Читать книгу ALs die Zeit zu Ende war - Doreen Brigadon - Страница 6

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Das Wochenende

Annabell

Ich war schon früh auf den Beinen. Da ich nicht mehr schlafen konnte, stand ich auf und versuchte zuerst mal, Agnes zu erreichen. Doch die war das Wochenende nicht erreichbar, erzählte mir ihre Mailbox. Was sollte ich jetzt tun? Auf Adolf warten? Das dauerte mir zu lange. Mit ihm Einkaufen fahren? Mit einem Chauffeur und dann noch mit der Limousine? Da würde ich sicher überall auffallen. Außerdem hatte ich Hunger. So zog ich meine Alltagsklamotten an und suchte mir ein Lokal oder Café, wo man jetzt schon frühstücken konnte. Ich hatte Glück: in der Nähe war ein McDonalds. Dort aß ich zuerst ein Ham und Egg, Semmel und Kaffee. Da das ja keine große Portion war, holte ich mir noch ein Wiener Frühstück süß. Für den Heimweg noch Cola und ein Schokocroissant. Als ich zurückkam, erkannte ich sofort den Mercedes, der vor der Tür stand. Aber wo war Adolf? Der kam gerade aus der Tür. Wir stießen fast zusammen.

„Guten Morgen! Gut geschlafen?“, fragte ich ihn sofort.

Er starrte mich nur an. Dann kam Bewegung in ihn.

„Ich wollte dich abholen und mit dir frühstücken fahren. Aber wie ich sehe, hast du dir schon etwas geholt. Das kannst du dir aufheben, ich soll dich zum Restaurant bringen, wo du dann etwas bekommst.“

Jetzt war ich die Überraschte.

„Du, ich war schon so hungrig, dass ich zum McDonald ging und schon gefrühstückt habe. Das ist nur noch die Nachspeise.“

Jetzt war er wieder dran mit überrascht zu sein.

„Hast du eigentlich schon etwas gefrühstückt?“, fragte ich ihn im Gegenzug.

„Nein, ich hatte leider noch keine Zeit. Das sollte ich mit dir machen. Aber du warst zu schnell für uns“, und grinste wie ein kleiner Junge.

„Na gut, wenn du noch nichts gegessen hast, dann gehen wir zum Mäcki zurück, und dann frühstückst du mal und ich hole mir noch die Schokotorte. Und das Croissant hebe ich mir für später auf.“

Ich wartete gar nicht erst seine Antwort ab.

„Darfst du hier mit dem Auto stehen bleiben?“

„Ja, darf ich.“

Ich sah gar nicht nach, ob er mir folgte. Er musste mir folgen. Gut, dass der Mäcki nicht weit weg war. Er holte sich Ham und Egg und das Wiener Frühstück pikant. Ich hatte schon einen Platz besetzt und wartete auf ihn. Meine Torte mit der Latte hatte ich schon. Er kam grinsend auf mich zu.

„Das hatte ich schon lange nicht mehr!“, und aß genüsslich sein Ham und Egg.

Dann hielt er inne, holte sein Handy raus und machte ein paar Fotos. Ich hatte ihm schon erzählt, was ich schon alles hatte.

„Was machst du jetzt?“, fragte ich überrascht.

„Ich soll ein Beweisfoto schicken, dass du auch etwas frühstückst. Er wird staunen, dass wir beim Mäcki sind“, und schon schickte er die Fotos ab.

Bald bimmelte sein Handy. Er hielt es mir hin, damit ich seine Nachricht lesen konnte.

„Das war nicht ausgemacht!“ stand auf dem Display und ein freudiges Teufelchen hinten nach.

Weil er mit mir eigentlich woanders essen gehen sollte.

„Darf ich?“, fragte ich ihn.

„Natürlich“, meinte er nur und aß weiter.

Ich schrieb zurück:

‚Guten Morgen, Herr von Behringen. Da ich eine Frühaufsteherin bin, konnte ich leider nicht bis 10 Uhr warten. War schon um 8 Uhr unterwegs. Bin gestärkt für den Tag. Zumindest für den Vormittag. Dein Chauffeur stärkt sich jetzt auch, damit wir die Geschäfte unsicher machen können.‘ Hinterher gab ich noch drei Küsse. ‚Fürs Herr von Behringen, Alfons.

Dann schickte ich es ab. Nach kurzer Zeit kamen viele verschiedene lachende Smileys daher. Ich gab Adolf sein Handy zurück. Natürlich sah er sofort nach, was ich geschrieben hatte. Er lächelte auch. Steckte es weg. Inzwischen war er auch schon fertig.

„So, jetzt wäre ich auch gestärkt und es kann losgehen.“

Wir gingen zum Auto zurück. Setzte mich wieder vorne hin. Adolf lächelte mich erfreut an. Dann steuerte er sein erstes Ziel an. Inzwischen konnte ich ihn heute besser betrachten. Diesmal trug er keinen Anzug oder seine Uniform, wenn es eine war. Nur eine Jeans, ein Hemd und eine Jacke dazu. Er sah knackig aus. Oh weih-ja! Wo gingen meine Gedanken hin? Ich musste mich ablenken und sah mir die Gegend an. Auf einmal hielt er vor einem teuren Modegeschäft. Ich sah mich nach anderen um. Aber es gab hier nur Dior, Channel, Gucci, Vuitton und alle anderen. Ich wollte gar nicht erst aussteigen. Adolf sah mein Zögern.

„Was ist los? Hat es dir jetzt die Sprache verschlagen?“

„Ja! Was willst du hier? Hier kann ich mir nicht mal einen Kamm leisten, geschweige denn Kleidung.“

„Ich habe die Kreditkarte von Herrn von Behringen, damit du dich einkleiden kannst. Und das auf seine Kosten.“

Ich wollte das trotzdem nicht. Auf seine Kosten schon gar nicht.

„Wir werden einkaufen, denn sonst bekomme ich eine Rüge von ihm. Die erste war heute schon, als ich dich zu spät zum Essen holte. Aber dass du Frühaufsteherin bist, wussten wir beide nicht. Also wurde sie abgemildert.“

Er wartete noch.

