Читать книгу ALs die Zeit zu Ende war - Doreen Brigadon - Страница 8
ОглавлениеAlfons schwer krank?
Donnerstags bekam ich eine SMS von ihm.
‚Magst du kommen und mir Gesellschaft leisten? Können leider keinen Ausflug machen, da ich mich leider etwas verkühlt habe.‘
Oh nein! Dachte ich mir. Jetzt war er verkühlt auch noch? Ihm ging es in der letzten Zeit schon nicht mehr gut. Und jetzt hatte es ihn erwischt!
‚Komme so bald als möglich!‘
Da ich einige Überstunden gemacht hatte, nahm ich mir für Freitag frei. Packte meine Sachen und fuhr zu ihm. Bei der Stadtgrenze schickte ich die vorgefasste SMS an Adolf.
‚Parkgarage, halbe Stunde, sag bitte nichts Alfons!‘
Diesmal stand er noch nicht da. Aber bis ich rauskam, war er schon da und wartete auf mich. Er sprang sofort aus dem Wagen und trug meinen Koffer zum Auto.
„Was ist mit Alfons?“, fragte ich ihn sofort und sah in seine blau grauen Augen. Ah! Daher kamen sie mir so bekannt vor. Beide hatten die gleichen Augen.
„Weiß ich nicht. Mir sagen sie nichts. Er hustet und ist müde.“
Jetzt war ich noch mehr besorgt um ihn. Adolf brachte mich bis zum Penthaus. Er ging auch noch mit hinein und stellte meinen Koffer ins Zimmer. Dann wartete er im Wohnzimmer auf mich. Ich ging sofort in Alfons‘ Schlafzimmer. Er lag ganz blass und müde in seinem Bett. Leise schlich ich mich zu ihm. Als ich an seinem Bett stand, machte er gerade die Augen auf.
„Träume ich jetzt schon von meinem Schatz?“
„Nein, du träumst nicht“, und strich ihm über die Stirn.
Fieber hatte er nicht. Also hatte er sich ordentlich verkühlt. Aber wo? Er schloss die Augen, öffnete sie wieder.
„Du bist ja immer noch da.“
„Ja sicher!“
„Also träume ich nicht?“
„Nein, mein Schatz, du träumst nicht.“
Er lächelte und sagte etwas, das mich nachdenklich werden ließ.
„Er hatte recht. Die Tabletten können mich kurzzeitig aus dem Verkehr ziehen. Aber ich muss da durch, … für dich … für mich … und meinen Sohn.“
Konnte man ohne Fieber auch im Delirium sein? Er schien wieder zu schlafen. Ich huschte rasch aus dem Zimmer.
„Wie geht es ihm?“, fragte Adolf besorgt.
„Ich weiß nicht. Er scheint auch ohne Fieber in einem Delirium zu sein. War schon ein Arzt da?“
„Ja, gestern am Abend und heute in der Früh. Er sollte jetzt wiederkommen.“
Wie aufs Stichwort klopfte es. Adolf ließ den Arzt rein. Er begrüßte ihn.
„Ist er immer noch so ein Sturkopf und will nicht ins Spital?“
„Ja. Ich glaube, Sie kennen ihn besser.“
Dann erblickte er mich.
„Wer ist sie?“, fragte der Arzt argwöhnisch.
„Das ist Annabell, äh, Frau Klaus“, korrigierte Adolf sich sofort.
Jetzt sprangen seine Augenbrauen hoch. Wusste er von mir? Was wusste er? Er ging sofort ins Schlafzimmer und kam erst eine halbe Stunde später wieder raus.
„Er wird jetzt einige Zeit schlafen. Geben Sie ihm, wenn möglich, viel zu trinken. Morgen wird es ihm schon besser gehen. Ich komme dann im Laufe des morgigen Tages wieder. Auf Wiedersehen.“
Er wollte schon wieder gehen.
„Herr Doktor! Was ist mit ihm? Wollen Sie uns das nicht sagen?“
„Nein darf ich leider nicht. Ärztliche Schweigepflicht! Und leider sind Sie beide nicht mit ihm verwandt“, und sah in dem Moment auf Adolf.
Dann drehte er sich um und ging. Ich sah sofort nach Alfons. Er schlief, wie der Doktor gesagt hatte. Ich nahm mir einen Stuhl und setzte mich zu ihm. Adolf konnte leider nichts tun. Er wünschte mir eine gute Nacht. Und wenn ich Hilfe benötige, solle ich ihn rufen. Dann ging er. Er war auch besorgt um Alfons. Obwohl er nur sein Chauffeur war. Irgendwann musste ich dann am Bett des Kranken eingeschlafen sein.
Alfons
Der Arzt war da und hatte mir wieder eine aufbauende Spritze gegeben. Nur das machte mich immer so müde. Dr. Wilmer hatte recht behalten. Diese Tabletten waren stärker und würden mich eine Zeit lang niederstrecken. Zuerst würde der Appetit angeregt werden, und dann mein Körper. Jetzt war es so weit. Ich hoffte nur, Dr. Kröger würde sich nicht verplappern. Das durfte er gar nicht. Ich wollte es entscheiden, wann ich es allen sage. Aber vorher musste ich noch etwas regeln. Eine Entscheidung wurde mir schon abgenommen. Die zweite musste ich noch fragen. Und die dritte würde sich hoffentlich allein erledigen … nach meinem Tod.
Annabell war da. Das freute mich so sehr. Auch wenn wir nirgends hinflogen oder hinfuhren. Sie war für mich da, nur für mich. Und nicht nur, weil ich Geld hatte. Ja ich hatte genug Geld, konnte es aber rechtlich keinen hinterlassen. Mit meinem Anwalt hatte ich etwas ausgetüftelt. Dazu war mir dann noch Annabell in den Schoß gefallen, gerade zur rechten Zeit. Ob sie dabei mitmachen würde? Sich für diese kleine Scharade hergeben wird? Mir aus der Not helfen und meinem Kind das Erbe geben, das ihm zusteht? Ich hatte so viel falsch gemacht in meinem Leben. Jetzt hatte ich nicht mal genug Zeit, alles zu erledigen. Ich hoffte, dass ich noch so lange leben würde, um das Wichtigste zu regeln. Diese Tabletten sollten mir helfen dabei. Doch die machten das Gegenteil von dem, was ich wollte.
Adolf und Annabell. Das wäre ein gutes Gespann! Beide sorgten sich um mich. Jeder aus einem anderen Grund, oder doch aus dem gleichen? Ich konnte jetzt nur schlafen, damit mein Körper sich erholt. Dr. Kröger meinte, ich solle es wenigstens meinen engsten Mitarbeitern erzählen. Oder wenigstens dieser Frau, von der ich ständig erzählte, und die mir schon sehr ans Herz gewachsen war. Dr. Kröger wusste sofort, wer sie war, als er sie sah und der Chauffeur ihren Namen sagte. Ja, sie war etwas Besonderes. Eine andere wäre meinem Ruf nicht gefolgt, wenn es mir so schlecht geht. Die anderen wollten nur viel Geld abschöpfen.
Josef
Herr von Behringen hatte ihm von ihr erzählt. Zuerst dachte er auch, dass sie so eine wäre. Aber in ihren Augen war eine große Besorgnis. Und er als Arzt durfte es ihr nicht sagen! Auch nicht dem Chauffeur, den er genauso ins Herz geschlossen hatte. Er wusste warum, durfte aber niemandem etwas sagen. So lag er jetzt da und sein Körper kämpfte, damit er noch den Rest erledigen konnte. Er hoffte für ihn, das alles so klappt, wie er sich das vorstellt.
Alfons
Am Morgen wachte ich auf und wusste nicht, wieso meine Hand schwer und heiß war. Ich konnte sie weder hochheben noch bewegen. Als ich daran zog, merkte ich, dass jemand auf meiner Hand lag. Es war Annabell, die sofort wach wurde und mich besorgt ansah. Ich wusste nicht, dass ich heute so ein Strahlen um mich hatte.
Annabell
Durch ein Zucken wurde ich wach. Alfons war wieder wach. Und er sah heute schon sehr frisch aus. Wie lange würde es anhalten? Was war mit ihm los?
„Guten Morgen, Langschläfer“, sagte ich gut gelaunt.
„Guten Morgen, Annabell. Schön, dass du da bist. Aber warum schläfst du nicht in deinem Zimmer?“
„Weil ich es sonst nicht mitbekomme, wenn es dir schlecht geht oder du wach wirst.“
Ich streckte mich mal kurz durch. Alfons setzte sich inzwischen langsam auf. Dann zog er die Decke weg und wollte aufstehen.
„Was hast du jetzt vor?“, fragte ich sofort erschrocken und besorgt.
„Wonach sieht es denn aus?“
„Du wirst jetzt doch nicht aufstehen wollen?“
„Doch! Denn ich muss dringend wohin.“
„Oh!“
Was sollte ich jetzt dagegen sagen? Als er versuchte, aufzustehen, wurde es ihm schwindlig. Ich hielt ihn sofort zurück.
„Du gehst nicht allein auf die Toilette!“
„Und wer sollte mitgehen?“
„Ich natürlich!“
Er sah mich überrascht und verwundert an.
„Nein. Das wirst du nicht. Hole bitte Adolf.“
Adolf war immer noch besser als allein. Wenn er schon mit mir nicht gehen wollte.
