Читать книгу Herzkasper - Dirk Zöllner - Страница 15
ОглавлениеIn trockenen Tüchern
Heute feiert mein Sohn Egon seinen vierzehnten Geburtstag. Ich schenke ihm meine zweitliebste Gitarre, denn er tritt ja in meine Fußstapfen – es ist alles in trockenen Tüchern! Egon hatte sporadisch Klavierunterricht, ich hab ihm gelegentlich mal einen Akkord auf der Gitarre gezeigt, aber das Meiste hat er sich aus dem Internet abgeguckt. Er lebt in der City, bei seiner Mutter, hat eine Freundin, und ich sehe ihn nur alle paar Wochen.
Jedes Mal bin ich begeistert über seine instrumentalen Fortschritte. Er steckt noch ein wenig im Stimmbruch, aber es reißt mir das Herz auseinander, wenn er seine Adaptionen anderer Lieder intoniert. Auch von mir sind welche dabei. Keine versäuselten Kopien, sondern selbstbewusste und seiner ureigenen Emotionalität entsprechende Interpretationen. Egon wird ein richtiger Rockstar werden. Er sieht auch schon so aus!
Allerdings habe ich ihm das Versprechen abgenommen, auf keinen Fall ein von Deutschland Gesuchter zu werden. Es wäre mir unerträglich, zusehen zu müssen, wie mein sensibles Kind zuerst öffentlich demontiert und dann in eine vorgefertigte Schublade gestopft wird. Die Musikindustrie glaubt nicht so recht an Individualität. In den Firmen sitzen auch nur noch sehr wenige Musikliebhaber. Es geht da – wie überall in unserer komischen Welt – nur noch um die große Kohle. Aber wie wir schon festgestellt haben, verdirbt außer zu viel Geld auch zu viel Erfolg den Charakter – und wenn es nur ein inszenierter ist. Zumindest kann beides die Seele kaputtmachen. Mein Mitgefühl an dieser Stelle für die Familie des von Deutschland gefundenen Superstars Daniel Küblböck, der schließlich über die Reling eines Traumschiffes gegangen ist!
Es ist ratsam, sich diesem ganzen Tamtam der großen Gelddruckmaschine zu entziehen, liebe Kinder. Natürlich hoffe ich sehr, dass es meinem Jungen gelingt, irgendwann eigenständig Geld für die Miete und das Essen zu generieren. Am besten gleich mit achtzehn, denn dann muss ich ihm, wenn es bei mir auf die Rente zugeht, keinen Unterhalt mehr bezahlen. Ich bekomme nämlich nach dem letzten Bescheid dann um die 600 Euro im Monat. Das wäre in meinem Fall tatsächlich schon mehr als die halbe Miete, dann kann ich meine verschlissene Hülle ein wenig schonen und muss im Spätherbst nur noch halb so oft auftreten!
Auch ohne Smiley steckt natürlich Selbstironie in den letzten Zeilen! Ich möchte sie keinesfalls als Lamento verstanden wissen. Ich renne ja auch im viel zitierten Hamsterrad, aber mein Beruf macht mir Spaß. Meine Arbeitgeber sind die Menschen, die mich für meine Konzerte, Lesungen und Kolumnen bezahlen. Das reicht jedenfalls, um mich von Monat zu Monat zu regenerieren. Und gelegentlich kann ich sogar noch meinem liebsten Hobby nachgehen und mir die Welt angucken. Gucken, wie sie so ist. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass die Farbigkeit des Lebens von vielen gesehen werden kann.
Und ich hoffe, dass die Welt noch viel bunter wird. Und ich stelle fest, dass es auch immer mehr Reiche gibt, die sich nach Alternativen sehnen, die ihre Schlösser für echte Kunst und Kultur und echte Menschen öffnen und dafür bezahlen. Ja, es geht mir gut. Ich wünsche Dir, dass Du das Leben auch so genießen kannst wie ich – das Beste für Dich zum Geburtstag, mein geliebter Sohn!
Oh, dit haste jetzt aber richtig schön jesagt. Dit geht mir ja regelrecht ans … äh, an mich selber sozusagen! Ey komm, wir können wirklich stolz uff unsern Großen sein! Und wenn er dann wirklich in deine Fußstapfen tritt, macht er ja eigentlich ooch nüscht falsch. Oder?