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Es herrschte das allererste Morgengrauen, als Taylor und Zanolla ihren Wagen mit gelöschten Scheinwerfern und abgestelltem Motor auf dem Schotterweg vor die Hütte rollen ließen und anhielten. Zwei Autos, eine Limousine und ein Pick-up, parkten in einem nur mit Dach und Rückwand versehenen Unterstand rechts neben der Hütte. Der Pick-up war mit einem rostigen Metallgegenstand beladen, der am ehesten noch wie ein alter Küchenherd aussah. Zwischen Hütte und Unterstand war ein kleiner Generator aufgestellt. Er lief nicht, und auch er war lediglich mit einem Wellblech gegen Regen geschützt. Das obere Ende des Abgasrohres glänzte, als ob es verchromt oder aus nichtrostendem Stahl war. Fünfzig Schritte entfernt war das Seeufer zu erkennen. Der Wald reichte an den anderen Seiten bis fast an das Anwesen. Von den Bergen war nichts zu sehen.

»Der Ford, das ist sein Wagen«, sagte Zanolla und deutete auf den Unterstand.

»Ja. Dann wecken wir ihn mal.«

»Ihn und seinen Onkel. Wie kann man hier nur wohnen!«

»Er ist wohl ein Naturfreund, vermute ich. Komm!«

Die beiden Männer stiegen aus. Beim Näherkommen sahen sie, dass die Fenster bis auf eines offen standen - sicherlich wegen der sommerlichen Hitze - und mit Fliegengaze überspannt waren. Sie versuchten, etwas durch die Fenster zu erkennen, aber es war noch zu dunkel.

Sie gingen zur Tür, neben der eine brüchige Holzkiste mit Angelgerät stand. Taylor gab Zanolla Handzeichen, etwas zurückzutreten. Er selbst nahm neben der Tür Aufstellung, dann klopfte er laut gegen das Holz.

Sofort waren Geräusche aus dem Inneren zu hören. »Tucker! Tucker, komm her!«, rief jemand. Offenbar gab es einen Hund. Taylor klopfte erneut.

Unvermittelt wurde die Tür geöffnet. Ein ausgemergelter, etwa sechzig Jahre alter Mann trat in den Türrahmen. Er war barfuß, trug Shorts und ein Unterhemd, und er hatte sich mindestens eine Woche lang nicht rasiert. »Ich weiß nicht, wo Tucker ist«, sagte er und blickte Taylor fragend an. »Wer sind Sie?«

»Agent Taylor, Secret Service. Und das ist Agent Zanolla.« Taylor wies auf Zanolla, der nun herankam, zeigte aber keine Marke. »Mr. Meynard, wir müssen dringend Ihren Neffen Walter Ingram sprechen. Bitte holen Sie ihn!«

»Kollegen!«, murmelte der alte Mann abfällig, drehte sich um und verschwand im Dunkeln. Zanolla folgte ihm unaufgefordert. Er fragte sich, ob der Alte nicht wusste, dass Ingram bei der NSA arbeitete. Vielleicht hatte Ingram ihm nur gesagt, dass er bei einem Geheimdienst beschäftigt war.

»Nicht da«, stellte der Alte fest und zeigte auf ein zerwühltes Bett. »Fische.«

»Wie bitte?« Zanolla hatte den Eindruck, dass Meynard noch nicht ganz wach war.

»Ist draußen und angelt. Walter. Nachts. Nachts ist es am besten. Und in der Dämmerung.«

»Können wir ihn rufen?«, fragte Zanolla während Ingrams Onkel sich halb zerrissene und stark verschmutzte Sportschuhe über die nackten Füße zog. »Der See ist doch nur eine halbe Meile groß.«

»Ja, ich«, antwortete der Alte. »Er hat Tucker mitgenommen, der hört mich bestimmt.«

Als sie näher an den See kamen, wurde ein kleiner, teilweise von Schilf verdeckter Holzsteg sichtbar. Ein Plastikkahn für zwei Mann war daran festgemacht und lag regungslos im Wasser.

