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19.

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Der Wagen hielt auf dem Parkplatz vor der Wohnanlage. Ein Schild an der Zufahrt informierte über den Namen der Anlage, Pines Shadow. Sie waren auf der Fahrt bereits an anderen solchen Schildern vorbeigekommen, die solch interessante Namen trugen wie Palms Island oder Oak and Wind.

Wie es schien, hatte die Dominanz des Englischen in der Wissenschaft selbst vor kleinen Wohnparks in einer deutschen Universität nicht halt gemacht. Immerhin reichten Daniels Sprachkenntnisse, um nicht schon bei Eichen und Pinien zu kapitulieren.

Daniel warf einen bewundernden Blick auf die im Sonnenlicht blendend helle weiße dreistöckige Gebäudereihe mit einem hellgrauen Pultdach. Dem Abstand und der Ausdehnung der Balkone und Terrassen nach verfügte jede Wohneinheit über eine Fläche, in die Daniels Wohnung wohl mehrfach hineinpassen würde. Der Grünstreifen hinter dem Parkplatz, auf dem einige sehr teuer aussehende Wagen standen, war sorgfältig gemäht. Die Terrassen waren mit blühenden Rosenbüschen voneinander abgegrenzt. Auf der linken Seite standen zwei weitere solcher Anlagen. Die Rückseite des Gebäudes bestand fast vollständig aus weiß gerahmten Glaselementen.

Auf zwei Flächen auf dem Rasen waren weiße Bänke im Kreis angeordnet, in deren Mitte sich jeweils ein kunstvoll gestaltetes Wasserspiel mit kubischen und kugelförmigen Steinobjekten befand. Leise plätscherte Wasser von den Objekten auf den Boden und floss unter die Objekte, von wo aus es wieder nach oben gepumpt wurde.

>>So wohnen Studenten aus gutem Haus also heute!<<, rutschte es Daniel heraus.

Er erinnerte sich an seine Unterbringung während seiner eigenen Ausbildung. Eine heruntergekommene Kaserne der Polizei. Die Straßen und Wege auf dem Gelände in einem erbärmlichen Zustand, mit Löchern und Rissen übersät, die Mannschaftsgebäude teilweise baufällig, mit Schimmel in den Waschräumen, herabfallendem Putz an der Fassade und Dächern, die regelmäßig bei starken Regenfällen das Wasser direkt in die Flure leiteten. Bettzeug brachten die meisten Polizisten selbst mit, Matratzen eingeschlossen, weil die vorhandene Ausstattung eher ein Fall für die Müllabfuhr gewesen wäre. Dazu fiel im Winter ständig die Heizung aus und die Auszubildenden hatten schnellstens ihren sparsamen Sold zusammengeworfen und sich eigene Heizgeräte für die Stuben besorgt.

Im Vergleich dazu war diese Studentenwohnanlage schon von außen absoluter Luxus. Selbst die Straße, in der er nun lebte, konnte gegen diese Anlage nur als Armensiedlung durchgehen.

Daniel stieg aus dem Wagen und wartete auf Vermont. Der SecGuard verschloss das Fahrzeug und deutete zur rechten Seite des Gebäudes.

>>Dort geht es zum Eingang!<<

Der Weg vom Parkplatz führte sie in einigen Metern Abstand an einer Terrasse vorbei, auf der eine junge Frau mit angewinkelten Beinen in einem an einer Einarmschwinge hängenden Sitzkorb saß. Ihre Haut war dunkel. Ihr langes schwarzes Haar hatte sie zu einem Zopf gebunden, der ihr über eine Schulter fiel. Besonders auffallend war jedoch ihr knappes knallrotes kurzes Kleid, das ihre schlanken langen Beine nahezu gänzlich unbedeckt ließ. Daniel konnte sich für ein paar Sekunden von diesem reizvollen Anblick nicht losreißen.

Während sie emsig auf einem Touchdisplay herumwischte, nippte sie an einem Longdrinkglas. Als sie die Schritte der beiden Männer wahrnahm, schaute sie nur kurz hoch und senkte den Blick desinteressiert wieder.

Bei Daniel sah das anderes aus. Ihr Gesicht faszinierte ihn. Dunkle Augen, markante Augenbrauen, volle sinnlich gezeichnete dunkle Lippen, eine scharf gezeichnete Nase mit ausgeprägten Nasenflügeln. Sie wirkte auf ihn gleichermaßen exotisch und unglaublich erotisch.

Dann versperrte ein Sichtschutz am Rand des Gebäudes den Blick auf die Frau und Daniel konnte sich wieder darauf konzentrieren, Vermont zu folgen.

Sie umrundeten das Gebäude über einen breiten gepflasterten Weg. Zwei junge Männer im Pärchenlook, weiße Hosen und dunkle Polohemden einer teuren Modemarke, exklusiv aussehende cremefarbene Sommerschuhe, kamen ihnen entgegen und schauten das deutlich ungleichere Duo mit abschätzigem Blick an. Ihre herablassende Mimik galt aber wohl eher Daniel, dessen Outfit frei von jeglichen teuren Labels war. Schon seinen Schuhen konnte man wohl ihren Preis ansehen. Vermonts schwarzer Anzug hatte eine andere designerlabelfreie Botschaft, die ständig präsente Sicherheit signalisierte.

