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II. Phänomenologie und Erfassung1. Begriffe und Wesen › 1.2 Clankriminalität

1.2 Clankriminalität

Den Begriff Clan zu bestimmen, hat sich als schwieriges Unterfangen herausgestellt. Den Terminus Clankriminalität zu definieren, fällt entsprechend ebenfalls nicht leicht. Eine Legaldefinition existiert ebenfalls nicht, sprich er ist nicht als Rechtsbegriff im Strafgesetzbuch (StGB) erfasst. Prinzipiell bezeichnet Clankriminalität nach kriminalistischem Verständnis vier Phänomene der OK:

Clanfamilien Italienischer OK (IOK) – `Ndrangheta
Clanfamilien aus Ost- und Südosteuropa – Westbalkan-Staaten
Gruppierungen Russisch-Eurasischer OK (REOK)
Clanfamilien arabisch/türkischer Herkunft

In den vorliegenden Ausführungen geht es, wie vorangestellt, um die zuletzt genannte Gruppe. Drei Definitionsansätze bieten das Bundeskriminalamt, das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen und das LKA Niedersachsen.

Das Bundeskriminalamt (BKA) definiert Clankriminalität im Lagebild 2018 wie folgt: „Clan-Kriminalität kann einen oder mehrere der folgenden Indikatoren aufweisen:

Eine starke Ausrichtung auf die zumeist patriarchalisch-hierarchisch geprägte Familienstruktur.
Eine mangelnde Integrationsbereitschaft mit Aspekten einer räumlichen Konzentration.
Das Provozieren von Eskalationen auch bei nichtigen Anlässen oder geringfügigen Rechtsverstößen.
Die Ausnutzung gruppenimmanenter Mobilisierungs- und Bedrohungspotenziale“.[1]

Unter Clankriminalität fällt nach Definition des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt (LKA) „die vom Gewinn- oder Machtstreben bestimmte Begehung von Straftaten unter Beteiligung Mehrerer, wobei

in die Tatbegehung bewusst die gemeinsame familiäre oder ethnische Herkunft als verbindende, die Tatbegehung fördernde oder die Aufklärung der Tat hindernde Komponente einbezogen wird,
die Tatbegehung von einer fehlenden Akzeptanz der deutschen Rechts- oder Werteordnung geprägt ist und
die Straftaten einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind.“[2]

Das LKA Niedersachsen orientiert sich am zweiteiligen Begriffsverständnis der Landesrahmenkonzeption (LRK), wonach der Clan eine durch verwandtschaftliche Beziehungen und eine gemeinsame ethnische Herkunft verbundene Gruppe ist. Dabei geht Niedersachsen nicht alleine vom Namen her aus, sondern setzt den Marker „Clankriminalität“ auf OK-Verfahren.[3] Es handelt sich nicht somit nicht um eine feste Definition, sondern um Zuordnungskriterien für die Erfassung. Das Problem der Definition von „Clankriminalität“ wird auch hier deutlich. Der Definitionsansatz macht ersichtlich, dass sich „Clankriminalität“ ebenfalls nicht trennscharf beschreiben lässt, was aber bereits an der grundlegenden Definitionsproblematik des Begriffs „Clan“ liegt, denn die verübte Kriminalität muss nicht zwangsläufig der OK zuzuordnen sein (beispielsweise öffentliche Auseinandersetzungen aufgrund von Ehrverletzung o.ä.). Die kriminelle Clanstruktur ist demnach ein durch ergänzende Indikatoren geprägter Clan. „Diese Indikatoren umfassen unter anderem

das Ausleben eines stark überhöhten familiären Ehrbegriffs und das innerfamiliäre Sanktionieren von Verstößen gegen diesen Ehrbegriff,
das Voranstellen von familieninternen, oft im Gewohnheitsrecht verwurzelten Normen über das Gesetz und die Verfassung,
ein hohes Maß an Gewaltbereitschaft, welche durch ein hohes Mobilisierungspotential gestützt wird,
das Provozieren von Eskalationen auch bei nichtigen Anlässen oder geringfügigen Rechtsverstößen unter Ausnutzung clanimmanenter Mobilisierungs- und Bedrohungspotentiale,
eine mangelnde Integrationsbereitschaft, die mitunter Aspekte einer Ghettoisierung bis hin zur inneren Abschottung enthält und ein bewusstes oder generelles Ablehnen der allgemeinen Rechtsordnung erkennen lässt und
eine den Rechtsstaat umgehende oder unterlaufende Paralleljustiz.“[4]