„Was ist, steigst du jetzt aus?“

„Nein, nicht hier. Können wir nicht woanders hinfahren, um einzukaufen. Ich komme mir … deplatziert vor.“

„Und wo willst du dann hin? Du weißt, ich ‚muss‘ mit dir heute einkaufen.“

„Ja ok, aber bitte nicht hier.“

Er stieg wieder ins Auto und fragte: „Wohin jetzt, gnädige Frau?“

„Zur Shopping-Meile? Dort kannst auch in der Tiefgarage parken.“

In der Gegend kannte ich mich schon etwas aus. War schon einige Male mit Michi dort einkaufen. Und da gab es auch keine so überkandidelten Läden. Er gab nach und fuhr dort hin.

„Wenn er das rausbekommt, sind wir beide einen Kopf kürzer. Aber wir gehen in keine Ramschläden. Das ist meine einzige Bedingung.“

Ich war diese teuren Geschäfte los! Und dort gab es auch teure Läden, in die ich sonst nie einkaufen ging. Wenn er schon sein Geld loswerden wollte, dann dort. Wir parkten und gingen mal durch die ganzen Passagen. Adolf sah ständig auf die Uhr.

„Was siehst du ständig auf die Uhr?“

„Weil ich Herrn von Behringen in einer Stunde schon abholen soll. Und wir noch nichts gekauft haben.“

„Oh!“, sagte ich verlegen.

Und wie auf Kommando rief Herr von Behringen an. Ich hörte nur, „Ja … ja … werde ich machen. Bis später.“

„Was ist los?“

„Wir haben noch eine Galgenfrist von zwei Stunden bekommen. Die Verhandlungen ziehen sich noch in die Länge. Ich brauche erst um 14 Uhr losfahren, ihn holen.“

„Na gut! Wenn wir jetzt keinen Stress haben, fangen wir an“, und ging in das erste Geschäft.

Adolf kam hinter mir her. Ich sah mir alles durch, nahm einige Kleidungsstücke und ging in die Kabine. Das erste war ein Burgunder farbenes Kleid. Adolf pfiff sofort anerkennend, als er mich damit sah.

„Gut, das erste Stück hätten wir ja schon.“

„Adolf, ich habe es erst gerade anprobiert und mich noch nicht entschieden.“

„Ich habe schon entschieden! Wir haben leider nicht den ganzen Tag Zeit und ich weiß was Herr von Behringen gesagt hat, was du unbedingt kaufen sollst. Also das erste Kleid haben wir schon“, und ließ es von der Verkäuferin zur Kasse bringen.

Das nächste war ein Kostüm, das ich probierte. Er wollte es auch schon mitnehmen.

„Nein!“ sagte ich rasch, „Das gefällt mir ganz und gar nicht und außerdem zwickt es!“

Ich ging wieder rein und zog es aus. Das nächste war ein Hosenanzug, schwarz mit Nadelstreif. Ich sah umwerfend darin aus. Die Verkäuferin brachte mir noch eine passende Bluse dazu.

„Nach deinen Augen zu urteilen gefällt es dir. Also nehmen wir das auch. Und jetzt keine Widerrede!“

Was sollte ich jetzt sagen? Es wurde auch zum Kleid gebracht. Dann stöberte ich noch.

„Was hat Herr von Behringen noch angeschafft, was du mir kaufen sollst?“, fragte ich nach.

„Das weiß ich schon. Also keine Sorge.“

Mehr sagte er nicht. In diesem Geschäft fand ich nichts Interessantes mehr. Er zahlte und wir gingen ins nächste Geschäft. Dort bekam ich dann noch ein Kleid, ein rotes Kostüm und dazu passende Unterwäsche zu jedem Outfit. Ich kam mir schon wie Cinderella vor. Ein Geschäft hatte ich noch im Visier. Das suchten wir auch auf. Er sagte derzeit gar nichts und war geduldig. Noch! Wir hatten noch eineinhalb Stunden, bis er fahren musste. Ich suchte mir ein schwarzweißes Petticoat Kleid aus, und das berühmte „kleine Schwarze“. Er zahlte alles, ohne zu murren. Die Rechnungen nahm er alle mit. Dann zog er mich in ein Schuhgeschäft, zeigte auf fünf paar Schuhe und sagte: „Probieren!“

Das war ich jetzt nicht gewohnt.

„Wieso jetzt so eilig?“

„Weil ich dich noch nach Hause bringen soll. Ich muss mich noch umziehen und dann Herrn von Behringen abholen. Für dich wartet um 15 Uhr eine Friseurin auf dich.“

Jetzt war ich baff. Mein Tag war ja schon fast voll verplant! Was kam dann am Abend, wenn noch eine Frisörin kam? Ich probierte die Schuhe. Aber die meisten waren mir sowieso zu hoch. Ich schnappte mir andere, niedrigere, in gleicher Farbe.

„Die, die, die, die und die! Comprende?“

Es waren Schuhe, die zu den Kleidungsstücken passten, die wir gekauft hatten, und keine so hohen Absätze hatten. Er lächelte und bezahlte alles, ohne mit der Wimper zu zucken. Dann zog er mich zu einem Abendmodengeschäft. Jetzt ahnte ich etwas. Es würde heute kein normales Essen sein, wir gehen irgendwohin auf einen Ball oder so. Oder war er irgendwo eingeladen? Diesmal half er mir, ein Kleid auszusuchen. Fünf kamen in die engere Wahl. Die zog ich in der Kabine an. Jedes begutachtete er sofort. Zwei kamen sofort weg. Die gefielen mir auch nicht. Bei den anderen drei fiel die Entscheidung schwer.

„Tut mir leid, ich kann mich für keines der drei Kleider entscheiden. Sie sehen alle super aus.“

„Gut, dann zieh es aus und wir gehen.“

Jetzt kannte ich mich nicht aus. Ich sollte ein Kleid kaufen und dann nahm er jetzt keines? Was sollte ich dann für den Abend anziehen? War er jetzt gestresst, weil er schon bald fahren musste und ich mich nicht entscheiden konnte? Ich zog es aus und wollte die Kleider zu den Ständern zurückbringen. Da nahm er sie mir einfach ab und ging zur Kasse.

„Alle drei?“, fragte die Verkäuferin.

„Alle drei“, sagte er noch einmal.

Ich starrte ihn nur an. Dann kam Leben in mich.

„Das kannst du nicht machen! Alle drei auf einmal zu kaufen!“

„Doch, kann ich, und mache ich. Und jetzt muss ich mich beeilen, damit ich pünktlich bei Herrn von Behringen bin“, schnappte die Sachen und wir gingen auch schon raus.