„Du bleibst aber sitzen!“
Ich ging raus und rief Adolf an. Der hob aber leider nicht ab. Schlief er noch? Oder war er unter der Dusche? Da hörte ich die Tür. Adolf kam herein. Deshalb konnte ich ihn nicht erreichen.
„Guten Morgen! Gut, dass du da bist. Alfons will auf die Toilette und schafft es nicht allein.“
Er ging sofort ins Schlafzimmer. Da er mich nicht dabeihaben wollte, wartete ich im Wohnzimmer. Es dauerte mir zu lange, darum sah ich nach. Ich hörte die Dusche laufen. Also wollte er sich noch duschen. Auf einmal knurrte mir der Magen. Ich hatte seit gestern Mittag nichts gegessen. Am Abend war ich sofort zu ihm gefahren und mir war der Appetit vergangen. Ich sah nach, was es in seiner Küche gab. Es war nicht aufregend. Etwas Brot, Toast, zwei Eier und saure Milch. Da konnte man nicht viel machen. Also musste ich einkaufen gehen. Was konnte und durfte er eigentlich essen? Wir bräuchten auch etwas für das Mittagessen, denn Essen gehen konnte er nicht. Ich fand einen Block und einen Kugelschreiber. Notierte mir alles, was ich brauchen könnte. Dann hörte ich die beiden sprechen. Sie waren im Wohnzimmer. Adolf stützte Alfons und setzte ihn aufrecht auf die Couch. Er war schon angezogen.
„Solltest du nicht noch im Bett bleiben?“, fragte ich ihn besorgt.
„Nein. Es geht schon. Und ich weiß schon nicht mehr, wie ich liegen soll.“
Er sah jetzt wirklich schon besser aus und hatte auch etwas Farbe im Gesicht.
„Ich habe gerade nachgesehen, was du zum Essen hast. Nämlich nichts. Was darfst du oder kannst du essen? Ich gehe dann rasch einkaufen.“
„Mach dir keine Umstände. Wir werden etwas bestellen.“
„Nein, Alfons! Wir werden nichts bestellen! Jetzt bin ich da und werde für dich kochen. Nur musst du mir sagen, was du essen sollst.“
Alfons sah mich verwundert an, denn ich hatte das Kommando übernommen. Hilfesuchend sah er zu Adolf. Der zuckte nur mit den Schultern.
„Ich darf alles essen. Außer Milch, die vertrage ich derzeit nicht.“
„Und was willst du zum Mittagessen?“
„Das bestellen wir vom Catering.“
„Nein, Alfons! Ich habe gesagt, ich koche für dich, was gesund ist für dich. Du brauchst viele Vitamine, so wie du aussiehst.“
Er sah wieder Adolf an.
„Sieh mich nicht an! Ich stelle mich ihr nicht in den Weg. Und außerdem hat sie recht.“
Und zu mir gewandt sagte er: „Was brauchst du? Ich hole dir alles und du bleibst bei diesem Sturkopf.“
Ja, er war ein Sturkopf. Adolf hatte das bemerkt, aber er hatte zwar nicht einen größeren, dafür einen stärkeren. Er wollte es trotzdem versuchen, allein auf die Toilette zu gehen. Doch es funktionierte nicht.
So nahm Adolf ihn unter seinen Arm und trug ihn bald mehr, als er ging. Da er schon seit Mittwoch lag, wollte er sich duschen. Da musste Adolf ihm auch noch helfen. Alfons drehte sich dann um, dass er sich allein duschen konnte, ohne Zuschauer. Sein Körper war abgemagert, das hatte er sofort bemerkt. Er wollte es keinem zeigen, doch er war krank. Nur sagte er nichts. Zu niemandem. Er hatte leider keine Familie. Er hatte nur Angestellte. Und Annabell. Sie war die beste Freundin, die er sich suchen hat können.
Adolf war irgendwo in Gedanken kurz weg gewesen. Dann sah er mich wieder an und ich sagte ihm, dass ich fürs Frühstück Toast, Schinken, Käse, Butter und Eier brauchte. Er grinste und sagte: „Bin gleich da. Wirf den Toaster schon an.“
Leider fand ich keinen und rief Adolf an.
„Es tut mir leid, kann keinen Toast machen, weil es so etwas hier nicht gibt.“
„Bin gleich da“, sagte er und legte auf.
Fünf Minuten später kam er voll bepackt zur Tür herein. Ich half ihm sofort mit den Lebensmitteln.
„Wo hast du das so schnell herbekommen? Und einen Toaster hast du auch?“
„Alles von mir. Was soll ich auch viel für mich kochen? Und Toast geht schnell“, grinste er mich verlegen an.
„Hast du eigentlich schon gefrühstückt?“
„Nein, bin gleich zu euch gekommen.“
„Gut. Deck den Tisch im Wohnzimmer.“
Er sah mich verwundert an. Ich drehte mich um und nahm drei Teller aus dem Schrank. Den Kaffee machte ich nebenbei und Adolf trug ihn zum Tisch. Heute mussten wir alle ohne Milch auskommen. Besonders Alfons. Adolf trank seinen Kaffee oft ohne Milch, ich musste mich erst daran gewöhnen. Zucker brauchte keiner. Zum Toast machte ich noch Spiegeleier, falls Alfons der Toast zu schwer war. Der saß brav im Wohnzimmer, ließ sich bedienen und sah unserem Treiben zu. Schnell waren die Toasts fertig, und wir konnten frühstücken. Alfons langte gut zu. Das wunderte mich. Hauptsache, er hatte Hunger. Es schmeckte allen.
„Annabell, das war das beste Frühstück, das ich jemals gegessen habe“, meinte er zum Schluss.
Er hatte zwar nur einen Toast, dafür aber zwei Spiegeleier gegessen. Adolf dafür drei Toasts. Ich aß zwei, weil ich auch solchen Hunger hatte.
„So, jetzt haben wir dir dein Frühstück weggegessen“, meldete sich Alfons zu Wort.
„Ich kann mir wieder was kaufen. Außerdem schickt mich Annabell gleich zum Einkaufen, und dann kann ich für morgen auch etwas kaufen.“
„Aber ich zahle! Ihr habt ja den Rest der Arbeit. Das ist wenigstens ein kleiner Teil, den ich dazu beitragen kann. Und keine Widerrede!“, sagte er zu mir.
Dagegen konnte man nichts sagen. Ich schrieb Adolf alles auf. Falls er nicht wusste, was er genau nehmen sollte, konnte er mich ja noch anrufen. Da nichts vorhanden war, wurde es ein großer Einkauf. Wir brauchten ja auch noch etwas für den Abend. Die Liste wurde lang, denn ich schrieb natürlich auch noch Obst und Gemüse dazu. Während Adolf einkaufen ging, setzte ich mich nach dem Abwasch zu Alfons.
„Willst du mir nicht etwas erzählen?“, fragte ich ihn sofort.
Er sah mich erstaunt an und meinte: „Nein, es ist noch nicht die Zeit dafür, aber bald. Dann erzähle ich dir alles. Oder fast alles. Und du musst mir helfen dabei.“
„Ich werde dir helfen, wobei auch immer“, und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
Er quittierte das mit einem Lächeln.
„Ich hoffe doch, dass du mir helfen wirst. Du bist mir ja zur rechten Zeit geschickt worden.“
Jetzt sah ich ihn überrascht an und wollte etwas sagen. Er legte mir seine Finger an den Mund.
„Nicht jetzt!“, und sah mich mit traurigen Augen an.
Dann zog er mich zu sich und wir kuschelten. Er legte seinen Kopf auf meinen. Nach ein paar Minuten hörte ich seine ruhigen Atemzüge. Ich traute mich nicht zu bewegen. Aber ich sollte etwas vorbereiten. Nach einer Weile legte er seinen Kopf auf die andere Seite. Jetzt konnte ich aufstehen. Ich sah ihn an. Er sah wirklich nicht gut aus. Was hatte er? War er so schwer krank, dass er … Nein! Diesen Gedanken wollte ich nicht weiterdenken. Ich hoffte und betete für ihn, dass er wieder gesund werden würde. Mein letztes Gespräch mit Gott war auch schon lange her. Aber ich dankte ihm oft mit Kleinigkeiten, dass es mir gut ging. Half anderen, wenn sie Hilfe brauchten. Das war ja der Sinn, oder?
Leise versuchte ich, Geschirr aus den Laden zu holen. Die Küche war gut eingerichtet, nur hatte wahrscheinlich noch nie einer hier gekocht. Ich musste das meiste Geschirr erst mal abwaschen. Dann hörte ich etwas. Brauchte Alfons mich? Nein, es war Adolf der mit dem Einkauf kam. Sogar der Portier half ihm, die Lebensmittel rauf zu tragen. Hatte ich wirklich so viel aufgeschrieben? Sie versuchten leise zu sein, und brachten alles in die Küche. Da es aber eine offene Küche war, hörte man jedes Geräusch bis ins Wohnzimmer. Auch dann, wenn man leise war. Der Portier ging gleich wieder. Ich sah den Einkauf durch und verstaute alles im Kühlschrank und in den noch leeren Schränken. Adolf hatte etwas mehr gekauft, als ich aufgeschrieben hatte.
„Ich habe schon etwas für Sonntag vorgekauft, damit ich morgen nicht so viel schleppen muss“, grinste er mich an.
„Was habt ihr da hinten zu tuscheln?“, fragte Alfons.
Er war wieder wach.
