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Vorbemerkung
ОглавлениеLiebe Leser, wenn Sie Fehler finden, dürfen Sie diese behalten!
Ja, der Satz ist alt und abgegriffen: Wenn Einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.
Aber, wie schon Goethe sagte: „Reisen bildet.“
Warum wohl sonst beginnen so viele Lehrer und Dozenten in ihrem Ruhestand zu reisen!
Weitergeben können sie ihr neu erworbenes Wissen wohl kaum noch, aber sie gehen mit dem Bewusstsein aus dieser Welt, alle Kenntnisse der Erde erfahren zu haben.
Vorher korrigieren sie fortgesetzt den Reiseleiter und lesen aus mitgebrachten Reiseführern die entsprechenden Passagen vor, nicht beachtend, dass sich der Bus schon in einer ganz anderen Gegend befindet und der Reiseleiter das Mikrofon abgeschaltet hat. Ja, so sind sie eben unsere Lehrer, die alles besser wissen, aber es erst nach der Pensionierung an Frau oder Mann bringen können, was ihnen den unverbesserlichen Ruf der ewigen „Besserwisser“ einbringt.
Es mag ja auch noch angehen, solange sie sich in heimischen Gefilden bewegen.
Geht es aber ins Ausland, so kann dieses „Überwissen“ sehr schnell ins Gegenteil umschlagen, in Blamage, ja sogar Beleidigung.
Der Fettnäpfchen sind es viele, die das Ausland für uns bereit hält und in die jeder Gebildete und „Scheingebildete“ allzu gerne hinein stapft. Auch von solchen, zuweilen höchst problematischen Missgeschicken wird hier im Buch geredet werden.
Gastfreundschaft ist nämlich nicht gleich Gastfreundschaft und jedes Volk, ja jede Sippe, versteht darunter etwas anderes.
Sich rechtzeitig vor einer Reise darüber informiert zu haben, kann äußerst hilfreich sein.
Aber auch übertriebene Rücksichtnahme und Demut führt oft zu Peinlichkeiten; dann allerdings auf beiden Seiten: auf denen der Gastgeber und denen des Gastes. Dieses Buch will kein „Benimmbuch“ für Wandern und Reisen sein.
Ich werde in lockerer Form Reisegeschichten und Wandererlebnisse erzählen, die mir in meiner Zeit als Reiseleiter (seit 1960) und als Privatreisender oder Mitreisender in einer touristischen Gruppe widerfahren und aufgefallen sind.
Falls Sie sich bei der einen oder anderen Geschichte angesprochen fühlen, sind wir vielleicht schon einmal irgendwo zusammen gereist. Es kann aber auch sein, dass es niemals vorkommen wird, es nur so scheint, weil sich viele Verhaltensweisen als Verhaltensmuster herausgebildet haben.
So spricht man vom „hässlichen Amerikaner“, vom „hochnäsig, arroganten Deutschen“ oder noch böser, bei einem Touristen vom „Bierfass“ zu reden.
Wie zum Beweis stolpert schon einer in die Hotelhalle und fragt ins Rund und nicht etwa eine Person „Wo gibt’s denn hier Bier?“
Als er endlich eines gereicht bekommt hört man kein „Danke!“ sondern nur ein gluckerndes Geräusch, sieht wie das Glas abgestellt wird und hört: „Noch eins“.
Und da kommen auch schon die anderen vom Bus herein.
„Mensch Heinrich, wo haste denn das Bier her?“
Sein Daumen zeigt in die Richtung, und da die Zeichensprache offenbar überall verstanden wird, gehen jetzt sechs weitere Finger nach oben.
Die Bedienung stellt sechs Sektkelche und eine Flasche Sekt auf den Tisch.
„Heinrich, die ist wohl taub oder was? Wer hat denn hier Sekt bestellt?“ und die Bedienung schon fast angreifend dann in scharfem Ton „Sechs Bier, du Tante du, aber ein bisschen hoppla, wenn wir nicht verdursten sollen.“
„Mensch Jungs, um diese Zeit trinkt man hier noch kein Bier.- Geht rüber an die Bude, da könnt ihr euch auch hinsetzen“, meinte der Busfahrer, der gerade herein kam. Mit Blick auf die Bedienung: „Da kannste deine Brühe alleine saufen.“ Und schon stehen sie auf der anderen Straßenseite mit Gejohle und Geschrei.