»Kein Boot. Holzboot ist weg. Dann sind sie draußen«, erklärte der Alte. Nacheinander, und mindestens zehn Mal, riefen sie nach Walter, und der Alte rief dazwischen auch immer wieder nach dem Hund. Sie lauschten, aber es kam keine Antwort.

»Wir müssen suchen.« Taylor zog den Alten zum Boot. »Versuch du es am Ufer!«, rief er Zanolla zu und zeigte nach links, wo der Bewuchs im Flachwasserbereich nicht ganz so dicht zu sein schien. Zwei Vögel erschreckten die Agenten, als sie zum Flug ansetzten und dabei ein paar Mal mit den Flügelspitzen auf das Wasser schlugen. »Blauflügelenten«, sagte der Alte. »Verdammte Biester!«, fluchte Taylor.

Taylor überließ dem Alten die Riemen und setzte sich auf die hintere Bank. Etwas weiter draußen schien es heller zu sein, aber der Morgen schritt ja auch voran. Inzwischen konnte man die mit Hemlocktannen dicht bewaldeten Berge sehen.

»Bekommt man hier draußen auf dem See ein Signal?«, fragte Taylor und holte sein Smartphone aus der Hemdtasche.

»Keine Chance!«, erwiderte Ingrams Onkel und drehte das Boot, indem er die Riemen ein paar Mal gegenläufig bewegte. Taylor konnte nun etwa dreihundert Meter des Ufers rechts und links von der Hütte einsehen. Fast überall stand Schilf. Ein Paradies für Wasservögel. »Berge sind im Weg. Für den Funk. Für mich einen Mann bauen die hier keinen Mast hin. Ich soll mir so ein Salle… so ein Telefon für ein Satellit kaufen, haben die mir gesagt.«

Taylor fluchte leise. Sie hätten sich denken können, dass Ingram wegen einer fehlenden Netzabdeckung nicht zu erreichen war, und ein Satellitentelefon mitnehmen können. Er rief nach Zanolla, der nicht zu sehen war.

»Nichts soweit!«, antwortete der kaum vernehmbar etwas weiter rechts von der Hütte entfernt, als Taylor erwartet hatte. Gleich darauf viel lauter: »Warte einen Moment! Ich sehe das Boot, glaube ich.«

Der Alte war bereits dabei, den Kahn auszurichten und zu der Stelle am Ufer zu rudern, an der Zanolla sein musste. Kurz vor Erreichen des Schilfgürtels konnte Taylor das Boot erkennen, dann auch Zanolla. Er dirigierte den Alten durch das Schilf. Als sie das Ufer erreichten, fanden sie Zanolla mit hochgekrempelten Hosenbeinen über die Leiche Walter Ingrams gebeugt. Sie lag auf dem Rücken neben dem Boot im seichten Wasser in nur etwa fünfzehn Zentimetern Tiefe.

Sie konnten keine Spuren eines gewaltsamen Todes sehen. Kein sichtbares Blut im Wasser. Ingrams Augen waren offen und ausdruckslos. Die Hornhäute zeigten noch keine Anzeichen einer Trübung. Zanolla richtete sich auf und holte ein paar Latexhandschuhe aus einer Schatulle an seinem Gürtel. Er zog sie über und beugte sich dann wieder hinab zu dem Toten und schob die Lider über Ingrams Augen. Beim rechten Auge öffnete sich das Lid auch nach dem zweiten Versuch wieder um ein paar Millimeter. Dann bewegte er mühelos Ingrams Finger und Handgelenke. Die Totenstarre hatte noch nicht eingesetzt. Er zog Ingrams Unterkiefer herab und blickte in den leeren Mund. »Keine zwei Stunden her,« sagte er. Beim Loslassen des Kiefers begann sich Ingrams Mund langsam wieder zu schließen, ein makabrer Anblick, dem Zanolla mit einem entschlossenen Klaps gegen die Unterseite des Kinns ein Ende bereitete.