„Hello, mein Lieber! Wie geht es dir?“, fragte ich, stellte ihm eine Flasche Mineralwasser mit einem Glas hin und schenkte auch gleich ein.
„Der Arzt sagte, du sollst viel trinken. Bitte.“
Er sah mich an und meinte: „Ja, Schwester.“
Ich musste lachen, denn mir kam es so vor, als hätte ich jetzt eines meiner Kinder vor mir, als sie krank waren. Dann ging ich in die Küche zurück. Adolf half mir beim Kochen. Er war zwar nicht perfekt, aber er wollte es lernen. Denn ich machte Spagetti. Und die aß er auch gerne und wollte sie für sich allein auch machen. Diesmal deckten wir den Esstisch.
Alfons bat Adolf, ihn auf die Toilette zu begleiten. Er hatte schon brav die halbe Flasche ausgetrunken. Wenn man die beiden so ansah, waren sie sehr vertraut. Mich irritierte nur, dass beide die gleiche Augenfarbe und denselben Ausdruck hatten. Manchmal taten sie dasselbe. Ich wischte diesen Gedanken sofort weg und kochte weiter. Ich machte auch einen frischen Salat dazu. Adolf hatte mir einige Päckchen Suppen mitgebracht. Es war mir egal, welche, Hauptsache genug für drei Tage und für drei Personen. Also hatte er alle doppelt genommen. Sieben Sorten! Da sich Adolf genauso um Alfons sorgte wie ich, war es selbstverständlich, zumindest für mich, dass er auch mit uns aß. Alfons hatte auch nichts dagegen, im Gegenteil. Er war froh, dass er auch hier war. Pünktlich um 12 Uhr stand das Essen auf dem Tisch. Alfons ging da schon allein, oder versuchte es zumindest. Ich freute mich, dass es ihm schmeckte und er Hunger hatte.
„So gut habe ich schon lange nicht mehr gegessen. Ich glaube das letzte Mal bei meiner Mutter“, lobte er meine Kochkünste.
Ich nahm sofort seine Hand und lächelte ihm zu. Er lächelte zurück. Dann nahm er unserer beider Hände, drückte sie und sagte: „Danke! Das ihr für mich da seid. Das rechne ich euch hoch an.“
Was sollten wir nur sagen? Da er noch etwas müde war, legte er sich für ein Nickerchen ins Bett. Ich wusch inzwischen das Geschirr ab, das Adolf abgeräumt hatte.
„Jetzt wäre ein Kaffee nicht schlecht. Und Kuchen“, meinte Adolf.
Kaffee hatten wir ja, nur keinen Kuchen.
„Ich sehe rasch nach Alfons, und dann hole ich welchen.“
Jetzt erst hatte ich Zeit, endlich mal meinen Koffer auszupacken. Auch war ich immer noch in der Kleidung von gestern. Nun zog ich mir rasch etwas anderes an. Ich hatte mir schon eine zweite Zahnbürste, Zahnpasta, Bürste, Duschgel und dergleichen besorgt. Damit ich hier auch alles hatte. Schließlich sollte ich ja hier wohnen, wenn er mich braucht. Und dieses Wochenende brauchte er mich dringend. Nein, das hätte eine andere nicht gemacht. Aber was für ein Geheimnis er hatte, würde ich schon gerne erfahren. Er würde es mir schon sagen. Aber wann?
Eine Stunde später war Adolf wieder hier, mit Kuchen von einer Konditorei, einem Gugelhupf und mit Keksen.
„Wir brauchen morgen und übermorgen auch noch etwas“, meinte er verlegen.
Er konnte sogar mitdenken! Alfons war auch gerade aufgewacht und rief nach mir.
„Holst du mir bitte Adolf?“
Ich drehte mich um und deutete Adolf, dass er hereinkommen sollte. Alfons war sehr überrascht.
„Ich komme gerade von der Konditorei und habe Kuchen geholt, für den Nachmittagskaffee“, hörte ich ihn sagen.
Danach kamen beide raus. Ich hatte den Kaffee schon vorbereitet und den Kuchen auf einen großen Teller gegeben. Cremeschnitte, Kardinalschnitte und Kastanienschnitte. Alfons trank zuerst ein Glas Wasser. Anscheinend war er durstig, das sollte er ja auch. Wir sprachen über alles, nur nicht über das, was uns am meisten interessierte, denn das würde uns Alfons nicht sagen. Es wurde ein vergnügter Nachmittag. Alfons hatte schon die zweite Flasche Wasser.
„Wenn das so weiter geht, muss Adolf morgen unbedingt noch eine Packung kaufen.“
„Nein, das mache ich sicher nicht, denn es stehen noch fünf Stück im Auto. Leider konnte ich nicht alle auf einmal herauftragen. Wenn ich wieder runter gehe, werde ich zwei mit heraufnehmen.“
Ich sah ihn total überrascht an. Dann klopfte es wieder an der Tür. Wer konnte das denn sein? Ich öffnete, und der Arzt kam herein. Er begrüßte mich und ging sofort ins Wohnzimmer.
„Ja, was sehen da meine entzündenden Augen? Unser Patient sitzt auf dem Sofa, trinkt Kaffee und isst Kuchen? Das lass ich mir gefallen. Wie ich sehe, geht es dir ja schon besser. Das freut mich, alter Kumpel“, empfing er seinen Patienten freundschaftlich. Er untersuchte ihn gleich im Wohnzimmer. Adolf und ich gingen diskret in die Küche.
„Haben Sie Zeit für einen Kaffee?“, fragte ich den Arzt.
„Ja, gerne, wenn ich auch ein Stück Kuchen bekomme? Alfons ist schon mein letzter Patient für heute. Also kann ich es mir leisten.“
Ich machte sofort noch Kaffee für alle, während Adolf den Gugelhupf aufschnitt. Gemeinsam brachten wir alles zum Tisch.
„Na, du wirst ja verwöhnt. Eine eigene Krankenschwester und einen Leibbutler.“
Bei diesem Wort verzog Adolf seinen Mund.
„Gut, männlicher Pfleger“, korrigierte sich der Arzt.
„Hast du heute überhaupt schon etwas gegessen und getrunken, außer Kaffee und Kuchen?“
„Ja, sicher! Einen Toast und zwei Spiegeleier in der Früh und zu Mittag gab es eine Suppe, Spaghetti und Salat. Zufrieden?“
Dr. Kröger hätte sich bei diesen Worten fast am Kaffee verschluckt.
„Ja, und das ist schon meine zweite Flasche Wasser für heute“, setzte Alfons nach.
Jetzt war der Arzt sprachlos.
„Da sage ich jetzt nichts mehr. Wie habt ihr das bei dem alten Sturkopf geschafft? Ich rede mir immer den Mund fusselig.“
Wir zuckten nur mit den Schultern.
„Er ist ein braver Patient und macht alles, was der Arzt sagt“, meinte ich.
„Nein, bei so einer guten Pflege meiner An … Freunde, kann es nur aufwärts gehen“, erklärte Alfons Dr. Kröger.
Er sah von einem zum anderen und suchte etwas in unseren Gesichtern. Dann gab er noch ein paar Anweisungen, ließ sich Kaffee und Kuchen schmecken, und verabschiedete sich freundlich von uns.
„Passt mir ja gut auf diesen alten Halunken auf. Auch wenn es ihm nicht immer gut geht, hat er es immer noch faustdick hinter den Ohren.“
Wir konnten nur lächeln und wussten mit dem nichts anzufangen.
Da wir erst noch Kuchen gegessen hatten, hatte noch keiner Hunger fürs Abendessen.
„Ich hole mal zwei Packungen Wasser rauf. Der Vorrat geht schon zur Neige.“
Da wir auch mittranken, waren nur mehr zwei Flaschen da.
„Komm, setz dich her zu mir, und laufe nicht wie ein wild gewordenes Reh herum“, meinte Alfons.
Ich wusste nur nichts anzufangen mit meiner Zeit. Zu Hause konnte ich etwas putzen, Wäsche waschen, oder sonst etwas tun. Hier, außer Kochen und Wegräumen, gab es nichts. So musste ich mich zu ihm setzen. Ansonsten machten wir irgendwelche Geschäfte unsicher oder machten einen Ausflug.
„Geht es dir gut?“, fragte ich ihn sofort besorgt.
„Ja, mir geht es gut. Josef hat mir noch eine aufbauende Spritze gegeben. Dadurch bekomme ich auch Appetit. Er hat euch sehr gelobt, als wir allein waren. Und es stimmt, so gute Leute bekommt man nicht, die muss man sich verdienen. Und ich weiß nicht, womit ich euch verdient habe.“
Was sollte ich da sagen? Ich gab ihm einfach einen Kuss auf die Wange. Dann saßen wir nur da, hielten Händchen, und warteten auf Adolf. Der ließ sich etwas Zeit. Als er zurückkam, war er geduscht und umgezogen. Ich sah ihn nur an und war verwundert.
„Nichts fragen!“, antwortete er ärgerlich.
Er brachte die Getränke in die Küche. Außer Wasser hatte er noch Fanta und Fanta Zitrone mitgebracht. Alfons war nicht so zurückhaltend und fragte: „Wieso bist du schon geduscht?“
„Ich habe mir eine Flasche Cola in meiner Küche aufgemacht, nur die hatte zu viel Druck, und ging sofort los. Natürlich war ich von oben bis unten voll Cola und musste die Küche auch noch putzen.“
Alfons und ich konnten uns nicht halten und fingen an zu lachen.
„Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen“, meinte Alfons immer noch lachend.
„Ich kann es mir gut bildlich vorstellen“, meinte er noch.
Ich stand auf und half noch Adolf.
„Was soll ich zum Abendessen machen?“, fragte ich die beiden.
„Ich brauche noch nichts“, meinte Alfons.
„Nach der Cola Dusche hätte ich Lust auf Bratkartoffeln. Die hatte ich schon ewig nicht. Und sie für mich allein zu machen, zahlt sich nicht aus“, sagte Adolf.
„Das wäre eine gute Idee. Die brauchen sowieso eine knappe Stunde, bis sie fertig sind. Was wollt ihr dazu? Brotsuppe? Oder nur Butter und vielleicht Milch?“
Alfons starrte mich an, als hätte er mich nicht verstanden.
„Mir ist es egal, Hauptsache Bratkartoffeln“, sagte Adolf lakonisch.
Ich sah Alfons an. Der zuckte nur mit den Schultern.
„Ich kenne Bratkartoffeln nur als Beilage.“
„Mir wären sie mit Butter lieber, aber ich mache am besten beides. Dann könnt ihr euch entscheiden. Aber wir haben dann schon wieder ein Problem.“
„Welches denn?“, fragte Alfons.
„Erstens haben wir zu wenig Brot. Und Butter haben wir auch keine. Und wenn wir Milch dazu trinken, haben wir für Sonntag wahrscheinlich zu wenig.“
Adolf kam schon mit Block und Kuli daher.
„Bleibt mir etwas anderes übrig? Überhaupt, wenn ich sie selber gerne esse?“
Somit schrieb ich ihm nochmal Kartoffeln auf. Denn die, die ich hatte, brauchte ich jetzt schon für die Bratkartoffeln, Butter 2-mal, und noch 3 Liter Milch. Brot noch und Knoblauchpulver und sicherheitshalber Salz. Damit schickte ich ihn wieder weg. Er tat mir jetzt schon leid. Aber er machte es gerne. Inzwischen wusch ich die Kartoffeln, halbierte sie und legte sie auf das Backblech, das Backrohr hatte ich schon vorgeheizt. Jetzt noch Salz, Knoblauchpulver musste ich später drüberstreuen und Kümmel darauf! Kümmel! Ich hatte den Kümmel vergessen! Sofort rief ich Adolf an.
„Du, ich brauche noch Kümmel!“
„Leider zu spät! Bin schon im Haus!“, und legte auf.
Sch … na gut, dann musste es so auch gehen. Ein paar Minuten später kam Adolf schon, und legte mir den Einkauf auf die Arbeitsfläche.
„Ich habe da noch etwas gefunden, das ist mir einfach in meinen Einkaufswagen gefallen!“, und hob mir ein Päckchen entgegen. Es war Kümmel!
„Danke!“, rief ich und küsste ihn auf die Wange.
Jetzt konnte ich die Kartoffeln fertig machen. Die Suppe war rasch gemacht. Brot schnitt ich für jeden eine Scheibe, nur zum Kosten. Röstete sie an und würzte sie mit Salz und Knoblauchpulver.
„Was riecht denn da so gut?“, fragte ein neugieriger Alfons.
Adolf hatte ihm, bevor er noch mal einkaufen ging, seinen Laptop auf den Couchtisch gestellt. So konnte er seine Mails kontrollieren und nachsehen, was es so in der Welt Neues gab.
„Na, was ist? Wirst schon hungrig?“
„Ja, da muss man doch Appetit bekommen.“
Ich lachte. Adolf deckte inzwischen den Tisch und brachte den Müll runter. Da ich etwas Zeit hatte, holte ich mir mein Handy. Oh mein Gott! Zehn Anrufe von Michi, und fast genauso viele Nachrichten. Auf sie hatte ich ganz vergessen, da ich mich so um Alfons gesorgt hatte.
Ich ging in mein Zimmer und rief sie sofort an. Zuerst entschuldigte ich mich und schilderte ihr die Situation. Sie tat zwar dann noch beleidigt, aber war froh, dass es mir gut ging. Ich versprach ihr, mich zu melden, wenn ich wieder zu Hause bin. Als ich wieder rauskam, saßen Adolf und Alfons über dem Laptop und diskutierten über etwas. Und keiner sah nach meinen Bratkartoffeln. Aber zum Glück war noch nichts geschehen. Sie hatten schon Farbe und brauchten noch ein paar Minuten. Ich gesellte mich zu ihnen und sah ihnen über die Schulter. Alfons dunkle Haare lichteten sich schon etwas. Adolf hatte dichtes, leicht krauses Haar, das er immer kurz trug. Sie sprachen, wie sollte es anders sein, über Autos. Bei manchen Dingen waren sie sich einig, bei anderen gingen die Meinungen auseinander. Manchmal kam es mir vor, als würden sie die gleiche Handbewegung machen. Oder kam es mir nur so vor? Vielleicht hatte sich Adolf es abgeschaut. So etwas kam ja oft vor. Dann bemerkten sie mich.
„Was ist, meine Liebe? Hast du nichts zu tun, dass du uns störst?“
Ich störte sicher nicht. Nur wollte er mich etwas ärgern.
„In ein paar Minuten können wir essen.“
„Und was ist mit deiner Freundin? Gehst du ihr schon ab? Oder sorgt sie sich um dich?“
„Beides. Damit ich nicht in kriminelle Machenschaften komme. Wie Mafia oder so.“
Wir lachten. Alfons klappte den Laptop zu und bat Adolf, ihn ins Bad zu begleiten. Schön langsam kam er wieder auf die Beine. Adolf brauchte ihn nicht mehr so viel stützen. Also würde es besser werden. Ich machte einen tiefen Atemzug und ging zu meinem Essen. Teilte das Brot auf und stellte die Suppe auf den Tisch. Dann holte ich einige dunklere Kartoffeln aus dem Rohr und stellte sie auch auf den Tisch. Da kamen dann auch schon meine beiden Männer. Wie sich das anhörte. Meine beiden Männer. Vater oder Schwiegervater und Mann und Sohn? Wo verirrten sich schon wieder meine Gedanken hin? Alfons sah uns zuerst zu wie wir es machten. Wir teilten die Kartoffeln, gaben Suppe übers Brot und aßen die Kartoffeln dazu.
„Die sind ja heiß!“, rief er und ließ seine Kartoffel fallen.
Wir lachten.
„Natürlich! Was hast du gemeint? Die kommen ja frisch aus dem Rohr!“
Ich half ihm dabei. Holte für ihn einen kleinen Teller, schnitt ihm zwei Kartoffeln auf, damit er sie nur mehr mit dem Löffel nehmen brauchte. Ich zeigte es ihm dann vor. So kühlten sie schneller aus und waren leichter zu essen. Als die Suppe mit dem Brot aufgegessen war, stellte ich die anderen Kartoffeln auf den Tisch. Adolf und ich nahmen ein Messer, schnitten die Kartoffeln im Teller auf und gaben uns ein Stück Butter noch darauf. Dann aßen wir sie so, Stück für Stück. Alfons machte es uns nach. Jetzt passte er schon besser auf. Ich holte mir noch ein Glas Milch dazu.
„Das ist wirklich lecker! Wo hast du das her?“, fragte Alfons.
„Das war früher ein Arme-Leute-Essen. Weil sie nicht viel hatten, als Kartoffeln, Brot und Milch.“
Alfons starrte mich an. Dann begann er zu lachen. Jetzt wusste ich nicht, was er hatte. Was daran so komisch war. Auch Adolf sah ihn überrascht an und hörte mitten im Essen auf. Wir warteten, bis er sich beruhigt hatte. Er brauchte ein Taschentuch, um sich die Tränen abzuwischen.
„Annabell, du bist gut! Sehr gut sogar!“
Ich wusste nicht, was er hatte. Dann sprach er schon weiter.
„Adolf, du musst wissen, dass sie ein Sparmeister ist. Du hast es ja schon erlebt. Statt bei Gucci, Vuitton und dergleichen einzukaufen, geht sie lieber zu H&M oder Adler. Beim Preis von dem Kleid, das ich ihr in Frankfurt gekauft habe, wäre sie fast umgefallen und hätte es sofort zurückgeben wollen. Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht sparen muss wie sie, und dass ich es mir leisten kann. Und jetzt fängt sie beim Essen an zu sparen. Denn Spaghetti sind ja auch nicht teuer, oder?“
Adolf und ich sahen uns an und mussten das erst verarbeiten. Dabei war es ja nicht mal meine Idee gewesen. Ich nahm es gleich an. Und da dachte ich wirklich nicht ans Sparen. Als wir das registriert hatten, lächelten wir uns verlegen an.
„Das haben wir zu Hause öfter, und nicht, weil das Geld knapp ist, sondern weil es uns schmeckt“, versuchte ich es zu erklären.
„Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Aber es hat alles so schön gepasst. Müsst ihr aber zugeben, oder?“
Mussten wir. Und er nahm sich noch zwei Kartoffeln. Also schmeckte es ihm. Das war gut. Adolf ließ es sich auch schmecken. Dann konnte keiner mehr, und es blieb eine einzelne Kartoffel über.
„Bitte erbarmt euch wer um die Kartoffel. Ich kann nicht mehr. Gleich platze ich. Und ich will sie nicht wegschmeißen.“
Ich sah beide an. Also musste ich die letzte Kartoffel essen. Da griff auf einmal rasch Alfons hin und aß sie ohne Butter.
