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Zack! Zack! Ausgetrunken!

Alle Typen, die ich in den Siebzigern cool fand, haben geraucht, hatten lange Haare und eine Leidenschaft für echte Musik. Ich wollte dazugehören – und ich habe dazugehört. So richtig. Fast fünfundvierzig Jahre lang habe ich die Hippienummer konsequent durchgezogen. In letzter Zeit gelegentlich in der Lindenbergversion, also mit Hut.

Doch das ist nun vorbei. Kein konkreter Grund, ich habe nur auf mein Herz gehört. Keine einschneidende Veränderung im privaten oder beruflichen Leben. Keine neue Liebe und auch keine Trennung, nur eben die von meinen lebenslänglich länglich gehaltenen Haaren! Wie ferngesteuert betrat ich unlängst den neuen trendigen Barbershop von Alt-Köpenick und ließ mir dort völlig schmerzfrei eine Herrenfrisur von der Stange verpassen. Johanna findet es nicht ganz so gut, aber ansonsten stößt meine neue Seriosität mehrheitlich auf Wohlwollen.

Die äußerliche Entwuselung macht mich anscheinend etwas leichter verdaulich. Ich bin ja innerlich genug verwuselt, meistens einfach zu sehr an. Hochtourig. Zu doll. Zu laut. Die Maßlosigkeit ist meine größte Sünde. Immerhin, meinen Kindern gefällt das! In die bin ich allerdings so maßlos verliebt, dass es mir in ihrer Gegenwart gelingt, die nicht kindgerechten Süchte in den Griff zu bekommen. Ich rauche und trinke dann sehr dosiert.

Das hemmungslose Rauchen und Trinken hat bei mir unmittelbar etwas mit Musik zu tun. Ich brauche nur an einen der drei Andrés zu denken, da überkommt mich auch schon die Lust auf Rotwein und Zigaretten. Mit dem ewigen André Gensicke habe ich in der über dreißig Jahre andauernden Tour einige Hektoliter verklappt und ganze Tabakplantagen durch die Lungen gezogen. Rotwein ist und bleibt überwiegend inspirierend, aber diese Qualmerei erscheint mir nun auf einmal genauso sinnlos wie die langen Haare.

Und so habe ich jetzt auch gleich noch meine Raucherkarriere beendet. Eigentlich müsste ich aus gesundheitlichen Gründen sofort wieder anfangen, denn ich habe plötzlich permanenten Reizhusten und bin seit gestern sogar heiser. Aber ich ignoriere die Angstreaktionen des konservativen Körpers und genieße die neuen kleinen Freuden.

Da ist zum Beispiel der aufkommende Appetit. Das gute Essen meiner Freundin schmeckt besser denn je, der Geschmackssinn kehrt zurück. Und ich freue mich auf die Oktoberferien, da fahren wir mit den Kindern ans Meer. Schon lange vermisse ich den Geruch von Salz und Seetang.

Rauchfrei und mit kurzen Haaren macht das Musikmachen allerdings auch weniger Spaß. Ich muss aber weiter auf Tour gehen, denn ich habe ja kein Geld gesammelt. Platten werde ich auch nicht mehr machen. Das ist nämlich derart teuer, da müsste ich noch mehr spielen. Wenn ich in Zukunft wieder etwas schreibe, dann einen richtigen Popsong oder einen Schlager. Die coolen Typen sind tot. Es gibt nur noch rudimentäres Interesse an Kunst. Sei endlich still, du dummes Herz!

Hallo? Ick steh gleich wirklich still, und dann biste janz schnell ’n richtig cooler Typ! Du verstehst hoffentlich, watt ick meine: ICECOOL, Alter! Isses vielleicht mal an der Zeit, die Früchte der Arbeit zu genießen und sich damit zu begnügen, die alten Lieder zu jenießen? Die neuen werden nämlich von andern geschrieben. Von deinen Kindern!

Herzkasper

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