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2.3 Selbstbezeichnungen

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»Der Verzicht auf rassistische Sprache ist nicht gleichbedeutend mit dem Verschwinden von Rassismus. Er birgt gar das Problem, ihn schwerer fassen zu können. Doch dort, wo er wissentlich und achtungsvoll geschieht, ist er ein Ausdruck von Problembewusstsein.«

Sami Omar (2019, S. 7)

Blicken wir auf gesellschaftliche Machtverhältnisse, kommt Sprache eine wichtige Bedeutung zu. Denn sie reproduziert und schafft Wirklichkeiten, die wiederum Machtverhältnisse aufrechterhalten (vgl. Arndt 2004, S. 1).

So nimmt Sprache auch im Zusammenhang mit Rassismus eine ausschlaggebende Rolle ein. Denn viele der Wörter, die noch heute tagtäglich genutzt werden, sind Begriffe, die in der Kolonialzeit entstanden sind und mit der Absicht gewählt wurden, das Konstrukt der Anderen aufrechtzuerhalten (siehe Kap. 4.5). Zudem spiegeln viele von ihnen die Legitimation der kolonialen Unterdrückung wider. Die Nutzung dieser Begriffe löst abwertende Bilder und Vorstellungen aus, die ebenfalls wieder dazu beitragen, Machtverhältnisse und Diskriminierungen aufrechtzuerhalten (vgl. Ogette 2019, S. 74). Entsprechende Begriffe werden hier im Folgenden nicht benannt, um nicht zu einer weiteren Reproduktion von rassistischer und gewaltausübender Sprache beizutragen. Wichtig ist zu betonen, dass es sich bei all diesen Begriffen ursprünglich um Fremdbezeichnungen handelt, also um Benennungen, die Menschen zugewiesen wurden und keinesfalls selbst gewählt sind. Manche dieser Wörter haben sich betroffene Personen im Nachhinein angeeignet und werden somit als Selbstbezeichnungen benutzt. Dabei ist das Verständnis darüber enorm wichtig, dass diese Selbstnutzung keine Legitimation für weiße Personen darstellt, diese Wörter auch zu verwenden.

In diesem Zusammenhang soll auch kurz auf die Fragwürdigkeit des Begriffs des sogenannten Migrationshintergrundes eingegangen werden. Nach der Definition des Statistischen Bundesamtes hat eine Person einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsbürgerschaft geboren wurde (vgl. Destatis 2020). Der Begriff beinhaltet eindeutig eine Zuschreibung, die nicht durch betroffene Personen selbst definiert ist. Darüber hinaus wird dieser Begriff meist generalisierend angewendet, auch auf Personen, deren Familien schon seit vielen Generationen in Deutschland leben und somit offiziell gar keinen Migrationshintergrund haben. Zudem kann herausgestellt werden, dass sich der Begriff des Migrationshintergrundes meist auf Personen bezieht, die nicht weiß sind. Daher kann davon ausgegangen werden, dass meist Personen gemeint sind, die durch Rassismus diskriminiert werden, wenn von Migrationshintergrund gesprochen wird und zudem ein positives Selbstbild von sogenannten »Menschen ohne Migrationshintergrund«, also weißen Menschen, als »die Norm« aufrechterhalten wird. Dieser Begriff ist darüber hinaus zumeist mit Assoziationen von »Andersartigkeit« und negativen Zuschreibungen verknüpft (vgl. Özdemir 2018). Es wird also deutlich, dass der sogenannte Migrationshintergrund mit der Zeit und in Bezug auf die jeweilige Generation formal aufhört zu existieren, dies jedoch bei gleichzeitiger Kontinuität möglicher Diskriminierungserfahrungen. Auch ist es offensichtlich, dass nicht jeder sogenannte Migrationshintergrund als solcher bezeichnet wird und mit negativen Zuschreibungen assoziiert wird. Dabei wird in der Regel nicht an weiße US-Amerikaner*innen, weiße Engländer*innen oder weiße Schwed*innen gedacht. Hieraus folgt, dass es in den seltensten Fällen sinnvoll ist, über sogenannte »Menschen mit Migrationshintergrund« zu sprechen und diese binär von »Menschen ohne Migrationshintergrund« zu unterscheiden.