Unter den Dachüberständen der Gebäude waren Kameras befestigt, die die Außenanlagen kontrollierten. SecGuards überwachten die Zugänge, und die Anlagen, die das Gelände gegen unbefugte Besucher schützten, waren ebenso mit Kameras ausgestattet.

>>Wissen Sie eigentlich, wann Marc Jacobs das letzte Mal hier war?<<, fragte Daniel den ihm mit zügigen Schritten vorausschreitenden Vermont. Sie hatten bisher nur das Nötigste an Worten gewechselt. Vermont klang weiterhin emotionslos.

>>Herr Jacobs hat sein Apartment vor genau neunzehn Tagen das letzte Mal verlassen. Das lässt sich über die elektronische Wohnungsüberwachung feststellen. Die Kameraüberwachung der Anlage speichert Daten nur sechsundneunzig Stunden lang. Eine längere Frist gestattet die Eigentümergemeinschaft nicht. Als GlobSecure sechs Tage später die Aufnahmen gesichtet hat, war Marc Jacobs darauf nicht auszumachen.<<

Welche andere Antwort hatte Daniel erwartet. Wenn der Sicherheitsdienst nur den Hauch einer Spur gefunden hätte, wäre er nicht hier. Hier musste er auf ein kleines Wunder hoffen.

An der ersten Haustür hielt Vermont sein Smartphone vor einen Sensor. Anschließend tippte er eine Zahlenkombination in das Display darüber. Die Tür öffnete sich und Vermont betrat den Flur. Daniel eilte ihm hinterher, bis Vermont vor einer Lifttür stehen blieb. Die Luft roch sauber, auf eine dezente Weise, nicht einfach nur nach Reinigungsmitteln. Die hellen Wände und der graue Steinfußboden waren pedantisch sauber. Keine kleinen Macken oder Streifspuren an den Wänden, keine Fußabdrücke oder auch nur andeutungsweise Schmutz auf dem Boden.

Daniel fand es interessant, dass junge Leute tatsächlich für maximal zwei Etagen über dem Erdgeschoß bereits einen Lift benötigten.

>>Ich nehme an, Sie bevorzugen den Fahrstuhl!<<

Daniel überhörte den spöttischen Ton in der Stimme seines Begleiters.

>>Wir können gerne die Treppe nehmen!<<

Vermont nickte und folgte dem Flur hinter dem Fahrstuhl. Daniel beeilte sich, den Anschluss nicht zu verlieren. Der Gang führte an einer Treppe vorbei, die Vermont mit schnellen Schritten hinaufeilte.

>>Natürlich muss diese arrogante Billardkugel mir zeigen, wer hier die Messlatte definiert. Aber es gibt auch Dinge, die Du nicht so gut kannst!<<, dachte Daniel und stieg die Stufen mit Rücksicht auf sein Knie deutlich langsamer hinauf.

Vermont wartete in der nächsten Etage vor einer geöffneten Wohnungstür.

>>Sie können Ihre Untersuchung beginnen!<<

Er machte mit der Hand eine einladende Bewegung. Daniel betrat die Wohnung. Angenehme Kühle schlug ihm entgegen.

Daniel hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, wie ein Student wohnte, der üblicherweise mit einer goldenen Kreditkarte einkaufen konnte. Aber die Wohnung bot kein unerwartetes Bild. Der Eingangsbereich ging direkt in den großzügigen Wohnraum über. Eine dunkle lederbezogene Sitzlandschaft dominierte eine Hälfte des Raumes. Eine große freie Wandfläche gegenüber dem Eingang bot Platz für ein mehrere Quadratmeter großes Foliendisplay, flankiert von ein paar deckenhohen schmalen Lautsprechersäulen. Die angrenzende Wand wurde von einem Spiegel bedeckt, der in jedem Wild West Saloon eine gute Figur gemacht hätte. Er schmückte aber auch die davor platzierte Bar, vor der einige Barhocker standen.

Daniel ging langsam durch den großen Wohnraum, der für seinen Geschmack viel zu steril wirkte. Nichts lag herum. Entweder hatte Marc vor seinem Verschwinden noch sorgfältig aufgeräumt, oder ein Reinigungsdienst hatte Zugang zu dieser Wohnung. Er legte eine Hand auf das fast schwarze blank polierte Holz der Bar und wischte darüber.

>>Statische Staubfilter! Sie werden keinen Schmutz finden!<<

Vermont beobachtete ihn. Was sollte er auch anderes machen. Immerhin könnte es ja sein, dass Daniel etwas einsteckte. Daniel brauchte seine Hand nicht einmal abwischen, denn da war nichts, was an ihr haften bleiben konnte. Er schaute durch die großen Fensterscheiben nach draußen. Dort, wo eigentlich kleinste Partikel, erhitzt durch die Energie der Sonnenstrahlen, herumgetanzt wären, war die Luft ungewöhnlich klar. Diese Putzfrau hätte er auch gerne gehabt.

Neben der Bar führte eine Tür in die Küche. Der Wohnraumstil setzte sich hier fort. Die Oberflächen der Möbel wirkten wie mit Glas beschichtet. Daniel legte eine Hand auf eine große abgedunkelte Fläche an einem Hängeschrank. Sofort erschien eine Bedienoberfläche.

