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Die Idee des Modernen Biathlons

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Viele Sportinteressierte können sich kaum der Spannung von Biathlon-Wettkämpfen entziehen. Sportlichere Zuschauer juckt es auch sicher ab und an, dies einmal selbst auszuprobieren. Aber wie, wenn man kein Profi ist oder nicht beim Militär beschäftigt ist? Der Wintersport Biathlon stempelt sich selbst zu einer Art Elite-Sportart ab. Wie schade!

Die Grundidee, nämlich die Kombination zweier sportlicher Hauptkomponenten, die den Biathlonsport ja ausmacht, sollte erhalten bleiben. Die dadurch hervorgerufene Faszination ist in weiten Kreisen der Bevölkerung angekommen und die Abläufe wurden allgemein gut verstanden. Kaum jemandem ist der Biathlonsport heute noch unbekannt. Viele Fans würden gerne eine sich bietende Gelegenheit nutzen, um bei einem Biathlon selbst mitzumachen. Zum Breitensport allerdings hat es der Biathlon bisher noch nicht gebracht und die Gründe dafür sind nachvollziehbar:

 Beim Biathlon wird scharf geschossen! Kleinkalibergewehre können nicht nur gefährliche Geschosse abgeben. Damit sind auch weitere Nachteile verbunden, welche den Sport als Breitensportart erschweren. Scharf geschossen werden darf nur auf Schießständen und nur von Besitzern einer Waffenbesitzkarte, bekannt als Waffenschein. Hinzu kommen weitere erschwerende Umstände, die direkt mit den Schusswaffen in Verbindung stehen.

 Skilanglauf erfordert die richtige Jahreszeit und eine gut präparierte Piste. Das schränkt Ort und Zeit, wo und wann man diesen Sport ausüben kann, erheblich ein.

 Dies alles zieht erhebliche Kosten und großen Aufwand nach sich. Somit hat sich Biathlon überwiegend als Profisport für eine kleine, fast schon elitäre kleine Gruppe von Sportlern durchgesetzt. Die begeisterten Fans dieser Sportart konnten in der Vergangenheit somit nur zuschauen, aber kaum selbst aktiv werden.

Eine gewisse Annäherung an den Breitensport hat sich seit Mitte der 1990er Jahre durch den Sommerbiathlon ergeben, der ursprünglich als kostengünstige Biathlon-Variante gedacht war. Beim Sommerbiathlon wurden die Sportarten Crosslaufen (gelegentlich auch Mountainbiken) und Luftgewehrschießen kombiniert, was den Sport den Teilnehmern schon deutlich leichter zugänglich macht. Die Bezeichnung Sommerbiathlon war grundsätzlich unglücklich gewählt, denn Crosslaufen ist unabhängig von den Jahreszeiten möglich. Luftgewehrschießen erfordert zwar keinen Waffenschein, ist aber stets an Schießstände gebunden und bleibt dadurch organisatorisch immer noch aufwändig. So konnte auch der Sommerbiathlon bisher kaum zur wirklichen Breitensportart heranreifen. Was zum unkomplizierten Biathlon für Jedermann fehlte, waren harmlose, waffenscheinfreie „Waffen“ und eine Art von Skiern, die bei fast jedem Wetter benutzt werden konnten.

Durch die wachsende Popularität des Profisports Biathlon bekam der Sommerbiathlon Konkurrenz aus dem Winter. Zu wenig ausgelastete Biathleten oder auch die Idee, die Sportler nicht nur in den kurzen vier Monaten der Biathlon-Saison dem Publikum zu präsentieren, wurden zunehmend Biathlon-Wettkämpfe mit Skirollern ausgetragen. Biathleten trainieren ohnehin die meiste Zeit des Jahres auf Skirollern, so lag diese Idee sehr nah. Etwas unfair war die identische Bezeichnung dieser Wettkämpfe ebenfalls als Sommerbiathlon, weil dadurch eine klare Unterscheidung zwischen den beiden unterschiedlichen Sportarten erschwert wurde. Als Breitensport geeignet erscheint jedoch die Variante mit Skirollern bestenfalls nur ein ganz klein wenig, doch nicht so gut wie die ältere Variante des Sonmerbiathlons, der auf leicht verfügbare Sportgeräte, Luftgewehr und Laufschuhe, zurückgriff.

