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Kapitel 3

Die Sonne stand heute schon höher am Horizont, als er sich ein weiteres Mal die Schuhe schnürte, um seine Runde zu drehen. Er hatte mittlerweile den Dreh raus sich zu motivieren und hatte einen schönen, ungefähr zehn Kilometer langen Rundweg ausgekundschaftet, bei der er sich richtig austoben konnte. Er verließ seine Ferienwohnung und streckte sich vor der Tür. Er genoss den Anblick der zerklüfteten Berge und der Wälder, die sich die Hänge hinauf rankten, wie Efeu, der sich den Weg an einer Hauswand sucht. Das Wetter hatte ihn in seinem gesamten Urlaub nicht im Stich gelassen und er sog die frische Bergluft tief in seine Lungen ein. Nach einigen Kniebeugen und anderen Lockerungs- und Dehnübungen fing er langsam an loszutraben, um seine vorletzte Runde zu absolvieren, bevor er in den nächsten Tagen wieder nach Hause reisen würde.

Den ersten Kilometer ließ er es gewöhnlich langsam angehen und auch heute hatte er nicht vor, daran etwas zu ändern. Vielmehr genoss er die trockenen Wege, die sich durch den ersten Waldabschnitt schlängelten, vorbei an dem Ameisenhügel, dessen emsige Bewohner scheinbar immer etwas zu tun hatten. Er freute sich, dass er Urlaub hatte und nicht im Hamsterrad irgendeiner Firma seinen Job tat. Er war zwar selbstständig, kam aber gewöhnlich nicht vor vierzehn Stunden zur Ruhe. Auch nicht an den Wochenenden, die er so gerne mit Freunden verbracht hätte. Er lief an dem Hochsitz vorbei, der, wie auf Opfer wartend, am Waldrand stand und auf die Lichtung schaute. Der Gedanke, dass ein Jäger einem Tier auflauerte, um es aus der Entfernung zu erschießen, behagte ihm gar nicht. Daher hatte er sich schon oft vorgenommen komplett auf Fleisch zu verzichten, aber genauso, wie mit verschiedenen anderen seiner Vorsätze, hatte sich auch dieser nicht auf Dauer verwirklichen lassen. Vielmehr redete er sich ein, dass ein Jäger es auf Wild abgesehen hatte, wohingegen sein geschätztes Steak extra dafür gezüchtet wurde. Dieser Vergleich hinkte allerdings, dessen war er sich auch bewusst und so versuchte er seinen Fleischkonsum zumindest auf ein Minimum zu beschränken. Als er auf die offene Lichtung hinauslief, zog er das Tempo an. Heute fühlte er sich allen überlegen und ging an seine Grenzen, wie er meinte. Ein Marathonprofi hätte ihn bestimmt rückwärts laufend noch überholt, aber er war stolz auf seine Geschwindigkeit und schnaufte bedrohlich bei jedem seiner Schritte.

Die Schmerzen, die er auf einmal wieder in seiner Brust verspürte, beunruhigten ihn nicht, da er sie in den letzten Tagen schon öfter beim Laufen wahrgenommen hatte. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie das letzte Mal auch von selbst wieder verschwunden waren. Er fühlte sich fit und gab nicht nach, nur achtete er gezielt auf gleichmäßiges Ein- und Ausatmen. In der Vergangenheit war es gewöhnlich seine Milz, welche die vermehrte Blutmenge nicht liefern wollte, wenn er sich anstrengte. Das wird sicher gleich wieder vorbei sein, redete er sich selbst Mut zu.

Hinter der nächsten Kurve stieg der Weg steil an und wand sich wieder in den Wald hinein. Es war eine gute Gelegenheit das Tempo und die Anstrengung noch einmal zu steigern. Wären doch bloß diese stechenden Schmerzen in seiner Brust wieder verschwunden, aber bei jedem seiner Schritte spürte er, wie sich sein Körper gegen die Qualen wehrte. Als er die Steigung in Angriff nahm war er nicht mehr in der Lage gewesen noch schneller zu laufen. Er entschied sich dazu, einfach die Geschwindigkeit zu halten und zu hoffen, dass die Schmerzen nicht zunahmen. Er wankte nach links und sah den Graben auf sich zukommen. Er versuchte noch gegenzusteuern, aber seine Beine versagten bereits. Seine Augen waren zwar noch in der Lage den Graben zu erkennen, aber sein Gehirn vermochte keine ausreichenden Impulse mehr zu geben, um den bevorstehenden Sturz abzufangen. Als er vornüberkippte und ohne Gegenwehr in den Graben fiel, nahmen seine Sinne die Situation nicht mehr wahr. Als sein Körper auf dem Boden des ausgetrockneten Grabens aufschlug, verspürte er keinen Schmerz mehr, denn er war bereits tot.

Hintertüren

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