Daniel navigierte durch das Menü. Cocktailrezepte, Adressen von Restaurants mit klangvollem Namen und Lieferservices, ein unbenutzter Kalender, eine leere Bestellliste für den Kühlschrank. Natürlich hatte Marc für eine integrierte Küche keine wirkliche Verwendung, eher für das Angebot der Lieferdienste für gehobene Ansprüche. Ein Blick in die Schränke bestätigte das. Der etwa zwei Meter hohe überbreite Kühlschrank, dessen Display getränkegerechte vierzehn Grad anzeigte, enthielt nur Getränkeflaschen. Der Schwerpunkt lag bei gehobener alkoholischer Ausstattung. Daniel überflog die Etiketten der Champagnerflaschen und anderer temperatursensitiver Entspannungsmittel. Sein Gaumen wurde plötzlich trocken und ihn überkam ein dringendes Bedürfnis, etwas zu trinken, das im Hals einen wollig warmen Schauer auslösen konnte.

>>Haben Sie schon die Spur gefunden, nach der Sie gesucht haben?<<

Vermont stand plötzlich in der Tür. Daniel beschloss für sich, der SecGuard leide unter einer vollständigen Gesichtslähmung. So viel Kontrolle konnte niemand über seine Mimik haben, selbst wenn seine Stimme eine größere Bandbreite an Ausdruck bot, von monoton bis zynisch. Letzten beherrschte Vermont in Perfektion.

Für einen Moment war Daniel versucht, ihm etwas aus Marc Jacobs Vorrat anzubieten. Aber er war überzeugt, er musste mehr aufbieten, um Vermont aus der Reserve zu locken.

>>Eine typische Studentenausstattung. Sie sollten auch mal nachschauen! Da ist auch ein Vorrat für ganz harte Kerle!<<

Vermont schien für einige Sekunden in der Tür festzufrieren. Daniel wartete gespannt, ob der SecGuard schon seine Haltung verlieren würde. Aber er drehte sich nur um und verließ die Küche.

Daniel atmete erleichtert auf. Er hatte kein Gefühl dafür, ob oder wann Vermont seine Beherrschung verlieren würde. Aber er konnte vielleicht auch einfach genauso einstecken, wie er austeilte. Dass der Mann ihn jedoch so gering schätzte, ärgerte Daniel gewaltig. Wenn er nicht binnen kürzester Zeit mangels Ideen und Ergebnissen aufgeben würde, könnte ihm ein Achtungserfolg die weitere Zeit angenehmer machen.

Nur hatte er noch keine Ahnung, wo der herkommen sollte.

Daniel durchsuchte den Rest der Wohnung. Außer teurem Geschmack und stilvollen Ambiente fand er jedoch nichts. Ein überlanges Doppelbett erzeugte die Frage, wie groß Marc Jacobs wohl war. Der zugehörige Kleiderschrank, der vermutlich mehr Volumen aufzuweisen hatte als Daniels eigenes Schlafzimmer, lieferte die Antwort. Marcs Kleidergröße lag eine Nummer unter der von Daniel.

Eine gut sortierte großzügige Auswahl an Kleidungsstücken und nur wenige leere Kleiderbügel ließen zumindest einen Schluss zu. Marc Jacobs hatte keine größere Abwesenheit geplant. Wenn er eine Tasche gepackt hatte, konnten darin nicht viele Kleidungsstücke gelandet sein.

Das Badezimmer ließ Daniel endgültig neidisch werden. Ein beträchtlicher Teil des Raumes war durch eine Glaswand für eine Dusche abgetrennt. Ein breites Fenster in sicherer Höhe ließ viel Sonne in den Raum. Ein leichter Grauton im Glas ließ Daniel vermuten, das Fenster ließe zwar Licht hinein, aber nicht mehr hinaus.

Leider schien nichts zu fehlen. Rasierapparat, elektrische Zahnbürste, Duschgel, Bürsten, alles war da. Aber es würde dem Mann kaum an Geld mangeln, das Notwendige noch einmal zu kaufen.

Daniel setzte seine Hoffnung auf die letzte Tür neben dem Schlafzimmer. Tatsächlich verbarg sich dahinter ein im Vergleich zu den anderen Räumen verhältnismäßig kleines Arbeitszimmer. Daniel setzte sich in den ledernen Sessel vor dem Schreibtisch und durchsuchte die karge Ausstattung des Zimmers.

Ein großes Foliendisplay an der Wand, eine Tastatur, eine Dockingstation für tragbare Geräte, ein Wanddisplay für die Steuerung der Hauselektronik, wie sie auch im Wohnzimmer und im Schlafzimmer hing. Er tippte auf das Wanddisplay. Es aktivierte sich und verlangte einen Eingabecode. Also kein Zugang.

Zu Daniels Erstaunen befanden sich sogar einige echte Bücher in einem schmalen Wandregal.

Den Buchrücken nach waren die Ausgaben schon recht alt und hatten vermutlich eher antiquarischen Wert in einer Zeit, in der das Wissen der Menschheit überall auf der Welt in großen Datenbanken gespeichert war und damit allen Menschen zur Verfügung stand, die erstens wussten, wo es sich befand und zweitens in der Lage waren, den Zugang zu diesen Datenbanken auch zu bezahlen, wenn sie nicht nur mit dem Halbwissen zufriedengestellt waren, das sich in den öffentlichen Quellen befand, was für einen Studenten wohl unabdingbar war.