Noch vor diesen beiden Ideen ergaben sich jedoch 1992 und 1993 in Südhessen vier Gelegenheiten Cross-Biathlons auszutragen. Auch hier sprang die Faszination des Biathlons auf den Breitensport über und daher veranstaltete ich Kombinationswettkämpfe aus Mountainbikefahren und Luftgewehrschießen, alternativ Crosslaufen für weniger geübte Radfahrer. Schon nach der ersten Veranstaltung wurde die Idee erweitert und die zwei Ausdauersportarten im Biathlon kombiniert. Die Disziplinen des Wettkampfes wurden in der folgenden Reihenfolge durchgeführt: Laufen, Schießen, Radfahren, Schießen, Radfahren, Schießen und nochmals Laufen. Dieser Wettkampf wurde kurzerhand Cross-Triathlon genannt, obwohl es die Sportart Triathlon damals bereits als Cross-Variante gab.

Viel Verwirrung also in der 90er Jahren um die Namensgebung biathlonähnlicher Sportarten.

Deutlicher sollte die Bezeichnung für eine neue und ganz eindeutig für den Breitensport taugliche Variante des Biathlons ausfallen.

Die Grundlagen des Modernen Biathlons als eigenständige Sportart wurden vor allem in den Jahren 2004 und 2005 ausgebaut. Die vollständige Körperbelastung wie beim Skilanglauf war zwar erwünscht, Skiroller erschienen aber zum damaligen Zeitpunkt noch etwas zu diffizil für Ausdauersportler, die womöglich aus Sicherheitsgründen oder aus gesundheitlicher Motivation diesen Sport für sich gewählt hatten. Schießen mit meldepflichtigen oder gefährlichen Waffen sollte grundsätzlich vermieden werden. So war die Idee, eine dem Skilanglauf ähnliche Sportart und eine reproduzierbar genaue Präzisionssportart unter einem Dach zu vereinen, noch eine halbe Utopie. Seit den 1980er Jahren waren zwar so genannte Cross-Skates auf dem Markt: gutmütige, luftbereifte Cross-Inliner, die praktisch Ski-Skating auch mit Stöcken ermöglichten. Doch waren diese Sportgeräte noch so selten, dass sie fast als „Einhörner“ unter den Sportgeräten betrachtet wurden. Dagegen war elektronisches und damit harmloses Schießen bereits seit mehreren Jahrzehnten bekannt, aber bis dato leider fast unbezahlbar. Das Konzept des Modernen Biathlons sollte aber so weit entwickelt werden, dass es schon fast vollständig ausgereift angewendet werden konnte, sobald geeignete und erschwingliche Sportgeräte auf dem Markt zu Verfügung standen.

So wurde 2004 noch improvisiert und als Ausdauersportart zunächst wieder auf das Crosslaufen zurückgegriffen. Das Schießen wurde vorerst mit waffenscheinfreien „Spielzeugwaffen“, so genannten Softair-Pistolen, durchgeführt um wenigstens erste Abläufe und Versuchsreihen durchführen zu können. Völlig harmlos waren die Softair-Waffen nicht und eine Schutzbrille war wegen eventueller Querschläger dieser etwas stärkeren „Erbsenpistolen“ grundsätzlich notwendig. Zwar standen damals auch Softair-Gewehre zur Auswahl, doch grundsätzlich wollte man sich zunächst auf eine leicht durchführbare Präzisionsportart festlegen, jedoch nicht prinzipiell auf die genaue Form dieses Sportgerätes. Steinschleudern und Dartpfeile fielen als Präzisionssportgeräte wegen ihres Gefahrenpotentials schon nach kurzer Zeit aus der engeren Wahl.

Der grundsätzliche Ablauf eines Biathlons konnte mit Crosslaufen und Softair-Schießen bereits nachempfunden werden und deshalb gab es ab 2004 viele Dutzend Versuchsreihen, die sich immer weiter und weiter entwickelten. So ergaben sich bereits früh verschiedene Ablaufvarianten, die zeitlichen Abläufe und die Proportionen zwischen Laufzeiten, Schießzeiten sowie eventuelle Strafen für Fehler wurden recht genau ausgetüftelt. Ein ernüchterndes Ergebnis dieser Testreihen war, dass der Wintersport Biathlon zu wenig schießlastig war. Ein guter Ausdauersportler konnte bisher beim Biathlon erheblich mehr erreichen als ein guter Schütze.

