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12.

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Albert war gerade damit fertig, seine Waffen zu reinigen und zusammenzubauen. Eine dunkelgrau lackierte Wilson Combat lag in ihrem Transportfach im Koffer vor ihm, zusammen mit einem Schalldämpfer und mehreren Magazinen und Ersatzteilen. Mit einem Tuch polierte er konzentriert den Lauf einer zweiten Pistole, zu der der Schalldämpfer gehörte.

>>I got guns for hire, shoot you with desire. I´m a wanted poster, a needed man, wanted right across the land<<, brummte er dabei in schrägen Tönen einen Ausschnitt aus einem Stück seiner bevorzugten Band, deren Mitglieder bereits fast alle auf dem Friedhof begraben waren, dort, wohin er selbst schon eine Menge Leute geschickt hatte. Aus den kleinen Ohrstöpseln in seinen Ohren dröhnte die zugehörige Musik von einem Touchbook auf dem Tisch neben ihm.

Die Musik wurde plötzlich ausgeblendet und durch ein lautes Summen ersetzt. Das neue Geräusch unterbrach Albert bei seiner Beschäftigung. Er zögerte kurz, denn das Gerät gehörte seinem Partner, der für die komplizierten technischen Dinge der Neuzeit zuständig war. Ihm selbst lagen elektronische Werkzeuge weniger. Seine Sache waren die guten alten mechanischen Angelegenheiten, bevorzugt diejenigen, die mit einem Schlagbolzen. Immerhin war er in der Lage, auf solch einem Touchbook ein paar Programme zu bedienen, unter anderem einen Musikplayer.

Albert warf einen Blick auf das Display und seine Augenbrauen hoben sich, als er den Namen des Anrufers las. Langsam legte er die automatische Pistole in den offenen Deckel des außen mit dunklem Leder und innen mit schwarzem Stoff bespannten Koffers auf dem Tisch. Kurz betrachtete er die Fingerspitze seines rechten Zeigefingers und wischte dann über das Display des Touchbooks. Die Bewegung hatte etwas Zögerliches, war aber schnell genug für das Gerät, das prompt den verschlüsselten Audioanruf entgegennahm.

Albert neigte seinen Kopf zur Seite um festzustellen, ob sein Finger eine Spur vom Waffenöl auf dem Touchbook hinterlassen hatte. So etwas würde seinem Partner nicht unbedingt gefallen, wofür er absolutes Verständnis hätte. Auch Albert mochte es nicht, wenn Dorian eines seiner Arbeitsgeräte benutzte und dabei in einen unansehnlichen Zustand versetzte, möglicherweise noch mit Fingerabdrücken verziert.

Er runzelte missbilligend die Stirn, als er die zahlreichen Fingerabdrücke auf dem Display sah.

>>Was gibt es?<<, blaffte Albert.

Überflüssige Höflichkeit war nicht unbedingt seine Stärke. Aber der Anrufer wusste, wen er anrief, somit konnte er sich irgendwelche Floskeln sparen.

>>Hier ist André! Sind Sie das, Albert?<<

Die Stimme aus den kleinen Ohrstöpseln klang selbstbewusst.

>>Ja, Dorian ist gerade beschäftigt!<<, brummte er genervt.

Dorian und er befanden sich seit zwei Tagen in Málaga, in einem Hotel einer recht gemäßigten Preisklasse, in dem sie nicht auffielen. Dorian hätte gerne eine Unterkunft gewählt, in der sich die Bettwäsche frischer anfühlte und roch, das Interieur nicht aussah wie der Sonderverkauf von der Müllhalde, der Portier in seiner fleckig schmutzigen Garderobe nicht nach Schnaps und Schweiß stank, und nachts keine angetrunkenen Gäste lärmend durch die Hotelflure zogen und in die Ecken erbrachen. Aber in solchen Hotels stellten die Leute an der Rezeption unnötige Fragen, überprüften die Identität ihrer Gäste, und vor allem standen solche Hotels in Stadtteilen, die kameraüberwacht wurden. Wenn man gerne inkognito unterwegs war, waren das entscheidende Kriterien.