Das niedersächsische LKA behält sich mit seiner Formulierung vor, den Begriff Clan nicht zu kriminalisieren und den bislang nicht abschließenden Indikatorenkatalog zur Subsumtion nutzen, ihn aber noch weiter ergänzen zu können. Das LKA verweist darüber hinaus auf gegenwärtige länderübergreifende Initiativen, um den Begriff Clankriminalität konkreter zu gestalten.[5]

Das LKA NRW weist darauf hin, dass auch auf polizeifachlicher Ebene weder im Bund noch in den Ländern ein einheitliches Verständnis darüber besteht, welche Kriterien einen Clan ausmachen, ab wann eine Gruppierung dem zuzurechnen ist und welche Phänomene und Sachverhalte unter Clankriminalität zu subsumieren sind.[6] Konsens besteht in den unterschiedlichen Behörden über den Aspekt, dass sich Clans durch ethnische Geschlossenheit und abgeschottete, auf Familienzugehörigkeit reduzierte Strukturen definieren. Auch in der Bewertung, dass in den Strukturen neben der Begehung von Straftaten das Verursachen von Gefahren für die öffentliche Sicherheit durch ein familiäres Netzwerk geduldet, gefördert oder geprägt wird, sind sich alle involvierten Sicherheitsbehörden einig.[7]

Die dargestellten Begriffe werden gegenwärtig sehr kontrovers diskutiert. Zum einen fehlt allen Beteiligten einerseits die nötige Trennschärfe, andererseits sehen sie in den Begriffen Clan, Stamm und Sippe eine Abwertung und Stigmatisierung ganzer Personengruppen. Clan und Stamm zeigen dabei von Vorstellungen afrikanischer und arabischer Bevölkerungsgruppen, wobei auch Familienkollektive, die der italienischen Mafia zuzuordnen sind, gemeinhin als Clan tituliert werden.[8] Sippe oder Sippschaft findet heute im deutschen Sprachgebrauch eine eher umgangssprachliche und mitunter abwertende oder flapsige/scherzhafte Verwendung (u.a. auch für die eigene Verwandtschaft oder die des Partners).[9] Somit sind all diese Begriffe zunächst wertneutral als Versuche zu begreifen, gesellschaftliche Lebensformen mit einem mehr oder weniger verwandtschaftlichen Bezug zu beschreiben. Die negative Konnotation entwickelt sich erst im gesellschaftlichen Diskurs und vor allem durch die Berichterstattung von Straftaten, Verstößen, Respektlosigkeiten gegen Staatsbedienstete, usw. Dadurch sind auch die weitläufigen Vorstellungen von Clankriminalität geprägt. Der Gebrauch der Begriffe „Clan“ oder auch „Clanfamilien“ ist folglich dadurch bedingt, dass die familiären Zusammenschlüsse relevant für das rechtswidrige Verhalten sind.

Gleichwohl, welche Begriffe man verwendet: So sehr von zu generellen Sprachverboten abzusehen sein muss, darf es gleichzeitig niemals darum gehen, eine andere Lebensform per se abzuwerten und einzelne Namen unter einen Generalerdacht zu stellen, darauf verweisen auch stets die Behörden, die mit der Strafverfolgung betraut sind.[10] Dieses Spannungsfeld, das durch das Phänomen und die Benennung dessen als „Clankriminalität“ entstanden ist, beeinflusst auch die Kriminalitätsbekämpfung und deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Im kriminologischen Kontext geht es darum, Beobachtungen und Probleme zu beschreiben, Zusammenhänge herzustellen und zu erläutern und ihren Einfluss auf kriminelles Verhalten zu analysieren. Sind Einflussfaktoren ersichtlich, werden sie entsprechend benannt, ohne dabei einen Anspruch auf Generalität und Monokausalität zu erheben. Dies muss auch unter den weiteren phänomenologischen Betrachtungen stets im Blick behalten werden.

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