Jetzt bekam ich es mit der Angst zu tun. Was würde Herr von Behringen sagen, wenn er die Rechnungen sah und das noch von drei Kleidern? Mir wurde jetzt schon schlecht dabei. Er warf mich buchstäblich bei der Agentur raus und ich durfte meinen Einkauf selbst hochbringen. Was war er für ein Gentleman? Ach ja, er war ein Chauffeur, nein die sollten so etwas ja doch machen. Ich trug alles hoch und hängte es auf die Kleiderbügel. Gut, dass so viele im Kasten waren. Für jedes Teil hatte ich einen. Ich begutachtete alles und rechnete alles ein bisschen im Kopf zusammen. Das waren sicher fast 2000 Euro! Oh Mann! Das waren fast zwei Monatslöhne für mich, die Adolf im Namen von Herrn von Behringen ausgegeben hatte. Ich musste etwas essen. Hatte ja noch mein Croissant. Eine Kaffeemaschine gab es auch in dem Zimmer. Also machte ich mir einen Kaffee, drehte den Fernseher auf und genoss mal die Ruhe. Durch ein Klopfen wurde ich geweckt. Ich war doch wirklich eingeschlafen. Wer wollte etwas von mir? Irgendetwas war doch noch. Ich sah kurz auf die Uhr. Es war 15 Uhr. Oh Mann ja. Es sollte ja noch eine Frisörin kommen. Die stand auch schon vor der Tür.

„Frau Klaus?“, fragte sie mit französischem Akzent.

„Ja bitte?“

„Ich bin hierher bestellt worden, um Ihnen die Haare zu machen für heute Abend.“

„Ja genau. Adolf sagte so etwas.“

„Adolf? Ich kenne keinen Adolf. Frau Agnes hat mich bestellt.“

Aha! Frau Agnes. Was hat sie noch alles „bestellt“?

„Ich würde sagen, Sie gehen sich mal duschen und legen einen Bademantel an, dann mache ich Ihnen Ihre Haare. Dann können Sie später in das Kleid schlüpfen.“

Ich machte, was sie sagte. Wenn es so „bestellt“ war? Nachdem ich geduscht war, kam ich mit dem etwas zu großen Bademantel heraus.

„Oh, Mon Dieu! So viele Locken! Was haben Sie mit Ihren Haaren gemacht?“

„Nichts! Das sind meine Naturlocken!“

Jetzt war sie erstaunt. Was war daran nicht zu verstehen? Sie kämmte sie mir durch.

„Wie soll ich die glatt bekommen? Das hat mir niemand gesagt. Nur Haare aufstecken. Aber wie soll ich die aufstecken?“

Jetzt war ich erstaunt über ihre Aussage. Normalerweise hat eine Friseurin alles dabei. Und aufstecken war das einfachste bei meinen Haaren, da die Locken schon vorhanden waren und man sie nicht noch lockig machen musste. Und außerdem, machte man die Haare vorher nicht nass, wenn man sie hochstecken wollte. Was war das für eine Frisörin? Eine Anfängerin? Sie holte ein Glätteisen und wollte sie mir noch nasser glätten. Da streikte ich. Dann versuchte sie, die Haare mit Bürste und Föhn glatt zu föhnen, was natürlich auch misslang. Mit viel Spray und Gel bekam sie die Haare hin und hinten machte sie mir einen Bummel mit extra Löckchen noch. Ich sah aus wie eine abgeschleckte Katze, der man den Schwanz toupiert hatte. Sie befand es für sehr wundervoll, machte noch einige Fotos, freute sich über ihr Werk und ging dann endlich. Als sie weg war, besah ich mich auch noch einmal im Spiegel und befand, dass man so nicht aus dem Haus gehen konnte. Machte noch ein Beweisfoto, stellte mich unter die Dusche und wusch mir den ganzen Lack raus. Danach föhnte ich mir die Haare, nahm zwei Klammern und teilte sie so auf, dass die vorderen Haare etwas glatt erschienen. Als ich fertig war, klopfte es schon wieder an meiner Tür. Wer war es diesmal? Ich hatte mich noch nicht schminken können. Adolf stand schon vor der Tür.

„Du bist ja noch gar nicht fertig!“

„Wieso?“

„Ich soll dich doch um 17 Uhr abholen!“

„Und wer hat mir das gesagt?“, fragte ich böse zurück.

„Die Frisörin sollte dir doch die Haare machen, schminken und bis 17 Uhr in dein Kleid helfen.“

Ich sah auf die Uhr.

„Wir haben noch eine viertel Stunde Zeit!“, und verschwand im Bad.

Ich schminkte mich, so gut es ging. Brauchte ja nicht so viel wie so manch andere.

„Bringst du mir bitte ein Kleid vom Kasten?“, rief ich aus dem Bad zu Adolf.

Den hatte ich mit jemandem sprechen gehört. Er hielt mir dann ein Kleid mit den passenden Schuhen dazu ins Bad, ohne selbst zu gucken. Ich zog das rote mit den silbernen Pailletten am Hals an. Mir war es egal, welches. Sie sahen alle gut aus. Nur hatten wir etwas vergessen. Ich hatte keine Strumpfhose dabei und gekauft hatten wir auch keine. Das bemerkte ich erst, als ich schwer in die Schuhe kam. Also musste es so auch gehen. Als ich rauskam, telefonierte er gerade noch.

„Ja, wir beeilen uns …“, dann blieben ihm die Worte im Hals stecken.

„Wow!“, brachte er nur raus.

Dann hörten wir jemanden aus dem Telefon.

„Ja … ja wir kommen schon!“, und er legte auf.

Er starrte mich nur an.

„Können wir jetzt gehen?“, fragte ich nach.

Er kam von irgendwoher zurück.

„Ja“, und machte mir dir Tür auf.

Ich schnappte mir noch meine Tasche und wir konnten schon gehen.

„Das geht nicht! Die Tasche passt nicht zum Kleid.“

„Das ist mir jetzt egal. Denn ohne Tasche gehe ich nicht. Wo soll ich sonst meine Brieftasche, das Handy und meinen Schlüssel hingeben?“, sagte ich störrisch.

Er sah sich verlegen um. Dann ging er zu einer anderen Tür, griff unter die Fußmatte, holte einen Schlüssel raus und ging in das Zimmer.

Was wollte er denn da jetzt? Er kam mit einer roten Tasche, weißem Jäcken und sogar mit einer Strumpfhose daher. Er gab es mir und sagte: „Beeil dich!“

Ich ging zurück in mein Zimmer, zog mir rasch die Strumpfhose an, packte meine Tasche um, und war auch schon wieder draußen.

