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3Wie Kinder trauern

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Kinder trauern anders als Erwachsene. Wie Kinder mit dem Tod umgehen, ist abhängig von deren Alter. Kinder empfinden den Tod auch als schmerzhaft, aber ihnen fehlt, abhängig vom Alter, der Begriff von Zeit und Endgültigkeit. Außerdem haben sie bis zu einem bestimmten Alter noch magische Vorstellungen vom Tod.

Als mein Vater starb, war ich gerade zehn Jahre alt. Mein Vater hatte eine lange Leidenszeit hinter sich und ich hatte irgendwie gespürt, dass er sterben würde. In der Zeit vor seinem Tode weinte ich häufig in der Schule. Als mich einmal eine Lehrerin darauf ansprach, sagte ich ihr, mein Vater liege im Sterben. Nach seinem Tod machte ich mir über ein Jahr lang Schuldgefühle, weil ich dachte, er wäre gestorben, weil ich das in der Schule erzählt hätte. Ich entwickelte für mich ein Ritual, das ich jeden Abend im Bett durchführte, um meinen „Fehler“ wiedergutzumachen. Ich erlebte meine Mutter als sehr verzweifelt und hilflos, sodass ich ihr nichts davon erzählte. Nach dem Tod meines Vaters schlief ich jahrelang im Ehebett neben meiner Mutter. Fast jede Nacht wachte ich mit der Angst auf, sie könnte auch sterben. Ich lauschte so lange, bis ich ihren Atem vernahm, dann konnte ich erst wieder einschlafen. Bis zu meinem Studium kämpfte ich bei jedem Abschied von einem Menschen, und sei es auch nur für einen längeren Urlaub, mit den Tränen und fühlte mich verlassen. Auf der einen Seite hasste ich es, wenn meine Mutter immer wieder weinte und an den Vater erinnerte, auf der anderen Seite war ich selbst auch sehr traurig. Ich kämpfte gegen meine Gefühle und die meiner Mutter an. Ich wollte sie nicht traurig sehen und auch wieder Spaß im Leben haben. Manchmal gab ich dem Vater die Schuld, dass die Mutter so traurig war.

Ich habe an mir erlebt, dass ich mich bis weit in mein Erwachsenenleben hinein immer wieder schmerzlich mit dem Tod meines Vaters auseinandersetzen musste. Auch heute gibt es noch viele Augenblicke, in denen ich an ihn denke oder traurig bin, dass er nicht an meinem Leben teilhaben kann. Doch meine Gefühle ihm gegenüber haben sich verändert. Ich kann heute liebevoll an ihn denken, ohne zu weinen, aber auch mein Leben gestalten, ohne immer an ihn zu denken.

Der Verlust eines Elternteiles in der Kindheit muss in jedem Lebensabschnitt während des Heranwachsens erneut betrauert werden. Wenn Kinder nicht angemessen um den Verlust eines Familienmitgliedes trauern, kann es im späteren Leben zu Störungen wie Angst vor enger Bindung, vor einer Schwangerschaft, vor Depressionen kommen.

Einen geliebten Menschen verlieren

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