Daniel tippte auf das Foliendisplay. Sofort erschien ein Bild von Familie Jacobs an Bord eines Flugzeugs in einem großzügigen Salon. Daniel schaute sich ein Bild nach dem anderen an. Er bekam eine Menge Idylle geboten. Lachende Gesichter, schönes Wetter, interessante Orte, viele stets gut gekleidete Menschen, Studentenfeiern, teure Autos, hübsche junge Frauen. Eine Sammlung von Klischees, dazwischen immer wieder Marc Jacobs, alleine, mit seiner Mutter, mit jungen Frauen, mit Freunden, in offenen Sportwagen, auf Booten, im Anzug bei einer Vernissage, stets mit einem strahlenden fast übertriebenen Lächeln im Gesicht. Eine klischeehafte Aneinanderreihung von Momenten eines jungen zufriedenen Mannes aus reicher Familie.

Nur eine Idee tauchte nicht auf den Bildern auf.

Daniels Enttäuschung wuchs mit jedem Foto, das wieder ausgeblendet wurde. Nach etwa zehn Minuten wandte er sich ab und verließ den Raum wieder.

Als Nächstes würde er die mühselige Arbeit der Befragung von Nachbarn und Freunden angehen müssen, denn was er hier fand, brachte ihn nicht einen Millimeter weiter.

Daniel kehrte in den Wohnraum zurück. Vermont stand dort immer noch in seiner Berufskörperhaltung geduldig am Fenster. Der Mann musste doch extrem verkrampft sein. Daniel schmunzelte heimlich.

>>Ich werde jetzt an einigen Türen anklopfen und ein paar Fragen stellen. Stehen Sie doch in der Zeit etwas bequemer.<<

Daniel verließ die Wohnung und ließ den SecGuard zurück, der keine Anstalten machte, ihm zu folgen. Vielleicht hoffte er ja, Daniel würde sich aus dem Staub machen, sobald er die Gelegenheit hatte.

In der nächsten halben Stunde klingelte Daniel an allen Türen des Gebäudeblocks. Strategisch intelligent begann er am entgegengesetzten Ende und arbeitete sich so zu seinem Ausgangspunkt zurück. Das Ergebnis war enttäuschend. Nur wenige Studenten öffneten überhaupt. Zwei fragten ihn nur, ob er vom Gebäudeservice sei, und ließen die Tür nach seiner Antwort vor seiner Nase zufallen.

Die beiden, die sich überhaupt mit ihm unterhielten, konnten ihm nichts Bedeutsames erzählen. Sie kannten Marc nur von Partys auf dem Campus.

Endlich stand er wieder vor der Eingangstür zu dem Gebäudeteil, in dem sich Marcs Wohnung befand. Daniel tippte mit einem Finger auf das Display für den Türöffner und drei Nummern leuchteten auf. Zu Jacobs Wohnung gehörte die Nummer zwei.

Daniel tippte auf eine der anderen Nummern und wartete. Da die erwünschte Reaktion ausblieb, tippte er auf das nächste Feld. Auch nach dem letzten Ruf passierte nichts und Daniel hatte den Finger schon fast auf dem Ruffeld für Jacobs Wohnung, um den SecGuard um Einlass zu bitten, als es leise summte.

>>Ja, wer ist da?<<

Die Stimme klang sehr weich und weiblich. Daniel meinte, einen Hauch eines Akzents zu hören.

>>Mein Name ist Neumann. Ich bin auf der Suche nach einem Ihrer Nachbarn und hoffe, Sie können mir helfen.<<

Ein paar Sekunden blieb es still.

>>Sie sind vor einer Stunde mit einem SecGuard gekommen!<<

Daniel durchzuckte etwas, das sich wie ein leichter elektrischer Schlag anfühlte, aber wohl eher ein kleiner Adrenalinschub war. Ihm wurde klar, mit wem er gerade sprach. Dunkle Haut, schwarze lange Haare und ein exotisch anmutendes Gesicht.

>>Ja, das ist richtig! Haben Sie etwas Zeit für mich?<<

>>Wo ist der SecGuard?<<

Sie beobachtete ihn natürlich über eine Kamera, deren Objektiv irgendwo im Türbereich verborgen war.

>>Er wartet auf mich!<<

>>Geht es um Marc Jacobs?<<

Noch ein Adrenalinschub. Diese Frage klang vielversprechend.

>>Ja!<<

Wieder eine Pause. Dann entriegelte sich die Tür.

>>Kommen Sie rein!<<

Daniel trat ein. Auf der linken Seite des Flurs wurde eine Wohnungstür geöffnet und die junge Frau in dem kurzen roten Kleid schaute hinaus. Sie stand hinter der Tür und nur ihr Gesicht und ein Stück ihres Oberkörpers waren sichtbar.

Daniel ging auf sie zu und reichte ihr die Hand. Aber die Frau zuckte ein Stück zurück. Ihre Schulter verschwand hinter der Tür.

