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2.4 Migration

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Die AußenmigrationAußenmigration und damit die seit Jahrzehnten andauernde „Debatte“, die inzwischen qualitativ beantwortet scheint, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist oder nicht, sowie die Diskussion, welche MigrationMigration erwünscht sein soll (und welche nicht), sind politisch wie wirtschaftlich äußerst sensible Themen. Weitgehender Konsens besteht lediglich darüber, dass die Einwanderungspolitik eines Landes Auswirkungen auf die Migranten selbst sowie auf die Entsenderländer wie auf die Empfängerländer hat.

Die Extrema unter den reichen Ländern bezüglich ihrer Ausländerquote sind die Vereinigten Arabischen Emirate (in Dubai leben derzeit ca. 95% Ausländer) und Japan, das kaum über Zuwanderung verfügt. Somit sollte auch Konsens darüber bestehen, dass der Ausländeranteil einer Gesellschaft allein keine ausreichende Argumentation liefert, um Schlussfolgerungen bezüglich der Auswirkungen von Migration auf den Wohlstand der heimischen Bevölkerung abzuleiten.

In nachfolgender Box sind die zentralen Aussagen des Buches Exodus: Warum wir Einwanderung neu regeln müssen des Oxforder Professors und früheren Forschungsdirektors der Weltbank, Paul Collier, kurz zusammengefasst (s. auch Kapitel 15).

Kernpunkte von „Exodus: Warum wir Einwanderung neu regeln müssen“ von Paul Collier (2014)

Neben der fraglos ökonomischen Motivation von Migranten, ihre bzw. die Zukunft ihrer Kinder zu verbessern, ist Migration ein soziales Phänomen. Migration hat also ökonomische Ursachen und ökonomische und soziale Folgen. Unterschiedliche Analysen werden von der ethischen Frage überlagert, in welchem moralischen Maß die verschiedenen Auswirkungen gemessen werden sollen.

„Der Umzug von Menschen aus armen in reiche Länder ist ein einfacher ökonomischer Vorgang, allerdings mit komplexen sozialen Folgen.“ (Collier, 2014, S. 18). Weiter: „Unsere moralische Einstellung bestimmt, welche Argumente und Beweise wir zu akzeptieren bereit sind.“

Dabei werden die Pflicht der Reichen, den Armen zu helfen, und das Recht auf freie Bewegung zwischen den Ländern zumeist nicht voneinander getrennt. Die Ablehnung von Einwanderung wird vielfach mit Rassismus gleichgesetzt.

Es ergeben sich drei große Fragenkomplexe, für deren Beantwortung erstaunlicherweise wenige empirisch fundierte Forschungsergebnisse vorliegen:

1 Welche Auswirkungen hat Migration auf die Migranten selbst?

2 Welche Auswirkungen hat Migration auf das Empfängerland?

3 Welche Auswirkungen hat Migration auf das Entsenderland bzw. auf die Zurückgebliebenen?

Viele vermeintliche Wahrheiten, dass die ärmeren Länder durch den Verlust ihrer besten Talente – Stichwort Braindrain – intellektuell ausbluten, lassen sich statistisch pauschal nicht belegen.

„Umgekehrt könnten sie auch gestärkt werden, wenn Schlüsselpersonen mit den Erfahrungen zurückkehren, die sie im Ausland gesammelt haben.“ (S. 203). MigrationMigration hat ferner für die Entsenderländer zwei Effekte: den direkten, der die Zahl der verfügbaren Talente verringert, und den indirekten, Bildungsdruck im Inneren aufzubauen, damit Migranten migrationsfähig werden (S. 207 ff.).

Die zentrale Frage lautet somit nicht, ob Migration per se gut oder schlecht ist, sondern, in welchem Maße sie sinnvoll ist. Globale Optimierung führt letztlich in die Irre, wenn die Aufnahmefähigkeit der Empfängerländer bzw. deren soziale Stabilität (die einen Grund für die Migration darstellt) in Frage gestellt wird, da die traditionell hohe Kooperationsbereitschaft (von Collier auch als Vertrauen referiert) der Heimatbevölkerungen in den reichen Ländern „bei zu viel Einwanderung“ gefährdet ist.

Wichtig ist hier der qualitative Unterschied zwischen der Migration aus den Peripherieländern der EU ins Zentrum der EU, die durch das Freizügigkeitsprinzip der Arbeitssuche in der EU – noch – geschützt ist, und der Migration aus den meisten EU-Anrainerstaaten in Nordafrika und im Nahen Osten.