„Passt es jetzt so?“

„Ja!“, und zog mich schon zum Aufzug.

„Das wäre uns bei Gucci nicht passiert!“, sagte er etwas verärgert.

Ich sah ihn an und antwortete darauf: „Gicci, Gucci, Gaga!“

Wir fingen laut an zu lachen. Das hielt noch an, bis wir beim Auto waren. Er war wieder mit der Limousine unterwegs. Herr von Behringen wartete schon im Auto.

„Guten Abend!“, sagte ich vergnügt, als ich einstieg.

Alfons

Adolf kam pünktlich bei mir an.

„Und habt ihr alles eingekauft, was ich aufgetragen hatte?“

„Ja, und sogar noch mehr. Die Rechnungen liegen im Fach“, gab mir Adolf zur Antwort.

Ich besah mir sofort alles und zählte automatisch zusammen.

„Was habt ihr da alles eingekauft? Da komme ich nicht zurecht.

„Zwei Tageskleider, ein Cocktailkleid, ein Hosenanzug mit Bluse, ein Kostüm mit Bluse, Unterwäsche und drei Abendkleider und fünf Paar Schuhe!“, erklärte er mir.

„Das kann sich nicht ausgehen, Adolf. Die Abendkleider müssten schon um die 3.000 Euro kosten! Und der gesamte Einkauf kommt nur auf ca. 2.000 Euro.“

„Bitte auf die Marke und die Beträge sehen. Sie hat mir bei Gucci und Co gestreikt.“

Jetzt besah ich mir das genauer. Und wirklich, es stimmte alles, was Adolf gesagt hatte. Ob sie da etwas Gutes bekommen hatte?

„Sieht sie dann nicht aus wie eine Vogelscheuche?“

„Nein, wie eine Cinderella. Sie werden es heute Abend sehen.“

Ich war jetzt mehr als neugierig und trieb alle zur Eile an, um eventuell noch zu retten, was noch zu retten war. Doch als ich sie sah, konnte ich meine Augen nicht mehr von ihr lassen. Sie sah aus, als käme sie aus einem Märchen. Sie setzte sich ganz ungezwungen zu mir und sagte: „Guten Abend“, als wäre sie das schon gewohnt.

Annabell

Ich sah in sein überraschtes Gesicht. Was war jetzt wieder los? Adolf hatte mir von Agnes heimlicher Kleiderkammer erzählt, wo man zur Not etwas ausborgen konnte, sollte etwas schief gehen. Er wusste es, weil ihm das schon ein Mädchen gezeigt hatte. Und Agnes hatte sicher nichts dagegen. Nur Alfons war … sprachlos! Ja, sprachlos. Das kannte noch nicht mal Adolf. Er fuhr los zum Restaurant.

„Passt etwas nicht?“, fragte ich ihn sorgenvoll.

Nach seinem Gesichtsausdruck wurde ich nur noch nervöser.

„Adolf, wir hätten doch nicht so viel einkaufen sollen. Jetzt ist er böse auf uns, weil wir so viel ausgegeben haben. Und wer wird das jetzt bezahlen?“, fragte ich ihn ängstlich und fast in Tränen aufgelöst.

Jetzt wurde auch Alfons wach. Adolf sah nur irritiert von einem zum anderen.

„Nein, nein, mein Mädchen, du siehst toll aus! Und du hast weitaus weniger ausgegeben als viele andere. Die haben einen regelrechten Kaufrausch bekommen bei Gucci, Channel usw. Aber hätte nicht eine Frisörin kommen sollen und dich herrichten?“

„Ja, war auch eine da, aber die hat mich zur abgeschleckten Katze degradiert. Also musste ich mich noch einmal duschen und mir selbst die Haare machen. Ich war froh, als sie weg war. Willst du sehen, wie ich ausgesehen habe?“

Schon zückte ich mein Handy und zeigt ihm das Foto. Er begann herzhaft zu lachen. Sogar Adolf erschreckte sich. Als er sich beruhigt hatte, fragte er mich: „War nicht Sabine da?“

„Ich weiß nicht, wer da war, denn sie hat sich gar nicht vorgestellt, sondern nur über meine Naturlocken gejammert und sie wollte sie glattstreichen. Das funktionierte leider nicht. Sie hat immer nur auf Französisch gejammert.“

„Sabine ist keine Französin. Was ist da jetzt wieder schiefgelaufen?“, fragte er, mehr zu sich selbst.

Auch Adolf konnte nur mit den Schultern zucken. Ich verhielt mich jetzt lieber still, bevor Alfons noch wütender wurde. Was hätte ich jetzt auch tun können? Es dauerte nicht lange und wir fuhren bei einem nicht so teuren Lokal vor. Zumindest sah es von außen so aus. Adolf beeilte sich, uns die Tür aufzumachen. Er half zuerst mir, dann Alfons raus. Er parkte die Limousine dann woanders. Hier durfte er nicht stehen bleiben. Alfons nahm mich beim Arm und zog mich ins Restaurant mit. Drinnen legten wir die Jacken ab. Er hatte einen silbergrauen Anzug an. In dem sah er noch hervorragender aus. Auch er begutachtete mich.

„Darf ich?“, fragte er und griff mir auch schon in meine Haare und holte die Spangen raus. Dann wuschelte er sie noch etwas.

„So gefällst du mir doch besser. Und lass dir nie so eine Frisur einreden.“

Er war nicht sauer auf mich, sondern sauer auf die anderen, weil die etwas verbockt hatten. Dann gingen wir weiter. Ein Kellner brachte uns zu unserem Tisch. Der gab uns die Speisekarte.

„Wissen die Herrschaften schon, was sie trinken möchten?“

Nach der ganzen Aufregung brauchte ich etwas zum Runterkommen. Ich bestellte mir ein Bier. Der Kellner starrte mich an und Alfons sah mich amüsiert an. Ich sah in meine Karte und fragte den Kellner gleichzeitig: „Sie haben doch Bier, oder?“

„Ja, sicher“, sagte er verstört.

Alfons nickte ihm zu.

„Mir bringen Sie die Nummer 4 und zwei Gläser bitte.“

„Ja, sehr wohl, Herr von Behringen.“

Er kannte sogar seinen Namen. Also musste er öfter hier sein. Aber wieso hatte er so erschrocken dreingesehen? Ich musste das sofort Alfons fragen.