Also warteten sie in dieser Bude auf Andrés Anruf, nachdem Dorian ihm die Mitteilung mit dem Video geschickt hatte. Dorian war von Stunde zu Stunde wütender geworden, weil die Abschlusszahlung für den Auftrag auf sich warten ließ. Nahezu stündlich hatte er das Western Union-Konto geprüft, aber es erfolgte keine Eingangsbuchung. Fünfzigtausend waren ihnen für diese kleine Aktion versprochen worden, zehntausend vorab, der Rest nach Durchführung. Am Hafen lag ein Boot für sie bereit. Sie sollten einem GPS-Signal auf dem Meer folgen und das gefundene Ziel zu einem definierten Zeitpunkt eliminieren.

Es war einfach verdientes Geld gewesen. Albert hatte sich ein wenig mehr Spannung versprochen. Und Dorian hatte nicht erwartet, dass die Restzahlung der Prämie so lang auf sich warten lassen würde. Knapp eine halbe Stunde vor Andrés Anruf war er wütend aus dem Zimmer raus. So wie Albert Dorian einschätzte, vergnügte er sich gerade mit einer Nutte, für die diese Nummer hart verdientes Geld sein würde.

Der Anrufer ließ einen Moment verstreichen, als müsste er nachdenken. André war es gewohnt, mit Dorian zu sprechen, den er als den deutlich intelligenteren der beiden Männer ansah. Er war den beiden noch nie begegnet und hatte mit ihnen nur per Audioverbindung kommuniziert. Ihm lagen nur ihre Profilbeschreibungen inklusive Arbeitsnachweisen und Referenzen vor, wie in der Branche üblich. Er selbst hätte den Referenzen bereits etwas hinzufügen können. Dorian und Albert verstanden ihren Job, waren präzise, pünktlich, zuverlässig.

Bei den Gesprächen war Albert kaum zu Wort gekommen, aber das wenige, was er gesagt hatte, reichte André, um ihn einzuschätzen. Er zog es vor, Albert nach Möglichkeit nicht von Angesicht zu Angesicht begegnen zu müssen. Der Mann wirkte auf ihn überschaubar intelligent, latent aggressiv und schwer kalkulierbar. Dorian war ihm der wesentlich angenehmere Gesprächspartner.

Leider fand seine Präferenz bei diesem Gespräch wohl keine Berücksichtigung.

>>Es tut mir leid, dass es mit der Restzahlung ein wenig gedauert hat. Aber der Kunde zeigte sich ein wenig enttäuscht, weil die Zielperson auf dem Video nicht zu sehen ist<<, sprach André weiter.

Seine Arbeit bestand darin, brisante Aufträge seiner Auftraggeber an geeignete Personen zu vermitteln, die professionell genug für die technischen Anforderungen und geübt darin waren, jenseits der Legalität zu arbeiten. Seitdem er in dieser Branche sein Geld verdiente, litt er nicht an Langeweile. André erledigte alles Finanzielle, versorgte die Auftragnehmer mit den notwendigen Informationen, hielt die Kommunikation zu ihnen aufrecht, bis die Arbeit erledigt war und stellte eventuell notwendige Unterstützung bereit.

Albert und Dorian arbeiteten nicht das erste Mal für ihn. Sie hatten bereits eine Reihe von Auftragsmorden und körperlichen Bestrafungen erfolgreich erledigt und dabei die erforderliche Diskretion und Professionalität bewiesen. Dorian war ein intelligenter technisch versierter und sehr umsichtig agierender Auftragskiller. Alberts Fähigkeiten beschränkten sich laut seinem Profil auf den Waffeneinsatz. Es gab scheinbar kein Gerät, das sich zum Töten eignete und das er nicht beherrschte. Und er beherrschte auch das Töten mit Dingen, die auf den ersten Blick nicht gefährlich wirkten.

