Читать книгу Leben ohne Fallen - Dirk Bringmann - Страница 11
ОглавлениеDIE ANTWORTEN
Vielleicht haben Sie nicht auf jede dieser sieben Fragen eine Antwort gefunden, die Sie zufriedenstellte. Richtig? Gern helfe ich Ihnen mit der Auflösung auf die Sprünge. Und vielleicht bieten Ihnen diese Erkenntnisse ja bereits einen ersten kleinen Gewinn, einfach weil sie eine neue Perspektive eröffnen.
Frage 1: Stimmt es, dass man durch Kummer über Nacht grau werden kann?
Wenn man die Begrifflichkeit »über Nacht« etwas großzügiger auslegt und darunter »in kurzer Zeit« versteht, lautet die Antwort: ja. Psychischer Druck kann dafür sorgen, dass man tatsächlich binnen kürzester Zeit ergraut. Wie lässt sich das erklären?
Als Ursache kommen mehrere Mechanismen infrage: Unter anderem kann es durch starken psychischen Stress zu Haarausfall kommen. Gleichzeitig verursacht dieser Stress einen Verlust der Pigmentzellen, also jener Zellen, die der »Haargrundtönung: weiß« einen blonden, brünetten, roten oder schwarzen Anstrich verliehen haben. Die Haare, die nach dem Haarausfall wieder nachwachsen, sind pigmentlos, also grau (genau genommen sind sie eher weiß).
Frage 2: Hat Boris Becker zwei neue Hüftgelenke?
Ja. Das beweist jedoch nicht, dass »Sport Mord ist« oder man vor der Wahl stünde »Treibe Sport oder bleibe gesund«.
Vielmehr sollte man seine ganz eigene Sport- und Aktivitätsdosis ermitteln, damit das guttut, was man tut. Manchmal ist eben weniger mehr, besonders, wenn man neue Bewegungen trainiert. Boris Becker braucht also kein abschreckendes Beispiel zu sein. Ganz im Gegenteil: Selbst wenn Sie in Ihrem Leben nie (gern) Sport gemacht haben – vielleicht ist jetzt Ihr Startschuss für eine bewegte Zukunft. Die Trainingsübungen in diesem Buch eignen sich dafür ebenso gut wie ein Tanzkurs für Senioren, ein Nordic-Walking-Kurs oder die örtliche Yoga- oder Gymnastikgruppe. Egal, für was Sie sich entscheiden: Es soll Ihnen Spaß machen und darf dabei gern auch eine gewisse Herausforderung darstellen. Und sollten Sie das Schicksal eines zementierten oder zementfreien Ersatzteils im Beckenbereich mit »unserem Bobbele« – gemeint ist Bumm Bumm Boris aus Leimen – teilen, findet sich unter Garantie ein Weg, die spielerische Freude am Sport (wieder) zu entdecken. Fragen Sie Ihren Arzt oder Physiotherapeuten.
Frage 3: Hat man im Alter eher mehr oder eher weniger Rückenschmerzen?
Weniger. Das ist eine gute Nachricht. Viele Menschen, die in jüngeren Jahren häufig von der Hexe angeschossen wurden und immer wieder oder sogar dauerhaft unter Rückenproblemen litten, beschreiben, dass in späteren Lebensjahren diese Qualen abnehmen. Das erklärt sich zum Beispiel dadurch, dass die Gelenke des betagten Achsenorgans Wirbelsäule ganz allmählich verknöchern. Diese Verknöcherung sorgt zwar für eine Einschränkung in der Beweglichkeit, gleichzeitig aber auch für eine natürliche Stabilisierung mit dem Resultat: weniger Schmerzen. Wenn es Ihnen gelingt, diesen natürlichen Prozess mit ausreichend Bewegung, einem gesunden Maß an Belastung und der ebenfalls gebotenen Erholung zu unterstützen, dann wird Ihnen Ihr Kreuz in den nächsten Jahren eine starke Stütze sein.
Frage 4: Wie wirkt sich das regelmäßige Trinken von Alkohol auf die Lebenserwartung aus? Lebt man kürzer oder stirbt man früher?
In aller Regel wirkt Alkohol lebensverkürzend. Der inzwischen verbreitete Glaube, das Gläschen Wein gleiche einem Elixier, das sein Mäntelchen schützend über Herzkreislauferkrankungen legt, kann leicht in die Irre und zu Alkoholkonsum im Übermaß führen.
Des Rätsels Lösung? Bei Untersuchungen, die diese These der lebensverlängernden Wirkung von Bier & Co. bestätigen, werden die Probanden nicht selten in die beiden Gruppen »moderate Trinker« und »Abstinenzler« eingeteilt. Und tatsächlich gewinnen hier oft die, die sich hin und wieder ein Gläschen gönnen. Auf sie wartet ein längeres Leben. Aber bei dieser Erkenntnis wird auf einen entscheidenden Punkt zu leise hingewiesen: Wer lebt eigentlich alkoholabstinent? Es sind zum einen häufig die, die zuvor zu tief ins Glas geschaut haben. Natürlich ist es großartig, wenn Menschen den Sprung aus der Alkoholfalle schaffen. Dennoch darf man nicht vergessen, dass sie sich vielleicht über Jahre und Jahrzehnte hinweg chronische Organerkrankungen angetrunken haben, die per se lebensverkürzend sein können. Eine andere Gruppe der nichttrinkenden Mitmenschen wird von denen gestellt, die wegen einer ernsten Krankheit (und der eventuell notwendigen Medikation) auf Alkohol verzichten müssen. Und ernste Erkrankungen können selbstredend ebenfalls lebensverkürzend sein.