„Wieso hatte mich der Kellner so angestarrt, als ich Bier verlangte?“

„Weil die Damen, mit denen ich sonst hierherkam, immer nur Sekt oder Champagner schlürften. Es ist neu, dass sich eine Frau Bier bestellt.“

„Aber ich habe gerade Lust darauf. Sollen wir es noch ändern?“

„Nein, lass es. Es amüsiert mich immer wieder, wie du die anderen schockst und du mit manchen Situationen zu recht kommst, wo so manch andere Frau zur Hysterie neigt.“

„Vielleicht bin ich anders aufgewachsen?“

„Ja, das wird es sein. Und bleibe bitte so! Egal, was passiert. Wenn du Bier willst, bestelle es dir. Wenn du Huhn möchtest, dann iss es mit den Händen und nicht mit Gabel und Messer. Das halte ich sowieso für übertrieben!“, und zwinkert mir zu.

Der Kellner brachte das Gewünschte und stellte mir das Bier vorsichtig auf den Tisch. Wovor hatte er Angst? Er schenkte Alfons den Wein ein und wartete, ob es sein Geschmack war.

„Haben die Herrschaften schon gewählt?“

Ich sah Alfons an und er mich.

„Was möchtest du gerne? Gebratenes oder gebackenes Huhn? Oder doch lieber Rippchen oder gar Beuschel?“

Wen wollte er jetzt pflanzen? Mich oder den Kellner? Ich sah noch einmal in die Karte. Ich sah leider weder Huhn noch Beuschel. Nur Rippchen für zwei.

„Wo siehst du das alles?“, zischte ich hinter der Speisekarte zu ihm.

„In meiner Speisekarte. Ich lese mehr als du.“

Jetzt wusste ich, dass er mich aufzog. Laut sagte ich: „Die Rippchen wären nicht schlecht. Isst du bitte mit, Schatz?“

Jetzt hatte ich ihm wieder den Ball zugeworfen.

„Ja! Bringen Sie bitte die Rippchen Platte für zwei.“

Jetzt hatte er mich. Er hatte sie wirklich bestellt. Als der Kellner weg war, fragte ich ihn: „Ist das jetzt dein voller Ernst?“

„Ja. Ich will sehen, wie du sie mit Messer und Gabel isst. Mein Schatz!“

Er griff das Kosewort sofort auf.

„Schatz, ich werde sie essen so wie immer.“

Jetzt konnte er grübeln wie ich es mache, hob mein Glas, prostete ihm zu und machte einen großen Schluck. Der Schluck war köstlich. So gut hatte mir Bier schon lange nicht mehr geschmeckt.

„Du hast ein kleines Bärtchen, mein Schätzchen“, sagte er leise zu mir.

Ich tupfte es mir rasch mit der Serviette ab. Er lächelte mir zu.

„Du bist immer wieder gut für Späße, oder?“

„Sicher! Das Leben ist viel zu trostlos, darum sollte man es nehmen wie es ist und daraus das Beste machen.“

Jetzt lächelte er nicht mehr so. Ihm war es wieder vergangen. Was hatte ich gesagt? Es war ja nichts Schlimmes! Er war oft sprunghaft. Von freundlich zu böse, von lächeln zu Trübsal blasen. Er verheimlichte etwas. Niemand sprang ohne Grund von einem Extrem zum anderen, so schnell. Außer er wusste etwas Schlimmes. Er prostete mir wieder zu, mit seinem Glas Wein. Ich lächelte ihn noch mehr an. Er machte es mir nach. Aber es fiel ihm schwer. Da war etwas, definitiv. Aber jetzt fragen wäre sicher der falsche Zeitpunkt. Also musste ich es auf später verschieben. In meiner Tasche hörte ich es surren, bzw. vibrieren. Wer konnte das jetzt sein?

„Entschuldige!“, und sah rasch nach.

Und wer war es? Michi! Natürlich! Ich habe mich ja noch gar nicht bei ihr gemeldet. Ich schrieb ihr zurück, dass ich gerade beim Essen bin und ich es ihr am Sonntagabend alles erzählen werde. Bin noch voll eingespannt! Ich drehte das Handy sofort ab.

„Entschuldige noch einmal. Es war meine neugierige Freundin.“

„Die sich auch beworben hatte und nicht genommen wurde?“

„Ja, genau die.“

„Könntest du mir ein Foto von ihr zeigen, bitte?“

„Ich habe leider das Handy schon abgeschaltet, denn sie wird sonst nie Ruhe geben.“

„Ach schade. Ich hätte sie gerne gesehen.“

„Vielleicht später.“

„Ist auch gut“, meinte er nur.

Dann kam auch schon unser Essen, und diesmal war es nicht so klein. Ich nahm mir sofort ein Rippchen, schnitt es. Dazu nahm ich mir noch einen Maiskolben und fasste mir noch Pommes dazu. Alfons machte es ähnlich. Ich genierte mich nicht und biss von den Rippchen und dem Maiskolben einfach ab. Zum Maiskolben gab es sogar noch Stäbchen dazu, dass man sie nehmen konnte, ohne fett zu werden. Ich sah mich lieber nicht um, ob mich die anderen beobachteten. Alfons aß wenig Fleisch, dafür mehr Gemüse. Alles konnten wir leider nicht aufessen. Nach dem Essen nahm ich meine Tasche und ging kurz zur Toilette. Ich musste meine Finger waschen, und auch für „kleine Mädchen“. Da kamen gerade zwei Frauen rein und sprachen wohl über mich. Wie man nur mit den Fingern essen konnte, wenn man als kultivierter Mensch Messer und Gabel hatte. Ich wollte diese Frauen sehen, und genierte mich nicht, raus zu kommen und mir die Hände zu waschen. Als sie mich sahen, verschwanden sie sofort. Über einem hinter dem Rücken reden konnte ein jeder, aber ihm es auch ins Gesicht zu sagen, das trauten sich die wenigsten. Ich ging hoch erhobenen Hauptes wieder raus. Als ich zu unserem Tisch kam, fragte mich Alfons: „Bist du fertig? Dann können wir fahren.“

„Wo geht es jetzt hin?“

„Das wirst du sehen, wenn wir dort sind.“

Und schon gingen wir dem Ausgang zu. Da fiel mir ein.