Noch war er sich nicht sicher, ob das Ergebnis dieses Einsatzes als Missgeschick zu bewerten war. Die beiden hatten zwar eine Aufnahme gesendet, in der zu sehen war, wie das Boot zerstört wurde. Auch die Hinrichtung der Überlebenden war sehr deutlich zu erkennen. Leider fehlte ein wichtiges Detail.

Dieses Detail bekam er über einen ungewöhnlichen Weg. Ein anderer Auftrag war zuvor bei ihm eingegangen. Eine Entführung. Präzise Details dazu, wo die Zielperson wann zu finden war. André hatte alles arrangiert, allerdings nicht für Dorian und Albert. Es war einfacher, dafür jemand direkt in Marokko zu beauftragen.

>>Wir sollten ein Boot samt Besatzung versenken! Das haben wir getan! Wo liegt das Problem? Wann kommt unser restliches Geld?<<, blaffte Albert noch etwas ungehaltener.

André benötigte eine weitere Denkpause. Er spürte eine gewisse Abneigung dagegen, die Angelegenheit mit Albert zu besprechen. Mit Dorian war eine zielorientierte Unterhaltung möglich. Natürlich hatte es einen Fehler gegeben. Es war nicht nur um das Boot gegangen, sondern um eine bestimmte Person, die das Boot eindeutig vor dem Angriff bereits verlassen hatte.

Zwei Aufträge von verschiedenen Auftraggebern über die gleiche Zielperson zur gleichen Zeit. Das war ungewöhnlich, fast kurios, auf jeden Fall außerordentlich interessant. Dorian und Albert waren zu spät gekommen. Immerhin hatten sie mit dem Boot, wie er auf dem Video sehen konnte, einwandfreie Arbeit geleistet.

Dass sie zu spät waren, war nicht ihre Schuld. André hatte einen simplen Fehler begangen. Die Entführung war nach marokkanischer Zeit geplant gewesen und diese hatte er selbst versehentlich auch für die Versenkung des Bootes gesetzt, aber nicht in europäischer Zeit umgerechnet. Ein paar Seemeilen und eine andere Zeitzone. Eine Stunde nur, um die Albert und Dorian ihr Ziel verpasst hatten. Eine Stunde, die André selbst in eine prekäre Situation bringen konnte. Der Auftraggeber bezahlte für einen nicht erledigten Job.

André hatte die beiden Aufträge zuerst nicht in Verbindung gebracht. Er organisierte die Entführung. Erst als der bestellte Entführer ihm die Nachweise seiner Arbeit zugeschickt hatte, fiel ihm ein kleines entscheidendes Detail auf. Das Gesicht des Liquidationsziels auf dem Boot wies eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Gesicht des Entführungsopfers auf. Ein Dilemma. Aber ein lösbares. Sobald der Entführungsauftrag beendet war, würde der Mordauftrag eben nachträglich erledigt werden. Das Opfer lief ihm ja nicht mehr weg.

>>Ich konnte den Kunden überzeugen. Die Zahlung erfolgt also.<<

André wartete ab. Aber wie erwartet, blieb Albert stumm. Der sah aus dem Fenster des Hotelzimmers nach unten auf die Straße und verfolgte ein Paar, das eilig an den Häusern auf der anderen Straßenseite entlang lief. Er zielte mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf die beiden, atmete aus und hielt für einen Moment den Atem an. Der Zeigefinger zuckte kurz. Eine Sekunde später wiederholte sich diese Bewegung.

>>Der Auftraggeber hat einen weiteren Auftrag angekündigt<<, sprach André weiter.

>>Sie sind der Boss!<<, erwiderte Albert und grinste. Das Paar da draußen ahnte nicht, dass es gerade in der Fantasie eines Auftragsmörders exekutiert worden war, mit einem sauberen Schuss in jeden Hinterkopf.

>>Sie werden nach Deutschland fliegen, genau genommen nach Berlin! Danach bleiben Sie in Bereitschaft! Natürlich gegen Kostenerstattung<<, antwortete André.

Albert setzte sich wieder an den Tisch und legte seine Füße auf die Tischplatte neben dem Koffer mit den darin liegenden Pistolen.