Während Zanolla anschließend die Taschen des Toten leerte, streifte sich auch Taylor Gummihandschuhe über und fing an, das Boot zu untersuchen. Es lag mit dem Spiegel zum Ufer gerichtet und hatte Grundberührung mit dem achterlichen Teil des Kiels, so dass es bei Taylors Einsteigen zwar kippelte, aber nicht abtrieb. Der Name TERN stand in ungelenker, fast verblichener Schrift auf dem Spiegel. Seeschwalben waren sicher selten hier, aber es war wohl bei der Namensgebung darum gegangen, einen möglichst kurzen Namen zu finden, den man schnell aufmalen konnte. Im Boot lagen ein paar Angelruten, die Riemen, zwei umgekippte Eimer, eine etwa drei Meter lange und ziemlich verschlissene Festmacherleine und ein mindestens dreißig Kilogramm schwerer Klappdraggen mit einem kurzen Stück Kette und daran angeknoteter, für diese Ankergröße zu dünn scheinender Ankerleine von beträchtlicher Länge. Sie lag in unordentlichen Windungen vorn auf dem Bootsboden. Ein paar Bodenbretter in der Bootsmitte waren angehoben. Darunter schwappte dunkles Wasser. Etwas Grünes lag oder schwamm darin und erregte Taylors Aufmerksamkeit. Er holte es heraus und hielt es fragend in die Höhe. Es sah aus wie eine Kinderschaufel aus Plastik.

»Zum Ausschöpfen. Wenn Wasser im Boot ist«, klärte Zanolla Taylor auf.

Taylor warf das Ösfass zurück ins Boot, zog dann den rechten Handschuh wieder aus und prüfte die Ankerleine auf Nässe. Offenbar hatte Ingram den Anker geworfen. Der See musste recht tief sein.

»Mr. Taylor«, sagte der Alte plötzlich, der bis dahin wortlos etwas höher am Ufer gestanden hatte. Beide Agenten blickten zu ihm auf, und sie blickten in die Mündung einer P229. Sie gehörte einem kräftigen, etwa fünfunddreißig Jahre alten Mann, der Jeans, ein langärmliges, kariertes Hemd, eine abgetragene Lederweste und eine blaue Baseballkappe mit dem Emblem der New York Yankees trug. Er hielt den Alten mit der linken Hand eher beiläufig fest, aber doch so, dass der sich kaum bewegen, geschweige denn von dem Griff befreien konnte.

Zanolla und Taylor richteten sich auf. Beide bewegten sich langsam und kontrolliert wie Leute, die richtiges Verhalten in solchen Situationen trainiert und verinnerlicht hatten. Sie nahmen die Arme nicht hoch, hielten sie nur leicht vom Körper ab wie Gärtner, die in der Erde gewühlt hatten und sich nicht die Kleider schmutzig machen wollten. »Secret Service«, sagte Zanolla.

Der Mann sicherte seine Pistole und steckte sie in einen Halfter unter der Weste. »NSA, Bert Rudrin«, sagte er und ließ den Alten los. »Dann wart ihr doch tatsächlich schneller.«

»Jaah«, grinste Taylor und zog das Wort in die Länge. »Wie immer eigentlich. Und wir haben modernere Pistolen als ihr. Haben Sie ein Telefon, Bert, ein Satellitentelefon?«

»Dafür dürfen wir eigene Waffen tragen. Ein Satellitentelefon habe ich im Wagen. Aber Sie bekommen es erst, wenn ich dafür auch etwas von Ihnen bekomme. Was haben Sie herausgefunden?«

»Walter Ingram. Euer Verein. Dringend gesucht wegen was auch immer. Wir wissen es nicht, vielleicht können Sie es uns sagen. Ertrunken im offenbar abgelegensten See der Vereinigten Staaten, vielleicht auch Selbstmord oder Mord, das werden die Leute von der örtlichen Polizei klären. Keine erkennbaren Spuren von Gewalt. Todeszeitpunkt vor ein bis zwei Stunden, würde ich schätzen. Keine Papiere, keine Schlüssel, kein Handy oder Smartphone. Seine Uhr läuft noch, ist wasserdicht. Keinerlei Auffälligkeiten, wenn man von seinen Schuhen absieht. Ach - und keine Fische.«

»Was ist mit den Schuhen?« fragte Rudrin.