„Musst du nicht bezahlen?“

„Habe ich doch schon gemacht, mein Schätzchen, während du auf der Toilette warst.“

Draußen erwartete uns schon Adolf mit der Limousine. Wir stiegen ein und Adolf fuhr los.

„Jetzt hätten wir kurz Zeit. Da könntest du mir ja deine Freundin zeigen.“

Ich tat ihm den Gefallen. Schaltete das Handy wieder ein und natürlich kamen sofort die Nachrichten von Michi. Jetzt ärgerte ich mich wieder. Schob sie weg und suchte ein Foto von ihr.

„Das ist sie“, und zeigte es ihm.

Er nahm mir das Handy aus der Hand, damit er sie besser betrachten konnte. Dann schob er aus Versehen das Foto weg und ein Foto von meinem Sohn erschien.

„Ist das dein Sohn?“

„Ja.“

„Er sieht nett aus. Hast du auch ein Foto von deiner Tochter?“

„Ja. Hier“, und schob es um eines weiter.

„Sie sieht dir sehr ähnlich.“

Sah ich jetzt in seinen Augen Tränen? Wieso? Wir waren gerade angekommen. Ich schaltete mein Handy sofort wieder aus. Als ich ausstieg, glaubte ich nicht, was ich sah. Wir standen vor der Oper. Ich und in der Oper!

„Darf man da drinnen auch Fotos machen? Sonst glaubt mir das Michi nie!“

„Ja. Aber so, dass es bitte keiner sieht“, flüsterte mir Alfons zu.

Sie spielten „Romeo und Julia“. Ich verstand zwar kein Italienisch, aber es war so auch großartig. Bevor das Licht ausging, machte ich noch heimlich ein paar Fotos. Die schickte ich Michi und schaltete das Handy rasch wieder aus. In der Pause begrüßten ihn einige Leute. Da wir in einer Loge saßen, stand er auf und konnte im Zwischenraum mit ihnen sprechen. Ich blieb sitzen. Ein Kellner brachte mir etwas zu trinken. Alfons schien wieder ausgeglichen zu sein, als er zurückkam.

„Wie ich sehe, hat man dir etwas zu trinken gebracht.“

„Ja. Danke.“

„Und wie gefällt dir die Oper?“

„Sehr gut, auch wenn ich nichts verstehe. Dafür ist die Musik sehr gut. Man spürt alles durch sie.“

Er sah mich freudig an. Dann ging wieder das Licht aus und es ging weiter. Ich merkte, dass er mich oft mehr betrachtete als das Schauspiel vor uns. Wahrscheinlich hatte er diese Oper schon öfter gesehen und wollte meine Reaktion beobachten. Das durfte er ruhig.

Danach genoss ich die Oper und heulte wie ein Schlosshund, als beide starben. Alfons gab mir sein Taschentuch. So etwas hatte ich leider nicht dabei.

Wir gingen dann ohne ein Wort hinaus. Erst im Auto fragte er mich: „Und würdest du noch einmal in die Oper gehen?“

„Ja sicher. Es war es wert, auch wenn ich nichts verstanden habe.“

Er brachte mich nicht sofort zurück. Wir fuhren wieder zum Penthaus. Dort machte er noch eine Flasche Wein auf. Ich wollte zwar nichts mehr trinken, aber enttäuschen konnte ich ihn trotzdem nicht.

„Nur ein Glas.“

„Ja, denn wir müssen ja noch offizielle auf Du und Du anstoßen.“

Er schenkte ein und stieß mit mir noch einmal an. Dann beugte er sich vor und gab mir einen Kuss. Er spielte etwas mit seinen Lippen auf meinen. Dann fuhr er mit seiner Zunge über meine Lippen. Die öffneten sich automatisch. Er spielte noch etwas mit ihnen und dann hörte er auf. Verlegen sahen wir auf die Seite.

Wir sprachen über die Oper, über andere Opern, über die Operette und andere Musik. Auf einmal war es drei Uhr und wir hatten inzwischen zwei Flaschen Wein geköpft. Ich wollte jetzt in mein Bett.

„Nein, du bist zu betrunken, um jetzt noch nach Hause zu fahren. Du schläfst hier in meinem Gästezimmer. Außerdem habe ich Adolf schon schlafen geschickt.“

Was blieb mir anderes über? Er zeigte es mir. Zimmer? Das war ein kleines Häuschen! Und das Bad erst. Trotz meines Zustandes nahm ich noch alles wahr. Er verließ mich und ging selbst zu Bett. Zum Duschen war ich zu faul. Ich wusch mir nur mein Gesicht und schmiss mich in das weiche Bett. Ich war sofort weg.

Als ich wach wurde, wusste ich zuerst natürlich nicht, wo ich war. Doch dann erinnerte ich mich. Es war schon 8 Uhr vorbei. So lange hatte ich schon lange nicht mehr geschlafen. Ich drehte mein Handy auf und sah mir die Nachrichten von Michi an. Zu jeder Nachricht schrieb ich ihr etwas zurück. Sie schrieb zwar, dass sie beleidigt war, aber wenn ich ihr die Fotos von dem Zimmer schickte, würde sie sofort wieder zurückschreiben. Nein, sie rief mich sofort an und wollte alles wissen. Ich konnte ihr nur eine Kleinigkeit erzählen.

„Michi! Ich bin heute Abend zu Hause und dann schildere ich dir alles ganz genau. Jetzt muss ich Toilette und Bad aufsuchen. Bis am Abend“, und drehte ab.

Ich sprang sofort unter die Dusche. Das tat gut. Dann fiel mir ein, dass ich ja keine Kleidung zum Anziehen hatte. Zum Glück gab es einen Bademantel. Aber als ich ins Zimmer kam, lag meine Tasche mit meinen Alltagssachen auf dem Bett. Daneben das burgunderrote Kleid mit den Schuhen und die Unterwäsche dazu. Wer hatte das gebracht? Ich lugte aus dem Zimmer.

„Guten Morgen“, hörte ich eine Stimme.

Es war Alfons, der schon beim Frühstück saß.

„Komm her und frühstücke gleich mit. Der Kaffee ist noch heiß.“

Ich ging barfuß zu ihm und setzte mich auf den anderen Sessel.

„Wer hat meine Kleidung geholt?“

„Ich habe mir erlaubt, Adolf danach zu schicken. Ich hoffe, es passt alles.“

„Ich habe noch nicht genau nachgesehen. Wollte das Heinzelmännchen finden, das mir das alles gebracht hatte.“

Alfons lachte.