Ja, so sind sie, unsere sonst so gesitteten, höflichen Deutschen.
Der Busfahrer schüttelt nur den Kopf und entschuldigt sich beim Hotelpersonal für die Flegel.
Von dem kleinen Holzladen gegenüber hört man schon lautstark, warum die Brüder nicht nach Hawaii fahren, warum der Wein im Rhein fließt, und dass sie umfallen, wenn sie nicht hierher, hierher ihr Bier her bekommen.
„Deutsche“, hört man abfällig, „immer wieder diese Säufer, warum karrt man die immer wieder hierher?“ „Na, weil sie sich hier austoben können, zuhause müssen sie sich doch benehmen…“, meint eine Frau.
„Für zwei Dosen Bier, das die hier sinnlos runterkippen, könnte meine fünfköpfige Familie zwei Tage leben.“
Aber das hören die Deutschen in ihrem Rausch nicht, auch kennen sie nicht die Landessprache. Sie wissen nur, dass sie es schließlich sind, „die denen hier das Geld reinbringen“. Aber wehe, wenn nicht wirklich jede Leistung erbracht wird, die im Reisevertrag steht. Beim Essen schlagen sie dann zu, als hätten sie monatelang am Hungertuche genagt. Die Hälfte bleibt aber am Schluss auf dem Teller zurück.
„Ist egal, haben wir schließlich alles bezahlt!“
Nicht immer ist es die deutsche Lautstärke, oftmals ist es die Unkenntnis von den Eigenarten eines Landes, das uns in Verlegenheit bringen kann. Auch mir erging es einmal so. Ich hatte den Auftrag in ein befreundetes afrikanisches Land, zu einem landwirtschaftlichen Betrieb zu fahren, dem wir Hilfe angedeihen ließen. Entwicklungshilfe.
Meine Mitarbeiterin bekam den Auftrag der Leiterin ein passendes Geschenk zu suchen und mitzubringen, sie kam nämlich direkt aus dem Urlaub von der Ostsee zum Berliner Flughafen.
Beim Abendempfang hatte sie das Tollste angelegt, das sie an der Ostsee erhalten konnte: eine wunderschöne lange Bernsteinkette.
Das betretene Schweigen bemerkten wir in unserer Vorfreude erst gar nicht. Sie überreichte mir das sehr hübsch eingepackte Geschenk, das ich mit einer tiefen Verbeugung der afrikanischen Chefin übergab, die es unter dem Beifall ihrer Mitarbeiter sofort auspackte. Nun war das Schweigen allerdings nicht mehr zu überhören. Das Geschenk enthielt gleichfalls eine recht lange Bernsteinkette.
Da griff der Mitarbeiter unserer Botschaft ein und flüsterte mir zu, dass man hier keine Perlenketten trägt. Sie gehören zur Unterwäsche und hält eine Art Lendenschurz um die Hüften fest, werde also unter dem Rock getragen.
O, wie peinlich.
Ich deute meine Verlegenheit an. Schlagfertig schuf sie das Problem aus der Welt.
Der Dolmetscher übersetzte: es sei nicht schlimm, ich könnte ihr ja später beim Anlegen der Kette helfen. Gelächter löste diesen üblen Moment auf und ich schwor mir, bei künftigen Reisen ins Ausland mich besser über Sitten und Bräuche zu informieren.
Und das, liebe Leser, sollten Sie auch tun.
Das Besondere an diesen Wander- und Reisegeschichten ist vielleicht, dass es keine einfachen Reisebeschreibungen sind, sondern unsere ureigensten Erlebnisse, und dass ich mich bemüht habe, jeder Geschichte, jeder Reise, jeder Wanderung eine Legende, eine Sage oder ein regionales Märchen voran zu stellen.
Es war nicht immer leicht, aber wenn man eine Begleiterin wie Erika hat, die von Märchen und Sagen besessen ist – kein Wunder, ist sie doch der älteste weibliche Clown in einem Kölner Kinderkrankenhaus und immer darauf aus, den kranken Kindern ihren Krankenhausaufenthalt etwas zu erleichtern, dann kann man sich schon vorstellen, dass wir manches Mal mehr den Märchen und Legenden hinterher gelaufen sind, als den Wegbeschilderungen.