Sofort wich auch er einen Schritt zurück. Jetzt nichts falsch machen. Noch eine Tür, die sich wieder schloss, wollte er nicht riskieren. Seine Erkenntnislage war einfach viel zu dürftig. Außerdem wollte er nur zu gerne einen längeren Blick auf die Frau werfen.

>>Entschuldigung! Ich wollte Sie nicht erschrecken!<<

Sie wirkte misstrauisch. Ihre Augen beobachteten ihn mit hektischen Bewegungen. Daniel bedauerte das. Er fand ihr Gesicht faszinierend und hätte zu gerne das Richtige gesagt, um sie dazu zu bringen, ihn in die Wohnung zu lassen, damit er sie unter besseren Lichtverhältnissen betrachten konnte.

>>Was wollen Sie wissen?<<

>>Kennen Sie Marc Jacobs näher?<<

Sie schien einen Moment zu überlegen, was sie erzählen könnte. Dabei taxierten ihre Augen ihn unablässig. Daniel stellte fest, dass sie ihren Namen noch gar nicht genannt hatte. Vielleicht wäre diese Frage die bessere gewesen.

>>Ja, ich kenne ihn. Wir waren einige Zeit befreundet!<<

>>Sie waren befreundet?<<

Daniel betonte das Verb.

Die Frau nickte bedächtig, während er ihr Gesicht betrachtete und das wohlige Gefühl genoss, das ihr Anblick bei ihm auslöste.

>>Ja! Wir hatten eine kurze Beziehung, bis vor etwa einem halben Jahr!<<

Volltreffer! Über diese Frau hatten die Jacobs gesprochen. Sie hatte laut ihrer Aussage seit einem halben Jahr keinen Kontakt mehr zu Marc gehabt, zumindest nicht per Smartphone oder Chat. Dass sie ihm trotzdem immer wieder begegnet war, weil sie im gleichen Haus wohnte, hatte GlobSecure wohl nicht herausgefunden. Ganz so klug waren die Schnüffler des Sicherheitsdienstes demzufolge nicht. Peinlich.

Daniel mutmaßte über die Abstammung der Frau. Ihr Teint war ungleichmäßig, um die Augen herum war die dunkle Hauttönung etwas intensiver. Zusammen mit den intensiv schwarzen Haaren tippte er auf indische Herkunft.

Daniel hätte ihr gerne einige andere eher private Fragen gestellt.

>>Aber Sie haben noch Kontakt zu ihm.<<

Sie öffnete die Tür wieder ein Stück mehr und die nackte Schulter kam erneut zum Vorschein. Der schmale rote Träger, der einen aufreizenden Kontrast zu ihrer dunklen Haut hatte, rutschte ein Stück herunter und Daniels Mund wurde trocken.

>>Das bleibt nicht aus, wenn man im gleichen Haus wohnt!<<

Aus den Worten klang Enttäuschung heraus. Restgefühle einer gescheiterten Beziehung? Irgendwie fand er, da war etwas anderes.

>>Was wohl bedeutet, Sie begegnen sich hin und wieder im Hausflur, haben aber keinen weiteren Gesprächsbedarf!<<

>>Zum Glück ist er selten genug da! Sonst hätte ich mir längst eine andere Wohnung gesucht.<<

Sie wirkte etwas unentschlossen, als würde sie überlegen, ob sie den unbekannten Mann hineinbitten sollte. Ein Hausflur, selbst in einer solchen Anlage, war kein geeigneter Ort, um sich über Mitbewohner zu unterhalten.

>> Wann haben Sie ihn denn das letzte Mal gesehen?<<

Sie überlegte nicht.

>>Das ist jetzt fast drei Wochen her! Er ist morgens aus dem Haus gegangen. Ich saß in meinem Wohnzimmer und habe gefrühstückt. Von da aus kann ich den Parkplatz sehen. Er hat einen Fahrdienst genommen.<<

>>Hat er etwas mitgenommen?<<

Sie nickte. Dabei rutschte der Träger endlich über die Schulter auf den Oberarm.

>>Ja, er hatte eine Sporttasche dabei. Sie war ziemlich prall gefüllt und schwer. Ich habe mich darüber etwas gewundert. Wenn er nach Berlin fliegt, benutzt er immer einen Rollkoffer und hier hat er höchstens dann eine Sporttasche dabei, wenn er ins Sportstudio geht. Die ist dann aber nicht so voll!<<

>>Welchen Sport betreibt Marc Jacobs?<<

>>Oh, er hat da eine vielfältige Auswahl. Tennis, Fechten, Laufen. Er hat auch ein paar Mal an Radsportveranstaltungen an der Uni teilgenommen.<<

Hinter der Frau ertönte ein Klingeln und sie drehte sich kurz um.

>>Ein Anruf! Tut mir leid!<<

Sie schob die Tür ein Stück zu, hielt dann aber kurz inne.

>>Kommen Sie doch von draußen auf meine Terrasse. Sie können sie nicht übersehen. Eine Sitzkugel steht darauf. Dann können wir uns weiter unterhalten!<<

Die Tür schloss sich. Daniel atmete tief durch. Auf so viel Glück hatte er vorher nicht gehofft. Er durfte seinem Bedürfnis, die junge Frau anzuschauen, noch ein wenig nachkommen. Mit zügigen, fast hastigen Schritten verließ er das Gebäude und eilte zur Rückseite. Der Sitzkorb war noch leer. Daneben befanden sich ein kleines Tischchen, auf dem ein halb geleertes Longdrinkglas stand, und zwei kleine Sessel aus einem wetterfesten Flechtmaterial.

