Читать книгу Chronik von Eden - Ben B. Black, D.J. Franzen - Страница 30

Kapitel XIII - Der Zug der Vergessenen

Оглавление

Es versprach ein schöner Tag zu werden. Die Sonne kämpfte sich durch die letzten Ausläufer der Qualmwolken, die von Köln aus über den Himmel zogen.

Sandra, Martin, Pfarrer Stark und die Kinder hatten sich vor dem Haus versammelt. Sandra hielt ihre Waffe gesenkt, war aber jederzeit bereit zu schießen, sollte sich einer der Untoten zeigen. Stark hielt seinen selbstgebauten Morgenstern lässig in der Hand. Er hatte Martin seinen Plexiglasschild gegeben, mit dem er die Kinder schützen sollte.

»Sollen wir eine bestimmte Marschordnung einhalten?«, fragte Martin. Sein Blick glitt skeptisch über die trügerische Idylle des Morgens.

Sandra nickte, ohne ihn anzusehen.

»Ja. Ich gehe als Erste. Patrick wird unsere rechte Flanke sichern. Die Kinder gehen in der Mitte und du, Martin, sicherst die linke Seite.«

Martin seufzte verhalten. Es gefiel ihm nicht, die relative Sicherheit des Hauses zu verlassen. In den zwei Rucksäcken der Gruppe befand sich nur noch Munition. Ihre letzten Notrationen waren für ein karges Frühstück draufgegangen, und Trinkwasser würde ebenfalls ein Problem werden.

»Ich finde immer noch, wir sollten nicht zu Fuß gehen«, murmelte er leise. Sandra sah ihn über die Schulter an. »Kannst du einen LKW reparieren? Nein? Dann wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben. Außerdem macht so ein Ding Lärm.«

»Und wie sollen wir unsere Vorräte tragen?«

Sandra schüttelte den Kopf und ging langsam auf die Straße zu, die sie nach Königsdorf führen würde.

»Erstmal sollten wir Essen und Wasser finden. Wenn es soweit ist, können wir uns immer noch Gedanken darüber machen.«

Martin holte Luft, als sich eine kleine Hand in seine schob. Verblüfft sah er herab. Gabi lächelte mit einer Heldenverehrung zu ihm auf, dass es ihn beinahe schon schmerzte.

»Das ist wie ein Ausflug«, sagte sie. »Das buchstabiert man A-U-S-F-L-U-G.«

Eine Hand legte sich schwer auf Martins Schulter.

»Sandra hat Recht«, sagte Stark. »Hier können wir nicht bleiben. Und ich glaube, die Kinder können mehr verkraften und leisten als wir ihnen zutrauen.«

Martin runzelte die Stirn. Glaubte der Pfarrer vielleicht doch an das, was Sandra gestern Abend als Hirngespinst abgetan hatte? Und roch er da etwa eine Fahne im Atem des Pfarrers? Stark nickte in Richtung Ortschaft.

»Und jetzt sollten wir los, bevor Sandra uns allen davonläuft. Wenn diese Frau sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht sie es auch durch.«

Stark wandte sich von Martin ab und folgte Sandra, die schon ein gutes Stück voraus war. Mit einem letzten Blick auf die Kinder nickte Martin.

»Also gut. Ihr habt gehört, was unsere Anführerin gesagt hat. Seid leise, bleibt dicht zusammen und sagt sofort Bescheid, wenn ihr etwas verdächtiges bemerkt.«

Eine Welle bejahender Gedanken prasselte auf Martin ein. Verwirrt sah er die Kinder an und hob die Hand.

»Und bitte ... macht es mit Worten. Nicht mit ... ihr wisst schon.«

Gerhard und Kurt traten grinsend vor.

»Du kannst es ruhig aussprechen«, sagte Gerhard.

Kurt nickte heftig.

»Ja, wir können es alle, wie wir gestern festgestellt haben.«

»Bitte?«

»Wir alle sind ... hm ... anders«, sagte Gerhard. »Wir haben es schon gespürt, als ihr gestern auf der Flucht vor den Knirschern ward.«

Martin seufzte tief.

»Na gut. Mich haut eh nichts mehr um. Wenn es Tote gibt, die mit einem Mordshunger auf frisches Menschenfleisch umherwandeln, warum soll ich DAS nicht auch noch glauben?«

Er ging vor den Kindern in die Knie und sah sie eindringlich an.

»Behaltet aber bitte eure Fähigkeiten für euch! Ich weiß nicht, wie die anderen beiden Erwachsenen darauf reagieren. Vor allem Sandra. Sie hat eine Waffe. Sie sie ist ... naja, etwas ruppig, und ich möchte deswegen nicht, dass sie etwas von euren Fähigkeiten erfährt. Und jetzt los. Und seid vorsichtig.«

Die Kinder nickten mit einem absurd feierlichem Ernst, als Martin aufstand. Mit einem letzten, zweifelnden Blick wandte er sich ab und marschierte los. Nach einigen Schritten griff Gabi nach seiner Hand.

Martin sah zu ihr herab.

Wieder dieser Blick voller unverhohlener Heldenverehrung.

Dürfen wir ein Lied singen?

Martin zuckte zusammen. Konzentriert dachte er seine Antwort.

Seid ihr von allen guten Geistern verlassen?

Wir würden ja auch leise singen. Du weißt schon ...

Bevor Martin eine Antwort geben konnte, erklangen leise die Stimmen der Kinder in seinem Kopf.

Wir sind die Pilger nach Eden

dort wollen wir in Frieden leben

und unter Seinem hellen Licht

das Dunkel uns niemals anficht

wir sind die Vergessenen

beschimpft als die Besessenen

doch wir sind nur die Pilger nach Eden

wo in Frieden wir werden ewig leben

*

Ganz in der Nähe des Hauses stand ein Schemen mitten auf dem Feld. Je weiter sich die Flüchtlinge entfernten, um so schärfer wurden die Umrisse des Schemens, bildeten zuerst die Kontur eines menschlichen Körpers, dann ganz langsam die Gestalt einer Frau, und schließlich war die Metamorphose von Licht in Fleisch und Blut vollendet.

Es war eine Frau.

Groß und mit feinen Gliedern, gekleidet in einen weißen Anzug. Ihr Haar fiel in dunklen Wellen über ihre Schultern. In ihrem Blick lagen Weisheit, Liebe und Trauer.

Ein Lächeln umspielte die Mundwinkel der Frau.

»Ja, ihr seid wahrhaftig Pilger«, sagte sie leise. Ihre Stimme war tief und klar, strafte ihr Aussehen Lügen. »Und ihr seid wirklich die Vergessenen. Aber ich habe euch nicht vergessen. Ich werde euch auf eurem Weg schützen, so wie ich es nach Kräften vermag.«

Die Frau seufzte.

»Vielleicht wird ER mich dann endlich verstehen, vielleicht darf ich dann endlich wieder zu seiner Rechten sitzen.«

Die Frau folgte mit festen Schritten der Gruppe.

»Ich werde euch schützen und nach Eden geleiten. Das schwöre ich bei meinem Namen. Luzifer, der Lichtbringer.«

Ende des zweiten Buches der Chronik von Eden

Chronik von Eden

Подняться наверх