»Die Schnürsenkel sind geöffnet. Beide«, erwiderte Taylor und schaute auf seine Armbanduhr. »Was hat er denn ausgefressen?«

»Nichts, denke ich. Ingram arbeitet im Weißen Haus. Arbeitete. Hatte Urlaub und sollte wegen einer dringenden Angelegenheit sofort zurückkommen. Viel Aufwand, wenn man nicht telefonieren kann.« Rudrin ging hinunter zum Wasser und watete in seinen Lederstiefeln zum Toten. Er schaute ihn sich wortlos aus der Nähe an, dann hob er ein Bein Ingrams aus dem Wasser, bewegte den Unterschenkel, als ob er den Fortschritt der Starre prüfen wollte, und betrachtete den offenen Schuh. Gleich darauf stakste er die paar Schritte durch das Wasser zum Boot und stieg hinein.

»Bitte nicht, Bert. Das ist Sache der Polizei«, wehrte Taylor ihn ab, aber da war Rudrin schon über die Bodenbretter und Ruderbänke geklettert. Er brachte das kleine Boot kräftig zum Schaukeln, so dass sie fast beide ins Wasser gefallen wären, und räumte die Riemen für seine Kurzinspektion aus dem Weg. »Keine Fische, aber auch keine Köder«, stellte er fest. Dann hob er entschuldigend die Hände, folgte Taylors Anweisung und stieg auf Zehenspitzen durch das Wasser zurück auf das Ufergras. Die unteren zehn Zentimeter seiner Jeans waren dunkel von der Durchnässung.

»Dann ist das sein Onkel«, sagte Rudrin, kaum dass er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, und zeigte auf den verschüchtert wirkenden Alten. »Was weiß er?«

»Nichts«, antwortete Zanolla und fragte sich, ob Rudrins Hosenbeine nicht auch schon nass waren, als er so überraschend aufgetaucht war. »Schlief als wir kamen. Ingram fuhr nachts zum Angeln raus. Hat er offenbar öfter gemacht, wenn er zu Onkel Meynard herkam.«

Taylor stieg aus dem Boot und watete ans Ufer. Er hatte ein paar Buchten der Ankerleine mitgenommen und sicherte das Boot an einer jungen Birke. Dann machte er ein paar Fotos mit seinem Smartphone von dem Toten und dem Boot. Anschließend half er Zanolla, Ingram aus dem Wasser zu heben und am Ufer abzulegen. Sie drehten den Toten auf die Seite, um ein paar Blicke auf seinen Hinterkopf und Rücken zu werfen, aber ohne den Rücken zu entblößen, und ließen ihn dann wieder auf den Rücken sacken.

Taylor rollte seine Handschuhe von den Händen und zog Socken und Schuhe an, nachdem er seine Füße flüchtig an den Hosenbeinen abgetrocknet hatte. Er ging auf Rudrin zu und reichte ihm die Hand. »Anders Taylor«, sagte er, »es ist Zeit, uns bekannt zu machen. Das ist Toni Zanolla. Gehen wir zum Haus, Bert, ich muss telefonieren. Toni wird die Umgebung am Ufer etwas näher untersuchen, und ich werde mir Ingrams Sachen in der Hütte und im Auto ansehen. Kommen Sie, Mr. Meynard!«

Der Alte wirkte benommen. Er zuckte zusammen, als Taylor ihn rief. »Wo ist Tucker?« fragte er.

* * *

Grey kam mit einigen anderen aus dem weiträumig abgeschirmten Eingang des Westflügels des Weißen Hauses. Sie verabschiedeten sich nicht voneinander. Grey kam herüber zu seinem gepanzerten Wagen. Tessenberg hatte hier gewartet und stand neben dem Wagen in der kühlen Morgenluft. Später würde es unangenehm warm werden, da sollte man seine Frischluft besser jetzt tanken. Sie stiegen in den abgeschotteten Fahrgastraum ein, und Grey gab dem Fahrer über das Mikrofon Anweisung, zurück nach Crypto-City zu fahren. Eine mit zwei Mann besetzte Limousine folgte ihnen dichtauf.