Daniel blieb höflich neben dem Sitzkorb stehen.

Ein glatter schneeweißer Gardinenstoff mit einem breiten tiefroten Querstreifen verdeckte die Sicht auf das Innere der Wohnung. Die breite Glasschiebetür war einen Spalt geöffnet. Daniel vernahm leise die Stimme der Frau aus dem Innern.

Endlich wurde der Stoff zur Seite geschoben und die Glastür geöffnet. Als die dunkelhäutige Frau in ihrem Kleid nach draußen schritt, stockte Daniel für einen Moment der Atem.

Nicht nur ihr Gesicht war für seinen Geschmack unglaublich hübsch. Das knappe Kleid zeigte eine wohlgeformte Silhouette und ließ ein Paar schlanke dunkle Beine darunter hervorblitzen. Sie lächelte ihn an und deutete auf einen der Sessel.

>>Nehmen Sie doch Platz!<<

Sie setzte sich mit elegantem Schwung wieder in den Sitzkorb und zog die Beine an. Der Korb schwang leicht hin und her. Ihre nackten Füße schauten aus dem Korb hervor.

Er folgte ihrer Aufforderung und ließ sich in einem Sessel nieder. Prompt befand sich sein Kopf auf Höhe ihrer Knie, wenn auch in ausreichendem Abstand zu den dunklen Beinen. So kam er nicht in die Verlegenheit, seinen Blick zu eindeutig in die falsche Richtung fallen zu lassen. Und prompt wurde es schon bei dem Gedanken in seiner Hose viel zu eng. Konzentriert schaute er in ihr Gesicht.

>>Herr Neumann, ich war gerade wohl etwas unhöflich und habe mich nicht vorgestellt. Mein Name ist Kumari.<<

Immerhin hatte sie sich seinen Namen gemerkt, was zumindest ihre Aufmerksamkeit nicht infrage stellte.

Daniel nickte ihr freundlich zu. Ihn beschäftigte die Frage, welchen Vornamen sie hatte. Aber diese Frage war noch ziemlich fehl am Platz.

>>Frau Kumari, ich möchte Sie nicht unnötig aufhalten!<<

So ein Quatsch. Am liebsten würde er den Rest des Tages hier sitzen und sich mit ihr unterhalten. Die Alternative war die Gesellschaft eines kantigen distanzierten Glatzkopfes. Darauf konnte er nur zu gut verzichten.

>>Sie sagten, Sie hätten Herrn Jacobs vor etwa drei Wochen das letzte Mal gesehen und es sah aus, als wenn er abreisen würde. Ist Ihnen vielleicht noch mehr aufgefallen?<<

Sie griff nach dem Longdrinkglas. Daniels Augen fixierten ihre sich leicht öffnenden Lippen. Das war auf jeden Fall höflicher als der Blick geradeaus auf ihre Beine, während sich seine Hormone beim Partytanz befanden.

Ihre Unterlippe war etwas zu voll im Verhältnis zur Oberlippe, aber wirkte dadurch sinnlich. Unter dem Kleid wölbten sich zwei perfekt geformte Brüste. Zwei kleine Erhebungen auf dem Stoff deuteten auf das Fehlen weiterer Unterwäsche hin. Ihm wurde noch heißer.

Er bemerkte, wie er sie anstarrte, und wandte seinen Blick irritiert ab. Er kam sich plötzlich wie ein sabbernder Trottel vor. Zum Glück schien sie nichts zu bemerken, weil sie zu sehr mit dem Glas beschäftigt war. Nach ein paar Schlucken, mit denen sie ihre Nachdenkpause füllte, stellte sie das Glas zurück.

>>Warum suchen Sie eigentlich nach Marc?<<

>>Ich arbeite im Auftrag von AutoMobil, einem Mobilitätsservice. Marc Jacobs hat zwei unserer Wagen gemietet, exklusive Sportfahrzeuge, die beide gestohlen wurden, direkt nachdem er sie wieder abgegeben hatte. Eigentlich hätte ich ihn selbst befragt, aber er ist nicht erreichbar. Nun hoffe ich, mir kann jemand Hinweise geben, um die Sache aufzuklären.<<

Zwischen ihren Augen entstanden ein paar Falten. Diese Erklärung schien sie nicht zu überzeugen.

>>Ich wusste nicht, dass Marc bei diesem Service jemals Kunde war. Er hat immer nur bei GlobSecure Fahrdienste bestellt oder sich von einem Händler für Luxusautos exklusive Autos bringen lassen.<<

Er blieb äußerlich ungerührt, obwohl sie seine kleine Lüge sofort aufgedeckt hatte. Mit ein wenig Nachdenken hätte er auch selbst darauf kommen können, dass sie als seine Freundin durchaus etwas mehr aus seinem Leben wusste. Dilettant. Und hormonell zu sehr aufgeladen. Eine kalte Dusche wäre gut.

