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KÖNIGIN LUISE VON PREUSSEN

1776–1810

Sie kam aus der Provinz und heiratete einen Prinzen. Die ebenso schöne wie kluge Frau wurde eine wahrhaftige Königin der Herzen. Die Berliner liebten sie über alles und verehren sie bis heute.

Es war einmal ein Mädchen, das hieß Luise und verlor mit sechs Jahren seine Mutter. Der Vater, ein Herzog, gab das Kind mit den beiden Schwestern Friederike und Therese zur Großmutter. Als das Mädchen heranwuchs, durften sie und ihre Schwester die Großmutter auf eine Reise nach Frankfurt begleiten. Dort war auch der preußische König zu Gast und wurde auf die alte Dame mit ihren liebreizenden Mädchen aufmerksam, denn er war auf der Suche nach Gemahlinnen für seinen ältesten Sohn und dessen Bruder.

Der König war gebannt von ihrer Schönheit. Er reiste zurück nach Berlin und erzählte seinen Söhnen von den Mädchen. Kurze Zeit später kamen die Schwestern Luise und Friederike nach Berlin, wo sie das Volk des Königs begeistert empfing. Luise heiratete den Kronprinzen, gebar ihm zehn Kinder und war ihm eine treu sorgende Ehefrau und Ratgeberin. Als der alte König Friedrich Wilhelm II. starb, bestieg ihr Mann den Thron und Luise wurde mit 21 Jahren an seiner Seite Königin. Die Berliner liebten und bewunderten das Königspaar, vor allem aber Luise. Doch der Krieg und die politischen Umbrüche im Land forderten auch von der königlichen Familie große Opfer. Sie wurden von Napoleon vertrieben und konnten erst nach mehreren Jahren in ihre geliebte Heimat zurückkehren.

Luise hatten die schweren Jahre schwach und traurig gemacht. Sie kam kränkelnd zurück und verließ im Alter von 34 Jahren ihre Familie, ihr Volk und Berlin für immer. Bis heute erzählt man sich, dass sie an gebrochenem Herzen starb.

Das Leben von Königin Luise klingt wie ein Märchen. Die blutjunge Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz eroberte Berlin im Sturm. Jung, schön, unbeschwert und offen kam sie in die Stadt, die Herzen der Berliner flogen ihr zu. Bis heute hält diese Luisen-Begeisterung an. 2010 feierte Berlin an vielen Orten das Luisenjahr. Die Besucher kamen in Scharen und stürmten Ausstellungen wie »Luise – Leben und Mythos der Königin« im Schloss Charlottenburg, »Die Inselwelt der Königin« auf der Pfaueninsel und »Die Kleider der Königin« im Schloss Paretz, wo sie die Sommermonate verbrachte.

Der Romantiker August Wilhelm Schlegel nennt sie bereits im 18. Jh. »Königin der Herzen«. Luise betört Männer wie Frauen, alle schwärmen von ihr: »Alles an ihr übertrifft noch das Zauberhafteste, was man sich denken kann.« Fröhlich kommt sie nach Berlin, um den Kronprinzen Friedrich Wilhelm III. zu heiraten. Charmant und interessiert geht sie auf die Bewohner der Stadt zu. Als sie bei ihrer Ankunft von einem kleinen Mädchen mit einem Gedicht begrüßt wird, hebt sie das Kind spontan hoch, küsst es und ist erstaunt, als man ihr sagt, dass ein solches Verhalten nicht zu ihrer hohen Stellung passe.

Am 24. Dezember 1793 wird Luise mit Friedrich Wilhelm III. im Berliner Stadtschloss getraut, zwei Tage später ihre Schwester Friederike und Prinz Friedrich Ludwig Karl von Preußen. Die jungen Paare ziehen in zwei benachbarte Gebäude an der Straße Unter den Linden: Im Kronprinzenpalais 19 ( ▶ H 4) (Unter den Linden 3) lebt Luise mit ihrem Mann Friedrich Wilhelm III., im Prinzessinnenpalais (Unter den Linden 5, wo sich heute das Restaurant Opernpalais befindet) Friederike und Ludwig. Luise, die für ihr zuweilen ungestümes Naturell bekannt ist, lernt Regeln und Pflichten am preußischen Hof. Gräfin Sophie Marie von Voß, eine erfahrene Hofdame, wird ihre Lehrmeisterin, Ratgeberin und schließlich Vertraute.

EIN PREUSSISCHES MODEL

Glücklicherweise lehnt auch ihr Mann im privaten Bereich jede Art von hergebrachter Förmlichkeit ab. Das Paar pflegt einfache, in ihren Kreisen ungewöhnliche Umgangsformen. Sie sprechen von »meinem Mann« und »meiner Frau«. Die beiden lieben Spaziergänge ohne Gefolge, sie bummeln unbeschwert über Volksfeste wie den Berliner Weihnachtsmarkt. Man wohnt im Kronprinzenpalais und verbringt die Sommermonate am liebsten im ländlichen Herrenhaus Paretz. Das einfache Schloss, das wegen seiner Lage von Zeitgenossen den Beinamen »Schloss Still-im-Land« erhielt, bietet Friedrich Wilhelm Erholung von seinen Amtsgeschäften und Luise die Landluft und Ruhe, die sie besonders während ihrer zahlreichen Schwangerschaften braucht.