»Ziemlich übel«, begann Grey. »Um Viertel nach sechs kam der Anruf von Krienitz’ Leuten über Ingrams Tod. Sie berichteten auch gleich, dass unser Mann, Rudrin, kurz nach dem Auffinden der Leiche zu ihnen gestoßen ist. Und gleich danach dann dein Anruf bei mir, dito, mit ein paar wesentlichen Ergänzungen. Da hatten wir gerade einmal die spärlichen Fakten über die Mails auf dem Tisch.«

»Dann war also die Creme der Creme geladen, Krienitz, Joergensen, du. Wer noch?«

»Margaret King, Direktorin des FBI.«

»So früh? So früh das FBI?«

»Der Präsident ist sehr beunruhigt, Peter. Trotz der vielen ähnlichen Drohungen, die er ohnehin ständig erhält.« Grey runzelte nachdenklich die Stirn. »Aus Sicht des Präsidenten sieht es so aus, wie es Sinners bereits gestern eingeschätzt hat, nämlich wie ein übliches Leck aus Sorglosigkeit. Der Brief wurde nicht gezeigt, aber der Präsident selbst erläuterte, dass er belanglos sei bis auf ein paar nur mäßig pikante Details, wie sie sich Schwestern vertraulich erzählen. Darüber wundern wir uns ein wenig, nicht wahr? Die Mail wird eher als Scherz gesehen: Da nennen sich welche PRIM und behaupten, alle verschlüsselten Mails lesen zu können, weil sie das Faktorisierungsproblem gelöst hätten. Sie wollen zig Millionen, Edelsteine, sonst schicken sie weitere private Briefe der Frau des Präsidenten, und zwar dann auch an die Presse.«

Grey blickte hinüber zu Tessenberg. Der nickte mehrmals stumm. Dann fuhr Grey fort: »Natürlich war zu erwarten, dass das niemand ernst nimmt, auch wenn denen schon klar ist, dass der Versand der Mail profihaft war. Vermille hat mit seinen Spezialisten in der Nacht einen Teil des Weges rekonstruiert, den die Mail genommen hat. Oberflächlich gesehen kam sie von dem Mail-Account eines Studenten der CSU, der California State University am Campus in Fullerton. Aber in dessen Account war eingebrochen worden, und die Mail kam ursprünglich von einem Server einer Firma Finuresse S.A. oder so ähnlich aus Grenoble in Frankreich. Da war es dann schon nachts, als die Krienitz und Vermille beziehungsweise ihre Leute deren Computersicherheitsbeauftragten erreichen wollten. Der hat aber inzwischen - dem Zeitunterschied und den Französischkenntnissen einiger Secret Service Leute sei es gedankt - herausgefunden, dass ein terminierter Auftrag zum Versand der Mail von Unbekannten auf den Firmenrechner übermittelt worden war. Der oder die Urheber sind nach Angaben dieses Mannes nicht auszumachen, da offenbar wichtige Hinweise gelöscht worden sind. FBI-Leute aus Paris sind nach Grenoble unterwegs.«

»So weit sind sie immerhin gekommen. Das ist der halb professionelle Teil des Weges.«

»Wie meinst du das? Ist das nicht schon sehr weit?«

»Nein. Das ist so geplant. Dass die Verfolgung ein Stück weit möglich ist und dabei viel Zeit und Mühe kostet. Bei einer unmittelbaren Verschleierung wären die nur bis zur CSU gekommen. Denn der Student liegt gerade im Krankenhaus oder ist auf einer Expedition im Urwald, oder er ist seit zwei Jahren nicht mehr an der Uni, und sein Account ist eigentlich seitdem geschlossen. Der letzte protokollierte Zugang zum Account liegt zwei Jahre zurück. Ein Außerirdischer hat die Mail an die First Lady verschickt.«

»Und dieser Punkt liegt jetzt in Grenoble? Wo die Verfolgung nicht weiter möglich wird?«

»Ja.«

»Wie beruhigend. Sie vermuten natürlich, wie zu erwarten war, ein Leck bei denen, die irgendwie und irgendwo mit den Programmen, mit den Rechnern oder mit den Passwörtern zu tun haben. Da ist unser Walter Ingram eine zentrale Figur. Wir müssen annehmen, dass sie ihn als PRIM verdächtigen. Oder dass er zu denen gehört. Das wird wohl erst vorbei sein, wenn weitere Mails eintreffen. Bis dahin werden sie Ingram durchleuchten, posthum sozusagen, und hoffentlich nicht Pink entdecken.«