>>Er ist erst seit ein paar Monaten bei uns Kunde und hat auch in der Zeit nur wenige Male unser Angebot genutzt.<<

>>Das ist nicht sein Stil! Aber vielleicht stecken da seine merkwürdigen neuen Freunde hinter?<<

Daniel machte einen geistigen Luftsprung.

>>Was meinen Sie damit?<<

Sie wiegte ihren Kopf hin und her.

>>Ich habe diese beiden Männer hier nur ein paar Mal draußen gesehen. Sie haben Marc abends abgeholt. Die beiden passten nicht hierher, trugen billige Kleidung und sahen eher etwas ungepflegt aus. Ich denke, das waren zwei Stipendiaten. Die wohnen üblicherweise im Westtrakt des Universitätsgeländes.<<

>>Warum gehen Sie davon aus, dass es Studenten waren?<<

Ihr Mund bekam einen leicht spöttischen Ausdruck.

>>Marc pflegt eigentlich keinen persönlichen Kontakt zu Dienstpersonal. Die Menschen, mit denen er sich abgibt, haben in der Regel direkte Berührungspunkte mit ihm. In diesem Stadtteil bleibt damit nur ein bestimmter Personenkreis.<<

>>Und was war an diesen Männern so merkwürdig, von ihrer äußeren Erscheinung abgesehen?<<

>>Das ist nicht nur für Marc ein ungewöhnlicher Umgang. Die meisten Studenten kommen aus bessergestellten Familien und bleiben unter sich. Es gibt einige, die außerhalb des Geländes wohnen, weil sie sich die Unterbringung hier nicht leisten können. Aber es reicht bei ihnen für die Universitätsgebühren. Und eben die Stipendiaten. Die Universität hat für sie nur wenige Plätze. Sie wohnen in einem alten umgebauten Trakt. Dort würde keiner von uns freiwillig leben wollen. Das sind bestenfalls Kasernen. Und so, wie man hier lebt, hält man auch seine Freundeskreise. Das hat auch Marc so gehalten. Eigentlich!<<

Sie rümpfte die Nase. Es war nur nicht klar, was sie ablehnenswert fand.

>>Dann stehen diese Männer plötzlich hier und warten auf Marc. Sie kamen ein paar Mal, gegen acht Uhr abends, und warteten auf dem Parkplatz. Weiter haben sie sich nicht getraut. Das war schon besonders komisch! Er hat sie nicht in seine Wohnung gelassen.<<

Sie schaute einen Moment nachdenklich ins Leere.

>>Wenn ich genau nachdenke, waren die beiden am Abend, bevor Marc mit der Tasche weggefahren ist, auch da.<<

Sie schob ihre schlanken Beine aus dem Korb und stand auf.

>>Einen Moment bitte!<<

Frau Kumari eilte in die Wohnung zurück. Ein Lufthauch erreichte Daniel. Ein süßlicher verführerischer Geruch strömte in seine Nase.

Sekunden später kam sie mit ihrem Touchbook zurück und reichte es Daniel.

>>Ich habe ein Foto von den beiden Männern gemacht.<<

Fast entschuldigend fügte sie hinzu:

>>Mein Vater hat mir eingeschärft, bei merkwürdigen Umständen Beweise zu sammeln. Und diese Männer passten nicht hierher. Sie passten auch nicht zu Marc. Also fand ich es in Ordnung, sie zu fotografieren.<<

Daniel erwiderte darauf nichts. Wen interessierte so etwas schon. An allen Gebäudeecken der gesicherten Stadtbereiche hingen Kameras und filmten die Passanten, das Gleiche galt für die meisten öffentlichen Einrichtungen. Und auf den Straßen war das Filmen von Fahrzeugen und Insassen Routine, nicht nur an den Zugängen der gesicherten Stadtbereiche. Natürlich gab es Gesetze, die so ein Vorgehen für Privatpersonen stark reglementierten, als würden nur diese die Persönlichkeitsrechte anderer Menschen missachten können.

Das Bild war sehr deutlich. Frau Kumari hatte, wie man an einem schmalen weißen Streifen am Fotorand sehen konnte, den Fensterstoff zur Seite geschoben, um die Aufnahme zu machen. Auf dem unteren Rand waren Datum und Uhrzeit in roten Zahlen eingeblendet. Es zeigte den Weg hinter der Terrasse, auf der sie gerade saßen, und ein Stück des Parkplatzes dahinter. Mittig auf dem Bild standen zwei Männer, die sich zu unterhalten schienen. Die Aufnahme zeigte einen der beiden im Profil. Der andere schien an der Terrasse vorbeizuschauen, und sein Gesicht war gut zu erkennen.

Die beiden trugen ausgeblichene Jeans und Shirts. Verglichen mit den Studenten, die Daniel an diesem Tag auf dem Gelände gesehen hatte, wirkten sie in ihrer Aufmachung ärmlich.

Der linke Mann wirkte zudem irgendwie unterernährt. Seine langen verfilzt aussehenden Haare ließen den Kopf im Vergleich zum Körper überdimensioniert erscheinen. Der andere wirkte dagegen übermäßig wohlgenährt, als würde er dem Ersten regelmäßig das Mittagessen stehlen.

>>Die beiden sehen doch wirklich merkwürdig aus. Finden Sie nicht?<<

Die junge Frau beugte sich zu ihm herunter.