„Und jetzt gibt es keinen Kaffee und Kuchen! Ich bin voll. Jetzt könnt ihr mich ins Bett wälzen.“
Ich räumte lachend das Geschirr ab. Adolf half mir schnell. Bald war alles wieder sauber und Alfons saß prustend und keuchend auf der Couch. War die letzte Kartoffel zu viel? Er versuchte noch etwas Wasser zu trinken, doch die Kartoffeln im Bauch ließen ihm keinen Platz mehr.
„Braucht ihr mich noch? Weil dann gehe ich wieder in mein Zimmer. Wenn ihr mich braucht, dann ruft mich. Bin jederzeit erreichbar. Und Annabell, danke für das Essen. Es hat alles wunderbar geschmeckt.“
Dann ging er.
„Ja. Mein Magen war schon lange nicht mehr so voll. Der drückt vorne und hinten.“
Irgendwo musste ich doch noch eine Brausetablette haben, für den Magen. Ich suchte sie sofort und fand eine in meiner Tasche. Die löste ich ihm auf und stellte ihm das Glas hin.
„Trink das, dann wird dir leichter.“
Er sah mich verwundert an, aber er trank es, ohne zu murren. Da er jetzt den Laptop nicht benötigte, fragte ich ihn, ob ich kurz meine Mails checken könne und etwas auf Facebook surfen durfte. Er schob ihn mir sofort zu.
„Warum nicht? Ich kann mich derzeit sowieso nicht bewegen“, meinte er und legte sich gemütlich auf die Couch.
Dass er mich wieder beobachtete, merkte ich erst später, denn ich dachte, er würde wieder ein Nickerchen machen. Als ich kurz nach ihm sah, blickte er auch zu mir.
„Schläfst du gar nicht?“
„Wieso? Sollte ich?“
„Ich dachte, du machst ein Verdauungsschläfchen.“
„Nein, sehe dir lieber zu, was du machst. Was machst du eigentlich beruflich?“
„Ich arbeite in einem Büro, sozusagen als Sekretärin.“
„Gut zu wissen. Darum bist du so gut auf dem Computer. Bei dir geht alles so flott von der Hand. Bis ich immer etwas finde, dauert das immer ewig“, lächelt er mich an.
Was sollte ich dazu sagen? Ich surfte noch etwas weiter, und dann klappte ich den Laptop wieder zu.
„So. Was machen wir jetzt? Einen Fernseher haben wir nicht. Und Spiele gibt es hier auch nicht.“
„Spiele brauche ich nie, da ich ja immer arbeite. Und die Fernseher sind versteckt.“
„Die Fernseher?“
„Ja, die Fernseher. Gehe zum Kasten da drüben und mache die zwei mittleren Türen auf.“
Ich tat, was er sagte. Und wirklich war hinter den Türen ein Fernseher versteckt.
„Ich brauche ihn kaum, darum ist er versteckt. In den Schlafzimmern ist es das gleiche. Dort ist auch überall einer.“
Jetzt war ich sehr überrascht. Die Fernbedienung lag davor. Ich nahm sie und drehte den Fernseher auf.
„Was möchtest du sehen?“, fragte ich ihn.
Ist mir egal. Sieh dir an, was du magst. Ich sehe dich viel lieber an.“
„Was ist an mir so interessant?“
„Alles. Alles von Kopf bis Fuß. Ich würde … nein, das gehört hier jetzt nicht hin.“
Was würde er gerne wollen? Würde er doch gerne mit mir…? Nein, Annabell, schiebe diese Gedanken weg.
Im Fernsehen spielten sie zufällig einen Liebesfilm. Den hatte ich mir schon öfter ansehen wollen. Jetzt hatte ich die Zeit dazu. Aus den Augenwinkeln sah ich immer wieder verstohlen zu ihm. Er betrachtete mich wirklich mehr als den Fernseher. Während der Werbung holte ich mir etwas zu trinken. Er hatte inzwischen schon zweimal aufgestoßen und es ging ihm besser. Nach diesem Film fand ich noch einen schönen Film, den sah ich mir auch noch an. Er schlief schon halb ein. Ich bot ihm an, ihn ins Bett zu bringen. Er wollte nicht. Zwingen konnte ich ihn auch nicht. Aber als der Film schließlich aus war, ging er freiwillig. Im Bad brauchte er zwar etwas länger als gewöhnlich, aber er konnte jetzt schon alles allein machen. Als er im Bett war, merkte ich, dass er schon sehr froh war, darin zu liegen. Er war nur wegen mir aufgeblieben.
„Gute Nacht“, sagte ich und wollte schon gehen.
„Bekomme ich keinen Gute-Nacht-Kuss?“
Als ich ihn überrascht anstarrte, setzte er noch nach: „Bitte!“
Ich ging zu ihm zurück und drückte ihm einen auf die Wange.
„Danke“, sagte er.
Jetzt konnte ich mich duschen gehen und mich in mein Bett legen. Mir ging so einiges nicht aus dem Kopf. Dann fiel mir ein, ich sollte Adolf anrufen. Nein, ich würde ihm nur eine Nachricht schicken, dass wir beide schon im Bett waren.
‚Gute Nacht Adolf. Liegen schon im Bett. Er hat es allein geschafft. Schlaf gut. Bis Morgen‘
‚Gute Nacht, bis Morgen‘, kam zurück.
Ich schlief bald darauf ein.
Alfons
Annabell ist das Beste, was mir passieren hat können, in dieser Zeit. Das Schicksal meint es noch einmal gut mit mir. Vielleicht habe ich mein schlechtes Karma schon etwas ausgebügelt. Und es gibt mir doch noch eine Chance, alles gut zu machen. Nur einmal muss ich noch jemanden sozusagen vor den Kopf stoßen, aber dafür, hoffe ich, wird das Glück für immer kommen. Nicht für mich. Für die beiden. Ich hoffe, Josef, Dr. Kröger, gibt morgen grünes Licht. Dann kann ich all das, was ich vorhabe, endlich umsetzen. Nur für sie nehme ich diese Tabletten, die mir so zu schaffen machen. Aber ich muss es tun, um der Gerechtigkeit willen. Ansonsten klappt es nicht. Ich muss das Majorat umgehen. Eines habe ich schon bewerkstelligen können. Dass es egal ist, ob ein Mädchen oder ein Junge meinen Namen übernimmt und weiterträgt. Ich hoffe nur, es funktioniert alles so, wie ich es vorhabe. Eine Wahrsagerin hat mir vor einem Jahr Mut dazu gemacht. Und ich habe bald nicht mehr ein Jahr dafür.
Annabell
Ich wurde wie üblich wach, stand auf und sah nach Alfons. Er schlief so friedlich. Nein, er atmete noch. Ich ging in die Küche und machte Frühstück. Während ich meinen Kaffee langsam schlürfte, bekam ich eine Nachricht. Es war Adolf.
‚Guten Morgen! Schon wach?‘
‚Guten Morgen! Ja, schlürfe schon meinen Kaffee. Willst auch einen? Dann komm hoch.‘
‚Bin gleich da!‘
Es dauerte auch nicht lange, und Adolf war da. Er hatte selber eine Karte für die Tür, damit er nicht immer anklopfen musste. Das war auch einfacher für Alfons. Ich stellte Adolf schon den vorbereiteten Kaffee auf den Tisch. Ich blieb in der Küche stehen.
„Warum setzt du dich nicht?“, fragte er mich.
„Ich habe keine Ruhe beim Sitzen. So schmeckt er besser.“
Adolf stellte sich zu mir.
„Dann mag ich auch nicht sitzen. Wie geht es ihm?“, fragte er besorgt.
„Weiß nicht. Er hat noch geschlafen, als ich nach ihm gesehen habe.“
Auf einmal klingelte sein Telefon.
„Guten Morgen!“, sagte er.
„Ja ich komme schon!“, sagte er ins Telefon.
„Er ist schon wach und fühlt sich noch zu schwach, um allein aufzustehen. Ich soll zu ihm rauf kommen.“
Ich grinste. Er war ja schon da. Adolf ging zu Alfons ins Schlafzimmer, ich hinterher.
„Guten Morgen, Herr von Behringen. Bin schon da, wie gewünscht.“
Er starrte ihn verwundert an. Dann sah er mich an und seine Miene änderte sich kurz.
„Guten Morgen, Alfons. Wir haben schon Kaffee getrunken und auf dich gewartet. Was möchtest du heute frühstücken? Hast du einen Wunsch?“
Sofort änderte sich sein Ausdruck im Gesicht.
„Guten Morgen, Annabell. Ist egal, was du dahast. Hauptsache, etwas Gutes. Ich werde sowieso nicht viel runterbringen, ich glaube, die guten Kartoffeln liegen noch immer in meinem Magen.“
Dann schickte er mich hinaus. Ich legte Wurst und Käse auf, Butter, etwas Tomaten und Paprika. Kaffee war ja schon fertig. Eine halbe Stunde später kamen die beiden raus. Alfons schon fertig angezogen. Er ging noch etwas wackelig, aber er ging auf seinen eigenen beiden Beinen. Somit ging es wieder aufwärts mit ihm. Ich stellte ihm wieder eine Brausetablette hin. Er trank sie auch ohne zu fragen, und aß auch gut, wenn auch nicht so viel. Natürlich blieb Adolf bei uns. Ich hatte ja für drei aufgedeckt. Und er würde jetzt doch nicht wieder runter gehen und allein essen. Alfons deutete auch, dass er sich setzen sollte. Also hatte er auch nichts dagegen, dass sein Chauffeur mit uns aß. Ich glaube, es war ihm sogar recht, denn sollte er ihn rasch brauchen, war er sofort in der Nähe. Nach dem Frühstück half Adolf ihm zur Couch, dann fragte er mich, ob er mir etwas helfen könne oder ich noch etwas vom Geschäft brauche. Ich hatte mir schon einen Plan gemacht, was ich heute und morgen alles kochen könne und was ich dazu noch brauche.