»Das halte ich für ziemlich ausgeschlossen. Er war ein Profi. Werden wir an den Untersuchungen nicht beteiligt, Ernie?«

»Nicht direkt. Der Secret Service leitet die Sache, das FBI mischt natürlich mit, und Krienitz ist die Chefin. Aber wie ich unsere Kollegen kenne, werden sie bald jemand anderen benennen. Ich habe vorgeschlagen, einen Ersatz für Ingram zu schicken. Das fanden sie okay. Aber nicht, bevor die Untersuchung abgeschlossen ist. Pam Stonington bekommt natürlich neue Schlüssel.«

»Dann sind wir überhaupt nicht in der Gruppe vertreten?«

»Nein. Jedenfalls nicht in dem Team, das nach Lecks im Weißen Haus oder einer Verbindung von Ingram zu PRIM sucht. Das ist ausschließlich Sache des Secret Service. Ist ja vielleicht gut so. Natürlich werden wir unsere eigenen Untersuchungen durchführen und denen unsere Ergebnisse zur Verfügung stellen. Zu Recht hat keiner von denen bezweifelt, dass unsere Verschlüsselungen sicher sind. Das Leck betrifft entschlüsselte Dateien oder Schlüsseldiebstahl.«

»Richtig. Man wird bei der Schwester der First Lady suchen, dieser Viola Sinclair. Schließlich hat sie die Mail bekommen.«

»Sie hatte ihr Notebook auf Geheiß von Stonington oder der Krienitz gleich mitgebracht, als sie gestern ins Weiße Haus geholt wurde. Mit dem Hubschrauber übrigens! Sie behauptet, nur allein Zugang zu ihrem Notebook und zu den Mails zu haben und alle Mails ihrer Schwester nach dem Lesen zu löschen.«

»Das ist ein guter Witz«, brachte Tessenberg lachend hervor. »Und wer hat das Notebook jetzt?«

»Gute Frage. Ich habe sie in der Sitzung nicht gestellt. Aber es ist interessant, dass Joergensen, der Persönliche Berater des Präsidenten, und nicht Dr. Vermille oder die Krienitz verkündete, dass das Notebook sauber sei.«

»Was ist mit diesem Beratergremium?«, fragte Tessenberg.

»Es wird eingesetzt. Im Weißen Haus, streng geheim. Wir sollen drei Experten beistellen: Sprachanalyse, wegen der Mailtexte, Überwachung drahtloser Kommunikation, wegen möglicher Gespräche mit Smartphones, und Kryptologie, um die Bereiche Computer, Programmierung und Kryptografie abzudecken. Wir müssen sehr aufpassen bei dem letzten, wie du weißt, Peter.«

»Da hätte ich schon jemanden im Sinn. Sehr kompetent, aber jung genug, um mir total zu vertrauen und meinen Anweisungen bedingungslos zu folgen.«

»Verpflichte ihn zur Geheimhaltung und zu absoluter Loyalität dir gegenüber!«, sagte Grey. »Gib ihm eine kräftige Gehaltserhöhung! Und vereinbare mit ihm, dass er täglich einen Bericht schickt!«

Tessenberg lächelte, ohne dass Grey es bemerkte. Beide schwiegen. In Kürze würden sie in Fort Meade sein.

»Ist Rudrin hundertprozentig zuverlässig?« fragte Grey. Tessenberg nickte.

»Hat er auch Pinks Sachen durchsucht?«

»Ja. Die beiden Secret-Service-Typen tauchten zwar auf, bevor er mit allem fertig war. Zum Glück machten sie sich mit ihren Rufen bemerkbar, bevor sie ihn sehen konnten. Während sie sich mit Ingram - mit Pink - beschäftigten, konnte Rudrin das Haus durchsuchen. Er hat nichts gefunden. Die Geldbörse und die Papiere hat er dort gelassen. Es waren nur etwa sechzig Dollar in der Geldbörse. Ingrams Smartphone hat er mitgenommen. Ich bekomme es nachher.«


PRIM

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