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Sprachmittlung als komplexe Aktivität
ОглавлениеBevor Sprachmittlung ggf. als eine komplexe oder transversale Kompetenz bzw. Fertigkeit oder auch Aktivität beschrieben wird, gilt es zunächst, die erwähnten Begriffe voneinander abzugrenzen sowie genauer zu definieren, da sie auf unterschiedliche Dokumente und auch Konzepte zurückzuführen sind.
Wie bereits in Teilkapitel 2.2 ausführlich dargelegt wurde, sind die verwendeten Begriffe in den Dokumenten der Bildungspolitik in Bezug auf Sprachmittlung recht unterschiedlich. In den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss wird von einer Fertigkeit gesprochen (vgl. KMK 2003: 8) und in den Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife von einer Teilkompetenz (vgl. KMK 2012: 12). Dies ist insofern erstaunlich, als dass die beiden erwähnten Dokumente von der KMK erstellt wurden und sich auf den gleichen Standard, den GeR, beziehen. Meines Erachtens ist diese Differenzierung für die eigentliche Diskussion – ob Sprachmittlung komplex oder auch transversal ist – nicht von großer Bedeutung, da Sprachmittlung zum einen als eine weitere kommunikative Fertigkeit aufgelistet und so in den größeren Rahmen der funktional kommunikativen Teilkompetenzen eingebettet wird. Es erscheint somit zunächst sinnvoller von einer Fertigkeit zu sprechen, da dort der handelnde Charakter deutlicher wird; genauso findet aber auch die Bezeichnung Teilkompetenz in Bezug auf Sprachmittlung ihre Berechtigung, da es durchaus üblich ist, die anderen funktional kommunikativen Kompetenzen wie Sprechen oder Schreiben als eigenständige Kompetenzen zu benennen.
Diese begrifflichen Feinheiten finden sich, wenn auch leicht anders akzentuiert, bei Rössler (2008: 59ff.) wieder, indem sie verschiedene Positionen hinsichtlich der Begriffe ‚Fertigkeit‘ im Sinne Portmanns (1993) und ‚Aktivität‘ in Anlehnung an Krumm (2001) wiedergibt. Außerdem veranschaulicht sie sehr deutlich, dass eine Unterscheidung notwendig ist, da schon die unterschiedlichen Bezeichnungen darauf hinweisen. Die vier bisherigen kommunikativen Fertigkeiten werden alle als Infinitive angegeben (Hören, Sehen, Schreiben, Sprechen, Lesen), während Sprachmittlung mit einem Substantiv beschrieben wird und dadurch „nicht so einfach in die Reihe der kommunikativen Fertigkeiten – als deren sechste“ (ebd.) eingeordnet werden kann.
Wie in anderen Publikationen auch, spricht sie sich für eine andere Bezeichnung, nämlich die der Aktivität, aus, um so nicht nur dem GeR zu folgen, sondern zusätzlich die Grundlage von Sprachmittlung – das eigentliche kommunikative Ziel – zu betonen und hervorzuheben:
„Sprachmittlung ist eine komplexe, unter Umständen auch interaktive Aktivität in einer mindestens zweisprachigen Sprechhandlungssituation, zu deren Realisierung sowohl rezeptive als auch produktive kommunikative Fertigkeiten beherrscht und angewandt werden müssen.“ (ebd.: 61; Hervorhebungen im Original).
Diese Interaktion wie auch die Kommunikationsabsicht betont ebenfalls Königs (vgl. 2017: 327f.; 2010: 96) und plädiert für eine Bezeichnung als komplexe Tätigkeit, die in diesem Umfang deshalb so nicht im schulischen Fremdsprachenunterricht erreicht werden kann, aber dadurch, so Caspari und Schinschke (2012: 40f.), mehr als eine reine Fertigkeit darstellt. Die Autorinnen stellen Sprachmittlung somit auf eine höhere Ebene als die anderen kommunikativen Fertigkeiten Schreiben, Sprechen, Lesen, Hör- und Hörsehverstehen; da Sprachmittlung nicht nur auf den eben genannten basiert, sondern auch auf andere Kompetenzen wie beispielsweise Text- und Medienkompetenz, interkulturelle Kompetenz oder Sprachbewusstheit zurückgreift (vgl. auch Abbildung 2.2).