„Ja, wäre sehr nett. Ich habe mir schon einiges aufgeschrieben, was ich für heute und morgen noch brauche.“
Da meldete sich Alfons zu Wort.
„Morgen Mittag brauchst du nichts zu kochen, da gehen wir essen. Und keine Widerrede!“
Ich strich trotzdem nichts von der Liste. Wer weiß, vielleicht brauchte ich es fürs Abendessen. Sah nochmal alles durch und Kontrollierte noch einmal die Liste. Ich fand sogar noch etwas, dass ich brauchte. Dann zischte Adolf mit der Liste ab. Da ich nicht wusste, was er noch an Getränken im Auto hatte, überließ ich es ihm. Und ich bat ihn, für mich eine Flasche Cola mitzubringen.
Ich gesellte mich zu Alfons, der wieder an seinem Laptop saß.
„Und hast du auf etwas bestimmtes Lust zum Essen, das ich machen kann? Ich habe Pute und Huhn im Kühlschrank.“
„Mmmhh, Huhn hört sich gut an. Mach was damit. Kann dir sonst nicht weiterhelfen.
„Das ist schon mal gut“, und gab ihm einen Kuss auf seine Schläfe.
Es war mir ein Bedürfnis. Dann stand ich auf und fing an zu kochen. Ich bemerkte gar nicht, dass Alfons aufstand und sich zum Esstisch setzte. Erst als ich mich umdrehte, sah ich ihn. Ich erschrak mich kurz, weil ich mit meinen Gedanken woanders war.
„Gibt es etwas? Brauchst du etwas?“
„Nein, eigentlich nicht. Wollte dir nur zusehen. Vom Wohnzimmer aus sehe ich nichts. Du machst das sehr geschickt.“
Ich sah ihn an und wusste nicht gleich, was das sollte.
„Das mache ich täglich, also nichts Besonderes.“
„Für mich nicht. Ich esse ja nur in Restaurants. Und da sieht man nicht, wie etwas zubereitet wird. Also ist das etwas Neues für mich.“
Wenn ich mir das überlegte, stimmte es ja. Also ließ ich ihn teilhaben an meiner Arbeit und erklärte ihm einiges. Ich hatte die Hühnerbrust zu einem Schnitzel geschnitten, gab geschnittene Zwiebel, Paprika, Speck und Käse rein. Rollte das alles zusammen und briet die gerollten Hühnerbruststücke ab. Dann gab ich sie mit dem aufgegossenen Saft ins Rohr, um sie zu dünsten. Dazu machte ich Reis, Kartoffelsalat und es gab noch Chinakohlsalat. Plötzlich rumorte es an der Tür. Erschrocken ging ich hin. Adolf kam mit einem Kofferwagen herein und darauf war der Einkauf.
„Ich frage mich, warum ich nicht schon gestern auf diese Idee gekommen bin. Heute brachte mir der Portier diesen Wagen und fragte: Warum nimmst das nicht? Das fragte ich mich auch. So, jetzt habe ich alles da, von essen bis trinken.“
„Gut, Kofferboy, bring alles her.“
Alfons schüttelte nur den Kopf.
„Das brauchen wir alles für zwei Tage? Hätte die Hälfte nicht gereicht? Gestern habt ihr ja auch schon eingekauft.“
„Alfons, du wirst nächste Woche vielleicht auch etwas zum Frühstücken brauchen. Ich hoffe, Adolf macht es dir dann. Und keine Widerrede!“, sagte ich jetzt laut, denn er wollte schon etwas dagegen sagen.
„Und du, Adolf, bist mir dafür verantwortlich, weil sonst mache ich euch am nächsten Wochenende, wenn ich komme, die Hölle heiß!“
Jetzt starrten mich beide an. Was hatten sie jetzt?
„Du gehst ganz schön scharf mit uns um“, meinte Alfons zögerlich, „Das bin ich gar nicht gewohnt. Normalerweise gebe ich die Befehle.“
Jetzt wusste ich es auch! Hatte ich jetzt wie ein böser Chef geklungen?
„War das jetzt so scharf gesprochen?“
Beide Männer sahen sich an und sagten wie aus einem Mund: „JA!“
UPS! Jetzt war ich niedergeschmettert. Ich wollte nicht, dass es sich so anhört.
„Bitte?“, schob ich noch leise nach.
„Das wäre schon etwas anderes“, meinte Alfons uns sah Adolf an, „Was meinst du dazu?“
Er überlegte und sagte dann: „Wenn sie es noch einmal mit „Bitte“ sagt? Und nicht so schroff?“
„Bitte, Adolf, würdest du so nett sein und Alfons jeden Tag ein Frühstück machen, damit er schon morgens etwas im Magen hat und für den ganzen Tag gerüstet ist? Sonst bekommt ihr es beim nächsten Wochenende mit mir zu tun. Und wenn ihr abends nach Hause kommt, könnt ihr euch auch etwas machen.“
„Das nenne ich eine Ansage. Obwohl mir die erstere besser gefallen hat. Denn Alfons lässt es gerne schleifen. Also gib ihnen nur ordentlich Druck.“
Adolf und ich drehten uns erschrocken um. Alfons sah schon in diese Richtung. Von uns unbemerkt, durch die noch offene Tür, war Dr. Kröger in die Wohnung gekommen. Er musste das letzte mitbekommen haben.
„Gib ihm nur Saures, unserem Patienten. Auf mich hört er ja kaum. Und wie geht es heute meinem Patienten, außer dass er seinen ersten Rüffel bekommen hat?“
Alfons verzog seinen Mund.
„Das hat mir gerade noch gefehlt, dass du gerade in dem Moment aufkreuzt.“
„Ich muss ja nach dir sehen und außerdem sind die Werte da.“
Jetzt wurde Alfons auf einmal verlegen.
„Wo können wir ungestört reden?“, fragte der Arzt.
„In meinem Zimmer.“
Alfons stand auf und ging langsam voraus.
„Hier riecht es aber gut!“, meinte er und ging Alfons nach.
Das war für mich das Stichwort. Ich sah sofort zu meinen Hühnerrollen. Nein, sie hatten noch Saft. Ich goss noch mit etwas Suppe auf. Ich hatte eine Würfelsuppe gemacht. Dazu gab es Backerbsen. Adolf und ich hatten jetzt Zeit und räumten den Einkauf weg.
„Du kannst ganz schön streng werden“, meinte er, noch immer etwas verwundert.
„Bei zwei lebhaften Kindern muss man das sein. Da geht es mit „bitte, bitte“ nicht immer. Decke heute lieber für vier Personen auf.“
Er sah mich überrascht an.
„Na, glaubst du, der Arzt hat das so im Spaß gesagt? Das war eine versteckte Frage: Kann ich zum Essen bleiben? Und Alfons wird ihn sicher einladen.“
„Hast du genug Essen für vier Personen?“
„Ganz sicher! Ich koche nie zu wenig. Lieber soll etwas übrigbleiben. Das kann man am Abend zusammen essen. Von gestern sind ja auch noch etwas Spaghetti da. Da ja zwei Hühnerbrüste für drei Leute zu wenig war, hattest ja zwei davon genommen. Also habe ich vier Rouladen. Da geht sich eine noch für Dr. Kröger aus.“
„Und du meinst, der Chef lädt ihn noch ein?“
„Sicher! Wollen wir wetten?“
„Gut. Um was wetten wir?“
„Du machst heute den ganzen Abwasch, wenn du verlierst. Auch den vom Abend.“
„Gut!“, sagte er und schlug schon ein.
Alfons
Dr. Kröger sah mich scharf an.
„Du bist dir immer noch sicher, dass du das machen willst?“
„Ja ganz sicher. Zur Not auch ohne dich.“
„Ich gebe nur widerwillig meine Zustimmung dafür. Du weißt, du darfst die Tabletten nicht länger als zwei bis drei Monate nehmen.“
„Ich hoffe, das reicht dann auch“, sagte ich etwas traurig.
„Ich werde dich trotzdem im Auge behalten, und so oft es geht, bei dir vorbeikommen. Du wirst sicher nicht zu mir in die Praxis kommen.“
„Nein, sicher nicht! Das weißt du!“
„Gut! Und darf ich es deinen beiden Pflegern da draußen auch sagen?“
„Ja, aber noch nicht jetzt. Ich sage es dir, wenn es so weit ist. Nur habe ich noch eine Frage. Kann ich wieder ins Ausland fliegen? Wenigstens einmal noch?“
„Ungern, aber nur in den nächsten zwei Monaten. Dann würde ich es dir nicht mehr raten.“
„Das wird hoffentlich reichen. Und wie sieht es jetzt aus?“
„Für deine Verhältnisse recht gut. Darum will ich dich im Auge behalten. Es kann sich immer schnell ändern. Du weißt, das Medikament ist noch nicht sehr erprobt. Und du bist ein Versuchskaninchen.“
„Ja, ich weiß das alles. Dr. Wilmer hat mich gut aufgeklärt. Und du weißt, ich habe nichts mehr zu verlieren.“
„Gut, dann mach dich frei damit ich dich noch untersuchen kann.“
Als wir fertig waren, sagte Dr. Kröger noch: „Deine Annabell ist eine gute Köchin.“
„Und wie willst du das wissen, du alter Schleimer?“
„Es riecht schon so gut in der Küche!“
„Sag es gleich, dass du mit uns mitessen willst. Ich hoffe nur, wir haben auch genug, dass sie dich mit futtern lassen kann!“
Damit gingen wir wieder hinaus ins Wohnzimmer.