„Du glaubst an Heinzelmännchen?“

„Ich glaube an alles. An Feen, Schutzengel, Kobolde, Teufel und … und …“

Alfons lachte wieder. So gefiel er mir. Ich schnappte mir eine Tasse Kaffee und wollte mir ein Brötchen schmieren. Nur ging das mit dem verdammt großen Bademantel nicht. Und die Ärmel konnte ich auch nicht aufstricken.

„Komme gleich“, sagte ich und verschwand in mein Zimmer.

Ich zog mir rasch meine Jeans und den Pulli über. Sollte ich mich bekleckern, machte das dann nichts. Alfons starrte mich nur an.

„Wenn ich mich mit Kaffee und Marmelade bekleckere, ist es nicht weiter schlimm. Wenn ich aber das Kleid schmutzig mache, ist es sehr schlimm, denn dann kann ich es nicht mehr anziehen.“

Da musste er mir recht geben. Ich verdrückte zwei Semmeln mit Butter und Marmelade und trank drei Kaffee dazu. Alfons konnte nur den Kopf schütteln.

„Dann gib mir keinen Alkohol! Denn der macht mich hungrig.“

Jetzt sah er mich überrascht an.

„Ja, das war früher schon so. Andere brachten am Morgen nach einem Kater nichts runter, und ich konnte essen. Das verstand keiner. Versteht bis heute auch keiner.“

Alfons konnte nur lachen.

„Ich wusste vom ersten Augenblick an, dass du etwas Besonderes bist und auch außergewöhnlich.“

„Und ich fand dich schon an der Tür nett.“

Jetzt wurde es heikel. Wir sahen uns in die Augen und jeder dachte sich seinen Teil. Adolf holte uns von dort raus.

„Mit welchem Auto wollen Sie fahren?“, fragte er Alfons.

Ich blickte verlegen zu Boden. Da war etwas in seinen Augen. Ich konnte es nicht sagen. Ich spürte es nur.

„Mit dem Mercedes. Der fällt nicht auf.“

„Wo willst du denn hin? Was soll ich in der Zwischenzeit machen?“, fragte ich ihn.

„Wo wollen wir hin? Heißt es richtig. Wir machen einen Ausflug.“

Als ich ihn immer noch ansah, setzte er nach: „Das ganze Wochenende. Das ist für mich erst am Sonntag um 18 Uhr aus.“

Jetzt musste ich schlucken. Ja, natürlich. Ich vergaß es immer wieder. Es kam mir nicht immer vor, als wäre ich seine Escort-Dame.

„Würdest du dich bitte anziehen, damit wir losfahren können?“

Ich ging ins Zimmer zurück und zog mich um. Nahm auch noch meine Jacke mit. Adolf hatte meine Sachen von der roten Tasche schon in meine Tasche gegeben. Was hatte er heute vor? Als ich rauskam, pfiffen beide zugleich. Ich sah sie überrascht an. Beide lachten dann auch sofort. Ich drehte mich vor ihnen und dann ging es los. Wir fuhren in die Wachau und sahen uns einige Sehenswürdigkeiten an. Aßen dort in einem Heurigen und dann ging es mit dem Schiff zurück. Es war herrlich! Adolf wartete auf uns bei der Endstation. Es wurde dann später als geplant.

„Würdest du trotzdem noch mit mir essen gehen? Auch wenn es schon 18 Uhr vorbei ist?“

„Ja sicher, warum nicht. Aber nur, wenn wir in ein Lokal gehen, das ich aussuche.“

„Ist abgemacht“, sagte sofort Alfons.

„Und auch Adolf geht mit uns mit, essen.“

„Ja, kein Problem“, meinte Alfons.

„Ich hoffe, es wird nicht der McDonald“, meinte Adolf.

„Nein.“

Ich sagte ihm die Adresse. Die gab er ins Navi ein, dann fuhren wir los. Es war ein chinesisches Lokal. Das hatten Michi und ich zufällig gefunden.

„Muss ich jetzt mit den Stäbchen essen?“, scherzte Alfons.

Es war nicht mehr viel los. Da die beiden nicht wussten, was sie bestellen sollten, bestellte ich diesmal für beide. Und es gab Gabel und Messer zum Essen. Das freute beide. Es schmeckte ihnen sogar ausgezeichnet und Alfons gab zum Schluss noch ein gutes Trinkgeld. Denn inzwischen waren wir die letzten im Lokal. Und so günstig und gut hatte er schon lange nicht mehr gegessen. Wir fuhren zum Penthaus zurück. Ich zog mich um und packte meine Sachen zusammen. Das Kleid hängte ich in den Kasten und die Schuhe stellte ich dazu. Jetzt wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Auch er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte.

„Gut, ich gehe dann. Danke für das schöne Wochenende und ich wünsche dir noch einen schönen Abend.“

„Danke“, sagte er.

Adolf wartete bei der Tür auf mich. Beide erschraken wir uns, als Alfons „Stopp“ schrie. Ich drehte mich um, und bevor ich noch bei der Tür war, sagte er nämlich: „Verdammt noch mal! Ich scheiße auf das Ganze. Agnes kann mich diesmal. Sie hat dich sicher noch nicht in der Kartei aufgenommen. Diesmal mache ich ihr eine Dame abspenstig. Würdest du mir bitte deine Nummer geben? Damit wir uns persönlich etwas ausmachen können? Ich möchte nicht, dass sie immer ihre Finger im Spiel hat. Wieso war sie dieses Wochenende nicht erreichbar? Sie ist sonst immer erreichbar. Ich wette, das war Absicht. Das erste Essen war eine Pleite, so wie es geplant war. Die Frisörin, egal ob sie es mit Absicht gemacht hatte oder nicht. Ich will dich mit keinem teilen. Bitte stehe mir allein zur Verfügung. Du sollst es nicht bereuen.“

Ich wollte sowieso keinen anderen Mann. Ich fühlte mich bei ihm wohl und aufgehoben. Wer weiß, was anderen einfällt. Ich ging zum Schreibtisch, nahm ein Blatt Papier und schrieb ihm meine Nummer auf. Die gab ich ihm.

„Ich will aber deinen richtigen Namen auch erfahren. Nicht nur dein Pseudonym.“

„Das ist mein richtiger Name. Ich hatte nie ein Pseudonym, weil es mir keiner gesagt hatte. Agnes hat, glaube ich, schon alles richtig gemacht“, drehte mich endgültig um und ging mit Adolf zum Auto. Der brachte mich zur Parkgarage. Ich fuhr dann in Gedanken nach Hause.

