, zwei, drei, vier fünf … fünf?, is das nich der Baum …, ach du Scheiße, das glaub ich jetzt nich. Das gibt’s doch gar nich.»

«Sieht ganz so aus, dass doch. Echt Finn, achtundneunzig pro, futsch arividertschibumsda, über alle Berge. Wir sagen auch schon mal: geklaut.»

«Wer klaut denn sowas?»

«Rost auf Rädern? Schwachos, wer denn sonst.»

«Und wie erklär ich das meinem Vater? Der poliert den Rost doch noch regelmäßig und träumt dabei von irgendwelchen Wanderfahrten mit den Pfadfindern - „als ich in deinem Alter war“, - Originalton. Verstehste? Die Teile sind Museum, unverlierbar, heilig.»

«Die Rostlauben?»

«Die Rostlauben.»

«Und wenn er ganz gut drauf ist, erzählt er auch noch von den ersten Ausfahrten mit meiner Mutter auf den Teilen und kriegt ganz glänzende Augen. Und dann sagt meine Mutter meistens verträumt vor sich hin: „ach ja, das waren noch Zeiten“.

Und jetz sind se weg, sone Scheiße.»

«Wer, die Zeiten?»

«Ha, ha, voll witzig.»

Son Aufstand wegen soner Schrottis, dachte Klotz.

«Und jetz?»

Klotz antwortete mit irgendeinem Brummton und betrachtete im Übrigen angestrengt seine Füße.

Finn machte Fingerübungen.

Beide dachten.

«Ich glaube, ich habe heute meinen Super-Tag», gab Klotz plötzlich von sich. «Man nennt es auch einen Lauf. Du verstehen?»

«Quasel nich, lass laufen. Ohne Leerlauf, wenn’s geht. Du auch verstehen?»

«Nee. Dieses komische Wort Leerlauf wär für mich jetzt neu, absolut.»

«Egal, rück raus, gib Gummi, lass jucken.»

Der fängt ja an, richtig normal zu reden, wunderte sich Klotz. Hoffentlich nichts Ernstes.

«Du musst deinen Eltern nämlich verklickern», erklärte er, «dass ihre Oldies bei jeder Fahrradkontrolle sofort einkassiert worden wären, und zwar wegen - sagen wir mal - wegen absoluter Höchstgefährdung von Mensch und Material. Klasse oder? Und dann noch, au ja: verantwortungslos. Verantwortungslos kommt immer bestens, im Sinne von was habt ihr euch nur dabei gedacht? Erzählen die uns doch immer. Bestrafung und Bußgeld kannste auch noch erwähnen, wenn se einen auf hart machen, und dass bis jetzt alle mächtig Schwein gehabt hätten, die sich mit den Teilen auf die Straße gewagt hätten, und dass man den Schwachos eigentlich dankbar sein müsste, dass sie einem die Arbeit abgenommen hätten, und dir im Grunde auch, dass du die Schlüssel vergessen hast. Allah sei Dank, kannste auch noch hinterherschicken, oder lieber Gott, kommt bei deinem Vater wahrscheinlich besser. Na, bin ich gut oder bin ich sehr gut?» Klotz grinste sein Siegergrinsen.

«Zum Abschlagen reicht’s», sagte Finn und hielt Klotz die Hand hin.

Der nahm das Angebot an und sagte wieder mit Blick auf seine Schuhe: «Da wäre noch ne Kleinigkeit … Unser Bares haben wir verprasst», er zeigte auf Coladosen und Pommesschalen, «und wenn wir heute noch dein Elternhaus, also unsere Sammelunterkunft …»

«Schon klar«, unterbrach Finn. «Fahrgeld, sponsormäßig?»

Klotz nickte.

«Dann zeig mal, was du drauf hast. Wenne mich fragst, ich sehe nur eine Möglichkeit.»

Wortlos richtete er seinen Blick auf ‚Öztürks Vitaminzentrale‘.

Klotz‘ Hinweis, er habe doch eben erst …, entgegnete Finn, dass sie natürlich auch sammeln gehen könnten. Sammeldosen hätten sie ja zur Not. Oder aber laufen, mehr so im Sinne von wandern, bei der Entfernung.

«Also auf ein Neues», brummte Klotz, vergrub seine Hände in den Hosentaschen und schlenderte möglichst gelangweilt in Richtung ‚Öztürks Vitaminzentrale‘.

Kaum is er weg, schon is er wieder da, dachte Finn, als Klotz nach wenigen Minuten wieder auftauchte.

Man nennt es auch bummeln, dachte er. Sieger sehen irgendwie anders aus.

«Und? Sammeln angesagt?»

«Puuh, ich sag mal so. Ich hab meinem Vater erklärt, was passiert is, also dir passiert is - natürlich zum ersten Mal in tausend Jahren, logisch -. Dass dein Vater, wenn er das erfährt, total traurig is, und deine Mutter erst recht. Oder aber, dass er vielleicht total ausrastet, je nach dem. Dass du total fertig bist, nervlich, verstehste, und jetzt auch noch zu Fuß nach Hause, weil wir seinen Schein schon ausgegeben hätten … Und dann - und jetzt pass gut auf, wie man sowas macht - hab ich ihm untergejubelt, dass wir ihm auch noch helfen könnten beim Einräumen oder so, auch wenn du schon ziemlich am Ende … Da hat er mich gar nich mehr ausreden lassen, in seine Hosentasche gegriffen und mir das hier», er öffnete seine rechte Hand, «in meine Hosentasche geschoben. Und dann hat er noch gesagt, dass du immer bei uns willkommen bist, falls du wegen der Sache zuhause Schwierigkeiten kriegst, im Sinne von rausgeschmissen wirst, oder so. Von wegen ausrasten, verstehste? Du wärst schließlich der Retter seines Sohnes. He Finn, was ich hier in Händen halte, ist ein Euro-Zwanziger, kein Spielgeld, so wie du kuckst. Das reicht fürn Taxi, Alter.»

«Darüber soll ich mich jetzt freuen, oder was?»

«Aber heftig, was denn sonst?»

«Dass du deinem Vater son Schwachsinn über mich und meinem Vater erzählt hast? Dass die mich vielleicht rausschmeißen?»

«Ach Finn, ich weiß auch nich. Du bist doch sonst nich so schwer von kanapee. Sieh das doch mal so: entscheidend ist das Ergebnis, so wie bei der Klassenarbeit, was drunter steht, die Note eben. Ob mit oder ohne mogeln, ist doch scheißegel. Hauptsache, die Note stimmt. Deshalb nennt man das hier auch in Fachkreisen» - er wedelte mit dem Geldschein - «eine, na?, richtig: eine Banknote. Genial, oder? So, und wie die in mein Händchen gekommen ist, interessiert doch keine Sau. Oder hat dich schon mal eine Verkäuferin an der Kasse gefragt, wieso und weshalb und woher überhaupt du die Kohle hast? Na ja, dich vielleicht, weil du noch son bisschen mickrig aus der Wäsche …»

«Is ja gut», unterbrach Finn. «Trotzdem …»

«Nix trotzdem. Taxi oder Bus?»

Der wird nochmal Vertreter oder Banker, ging Finn durch den Kopf. Oder, wenn’s ganz schlimm kommt, Politi…»

«Was jetzt», fuhr Klotz in Finns Gedanken, «beförderungstechnisch.»

«Was wohl. Heli natürlich.»

«Auch gut, alte Grinsebacke», seufzte Klotz, «dann eben Bus», und er versuchte sich an den Trick mit dem Schwarzfahren von neulich zu erinnern.

Die Ruhrpotters - Band V - ,Der Schrott is hot'

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