>>Ich würde mir das Foto gerne auf mein Smartphone laden.<<

Daniel drehte den Kopf zu ihr und zuckte zusammen. Sein Blick landete direkt auf ihrer Oberweite, die sie durch ihre Körperhaltung in eine exponierte Lage gebracht hatte.

Frau Kumari schenkte ihm ein Lächeln. Er war sich nicht sicher, ob sie seine Blickrichtung und Reaktion bemerkt hatte.

>>Wenn es Ihnen hilft, können Sie das gerne machen!<<

Daniel zog sein Smartphone hervor und aktivierte zwischen beiden Geräten eine Datenverbindung. Sie tat das Gleiche. Amüsiert sah er auf dem Notebook die Bereitschaftsanzeige zum Datenaustausch.

>>Gerät Nisha Kumari ist mit Phone Daniel1 verbunden!<<

Sehr viele Leute hatten die Neigung, ihre technischen Geräte unter dem eigenen Namen einzurichten. Der Klang ihres Namens war eindeutig indisch, da war er sich sicher. Damit war seine Frage beantwortet.

Sekunden später befand sich eine Bildkopie auf seinem Smartphone, als Aufgabe für Harry. Daniel war überzeugt, GlobSecure könne die beiden Männer wesentlich schneller identifizieren. Dort hatte man garantiert bessere Möglichkeiten als die Polizei, sich personenbezogene Daten zu beschaffen. Aber da war dieses leise Aber in seinem Kopf.

Er legte das Touchbook auf das kleine Tischchen. Endlich entspannte er sich wieder und seine Körpertemperatur sank wieder.

>>Wie nennt man eigentlich Ihren Beruf?<<

Nisha Kumari hatte einen merkwürdigen Ausdruck in ihrem Gesicht, irgendwie spöttisch.

>>Ich bin Sachbearbeiter für<<, begann Daniel seine Geschichte weiterzuspinnen, aber die Frau unterbrach ihn sofort.

>>Hören Sie doch auf zu lügen! GlobSecure hat schon letzte Woche jemand hierher geschickt. Ich habe den Mitarbeiter auf der Terrasse oben gesehen, als ich von meinen Vorlesungen kam. Jetzt kommt er mit Ihnen wieder. Das ist doch etwas viel Aufwand, wenn es um ein paar gestohlene Autos geht, die man mit Sicherheit auch anders wieder auffinden kann. Es geht Ihnen um Marc und nicht um ein bisschen Stahl und ein paar Kilo Lithium und Magnesium.<<

So viel zur Diskretionspflicht. Das Beste wäre wohl eine schnelle Verabschiedung. Immerhin hatte er ja eine Spur, mit der er sich beschäftigen konnte. Daniel stand auf.

>>Vielen Dank, Frau Kumari! Leider kann ich Ihnen nichts dazu sagen. Sie haben mir auf jeden Fall weitergeholfen!<<

Bevor er nur einen Schritt machen konnte, stand sie vor ihm. Ihr Zeigefinger stach in seine Brust. Ihre dunklen Augen funkelten ihn an.

>>Was ist mit Marc passiert? Wo ist er?<<, zischte sie mit blitzenden Augen.

Was war das? Besorgnis? Enttäuschung? Ein Hauch von unterdrückter Wut. Die Beziehung schien noch nicht erledigt zu sein. Auf jeden Fall war ihr wohl ein wesentliches Detail nicht entgangen.

>>Ich darf Ihnen nichts sagen. Es tut mir leid!<<

>>Er ist verschwunden und Sie suchen ihn!<<

Ihr Mund zog sich zusammen. Ihre Hände legten sich auf ihr Brustbein. Eigentlich erwartete Daniel, dass nun ihre Augen feucht wurden. Für jemand, der in echter Sorge war und noch immer etwas für den früheren Freund empfand, fehlte ihm das. Aber vielleicht erwartete er zu viel. Auch ihre Herkunft und Erziehung verboten ihr möglicherweise, mehr Emotionen zu zeigen.

Sie atmete tief durch. Offensichtlich fasste sie sich.

>>Das ist schade! Ich würde zu gerne wissen, wo Marc steckt.<<

Sie ging einen Schritt zurück und legte die Hände in die Hüften.

>>Leider habe ich es erst vor ein paar Tagen festgestellt.<<

Wieder atmete sie tief durch. Der zusammengezogene Mund blieb. Aber es war kein Schmollmund, weil er ihr nicht antworten wollte. Auch kein Zusammenpressen der Lippen, weil sie ihrer Traurigkeit nicht erlauben wollte, nach draußen zu gelangen.

Sie kniff ihre Augen etwas zusammen. Das Ganze bekam etwas Wütendes. Dann verlor sie gänzlich die Kontrolle über ihre Mimik.

>>Dieser Dreckskerl hat meinen Account an der Universitätsdatenbank gehackt und mir die gesamten Ergebnisse eines Projektes gestohlen! Er hat sie kopiert und gelöscht. Wenn ich den Mistkerl erwische, reiße ich ihm alle Haare aus und trete ihm zwischen die Beine, bis er dauerhaft wie ein Eunuch klingt!<<

Sonnenkaiser

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