Читать книгу Gartenzaun Connection - Doris Zielke - Страница 9

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2. Kapitel

Karin starrte fassungslos auf das Gepäckförderband im Münchner Flughafen Franz-Josef-Strauß‚ auf welchem einsam ein Rucksack, der definitiv nicht ihr gehörte, seine Bahnen zog. ‚So viel Pech kann doch kein Mensch haben‘, dachte sie wütend und sah sich hilfesuchend nach einem geeigneten Opfer um, das sie für diese weitere Misere in ihrem Leben verantwortlich machen konnte. Doch mit ihren verheulten Augen und der roten Nase zog sie einen unsichtbaren Bannkreis um sich. Die Trauer um den Tod ihrer geliebten Tante und Andrews Verrat hatten sie mit voller Wucht getroffen. Wie sie es letztendlich geschafft hatte, ein paar Sachen zusammen zu packen, das Flugticket zu organisieren und es in den Flieger zu schaffen, war ihr im Nachhinein ein Rätsel. Der Nebel voller Schmerz lichtete sich erst, als sie am Gepäckförderband stand und ergebnislos auf ihre zwei Koffer wartete.

Auf der Suche nach einem Schalter, an dem sie ihr Gepäck als vermisst melden konnte, passierte sie ein Kleinkind, das sich wütend kreischend auf dem Boden wälzte. Ach, wie gerne würde sie sich jetzt direkt neben dem Balg auf den Steinfliesen wälzen und ihren Frust herausschreien!

„Entschuldigung‚ Entschuldigung“, stoppte Karin eine afrikanisch aussehende Reinigungskraft, die eigentlich auf einen Pariser Laufsteg gehörte als in diesen potthässlichen Polyesterkittel und die mit ihrem schweren Materialwagen nicht schnell genug die Flucht ergreifen konnte, „wo kann ich mein Gepäck als vermisst melden?“ Die Angesprochene sah sie mit großen Augen an, und Karin seufzte tief auf, ‚war es so schwer Personal mit minimalen deutschen Sprachkenntnissen zu finden?‘

„Da müssn’s zum Gepäckschalta“, wurde sie schnell eines Besseren belehrt, „aba deswegn müssn’s net woana, meistns taucht da Koffa schnell wierda auf.“ Die afrikanische Schönheit lächelte ihr aufmunternd zu und deutete auf einen Schalter direkt vor ihr, auf dem groß und sichtbar ein Schild mit „Lost and Found“ angebracht war. Karin fühlte sich etwas besser, bis sie an der Reihe war und sie detailreich Angaben zu ihren zwei verschollenen Koffern machen konnte. Während die Mitarbeiterin am Schalter ihr das Formular ihrer Gepäckverlustmeldung aushändigte und sie explizit darauf hinwies, dass sie bei allen Rückfragen die darauf vermerkte Referenznummer angeben musste, klingelte Karins Handy. Abgelenkt von dem Gebimmel stopfte sie geistesabwesend das Formular in ihre Jackentasche und schulterte ihre Handtasche.

„Karin, Süße, bist du ins falsche Flugzeug gestiegen? Ich warte hier schon seit Stunden!…“, Florian wollte es sich nicht nehmen lassen, sie vom Flughafen abzuholen.

„Bin schon auf dem Weg. Stell’ dir vor, die haben mein Gepäck ins falsche Flugzeug gepackt.“

Statt eines mitfühlenden Kommentars, lachte Florian glockenhell ins Telefon. „Hach, du Ärmste!“, er wedelte mit seinen Armen, während sich die Schiebetür öffnete und Karin endlich in den öffentlichen Bereich trat. Auch ihm war anzusehen, dass ihn der Tod von Tante Hildegard getroffen hatte, auch wenn er versuchte, dies hinter einer halbwegs fröhlichen Miene zu verstecken. Aber in Anbetracht des ernsten Anlasses war er heute ganz in Schwarz gekleidet. Einzige Ausnahme war ein tiefroter Schal, den er sich kunstvoll um den Hals geschlungen hatte. Und, wie Karin kurz amüsiert feststellte, waren seine Augen wie immer mit schwarzem Kajal umrandet.