Annabell
„Annabell, wie sieht es mit deinem Essen aus? Reicht das auch für vier Personen?“
Dann starrte er auf den Tisch. Es war schon für vier Personen gedeckt. Adolf verzog seinen Mund und knurrte.
„Was hat er denn? Und wieso ist schon für vier Personen aufgedeckt?“
„Ich habe mit Adolf gewettet, dass du Dr. Kröger noch zum Essen einlädst. Er hat die Wette verloren und darf heut den Abwasch allein machen.“
„Und wieso wusstest du es?“
„Ich kenne die versteckten Fragen: Darf ich zum Essen bleiben?“
Dr. Kröger begann zu lachen.
„Ich hätte mir dir auch wetten sollen!“
„Setzt euch doch. Wir können schon essen.“
Das ließ sich Dr. Kröger nicht zweimal sagen. Jeder hatte trotz der „kleinen Menge“ genug. Es gab dann noch Kaffee und die Kekse.
„Selber gebacken?“, fragte der Arzt.
„Nein, nur gekauft. Wann hätte ich für so etwas Zeit?“
„Sie tun sich da was an. Mit so einem alten murrenden Mann und seinem … nicht weniger knurrenden Chauffeur. Der, wie ich gesehen habe, sehr geknurrt hat, weil er abwaschen muss.“
Jetzt lachten wir alle. Er hatte die Situation rasch erkannt.
„So, aber jetzt muss ich leider wieder gehen und hoffe, ich werde demnächst öfter in so einen guten Genuss kommen. Danke! Frau Annabell, es war mir eine Ehre!“, verneigte er sich vor mir und ging dann seiner Wege.
Adolf stand etwas mürrisch auf. Aber Wette war Wette. Dafür konnte ich mich zu Alfons setzen. Er sah wieder auf seinen Laptop und ich sah etwas fern. Adolf war dann bald fertig.
„So der Mohr hat seine Arbeit getan, jetzt kann er wieder gehen. Wenn ihr mich braucht, ihr wisst wo ihr mich findet, Mylord und Mylady.“
Verneigte sich vor uns und ging.
„Danke!“, rief ich noch lachend nach.
Den Kofferwagen nahm er auch noch mit. Jetzt war ich wieder mit Alfons allein. Diesmal sah ich ihm zu, was er am Laptop machte. Auf einmal machte es einen Kracher und ich schreckte hoch. Alfons sah mich lachend an. Die Fernbedienung war mir runtergefallen. War ich etwa eingeschlafen?
„Du siehst so niedlich aus, wenn du schläfst. Ich wollte dich nicht wecken.“
Ich musste leider aufstehen, um meine steifen Glieder zu bewegen und noch auf ein Örtchen zu gehen. Bis ich wieder zurückkam, war Alfons etwas eingenickt. Ich holte für uns noch etwas zu trinken. Heute sah er schon etwas besser aus. Der Arzt hatte nichts zu uns gesagt, ob wir bzw. Adolf auf etwas achten sollten. Vielleicht hatte er es ihm auch verboten. Ich stand hinter der Couch und betrachtete ihn.
„Hast du mich jetzt genug betrachtet?“, sagte er da gerade.
„Schläfst du nicht?“
„Nein. Ich wollte sehen, was du machst“, sah er mich schelmisch an.
„Weißt, du was ich jetzt gerne tun würde?“
„Nein? Vielleicht ein Nickerchen machen oder mir zu sehen beim Schlafen?“
„Nein. Keines von beiden. Ich möchte gerne an die frische Luft gehen. Hier wird mir die Luft manchmal genommen.“
Ich fragte ihn nicht, wieso.
„Fühlst du dich fit genug?“
„Ja, wenigstens ein kurzes Stück. Ich muss mal kurz raus. Wenn du willst, kann Adolf mit dem Auto in der Nähe bleiben. Oder wir rufen ihn an, wenn ich nicht mehr zurückkann.“
Mir war beides recht.
„Gut. Gehen wir ein kleines Stück.“
Ich konnte verstehen, dass er raus wollte. Er war seit Mittwoch hier in der Wohnung. Ein bisschen Luft würde ihm sicher guttun. Wir mussten ja nicht weit gehen.
„Gut, ich sage es Adolf.“
Er war sofort am Telefon. Adolf würde unten warten und uns abholen, wenn Alfons nicht mehr weiterkonnte. Nachfahren wäre nicht gut, weil er den Verkehr stören würde. Wir zogen uns an und gingen langsam zum Aufzug. Der Portier staunte nicht schlecht, als er uns sah.
„Geht es Ihnen wieder besser, Herr von Behringen?“
„Ja. Danke der Nachfrage, Rudolf.“
Wir gingen langsam weiter. Ich wollte einmal um den Block. Das würde vollkommen reichen. Doch Alfons ging in eine andere Richtung. Jetzt bekam ich etwas Angst.
„Hier sollte doch irgendwo ein McDonald sein, oder nicht?“
„Wieso willst du jetzt zum McDonald?“
„Ich würde auch gerne einmal im Leben so ein Essen kosten. Ich kam nie dazu. Tust du mir den Gefallen?“
Ich schnappte mir mein Handy und ließ mir alle McDonalds-Filialen anzeigen. Und wirklich, eine gab es nicht unweit von unserer Stelle. Wir folgten der Anzeige auf meinem Handy. Bis wir hinkamen, wurde Alfons schon müde. Ich merkte es, dass er sich mehr schleppte als er ging.
„Ruf Adolf an und frage ihn, was er möchte. Wir bestellen es inzwischen und er kann uns dann abholen.“
Natürlich machte ich das sofort. Er bestand nicht darauf, wieder zurück zu gehen. Ich glaube, das würde über seine Kräfte gehen. Sofort rief ich Adolf an. Er war wieder schnell am Telefon. Ich fragte ihn, was er denn gerne möchte. Er war durcheinander, bis ich es ihm erklärte. Er bestellte einen McBacon, einen Hamburger Royal Käse, Pommes und Cola. Alfons lieferte ich an einem Tisch ab. Ihm war es egal. Hauptsache, etwas von McDonalds. Also bestellte ich ihm einen McChicken, einen Hamburger, Pommes und Cola. Für mich einen Royal TS, Big`n Tasty, Pommes und auch Cola. Einiges bekam ich sofort und das andere würde geliefert werden. Diesmal bezahlte ich. Dann ging ich mit dem Tablett zu ihm. Adolf musste sich sehr beeilt haben, denn er kam auch schon bei der Tür rein. Er sah mich sofort und kam auf mich zu.
„Wo ist er?“, fragte er besorgt.
„Da drüben. Er beobachtet das Geschehen hier.“
Wir gingen zu ihm und ich teilte das auf, was ich schon mitgebracht hatte. Ich musste noch auf meinen Big`n Tasty warten und Adolf auf seinen McBacon. Alfons suchte etwas.
„Was suchst du?“
„Das Besteck. Hast du keines genommen? Oder haben sie dir keines gegeben?“
„Beides, mein Schatz, beides. Man isst hier so.“
Nun öffnete ich meine Schachtel, nahm meinen Burger heraus und biss ab. Adolf machte das Gleiche. Alfons sah uns verwundert an.
„Hier wird mit den Händen gegessen und nicht fein mit Messer und Gabel. Versuche es doch einfach.“
Er tat es uns gleich, und prompt spritzte es aus dem Burger. Natürlich wurde sein Hemd bekleckert. Wir grinsten und zeigten es ihm noch einmal, dass er den Burger fest zusammendrücken musste. Der zweite Versuch war schon viel besser. Die Pommes musste er auch mit der Hand essen.
„Ihr seid wirklich arm, dass ihr euch nicht mal ein Besteck leisten könnt. Ich werde euch eines kaufen, damit ihr normal essen könnt.“
Das sagte er so ernst, dass wir es ihm fast abnahmen. Bis er lächelte. Da Alfons nicht alles schaffte, packten wir den Rest ein. Auf dem Weg zum Auto fragte er: „Musst du nicht noch bezahlen?“
„Nein, das Essen muss man gleich bezahlen.“
Adolf sperrte das Auto auf und sagte, er komme gleich. Dann kam er mit einer Tüte zurück. Hatte er noch Hunger? Hatte er sich noch etwas geholt? Es roch danach. Er brachte uns heil wieder zurück.
„Ist ja gut gegangen, mein erster Ausflug in die normale Welt.“
Was sollte man dagegen sagen?
„Was bekommst du für das Essen?“, fragte er mich doch glatt.
„Das habe ich bezahlt. Lass mich doch auch mal was zahlen. Das kann ich mir gerade noch leisten. Und meine Kinder verputzten mehr, als was wir dort gegessen haben.“
Er sagte nun nichts mehr. Setzte sich auf die Couch und sah nach seinen Mails. Adolf kam etwas später.