Durch die im Folgenden beschriebenen Selbstbezeichnungen wird deutlich, dass es sich hierbei nicht um die Beschreibung der konkreten Hautfarbe handelt. Selbstbezeichnungen von Menschen, die durch Rassismus diskriminiert werden, sind zum Beispiel Schwarze Menschen, People of Color oder Bi_PoC. Schwarz wird in diesem Kontext mit einem großen »S« geschrieben, da es sich hier nicht um körperlich sichtbare Merkmale, sondern um eine politische Selbstbezeichnung von Menschen handelt, die durch Rassismus diskriminiert werden. Somit wird durch den Begriff auf soziale Gemeinsamkeiten, ähnliche Lebensrealitäten, aber auch auf Widerstandserfahrung hingewiesen (vgl. Lauré al-Samarai 2015, S. 611 ff.). Menschen, die durch Rassismus diskriminiert werden, haben diesen Begriff somit auch gewählt, um eine Solidarität im gemeinsamen Kampf auszudrücken. Der Begriff People of Color – häufig abgekürzt als PoC – steht heute für viele in Verbindung mit der Black Power-Bewegung in den 1960er-Jahren.7 Die Bezeichnung ist ebenfalls ein selbst gewählter und politischer Begriff, der die Erfahrungsgemeinsamkeiten zwischen Communitys mit unterschiedlichen historischen Hintergründen einschließt, die alle durch weiße Dominanz rassistisch diskriminiert wurden und weiterhin werden (vgl. Ogette 2019, S. 77).

Mit Bi_PoC (Black, indiginous People_and People of Color) werden zusätzlich explizit indigene Menschen mit einbezogen. Mit der Bezeichnung indigen – zu der unterschiedliche Positionen existieren, ob es sich dabei um eine Selbstbezeichnung handelt (deswegen hier kleingeschrieben; vgl. den Blog »Wir muessten mal reden«, dementgegen Migrationsrat Berlin e. V. 2020) –, soll speziell auf die Erfahrung hingewiesen werden, »durch einen rassistischen, also kolonialen Raub von Land verdrängt […] und deswegen bis heute unterdrückt zu werden« (ebd. 2020).

Im Kontext der Erläuterung solcher Begrifflichkeiten wird von weiß positionierten Menschen häufig der Vorwurf erhoben, mit dem Verweis auf Selbstbezeichnungen Sprechverbote auferlegen zu wollen. Auch dieser Vorwurf kann zumeist auf Abwehrverhalten zurückgeführt werden. Wir möchten daher betonen, dass es sich hier nicht um ein Verbot handelt, sondern um die Aufklärung darüber, dass die Nutzung vieler Bezeichnungen die Ausübung von Gewalt bedeutet, hier nicht konkret physischer Art. Wenn Menschen diese Wörter nun weiterhin benutzen, obwohl sie darauf hingewiesen wurden, dass sie Menschen damit verletzen, Gewalt reproduzieren und ausüben, dann tun sie dies wissentlich (vgl. Ogette 2019, S. 79).

5Hier wird explizit der Begriff Positioniertheit verwendet, da es sich nicht um persönliche Einstellungen, Positionen oder eine selbst gewählte Positionierung handelt, sondern um die Wahrnehmung der eigenen Person von außen, vermeintlicher Zugehörigkeiten und entsprechend zugeschriebener Stellung in der Gesellschaft.

6Verfügbar unter http://sanczny.blogsport.eu/2012/10/01/white-privilege-den-unsichtbaren-rucksack-auspacken [10.05.2020]. Englisches Original: McIntosh 1989.

7Für eine differenzierte Darstellung der Geschichte des Begriffs und seiner Ursprünge sowie Bezügen bspw. im französisch kolonisierten Haiti des späten 18. Jahrhunderts oder in der »US-amerikanischen Sklavenhaltergesellschaft« siehe Ha (2016, S. 31 ff.).

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