Diese Testreihen wurden im Jahr 2005 erheblich voran getrieben. Fast zur gleichen Zeit standen dann fast plötzlich, zu recht erschwinglichen Preisen, Lasergewehre und Cross-Skates zur Verfügung. Mit den weiteren Versuchsreihen, die seitdem mit Cross-Skates und Lasergewehren durchgeführt wurden, war die Geburt des eigentlichen Modernen Biathlons besiegelt.

Heute wird Moderner Biathlon daher auf der Grundlage einiger der damaligen Grundkenntnisse durchgeführt. Diese lassen immer noch einen ganz erheblichen Spielraum in der Durchführung, mehr als jede andere Biathlon-Sportart. Um ihre Identität und die wichtige Zielsetzung nicht zu verlieren, wurde die Sportart seit 2005 im „Handbuch Moderner Biathlon“ definiert, das seitdem als Regelwerk des Modernen Biathlons gehandhabt wird.


Abb. 10: Schnell gab es erste Wettkämpfe im Modernen Biathlon mit noch sehr überschaubaren Teilnehmerzahlen.

Die verwendeten Sportgeräte sind Cross-Skates, welche Skirollern ähneln, durch Luftbereifung und Bremse jedoch enorm sicher zu fahren sind. Diese Sportgeräte können bei fast jeder Wetterlage auf sehr vielen verschiedenen Böden gefahren werden und erfordern weder ein Stadion noch befestigte Asphaltwege. In der Skating-Technik fährt man die Cross-Skates zusammen mit Stöcken um eine Belastung des ganzen Körpers zu erreichen und um besser voran zu kommen. Die Präzisionssportart wird mit inzwischen handelsüblichen Lasergewehren durchgeführt, die zwar viel günstiger sind als noch vor einigen Jahren, aber immer noch mindestens so viel kosten wie eine Ausrüstung mit Cross-Skates und Cross-Skating-Stöcken. Dagegen belaufen sich die laufenden Kosten auf verschwindend geringe Beträge, so dass der Moderne Biathlon als recht günstige Sportart gelten kann. Eine Komplettausrüstung ist heute für unter 2000 Euro zu bekommen, entspricht etwa einem guten Sportrad. Die laufenden Kosten sind danach kaum höher einzustufen als die des breitensportlichen Radsports oder der Kosten für ein paar Laufschuhe, die ein Läufer Jahr für Jahr abläuft.

Der Moderne Biathlon ist natürlich immer noch entwicklungsfähig, aber wehrt sich genau aus diesem Grund dagegen, den Winter-Biathlon imitieren oder simulieren zu wollen. Damit verbunden wäre ja auch die Nachahmung unpraktischer oder Waffensport ähnlicher Eigenschaften, die nicht von jedem Modernen Biathleten erwünscht sind. Der Ausstoß giftiger und krebserzeugender nitroser Pulverdämpfe, der Knall und das Gefährdungspotenzial durch Waffen schrecken nicht nur überzeugte Pazifisten von der Teilnahme an Sportarten mit scharfen Waffen ab.

Und warum sollte der Moderne Biathlon auch seinen Ahnen imitieren wollen? Moderner Biathlon ist nicht nur praktischer, sondern auch vielseitiger als die Profisportart Biathlon. Allein die Verbindung von Anstrengung und Geschicklichkeit macht die Herausforderung und die Spannung der Biathlon-Idee aus. Durch die erhebliche Vereinfachung des Sports bleiben diese essenziellen Elemente erhalten, während man sich aller überflüssiger, aufwändiger, teurer, störanfälliger und mitunter gefährlicher Elemente entledigen konnte. Andererseits lassen sich, durch die Befreiung von einigen unerwünschten Eigenschaften, viel mehr kreative Spielräume erschließen. Im Modernen Biathlon gab es schnell Variationen und Spielarten, die auch das Gehirn in besonderer Weise fordern und fördern.

Moderner Biathlon

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