Frage 5: Warum leben Frauen im Schnitt länger als Männer?
Dies hat verschiedene Gründe. Unter anderem wird diskutiert, dass eine unterschiedliche Ausstattung mit Hormonen dazu führt, dass Frauen einen größeren Schutz vor Herzkreislauferkrankungen genießen. Männer wiederum sind testosterongeschwängert risikofreudiger. Dadurch verunfallen sie häufiger.
Eine interessante Beobachtung kann man bei Mönchen und Nonnen machen. Während unter »Normalbedingungen«, also außerhalb von Klostermauern, heute geborenen Mädchen ein fünf Jahre längeres Leben als den Jungs prophezeit wird, verhält sich das hinter den Klostermauern anders. Hier nähert sich die männliche Lebenserwartung derjenigen der weiblichen auf beeindruckende Weise an. Der Vorsprung schrumpft hier von fünf Jahren auf ein Lebensjahr. Erklärungen dafür sind zum Beispiel die Tatsache einer geringeren Stressbelastung im Kloster, die offensichtlich weltlichen Männern mehr zu schaffen macht als Frauen und damit bei den Herren lebensverkürzend wirkt. Und: Rauchende Marlboromänner sieht man in buddhistischen Klöstern oder katholischen Orden auch eher selten.
Frage 6: Was ist terminale Luzidität?
Man spricht auch von terminaler Geistesklarheit. Darunter verstehen wir folgendes Phänomen: Es gibt Sterbende, die lange Zeit vor dem Sterbeprozess durch eine Krankheit oder einen Unfall von einer Demenz heimgesucht wurden. Und trotz nachgewiesener hirnorganischer Veränderung (etwa ein Verlust von Hirnanteilen, der die Demenz begründet) wird immer wieder berichtet, dass kurz vor Toresschluss ein intellektuelles Aufwachen passiert. Menschen, die zuvor über längere Perioden desorientiert waren, finden Orientierung, Verwirrte werden glockenklar.
Verwandte und Ärzte staunen nicht schlecht, wie der Sterbende noch einmal aufblüht und sich geistig wie früher präsentiert, obwohl dessen Zentralrechner dies eigentlich gar nicht mehr hergeben kann, ist er doch in einigen Teilen irreversibel beschädigt. Mit derzeit vorhandenem wissenschaftlichem Wissen ist dies ganz und gar nicht erklärbar. Interessant, oder? Gut, dass die Gedanken frei sind und der Geist ganz offensichtlich nicht zwangsläufig von der »Hardware« Gehirn abhängig zu sein scheint.
Frage 7: Drehen sich die Uhren im Alter tatsächlich schneller?
Gefühlt ja. Vermutlich jeder Erwachsene weiß davon zu berichten, dass die Zeit von Jahr zu Jahr schneller vorangeht. Wie kommt es zu dieser Empfindung?
Erklärung 1: Die Zeit kommt uns paradoxerweise länger vor, wenn wir in einem definierten Zeitfenster – nehmen wir mal ein Jahr an – mehr erlebt haben. Das betrifft emotionale Erlebnisse wie auch ganz normale Alltagserlebnisse. Menschen erleben vor dem 30. Geburtstag beruflich wie auch sozial viel Neues und Interessantes. Die Tatsache, dass man im Alter weniger Neues erlebt, eben weil man vieles schon irgendwie in der Form oder ähnlich kennt, führt nun dazu, dass weniger Daten gesammelt und im Zeitspeicher abgelegt werden.
Mit den Jahren wandelt sich der Blick auf das Leben.
Die Gleichung lautet also:
Viele neue Datensätze pro Jahr = viel erlebt = lange Zeit = die Zeit vergeht langsam.
Wenige neue Datensätze pro Jahr = wenig erlebt = kurze Zeit = die Zeit vergeht schneller.
Erklärung 2: Neben diesem Phänomen wirkt ein zweiter Mechanismus: Wir setzen die Zeit, die wir jetzt erleben, ins Verhältnis mit der Zeit, die wir schon erlebt haben.
Beispiel: Für einen 4-Jährigen entspricht die Zeitspanne von diesem bis zum nächsten Geburtstag einem Viertel seines bisherigen Lebens. Bei einem 60-Jährigen ist es ein bedeutend geringerer Bruchteil, nämlich ein Sechzigstel. Anders ausgedrückt wartet ein 2-Jähriger sein halbes Leben auf die nächste Party.
Die Sache mit der Zeit wird übrigens eher bei der Betrachtung längerer Zeitspannen beobachtet (»Das letzte Jahr verging wie im Flug«). Kürzere Zeitspannen, etwa ein Tag, werden von Jungen und Alten als ähnlich lang empfunden.
Apropos Zeit: So ist es an der Zeit, dass wir zu üben beginnen. Für ein schönes Leben ohne Fallen.
Ich erkläre hiermit die sportliche Zukunft Ihres Lebens für eröffnet.