Читать книгу Mündliche Sprachmittlung im Spanischunterricht - Dominique Panzer - Страница 16
Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen
ОглавлениеDer Common European Framework of Reference (CEFR) ist im Jahr 2000 bzw. die deutschsprachige Fassung als Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen (GeR) 2001 erschienen. An letzterem haben diverse Ministerien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, wie auch das Goethe Institut mitgearbeitet, das maßgeblich für die Übersetzung verantwortlich war. Die Grundlage für den CEFR bzw. GeR und somit für die erstmalige Entwicklung von Skalen zur Erfassung und Beschreibung der Leistungen der Lernenden, waren die Erkenntnisse und Diskussionen innerhalb der Fremdsprachendidaktiken der letzten 40 Jahre. Dies umfasst vor allem „Wissen und Fertigkeiten, mit denen der Sprachlernende im öffentlichen, beruflichen und privaten Bereich sprachlich handlungsfähig und kulturell sensibilisiert ist.“ (Europarat 2001: 3). Die Lehrkräfte erhalten durch den GeR ein Dokument, in dem ausführlich dargestellt ist, welche Inhalte, Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen die Schülerinnen und Schülern erwerben sollen, um eine Sprache kommunikativ verwenden zu können (vgl. ebd.: 14). Unter diese Aktivitäten fällt neben der Rezeption, der Produktion und der Inter-aktion auch die Sprachmittlung, die dort erstmals explizit und eigenständig in einem offiziellen Dokument aufgeführt wird. Zudem werden ‚Dolmetschen‘ und ‚Übersetzung‘ als nahezu gleichberechtigte Formen ebenfalls mit angeführt, die dann auch noch durch die Zusammenfassung und den Bericht sowie die Paraphrase ergänzt werden (vgl. ebd.: 26, 89f.). Eine Differenzierung dieser Begriffe erfolgt jedoch nicht – obwohl dies an vorheriger Stelle mit anderen Termini durchaus stattfindet – es wird lediglich darauf hingewiesen, dass alle diese Formen sowohl mündlich wie auch schriftlich erfolgen können und es sich dabei um „Kommunikation zwischen Menschen [handelt], die aus irgendwelchen Gründen nicht direkt miteinander kommunizieren können.“ (ebd.: 26).
Entscheidend ist außerdem die Erwähnung, dass der/die Sprachmittler/in bewusst den Ausgangstext verändert und somit einen neuen Text erstellt (vgl. Teilkapitel 2.1.1). Somit nehmen die Lernenden im Rahmen des Gespräches eine aktive und zugleich produktive Rolle ein, die ebenfalls „eine wichtige Stellung im alltäglichen sprachlichen Funktionieren unserer Gesellschaft“ (ebd.: 26) hat und so durchaus realistisch bzw. authentisch ist. Allerdings steht diese Aussage durchaus im Kontrast zu der im weiteren Verlauf ausführlichen Beschreibung von Sprachmittlung, denn dort heißt es, dass die Lernenden keine eigenen Intentionen mit einbringen, sondern nur zwischen den verschiedenen Parteien vermitteln sollen (vgl. ebd.: 89).
Auch wenn die Schülerinnen und Schüler nicht aktiv in das Gespräch eingreifen, erfolgt jedoch immer eine individuelle Auswahl der Inhalte, die gemittelt werden sollen, so dass diese Vorgänge durchaus als eigene produzierte Beiträge im Gesprächsverlauf aufgefasst werden können (vgl. Kolb 2016: 38). Des Weiteren wird die zunächst recht offen gehaltene Erläuterung der Notwendigkeit der Sprachmittlung etwas eingeschränkt, da in der späteren Erklärung darauf hingewiesen wird, dass die beiden Beteiligten meist nicht dieselbe Sprache sprechen, auch wenn das nicht immer der Fall sein muss, meist aber der häufigste ist (vgl. Europarat 2001: 89).
