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Militär statt Fußball

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Rückblende, Paris 1982: Souleyman Sané erinnert sich noch genau an den Tag, der sein Leben veränderte. Der 21-Jährige kehrte gerade heim von einem Urlaub mit Freunden an der Côte d’Azur, als ihn seine Eltern mit einem behördlichen Bescheid in den Händen empfingen: Er habe seinen Militärdienst abzuleisten in der Fremde, am französischen Stützpunkt in Donaueschingen, im Schwarzwald, in Deutschland. Tagelang hatten die Eltern zuvor versucht, ihren Sohn telefonisch zu erreichen – vergeblich, Handys gab es damals noch nicht. Doch nun war sie verstrichen, die Einspruchsfrist, die ihn vielleicht vor dem Umzug ins kalte Deutschland hätte bewahren können. »Ich habe mich sofort informiert und sah: Im Winter sind es dort minus zehn Grad. Ich sagte: Leck mich am Arsch! Das halte ich nicht aus«, berichtete Sané viele Jahre später in einem Interview mit dem Magazin 11 Freunde.

Für den jungen, talentierten Fußballer, den seine Mitspieler Samy riefen, brach damals eine Welt zusammen. Beim Drittligisten ES Viry-Chatillon hatte er gerade seinen ersten großen Vertrag unterschrieben, der ihm ein Monatsgehalt von 6.000 Franc garantierte, umgerechnet 2.000 D-Mark, viel Geld zur damaligen Zeit. Es war ein erster Schritt hin zu seinem Traum, einer Karriere als Fußballprofi, vor der ihn seine Eltern jedoch stets abgeraten hatten. »Souleyman, was für ein Quatsch! Fußball ist kein Beruf!«, bekam er von seinem Vater des Öfteren zu hören. Die Eltern hatten Wert auf eine bodenständige Ausbildung gelegt, deshalb absolvierte der junge Souleyman nach seiner Schulzeit auch eine Lehre als Konditor. Sein Vater und seine Mutter waren bemüht, sich rasch zu integrieren in das Land, in das sie 1965 als Gastarbeiter aus dem Senegal gekommen waren.

Souleyman war vier Jahre alt, als die neunköpfige Familie von Dakar nach Toulouse übergesiedelt war. Seine Eltern erhofften in Frankreich eine bessere berufliche und soziale Perspektive für sich und ihre Kinder. Als der Vater einen Posten an der senegalesischen Botschaft annahm, zog die Familie von Südfrankreich nach Paris. Souleyman, inzwischen französischer Staatsbürger, schloss sich mit 17 Jahren dem Vorortverein ES Viry-Chatillon an. Rasch schaffte er es in die Erste Mannschaft, war in der Saison 1981/82 deren bester Torschütze. Doch nun auf einmal Militär statt Fußball, Donaueschingen statt Paris. Souleyman Sané konnte aber auch dort nicht vom Leder lassen. Er spielte zunächst in der Auswahlmannschaft der Fürstenberg-Kaserne. Ein Leutnant nahm ihn dann einmal mit zum Training des örtlichen Verbandsligisten FV Donaueschingen. Und der pfeilschnelle Angreifer – seine Bestzeit über 100 Meter lag bei 10,7 Sekunden – wusste den Trainer und die Vereinsverantwortlichen sofort zu überzeugen. Schon kurze Zeit später nahm er an den Pflichtspielen teil. Bei seinen Mitspielern erlernte er die wichtigsten Begriffe der deutschen Sprache. Mit seinen Toren bewahrte er den FVD vor dem Abstieg.

Nicht mehr als ein Jahr hatte Souleyman Sané im Schwarzwald geplant. Doch es kam anders. Der Vereinspräsident und die Mitspieler baten ihn, nach Ende seines Militärdienstes zu bleiben. Ein Sponsor schuf dafür die Voraussetzungen: Sané erhielt das gleiche Gehalt, das er auch bei Viry-Chatillon hätte verdienen können. Von Profitum war er jedoch weit entfernt. Tagsüber musste er für den Hauptsponsor, einen Schuhhersteller, arbeiten. Das Training fand erst in den Abendstunden statt.

24 Tore erzielte er in der Saison 1984/85, die auch den benachbarten Zweitligisten SC Freiburg aufmerksam werden ließen. Im Sommer 1985 schloss sich der Senegalese mit französischen Pass dem Sport-Club an, den ein massives Sturmproblem plagte. Die Vorsaison hatte die Mannschaft von Trainer Anton Rudinsky zwar mit ausgeglichenem Punktekonto (38:38) auf dem achten Platz abgeschlossen. Die 45 erzielten Tore waren jedoch die schwächste Ausbeute der Liga neben Absteiger Kickers Offenbach (43). Zusammen mit einer anderen Neuverpflichtung sollte Sané der Offensivschwäche abhelfen: Von Bundesliga-Absteiger Karlsruher SC kehrte der damals 25-jährige Joachim Löw zurück in den Breisgau, nachdem er sich im Oberhaus weder beim KSC noch zuvor beim VfB Stuttgart und bei Eintracht Frankfurt hatte durchsetzen können.

»Leroy hat die guten Gene seines Vaters geerbt, ein Glücksfall für uns.«

Schalke-Manager Horst Heldt im Frühjahr 2015 über Leroy Sané

Souleyman Sanés Zweitliga-Debüt verlief enttäuschend. Beim 1:1 im heimischen Dreisamstadion gegen die Stuttgarter Kickers wurde er nach 57 Spielminuten ausgewechselt. Das Fachblatt Kicker berichtete danach wie folgt: »Souleyman Sané ist bestimmt ein großes Talent, schnell und technisch gut wie fast alle Afrikaner, die sich als Fußballer betätigen. Aber er ist kein Mann für den harten Zweikampf und keiner, der nachsetzt, wenn er einen Ball verloren hat.« Ein Makel, der viele Jahre später auch seinem Sohn Leroy nachgesagt werden sollte. Doch Souleyman Sané biss sich durch. Am fünften Spieltag bei der 2:4-Heimniederlage gegen Arminia Bielefeld erzielte er seinen ersten Zweitliga-Treffer. Bis zur Winterpause standen bereits neun Tore in 19 Spielen zu Buche, zu Saisonende waren es gar 18 – damit belegte er in der Torschützenliste der Zweiten Bundesliga den fünften Platz. Für die Saison 1986/87 unterschrieb Souleyman Sané zunächst einen Vertrag beim Ligakonkurrenten Fortuna Köln, überlegte es sich dann aber doch anders. 100.000 Mark Entschädigung an die Fortuna ließen sich die Freiburger den Verbleib ihres Torjägers kosten – Sané bedankte sich für das Vertrauen mit 17 Saisontoren (genauso viele erzielte Joachim Löw). Bundesligist FC Homburg bot nun 600.000 D-Mark Ablöse für den Torjäger, Zweitligist Kickers Offenbach war sogar bereit, noch tiefer in die Tasche zu greifen. Freiburgs Zweiter Vorsitzender Wolfram Haspel (»Unter einer Million geht gar nichts mehr«) wischte aber sämtliche Angebote vom Tisch, Sané blieb eine weitere Saison im Breisgau.

Leroy

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