„Würdest du mir bitte wieder beim Duschen helfen?“, fragte Alfons Adolf.
Dieser sah zwar verwundert drein, doch er ging mit ihm ins Bad. Eine gute halbe Stunde später kam er allein zurück.
„Er ist schon schlafen gegangen. Er sah auch schon sehr müde aus. Ich werde auch gehen. Sollte etwas sein, ruf mich bitte an. Gute Nacht.“
Jetzt war ich allein. Was sollte ich tun? Fernsehen wollte ich nicht. Alfons hatte eine kleine Bibliothek. Dort fand ich ein Buch, das ich lesen wollte. Doch meine Gedanken gingen immer woanders hin, bis ich auch irgendwann einschlief. Um 2 Uhr in der Früh drehte ich das Licht ab.
Alfons
Ja, ich war etwas müde geworden. Doch ich wollte allein sein, um einige Telefonate zu führen, die die beiden nicht mitbekommen sollten. Auch musste ich grob noch einige Briefe und mein Testament entwerfen, die mir dann Notar Kramer schreiben und verfeinern musste. Nein, nicht seine Angestellten, das musste er persönlich machen, damit nichts, auch gar nichts an die Öffentlichkeit kommen konnte. Es musste alles absolute Verschlusssache bleiben. Das musste er mir versprechen. Auch musste ich fürs nächste Wochenende noch die Zimmer buchen und einen Flug organisieren. Es sollte eine Überraschung werden. Für Annabell. Und für das, was ich vorhatte. Ob Annabell dabei dann auch mitmachte, stand noch in den Sternen, obwohl es die Wahrsagerin nur angedeutet hatte. Und mit Adolf musste ich noch extra sprechen.
Annabell
Sonntagmorgen! Normalerweise konnte ich länger schlafen, doch heute musste ich trotz allem auf. Ich war ja nicht zu Hause, und wollte bis Mittag mit dem Essen fertig sein für meine zwei Männer. Nudelsuppe, Putenschnitzel mit Kartoffel und grünen Salat. Nachspeise konnte ich zwar keine backen, aber ich konnte einen Pudding machen. Frohen Mutes stand ich auf, sah nach Alfons. Der schlief noch. Also brauchte Adolf auch noch nicht zu kommen. Ich richtete mir alles her, bis mich eine Stimme aus meinen Gedanken riss. Alfons war schon wach und auch schon angezogen.
„Was machst du denn da?“, fragte er mich verwirrt.
„Kochen?“, sagte ich langgezogen.
„Habe ich nicht gesagt, wir gehen essen? Oder wolltest du das nicht hören?“
Ich schlug mir auf den Mund. Das hatte ich total vergessen. Ja, das hatte er gesagt.
„Tut mir leid, das habe ich leider vergessen, ist mir entschwunden“, sagte ich zerknirscht.
Alfons grinste.
„Und was machen wir jetzt mit dem Essen, das du schon angefangen hast?“
Ich zuckte mit den Schultern und sagte: „Dann ist eben das Abendessen schon fertig, und ich brauche später nicht mehr so viel machen.“
Jetzt lachte er und schüttelte den Kopf.
„Du weißt aber auch immer etwas darauf und kannst dich herausreden.“
„Hin und wieder schon.“
Da hörten wir, dass sich die Tür öffnete. Adolf kam und war genauso überrascht, dass Alfons schon auf war.
„Da kann ich ja lange auf einen Anruf warten. Guten Morgen, übrigens.“
„Guten Morgen“ sagten auch wir.
„Annabell kann es einfach nicht lassen. Obwohl ich gesagt habe, wir gehen essen, kocht sie für uns.“
„Ich habe es mir gerade gedacht, dass Sie ja so etwas gesagt haben. Oder ich habe mich verhört, und wir essen doch zu Hause?“
„Nein, wir essen heute auswärts. Der Tisch ist schon bestellt. Für drei Personen. Auch du sitzt heute bei uns“, sagte er zu Adolf.
Der war jetzt noch mehr überrascht. Für mich war es klar gewesen.
„Aber wieso kochst du dann?“, fragte jetzt ein noch mehr verdutzter Adolf.
„Aus Gewohnheit?“
Jetzt lachten wir alle. Adolf und ich machten rasch das Frühstück, und Alfons sah uns vergnügt zu. Danach kochte ich soweit fertig, und um 11 Uhr fuhren wir schon los. Es ging raus aufs Land. Nach Melk. Dort aßen wir im Rathauskeller zu Mittag, anschließend sahen wir uns noch Stift Melk an. Später ging es gemütlich zurück. Wir kamen gegen 17 Uhr an. Alfons verschlief ein Stück der Fahrt. Auch ich glaube, nickte etwas ein. Zu Hause angekommen, kochte ich fertig, und wir konnten um 18 Uhr zu Abend essen. Leider musste ich dann auch schon bald fahren. Ich sah noch nach, was alles da war, und schrieb Adolf noch einiges auf.
„Adolf, was sagst du? Soll sie wieder nächstes Wochenende kommen? Und das wieder am Donnerstagabend?“
Adolf sah ihn verwundert an, dass er ihn überhaupt fragte?
„Dass sie uns wieder die Leviten lesen kann, wenn du mir kein Frühstück machst oder ich keines esse?“
„Ja, das wäre sogar gut so. Dann hätten wir sie wieder länger hier!“, meinte jetzt auch Adolf.
Hatten die sich jetzt gegen mich verschworen? Ich konnte doch nicht jeden Donnerstagabend schon hier sein! Und mir jeden Freitag frei nehmen!
„Bitte Annabell, könntest du es noch einmal einrichten, dass du schon Donnerstagabend wieder hier bist? Ich schwöre dir, es wird nicht mehr vorkommen.“
Ich sah beide an. Ein jeder sah mich mit seinen graublauen Augen treuherzig an.
„Ich werde es versuchen, kann aber leider nichts versprechen. Muss erst mit meinen Kollegen sprechen. Und mit meinem Chef.“
Das leuchtete Alfons ein.
„Aber du meldest dich sofort, wenn du es weißt!“
Ich musste es versprechen. Danach brachte mich Adolf wieder zu meinem Auto. Er verabschiedete sich auch etwas traurig. Die Fahrt verlief gut und Michi bombardierte mich schon wieder mit Nachrichten. Als ich zu Hause war, schrieb ich ihr sofort: ‚Du kannst kommen!‘ Sie hätte sowieso vorher nicht aufgehört mich mit Nachrichten oder Anrufen zu bombardieren. Natürlich musste ich ihr alles erzählen. Aber diesmal war sie sehr enttäuscht, weil es keinen Einkauf und keine weite Reise gegeben hatte.
Die Woche verlief gut. Am Mittwochabend konnte ich Alfons schreiben, dass ich Donnerstag kommen würde, aber erst spät am Abend. Er schickte mir hüpfende Smileys zurück. Ich konnte nur lachen. Was er wieder vor hatte? Ich hoffte, es ging ihm besser. Er schrieb zwar „alles okay“, und Adolf auch, aber sie konnten mir ja verschweigen, dass es Alfons nicht gut ginge. Mit einem schlechten Gefühl fuhr ich dann Donnerstagabend wieder zu ihnen. An der Stadtgrenze rief ich Adolf an und sagte, dass ich dann zum Holen wäre.
Alfons
Adolf ging nach der Nachricht zu Herrn von Behringen, um ihm es zu sagen. Der stand in der dunklen Wohnung und sah raus in die Lichter der Stadt.
„Bis ihr kommt, werde ich schon schlafen. Sag bitte Annabell, sie braucht nicht viel einpacken. Wir fliegen morgen um 8 Uhr weg. Also müssen wir um 7 Uhr wegfahren. Du hast dann das ganze Wochenende frei. Wann wir zurückkommen, weiß ich noch nicht. Ich werde dich dann benachrichtigen. Und …“
Er machte eine Pause, bevor er weitersprach. Man merkte ihm an, dass es ihm nicht leichtfiel.
„Ich werde Annabell fragen, ob sie meine Frau werden will. Egal, ob sie ja oder nein sagt, sie wird hinterher einen Freund brauchen. Kannst du, willst du das sein, wenn sie dich fragt?“
Adolf gab es einen Stich im Herzen, als er ihm das sagte. Aber wieso sollte sie einen Freund brauchen, egal weswegen. Ihm rotierte der Kopf. Er musste zuerst schlucken, bevor er antworten konnte. Und man merkte es trotzdem seiner Stimme an, dass es ihm nicht leichtfiel.
„Ja, ich werde für sie da sein, egal, was ist.“
Adolf tat das Herz weh bei diesen Worten. Er hätte lieber etwas anderes hören wollen.
„Gut, danke, aber sage Annabell noch nichts davon. Das war nur ein Gespräch zwischen uns. Das weitere werden wir nach unserem Trip nach Paris sehen. So, und jetzt hole sie ab und bring sie heil hierher. Gute Nacht!“
Er wusste genau, das würde für Adolf keine gute Nacht werden, auch nicht für ihn. Nicht, bevor das alles geklärt war. Er musste ihm das sagen, damit er sich keine allzu großen Hoffnungen macht. Er hatte ihre Blicke gesehen. Also sollte der Rest seines Planes auch aufgehen. Adolf ging und holte Annabell schweren Herzens ab.