Florian hauchte Karin je ein Küsschen auf die rechte und linke Wange, dann hielt er sie eine Armlänge von sich entfernt und betrachtete sie.

„Ich weiß, ich sehe grauenvoll aus.“

„Grauenvoll ist noch eine sehr positive Umschreibung! Aber keine Sorge, das bekommen wir schon wieder hin.“

„Darf ich bitten!“, er schob sie hinter sich mitten durch eine Gruppe Rentner, die unsicher in der Halle standen und versuchten sich zu orientieren, „nach Mallorca geht’s nach reeheechts!“, flötete er. Erleichtert nickte der zum Reiseführer auserkorene ältere Herr im karierten Hemd ihnen zu und scheuchte den Rest seiner Truppe in die besagte Richtung.

„War doch nur ein Scheeheerz!“, rief Florian hinterher, doch einmal in Gruppenbewegung geraten, ließ sich die Rentner-Gang nicht mehr aufhalten.

„Ähm“, meinte Karin, „solltest du nicht hinterher und das Ganze richtigstellen?“

„Aber mein Schatz, warum denn? Vielleicht fliegen sie jetzt nach Timbuktu und haben den Urlaub ihres Lebens! Und der Herr im rotkarierten Hemd mit den passend weißen Tennissocken in seinen braunen Sandalen findet eine glutäugige, braunhaarige Schönheit, die ihn vergessen lässt, dass er seit zehn Jahren einen gerichtlichen Nachbarschaftsstreit führt, weil der nackte Popo des nachbarschaftlichen Gartenzwergs genau auf seine Haustür zeigt.“

Karin musste laut auflachen. Florians unerschütterlicher Frohsinn durchbrach zum ersten Mal seit zwei Tagen ihre Trauer und Verzweiflung. Dennoch blieben beide kurz stehen und vergewisserten sich, dass der Rentnertrupp abermals zum Stehen kam und anschließend offensichtlich den Weg zum richtigen Gate gefunden hatte.

„Wir müssen los“, drängelte ihr Jugendfreund, „ich stehe im absoluten Halteverbot.“

Wo auch sonst?

Die großen Schiebetüren öffneten sich und Karin stand kurz wie geblendet im Weg der hektischen Reisenden, die sich um sie herum teilten wie Moses das Meer. Zuhause! Zumindest bis sie wusste, wie es weitergehen sollte.

„Wo steht denn dein Auto?“

Florian deutete auf einen grellgrünen VW-Käfer, der inmitten wartender Taxis parkte. Von hinten näherte sich eine Politesse. „He, Sie da, warten Sie einmal!“ Die Dame in Uniform kam schnellen Schrittes auf sie zu, in der Hand wedelte sie mit einem Stück Papier. Offensichtlich wollte sie gerade eine Anzeige wegen Falschparkens aufnehmen.

Florian und Karin sahen sich kurz an, dann sprinteten sie wie von der Tarantel gestochen auf Kommando gleichzeitig los, sprangen in den VW-Käfer, ignorierten die bissigen Bemerkungen der grantigen Taxifahrer, Florian startete den Wagen und fuhr Handküsse verteilend mit quietschenden Reifen davon.

Zurück blieb die Politesse‚ die eigentlich gar keinen Strafzettel verteilen wollte und jetzt unschlüssig auf das Formular starrte, welches Karin kurz vorher aus der Jackentasche gefallen war. ‚Gepäckverlustmeldung‘ las sie, was sollte sie jetzt damit machen? War sie die Post? Nein, war sie nicht. Sie zerknüllte den Wisch und warf ihn in den nächsten Abfallbehälter. In den Papiermüll, natürlich, so viel Ordnung musste sein!

Gartenzaun Connection

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