Sprachmittlung wird im GeR noch weiter ausdifferenziert in mündliche und schriftliche Sprachmittlung mit jeweils unterschiedlichen Tätigkeiten sowie der Angabe von Strategien. Leider sind aber für die Evaluation dort noch keine Skalen herausgearbeitet worden, so dass lediglich auf beispielsweise die Skalen der mündlichen Produktion zurückgegriffen werden kann1. Unter die Tätigkeit der mündlichen Sprachmittlung fallen das Simultan- und Konsekutiv-Dolmetschen, ersteres beispielsweise bei Konferenzen, Besprechung oder Reden und letzteres bei Führungen oder auch Ansprachen. Außerdem zählt dazu auch das informelle Dolmetschen, das vor allem für Besucher im eigenen Land, Muttersprachler/innen im Ausland, bei Dienstleistungssituationen oder auch bei Schildern, Speisekarten oder Ähnlichem vorkommen kann. Die schriftliche Sprachmittlung umfasst neben der genauen Übersetzung von zum Beispiel Verträgen oder wissenschaftlichen Texten, auch die literarische Übersetzung dieser Texte sowie die schon erwähnte Paraphrase und Zusammenfassung von verschiedensten Texten in den jeweils beteiligten Sprachen (vgl. ebd.: 90).
Die Strategien der Sprachmittlung beinhalten die Aspekte der Planung, Ausführung, Evaluation und Korrektur, die jeweils für die unterschiedlichen Phasen Hilfestellungen geben sollen und allgemein widerspiegeln „wie man mit begrenzten Mitteln Informationen verarbeiten und eine äquivalente Bedeutung herstellen kann.“ (ebd.).
In der Planungsphase sollen die Lernenden demnach durch vorausschauendes Handeln Hintergrundwissen entwickeln, sich ggf. Unterstützung holen, ein Glossar für die Aufgabe anlegen, in dem sie auch die Bedürfnisse der Gesprächspartner berücksichtigen und den Umfang der zu erstellenden Übersetzung festlegen (vgl. ebd.: 90). Allerdings erscheint hier nicht nur der angeführte Terminus der Übersetzung etwas misslich gewählt, wie im vorherigen Teilkapitel bereits aufgezeigt wurde, sondern auch die Tatsache, dass in diesem frühen Stadium schon entschieden werden muss, welche Inhalte in welchem Umfang gemittelt werden sollen. Dies mag bei einigen Aufgabenstellungen zwar möglich sein, beispielsweise wenn ein Text schriftlich in eine andere Sprache zu übertragen ist, bei dialogischen Gesprächen muss dieser Schritt aber nach jedem Beitrag eines Gesprächspartners erneut erfolgen, vor allem im Hinblick auf die sich möglicherweise verändernde Thematik und deren kulturellen Eigenheiten sowie den wechselnden Adressaten.
Dieser Vorgang fällt zum Teil auch in die nächste Phase der Ausführung, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass die Lernenden sowohl antizipierend wie auch vorrauschauend denken müssen, indem sie die neuen Informationen verarbeiten und dabei gleichzeitig die erhaltenen Informationen übertragen und weitergeben müssen. Gegebenenfalls kann es vorkommen, dass für bestimmte Begriffe Äquivalente in der anderen Sprache oder umschreibende Erklärungen gefunden oder auch Gesprächslücken überwunden werden müssen.
Bei der Evaluation müssen die Schülerinnen und Schüler sowohl die Kongruenz der beiden erstellten Texte wie auch die Konsistenz bezüglich der Verwendung prüfen, um notfalls in der Korrekturphase eingreifen zu können. Dafür kann es unter Umständen nötig sein, ein ein- oder zweisprachiges Wörterbuch zu Rate zu ziehen oder einen Experten zu befragen (vgl. ebd.: 90).
Diese in Teilen recht ausführlichen Erläuterungen zu Sprachmittlung sind in manchen Aspekten dennoch sehr vage gehalten, um einen gewissen Spielraum zu gewähren, den die einzelnen Länder durch ihre eigenen Vorgaben unterschiedlich ausfüllen können.