>>Sie zahlen, wir reisen!<<

Albert rollte mit den Augen. Er hätte diesem André zu gerne in diesem Moment gegenüber gestanden. Er stellte sich den Mann als schmalschulterigen Bürotypen vor, in einem korrekt sitzenden Anzug, langweilig und farblos, keiner, der selbst wagte, Hand anzulegen. Natürlich hatten sie noch nie direkten Kontakt zu einem dieser Typen gehabt. Das Geschäft erforderte Anonymität. Aber wie sollte schon jemand aussehen, der nicht in der Lage war, seine Probleme selbst zu lösen, indem er einfach eine Waffe in die Hand nahm und abdrückte. Albert grinste und warf einen Blick auf die Wilson Combat.

>>Ich sende Ihnen die neue Vereinbarung an Dorians Mailbox. Sprechen Sie mit Ihrem Partner! Vor Ihrer Abreise bekommen Sie die nächste Teilzahlung!<<

>>Ein weiterer Auftrag, sagen Sie. Und dann noch mehr? Und wann? Wir bekommen Langweile, wenn wir zu lange herumsitzen und warten! Andere Aufträge warten auch<<, grinste Albert.

>>Keine Angst! Sie werden nicht allzu lange untätig sein<<, erwiderte André und versuchte sich Alberts bedingt intelligenten Gesichtsausdruck vorzustellen.

Albert schlug mit einer Hand auf seinen Oberschenkel. Der laute Knall ließ André unwillkürlich zusammen zucken. Es klang für ihn wie ein Schuss und er fragte sich für einen Moment, ob Albert mit seinen Waffen rumspielte.

>>Albert? Alles in Ordnung?<<, fragte er irritiert, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, dass etwas Ernsthaftes passiert war. Albert würde sich schon nicht selbst erschossen haben.

>>War das zu laut? Sie sind zu schreckhaft! Jetzt reden Sie endlich Klartext! Wie viele Exekutionen kommen noch?<<, grunzte Albert, dem langsam die Geduld ausging. Keine schwierige Hürde, sein Geduldslevel.

>>Ich erhalte Ihre Ziele selbst von einem Kunden, der sie dann nennt, wenn es an der Zeit ist.<<

Diese vage Auskunft hatte auf Albert tatsächlich eine beruhigende Wirkung.

>>Ok, Sie sagen Bescheid, wenn es so weit ist. Wir fliegen erst mal nach Berlin<<, brach es aus ihm raus. Er streckte eine Hand aus und fuhr mit den Fingern am Lauf der Wilson Combat entlang. Ein gutes Gefühl. Glatt, kühl, ehrlich. Die Frage, auf welche Weise Metall ehrlich sein konnte, kam ihm nicht in den Kopf. Es war einfach so.

Albert steckte seinen Zeigefinger in den Abzugschutz der zweiten Waffe, die in der anderen Kofferhälfte lag. Gemächlich drehte er die Pistole im Kreis und zielte damit auf das Fenster. Das Gespräch begann ihn zu langweilen. Die für ihn wichtigen Dinge waren besprochen. Der Rest war Angelegenheit seines Partners.

>>Okay! Ich werde Dorian von Ihrem Anruf erzählen! Sie sagen, wenn es weitergeht! Er kann alles nachlesen, weil Sie es ihm ohnehin noch mal schicken!<<

>>Genau! Danke, Albert!<<

Albert verdrehte die Augen. Dieser André war ein schleimiger arroganter Idiot.

>>Dorian meldet sich bei Ihnen! Bis dann!<<

Albert tippte vorsichtig mit einem Finger auf das Display des Touchbooks, das aufleuchtete.

Dann drückte er seinen Daumen auf das rote Feld unter der Gesprächsanzeige und beendete das Gespräch.

>>André, hören Sie mich?<<

Als keine Antwort kam, lehnte Albert sich zufrieden zurück. Wie es aussah, war für die nächste Zeit für ausreichend Unterhaltung gesorgt. Er betrachtete die schwere Wilson Combat mit zufriedenem Blick und stellte zum wiederholten Mal fest, wie gut sie in seiner Hand lag.

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