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Einleitung

„Der Gewalt auszuweichen ist Stärke.“

Laotse

Gewalt ist ein Thema, welches uns auf unterschiedlichen Ebenen begegnen kann. Ob es sich dabei um Mobbing, Gewalt am Arbeitsplatz, im öffentlichen Raum, im privaten Umfeld oder auch um häusliche Gewalt handelt, zusammenfassend es kann festgestellt werden, dass die Welt weit weniger friedlich ist, als wir sie gerne hätten.

Spätestens wenn wir unsere eigenen sicheren vier Wände verlassen, erwarten uns vielfältige Gefahren. Doch auch in unseren privaten Räumlichkeiten kann es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen.

Nach den Vorfällen zum Jahreswechsel 2015/2016 in Köln hatten Selbstverteidigungskurse Hochkonjunktur. Kampfsportvereine jeglicher Couleur begannen, Selbstverteidigungskurse anzubieten. Bestimmt hatte jeder Verein, jede Schule und jeder Anbieter die beste Absicht, nämlich die Vermittlung der Grundlagen, die notwendig sind, sich präventiv und effektiv zu verteidigen.

Gleichzeitig hofften Vereine und Schulen1, ihre Mitgliederzahlen nachhaltig zu steigern. Es konnte der subjektive Eindruck gewonnen werden, dass besonders einige Vertreter der „klassischen Kampfkünste“, wie bspw. Karate, Jūdō2, Taekwondo und andere, sich diesen positiven Effekt erhofften. Ein legitimer Wunsch.

Problematisch wird es dann, wenn Kurse lediglich schnell aus dem Boden gestampft werden und diese sich nur bedingt oder überhaupt nicht an bestimmte Normen halten. Das Landeskriminalamt in Niedersachsen hat unter der Federführung der Kriminalhauptkommissarin Paul ein Regelwerk entwickelt, an denen sich Dozenten, Vereine und Schulen orientieren können und sollen.3

In diesem Ratgeber werden sämtliche Standards zu Selbstverteidigungskursen erläutert. Diese umfassen – neben inhaltlichen Themen – auch weitere Details wie z. B. Gruppengröße, inhaltlicher und zeitliche Umfang sowie den Umgang mit den Kursteilnehmern.4

Für den interessierten Laien, der sich für dieses Themengebiet interessiert und sich fortbilden lassen möchte, ergeben sich verschiedene Schwierigkeiten. Wer richtet sich nach welchen Standards und welchen Umfang sollte ein solcher Kurs haben? Reicht die Vermittlung von Selbstverteidigungstechniken aus? Gibt es noch andere wichtige Punkte, die angesprochen werden müssen?

Hinzu kommt, dass es auf der Anbieterseite Kampfsportler5 gibt, die felsenfest davon überzeugt sind, dass sie sich mit der von ihnen ausgeübten Sportart selbst verteidigen können. Dies mag sogar der Fall sein, scheint es gleichzeitig so zu sein, dass einige Anbieter keinen Blick darauf werfen, was sich VOR einer Gewaltsituation ereignet. Der Fokus wird fast einzig und allein auf die Vermittlung einer Vielzahl von Techniken gelegt.

Themen wie Eigensicherung und Selbstbehauptung werden zum Teil kaum oder im schlechtesten Falle überhaupt nicht behandelt. Hinzu kommt, dass gefährliche Situationen einer besonderen Dynamik unterliegen und sich somit permanent verändern.

Der Blick wird somit eben nicht auf die realen Erfordernisse und die natürlichen Bewegungsabläufe der Teilnehmer gelenkt. Vielmehr orientiert sich das Konzept an den Trainingsmethoden, die seit Jahren in der ausgeübten Kampfsportart verwendet werden. Diese richten sich im schlechtesten Fall an den Erfordernissen des Wettkampfsports aus, nicht jedoch an denen der Straße.

In der Literatur lässt sich eine Vielzahl von Büchern finden, die die Unsicherheit und das erhöhte Sicherheitsgefühl der Menschen bedienen möchte. Dabei belassen es manche Autoren bei einer sehr kurzen (ich möchte fast schreiben: mangelhaften) Einführung in die theoretischen Grundlagen zu diesem Thema. Wesentliche Aspekte, wie bspw. Eigensicherung und Selbstbehauptung sowie die damit verbundenen Möglichkeiten der Prävention werden vernachlässigt oder gänzlich ignoriert. Stattdessen wendet man sich bereits nach wenigen Seiten der Praxis zu, indem eine Vielzahl von Fotoreihen mit unterschiedlichen Selbstverteidigungstechniken gezeigt wird.

Zudem gibt es Bücher, in denen die oben bereits erwähnten Begriffe „Eigensicherung“ und „Selbstbehauptung“ nicht einmal verwendet werden. Des Weiteren werden andere Aspekte wie Kommunikation oder auch Rechtsgrundlagen nicht angesprochen.

Es sind jedoch gerade diese Punkte, die uns helfen können, Gewalt präventiv zu begegnen! Fast immer geht einer körperlichen Auseinandersetzung eine Vielzahl an unterschiedlichen Warnsignalen voraus. Diese gilt es zu erkennen und soll in diesem Buch näher behandelt werden. Ziel ist es, eine Gefahr frühzeitig zu identifizieren, damit Maßnahmen ergriffen werden können, die notwendig sind, um körperlicher Gewalt zu entfliehen bzw. dieser präventiv zu begegnen. Durch eine gute Umgebungsaufmerksamkeit und richtiges Verhalten gelingt es oftmals, Gewalt zu vermeiden. Hierzu ist kein jahrelanges Kampfkunsttraining notwendig. Wie meinte Morihei Ueshiba (Begründer des Aikidō)? „Der beste Kampf ist der, den man nicht kämpft.“

Unglücklicherweise werden diese Themengebiete in SV-Kursen teilweise nur eingeschränkt behandelt. Ob aus Zeitmangel, geringer Priorisierung, Unkenntnis oder anderen Gründen, das sei einmal dahingestellt. Fakt ist, dass dieses Wissen dann den Teilnehmern nicht zur Verfügung steht und deshalb in einer Notsituation auch nicht abgerufen werden kann.

Dieser Ratgeber soll Abhilfe schaffen und die evtl. vorhandene Wissenslücke schließen. Es wird aufzeigen, wie den Gefahren präventiv begegnet werden kann und welche Möglichkeiten es hierfür gibt.

1 Mit Vereinen und Schulen sind grundsätzlich Kampfsport-Vereine und/oder Kampfsportschulen gemeint.

1 Bei japanischen Fachtermini wird die entsprechende Schreibweise verwendet.

3 Booklet zur Information Interessierter außerhalb der Polizei – Standards polizeilicher Selbstbehauptungs-/Selbstverteidigungstrainings, LKA Niedersachsen, Hannover 2005, Susanne Paul.

4 In diesem Buch wird die maskuline Form verwendet. Gleichwohl sind alle Menschen angesprochen.

5 Die Begriffe Kampfsport und Kampfkunst werden in diesem Buch synonym verwendet.

Gewaltprävention im Alltag

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