Aus dem Baltikum und weiten Teilen Südosteuropas gehen nicht nur viele junge und gut ausgebildete Menschen fort, eine positive Rückkopplung kann wegen der niedrigen Geburtenraten (s.o.) allerdings nur sehr eingeschränkt erfolgen, was mittelfristig wiederum Folgen für die staatliche Funktionsfähigkeit haben muss.

Spätestens dann, wenn Sie sich in einem (ost-)deutschen Provinzkrankenhaus behandeln lassen, werden Sie feststellen, dass viele Ärzte aus Osteuropa, wo sie ausgebildet wurden, kommen und demzufolge dort fehlen müssen. Ebenso stellen sich Fragen, warum durch die empörungserfahrene deutsche Gesellschaft kein Aufschrei geht, wenn Vertreter deutscher Kommunen und Unternehmen seit über einem Jahrzehnt in Osteuropa wie in Südwesteuropa insbesondere junge Frauen als Alten- und Krankenpfleger anzuwerben versuchen und warum in Deutschland angeblich oder tatsächlich die Ernte ohne „Erntehelfer“ aus Osteuropa verrottet und warum in den Schlachthöfen Deutschlands fast nur Ausländer arbeiten. Die Aufzählung ist nicht vollständig.

Werfen wir nun einen Blick auf die absoluten und prozentualen Ausländerzahlen innerhalb der (erweiterten) Europäischen Union:

Land Ausländerzahlen in Tausend Ausländeranteil in %
Deutschland 9.219 11,2
Großbritannien 6.071 9,2
Italien 5.047 8,3
Frankreich 4.638 6,9
Spanien 4.419 9,5
Schweiz 2.099 24,9
Belgien 2.099 11,9
Österreich 1.333 15,1
Niederlande 914 5,3
Schweden 841 8,2
Griechenland 810 7,5
Tschechien 510 4,8
Portugal 397 3,9
Lettland 279 14,3
Luxemburg 281 47,6

Tab. 2.3:

Ausländer in Europa (Stand Februar 2020; Quelle: Statistisches Bundesamt[26])

Tabelle 2.3 zeigt sehr hohe Ausländeranteile in der Schweiz und Luxemburg (das aufgrund seiner geringen Bevölkerungszahl als Sitz diverser EU-Institutionen eine Sonderrolle einnimmt) an, während ihre Pendants in den Niederlanden und in FrankreichFrankreich deutlich niedriger sind. Deutschland liegt mit 11,2% (nach 8,7% im Jahre 2016) Ausländern bei dieser Betrachtungsweise im oberen Mittelfeld. Lettland stellt mit einer starken russischen Minderheit einen Sonderfall dar, der hauptsächlich auf die euphemistisch so genannte Stalinsche Nationalitätenpolitik zurückgeht.

Eine monokausale Argumentation würde hier fast unweigerlich zu dem Schluss führen, dass viel Migration gut für die Harmonie einer Gesellschaft ist, eine Aussage, der vermutlich nur die wenigsten unter uns vorbehaltlos zustimmen würden. Tatsächlich sind die Migranten in den kleinen Ländern Schweiz und Luxemburg zumeist hoch qualifiziert und sie akzeptieren in ihrer überwiegenden Mehrzahl das Wertesystem ihres Empfängerlands.

Neben statistischen Unterschieden bei der Registrierung oder Einstufung von Einwanderern (s.o.) bezüglich ihrer Verweildauer im Aufnahmeland spielt die Einbürgerungspolitik der betreffenden Staaten eine zentrale Rolle, um direkte Schlussfolgerungen zu ziehen oder diese zu unterlassen.

Ausländer sind juristisch per definitionem Personen, die über einen anderen Pass als den des Wohn- und zumeist Arbeitsorts verfügen. So werden z.B. in Großbritannien, Frankreich (hier auch fast jedes Kind, das in Frankreich geboren wurde, unabhängig vom Status der Eltern) und den Niederlanden zahlreiche Menschen, die aus ehemaligen Kolonien stammen, als Inländer klassifiziert, obwohl ein substanzieller Teil von ihnen die „Hauptkultur“ des Empfängerlandes nicht oder nur teilweise akzeptiert.

Der statistische Anteil der Ausländer in der Schweiz war 2019 hingegen mit 24,9% formal fünf- bzw. viermal so hoch wie in den Niederlanden oder Frankreich und mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland, das Durchschnittseinkommen jedoch deutlich höher als in den drei genannten größeren Ländern.

Als Zwischenfazit können wir festhalten, dass uns prozentuale Angaben zu Ausländern innerhalb einer Bevölkerung isoliert betrachtet nicht weiterbringen.

Herausforderungen der Wirtschaftspolitik

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