Dort erwartete mich eine allzu neugierige Michi. Ich musste ihr Rede und Antwort stehen, dabei hätte ich mich am liebsten mit einem Glas Wein ins Wohnzimmer gesetzt und an ihn gedacht. Was er wohl jetzt machte?

Alfons

Ich stand vorm Fenster und wartete auf Adolf. Der hatte noch warten müssen, bis sie aus der Parkgarage kam, um sich die Autonummer zu notieren. Ich hatte einen Bekannten bei der Polizei. Der musste sie suchen und nachsehen, ob das alles stimmte. Seit einigen Fehlschlägen war ich sehr misstrauisch den Frauen gegenüber geworden.

„Und?“, fragte ich nur, als Adolf reinkam. Ich drehte mich gar nicht erst um.

„Es stimmt alles, was sie erzählt hat. Jetzt weiß ich auch ihre richtige Adresse.“

„Gut, behalte sie für dich. Falls wir sie zur Not brauchen.“

Adolf konnte gehen.

Adolf

Ich wusste es jetzt schon: Alfons war diese Frau nicht egal. Sie war etwas Besonderes. Auch mich erinnerte sie an jemanden. An meine Mutter, von früher. Sie hatte ähnliches Haar und ihr Wesen glich ihr auch. Mir war Annabell auch nicht egal. Ich würde sie beschützen, sollte ihr jemand wehtun. Auch wenn es Alfons sein sollte. Ich würde für sie kämpfen. Zur Not gegen meinen Chef.

Alfons

Ich nahm mein Handy zur Hand. Sollte ich ihr schon eine Nachricht schicken? Würde so gerne ein Foto von ihr haben. Damit ich sie immer ansehen konnte. Aber ich musste sie das mal verdauen lassen, ihr Zeit lassen. Für mich ging es normal weiter. Bei ihr sicher auch. Am Montag war Agnes wieder erreichbar. Sie lachte, als ich sie anrief.

„Ich weiß schon, was du willst. Ja, ich habe sie getestet und ihr nur die Hälfte gesagt. Wenn sie die Richtige ist, findet ihr trotz Widrigkeiten auch zusammen. Sie wird alles meistern. Und wie war sie?“

„Großartig! Fabelhaft! Kann ich nur sagen. Nur das mit der Frisörin war etwas zu viel. Meinst du nicht?“

„Wieso? Was ist mit Sabine?“

„Nichts! Denn sie war gar nicht dort. Eine Französin hatte sie geschickt, die sich überhaupt gar nicht auskannte.“

„Das tut mir leid. Da war ich nicht schuld. Ich werde sie sofort anrufen und danach fragen, was los war. Und behältst du sie gleich? Oder soll ich sie noch anmelden?“

„Nein das kannst du dir sparen. Ich habe schon ihre Nummer.“

„Ich wusste doch, du fährst auf sie ab. Sie ist das Mädchen, das du schon immer gesucht und nie gefunden hast. Oder besser gesagt: sie ist dir entwischt, oder?“

„Ja, du hast wieder mal recht. Ihre Sachen, die noch im Zimmer sind, wird Adolf demnächst abholen. Und … Danke für alles.“

„Nein. Ich habe zu danken. Ohne dich würde es die Firma nicht mehr geben. Ohne deine finanzielle Hilfe wäre sie am Ende gewesen. Jetzt geht sie wieder gut. Danke noch einmal. So habe ich dir auch helfen können.“

„Ja. Eine Hand wäscht die andere. Bis bald!“

„Bis bald!“

Agnes

Agnes rief gleich Sabine an, was da passiert war. Auch wenn es noch gut ausgegangen war, konnte sie es sich trotzdem nicht leisten, dass etwas schiefläuft. Ja, das mit dem Essen, Shrimps, Scampi und dergleichen, war ein Test. Er mochte sie auch nicht gerne und aß nur immer etwas, wenn es nötig war. Und sie hatte den Test bestanden. Wenn die beiden jetzt nicht zusammenkommen, dann wusste sie auch keinen Rat mehr.

Sabine entschuldigte sich vielmals. Sie hatte ja selbst vorbeikommen wollen, doch sie hatte Durchfall bekommen. Und eigentlich hatte sie Silvia schicken wollen, und nicht Francine. Doch bei den beiden musste etwas schiefgelaufen sein. Sabine würde Agnes auch nichts dafür berechnen. Das war das wenigste, was sie tun konnte. Und den beiden Mädchen würde sie morgen die Leviten lesen!

Alfons

Agnes schickte mir eine kurze SMS: „Sabine Durchfall, Silvia und Francine haben die Arbeit vertauscht, hier nicht meine Schuld!“

Ich lachte nur darüber. Das war wohl eine Prüfung des Schicksals. Ja, ich mochte sie so, wie sie war, mit ihren Locken, ihrem Lachen und ihrer netten, einfachen und unkomplizierten Art. Über überkandidelte Frauen könnte ich schon ein Buch schreiben. Die machten, taten und aßen alles, um nur in die High Society aufgenommen zu werden. Aber nicht mit mir!

Donnerstags hielt ich es nicht mehr aus und schrieb Annabell eine SMS. Ich wollte sie nicht überfallen, darum wollte ich sie schon rechtzeitig anfunken. Sie hatte ja auch ein privates Leben.

‚Hallo Annabell! Wie wäre es mit einem Ausflug am Wochenende? Hast du Zeit? Hast du Lust, mit so einem alten Knacker auf Reisen zu gehen?‘

Ich wartete ungeduldig auf die Antwort und wurde auf eine harte Probe gestellt. So sehnsüchtig hatte ich noch nie auf eine Antwort gewartet. Bei den anderen war es mir egal gewesen, ob sie Zeit hatten, dann fragte ich eben eine andere, oder ließ mir von Agnes jemanden organisieren.

Adolf

So nervös hatte ich meinen Chef noch nie gesehen. Auch ich hatte Annabells Nummer bekommen. Damit ich mich mit ihr zusammenrufen konnte, wenn ich sie abholen sollte, damit nicht wieder so ein Chaos rauskam, wie beim ersten Mal. Alfons hasste unpünktliche Leute. Und sie war trotz allem immer pünktlich.

ALs die Zeit zu Ende war

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