Die Ergänzung des GeR, die im Jahr 2018 erschienen ist, greift vor allem das Desiderat der mangelnden Skalen für die Sprachmittlung auf und liefert nun sehr detailliert ausgearbeitete Beschreibungen für unterschiedliche Aspekte der Sprachmittlung (vgl. Council of Europe 2018). Ebenfalls wird eine Definition vorgestellt, die im Jahr 2001 so explizit nicht vorhanden war, die viele Aspekte aufgreift, die auch in der fachdidaktischen Diskussion angeklungen sind (vgl. Teilkapitel 2.1.2), wobei immer noch deutlich die Stellung des Sprachmittlers bzw. der Sprachmittlerin betont wird, der/die die Kommunikation ermöglichen soll:
„In mediation, the user/learner acts as a social agent who creates bridges and helps to construct or convey meaning, sometimes within the same language, sometimes from one language to another (cross-linguistic mediation). The focus is on the role of language in processes like creating the space and conditions for communicating and/or learning, collaborating to construct new meaning, encouraging others to construct or understand new meaning, and passing on new information in an appropriate form. The context can be social, pedagogic, cultural, linguistic or professional.“ (Council of Europe 2018: 103)
Die Definition wurde dahingehend erweitert, dass die Situationen sehr unterschiedlicher Natur sein können und es ebenfalls denkbar ist, dass auch innerhalb einer Sprache gemittelt werden muss, um so die Kommunikation zu ermöglichen oder zu unterstützen. Sprachmittlung wird anschließend in die beiden großen Bereiche der Aktivitäten und Strategien differenziert, die wiederum noch in weitere zahlreiche Unterpunkte gegliedert werden (vgl. Abbildung 2.1). Für jeden genannten Aspekt innerhalb der ‚Mediation Activities‘ und der ‚Mediating Strategies‘ wie beispielsweise ‚Managing Interaction‘ oder ‚Adapting Language‘ und auch für Sprachmittlung im Allgemeinen werden dann ausführliche Skalen für die einzelnen Niveaustufen A1 bis C2 angeführt (vgl. dazu ausführlich Council of Europe 2018: 105-129).
Die Skalen, die in der Ergänzung zum GeR für Sprachmittlung im Allgemeinen vorgelegt werden (vgl. im Folgenden ebd.: 105), umfassen zahlreiche Aspekte und sind sehr differenziert verfasst und erneut wieder mit den bereits bekannten ‚Can do‘-Statements formuliert. Grundsätzlich lässt sich hier die Unterscheidung der drei Niveaus A – B – C damit wiedergeben, dass auf dem ersten Niveau (A1 und A2) der/die Sprachmittler/in vor allem mit einfachen Worten agiert, einfache bzw. vorhersehbare Informationen in kurzen Sätzen, Notizen oder einem ähnlichen Format wiedergeben kann.
Dabei fällt auf, dass bereits in Ansätzen mit einfachen Wörtern Erklärungen gegeben werden können und auch die Kommunikation unterstützt werden kann, wenn der/die andere/n Beteiligte/n langsam sprechen. Für das fortgeschrittene Niveau B1 sollen die Personen dann in der Lage sein, bezüglich bekannter Themen oder zu Aspekten, die von Interesse sind, Informationen in eindeutigen, strukturierten Äußerungen wiederzugeben – auch wenn dabei lexikalische Grenzen erreicht werden. Außerdem soll auf diesem Niveau die Kenntnis vorhanden sein, dass Aussagen von verschiedenen Personen unterschiedlich aufgefasst werden können und so dementsprechende Reaktionen von Nöten sind; beispielsweise durch empathisches Verhalten.
Einen weiteren Schritt findet man für das Niveau B2, denn dort sollen die Handelnden in der Lage sein, komplexere Aussagen zu treffen oder auch eine positive Atmosphäre herzustellen.
Für die Niveaus C1 und C2 gelten dann die höchsten Anforderungen, die sich – ähnlich der Niveaustufen A1 und A2 – nur noch wenig voneinander unterscheiden, da dort ein sicheres und effektives Handeln beschrieben wird. Die Aussagen können in klarer, gut strukturierter und sicherer Art und Weise differenziert formuliert werden, so dass auch feine Nuancen bzw. Bedeutungsunterschiede erkannt und in kohärenten, komplexen Texten oder Gesprächen berücksichtigt werden können.
Abbildung 2.1: Übersicht über die Aktivitäten und Strategien der Sprachmittlung in der Ergänzung des CEFR (Council of Europe 2018: 104)