Hallet (2008b) greift diese Idee des Rückbezugs auf, da er Sprachmittlung ebenfalls als komplex versteht und die Beschreibung als eine bloße Fertigkeit als nicht ausreichend ansieht, „denn die four skills sind selbst integraler Bestandteil“ (ebd.: 3f.; Hervorhebungen im Original) von Sprachmittlung, die noch weitere Kompetenzen wie die der Interaktion oder Interkulturalität umfassen kann (vgl. auch Philipp, Rauch 2014: 13). Des Weiteren spielen auch die von Kolb (2011: 181) betonten Fertigkeiten der Rezeption und Produktion eine wichtige Rolle, weil sie maßgeblich für Sprachmittlungsaufgaben sind, da nur durch diese der Ausgangstext verstanden und der Zieltext erstellt werden kann.
Reimann (2013b: 5) führt diesen Gedanken noch weiter aus und bezeichnet Sprachmittlung als transversale Fertigkeit mit einer ebenfalls hohen Komplexität, da mündliche und schriftliche Dimensionen, ähnlich wie bei Kolb (2011) die Produktion und Rezeption, in gleichem Maß von den Schülerinnen und Schülern bei der Aufgabenbearbeitung abverlangt werden. Zusätzlich begründet er dies damit, dass die Lernenden nicht nur zwischen den Sprachen, sondern auch den Kulturen mitteln müssen, so dass eine Einbettung des Aufgabensettings in komplexere Rahmen mit detaillierten Angaben für die Erstellung des Zieltextes angebracht erscheint (vgl. Reimann 2014: 5).
Philipp und Rauch (2014: 13) haben diese Komplexität exemplarisch in folgendem Schaubild (vgl. Abbildung 2.2) verdeutlicht, wobei dort die interkulturellen Aspekte nur sehr reduziert dargestellt werden. Dabei wird aber deutlich, dass Sprachmittlung meist auf mehrere oder sogar alle vier funktional-kommunikativen Kompetenzen rekurriert und so die Lernenden vor besonders hohe Anforderungen stellt, die auch im Unterricht mehrfach geübt werden sollten.
Abbildung 2.2: Andere angesprochene Kompetenzbereiche bei Sprachmittlung (Philipp, Rauch 2014: 13)
Das hohe Ausmaß der von den Lernenden anzuwendenden Strategien, die möglichst alle für die Bearbeitung von Sprachmittlungsaufgaben eingeübt sein sollten, wird in der folgenden Tabelle (vgl. Tabelle 2.5) deutlich, so dass die Bezeichnung der komplexen Aktivität für Sprachmittlung angemessen erscheint und im Rahmen dieser Arbeit verwendet wird. Diese Umschreibung umfasst meines Erachtens nicht nur die hohe Komplexität und die damit verbundenen höchst diversen Anforderungen in zahlreichen Bereichen, sondern bringt auch die Interaktion zwischen den verschiedenen an der Sprachmittlungssituation beteiligten Akteure, wenn in einigen Beispielen lediglich nur in schriftlicher Form, zum Ausdruck.
Lesestrategien | Hörstrategien | Sprach- strategien | Schreib- strategien |
- den der Aufgabenstellung entsprechenden Lesestil selbständig anwenden (global, selektiv, detailliert, inferierend) | - eine Erwartungshaltung aufbauen | - Umschreibungsstrategien nutzen (z. B. Synonyme, Antonyme) | - Notizen anfertigen |
- Schlüsselbegriffe, Kernsätze finden | - aus Schlüsselwörtern auf das Thema schließen | - auf andere (einfachere) Satzstrukturen ausweichen | - Wortfelder und Paralleltexte nutzen |
- Wichtiges von Unwichtigem trennen | - der der Aufgabenstellung entsprechenden Hörstil wählen | - Gestik und Mimik einsetzen | - Umschreibungsstrategien (z. B. Synonyme, Antonyme) |
- komplizierte Strukturen auf Kerngehalt reduzieren | - auch bei partiellem Nichtverstehen weiterhin folgen | - auf andere (einfachere) Satzstrukturen ausweichen | |
- visuelle Hilfen (Bilder, Grafiken) und Überschriften als Verstehenshilfen nutzen | - ggf. Nichtverstehen signalisieren, nachfragen bzw. um Wiederholung bitten | - Skizzen zur Veranschaulichung nutzen | |
- Worterschließungsstrategien anwenden | - Lautstärke, Tonhöhe, Sprechtempo, Intonation (ggf. Mimik und Gestik) als Verstehenshilfe nutzen | - Texte strukturieren und gliedern | |
- Methoden der Eigenkorrektur (Checkliste, Nachschlagewerke) nutzen |
Tabelle 2.5: Beispiele für mögliche Strategien der einzelnen funktional kommunikativen Kompetenzen (Philipp, Rauch 2014: 15)