Und da muss ich den vielen Wandervereinen, Heimatgruppen und Brauchtumspflegern Thüringens und Sachsens und Sachsen-Anhalts bescheinigen, dass ihre Wanderwege hervorragend beschildert und gekennzeichnet sind.
Wir jedenfalls haben uns nicht ein einziges Mal verlaufen.
So Manchen trafen wir auf unseren Wegen, der uns vor Spukgestalten und bösem Zauber bewahren wollte, uns Kräuter nannte, die dagegen immun machen und uns auch in die Kunst ihrer Aufbewahrung und Zubereitung einweihte. So kamen wir in viele Häuser, in Stuben, in denen es gar wunderbar lieblich oder auch recht medizinisch roch und so mancher Trunk weckte unsere Lebens- und Wandergeister aufs Neue. Deshalb hier an dieser Stelle ein großes DANKE an all die Ungenannten und Genannten, denen wir begegneten. Die Rechtslage verbietet mir, die Klarnamen zu nennen. Legenden, Märchen, Geschichten und Sagen wurden seit Alters her mündlich überliefert und erfuhren dadurch so manche Wandlung. Nicht nur die Inhalte und Handlungen veränderten sich, auch letztendlich die belehrende Aussage. Denn das ist ja das Ziel, der Sinn und Zweck solcher Überlieferungen: sie sollen belehren, warnen oder in ihrem Ausgang auch erfreuen, denn es ist ja doch alles gut gegangen.
Die Eigenart im deutschsprachigen Raum ist allerdings, dass die Inhalte und Belehrungen oft recht grausam sind und den Zuhörern das Fürchten lehren. Ob Grimms, Andersen oder die Hauff-Märchen, in allen gibt es gruselhafte Gestalten und es geht im wahrsten Sinne des Wortes um Mord und Totschlag.
Die von mir in diesem Büchlein vorgestellten Legenden, Sagen, Märchen und Geschichten stehen fast immer im Zusammenhang mit einer von mir oder gemeinsam mit Erika oder einer Wander- auch Reisegruppe unternommenen Reise oder Wanderung.
Luthers Worte „den Leuten auf’s Maul zu schauen“ habe ich dabei stets sehr ernst genommen und dadurch so manchen „Schatz“ heben können, um ihn der Nachwelt zu erhalten.
Die Nachwelt, also die heutige Gegenwart, hat nicht mehr viel übrig für Märchen, Legenden und Geschichten, und in den wenigsten Familien werden sie noch vorgelesen und so weiter erhalten. Das ist sehr schade, aber die vielen neuen Medien haben hier eine echte Verdrängungsfunktion ausgeübt. Es ist eben einfacher und bequemer auf einen Knopf zu drücken, als ein Buch aufzuschlagen und selbst zu lesen oder sich vorlesen zu lassen.
Umso dankenswerter das Bemühen einiger Verlage, die so wunderbar produzierten früheren Märchenfilme der ostdeutschen Filmgesellschaft DEFA, des tschechischen Studios Barandow oder von MOSFILM Moskau wieder auf moderne Medienträger überspielt haben und im Handel preiswert anbieten.
Dabei muss ich noch etwas zur Bedeutung sagen: LEGENDEN werden ursprünglich Heiligen-Erzählungen genannt, weil es dem Klerus früherer Zeiten nicht angenehm klang, „Die Sagen von der heiligen Elisabeth“ zu verbreiten.
„Die Elisabeth-Legenden“ klang da schon angenehmer. Auch war es nicht sehr angenehm von der Sage zu sprechen, in der Gott Brot in Rosen verwandelt. Das hört sich als „Rosenwunder von der Wartburg“ schon besser an.
Es ist nicht meine Absicht hier zu kritisieren; ich will zum Ausdruck bringen, dass der Begriff Legende vielfältig angewendet wird (und die Erklärung auf einer Land- oder Wanderkarte heißt ja auch Legende).
Also schauen wir nicht erst auf diese Art von Legenden, sondern wandern los in das Reich der Legenden, Märchen, Sagen und Geschichten.
Ditmar-Eckehard Mickeleit