2010 belegt die Ausstellung »Die Kleider der Königin« Luises Vorliebe für extravagante Mode, die sie sich als First Lady natürlich auch leisten konnte. Luise ist auf eine kapriziöse Art eitel und mit ihren Maßen – 1,73 Meter groß, Kleidergröße 34 bis 36 – Preußens erstes Topmodel. Ihre Mutterrolle erfüllt sie vorbildlich. In knapp 17 Ehejahren bringt sie zehn Kinder zur Welt, die zumeist in ihrer Nähe aufwachsen. Der Familienalltag gleicht weitestgehend dem der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jh.

LUISE IST KLUG, ZIELSTREBIG, WISSBEGIERIG

Als bezaubernd und makellos wurde Luise durchweg dargestellt – auf Gemälden, als Büste oder Plastik, in Briefen oder Büchern. Besonders anmutig ist das berühmte Denkmal »Die Prinzessinnengruppe« 26 ( ▶ H 3) von Johann Gottfried Schadow. Er zeigt zwei hübsche junge Frauen, die einander stützend und haltend wie Freundinnen zusammenstehen. Obwohl es im Leben eher umgekehrt war, stützt Luise sich auf ihre jüngere Schwester, salopp das Bein eingeknickt. Luises Mann war einer der wenigen, dem das Denkmal aufgrund der körperbetonten Darstellung missfiel. Die Fachleute und das Berliner Publikum dagegen waren begeistert. Seit 2007 steht eine Kopie der Prinzessinnen im Vestibül des Neuen Flügels von Schloss Charlottenburg. Das Original befindet sich in der Alten Nationalgalerie und wurde anlässlich des 200. Todestages der Königin restauriert.

In den ersten Jahren in Berlin wächst Luise in ihre Pflichten bei Hof hinein. Sie beobachtet Staatsaffären und Machtkämpfe, lernt das politische Geschäft kennen und begreift die Zusammenhänge. Luise stellt sich allen Aufgaben, ist zielstrebig und wissbegierig. Sie umgibt sich mit hoch gebildeten Männern wie Wilhelm von Humboldt, um die neue Weltpolitik zu begreifen. Sie hört Vorträge und liest viel. Und sie gilt als kluge Beraterin ihres Mannes. Dieser weiß genau, was er an ihr hat; er schickt sie sogar im Krieg zu Napoleon nach Tilsit, um mildere Friedensbedingungen auszuhandeln. Napoleon, als Frauenverehrer berühmt-berüchtigt, zeigt sich beeindruckt von Luise und fragt sie, warum die Preußen ihn angegriffen hätten. Ihre hellsichtige Antwort offenbart ihren Sinn für politische Realitäten: »Der Ruhm Friedrichs des Großen hat uns über unsere Mittel getäuscht.«

Die Bedingungen des Friedens von Tilsit vom 9. Juli 1807 sind trotz der Begegnung sehr hart; die Königsfamilie muss lange Zeit in Königsberg bleiben. Luise vermisst Berlin und ihre Familie; ihre Gesundheit lässt nach. Erst zwei Jahre später, im Dezember 1809, darf das Königspaar endlich zurückkehren. Die Freude der Berliner ist grenzenlos und sie bereiten der königlichen Familie einen überwältigenden Empfang. Anlässlich der Rückkehr des Königspaares wird nach dem Abzug der französischen Truppen aus Berlin die Luiseninsel 22 ( ▶ D 5) im Tiergarten an der Tiergartenstraße neu gestaltet. Heute steht Königin Luise dort als Marmorstatue, mit ihrem Gemahl und dem zweiten Sohn Prinz Wilhelm, der 1861 preußischer König und zehn Jahre später als Wilhelm I. der erste Kaiser des Deutschen Reiches werden sollte.

SIE BESUCHT IHREN VATER – UND STIRBT

Als Luise 1810 endlich ihren Vater und die geliebte Großmutter wiedersehen kann, schreibt sie voller Übermut: »Ich glühe vor Freude und schwitze wie ein Braten.« Sie fährt nach Neustrelitz und nach kurzem Aufenthalt weiter ins Schloss Hohenzieritz. Als sie dort ankommt, muss sie sofort fiebernd ins Bett. Eine Lungenentzündung wird diagnostiziert, es folgen Erstickungsanfälle und Kreislaufstörungen. Ihr Zustand wird nicht besser, der König reist am 19. Juli 1810 mit seinen beiden ältesten Söhnen an. Vier Stunden später stirbt Luise. Bei der Obduktion werden ein total zerstörter Lungenflügel sowie eine Geschwulst im Herzen festgestellt. Die Freundin Gräfin von Voß schreibt in ihr Tagebuch: »Die Ärzte sagen, der Polyp im Herzen sei eine Folge zu großen und anhaltenden Kummers.«

Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wird der Leichnam nach Berlin überführt, drei Tage im Berliner Stadtschloss aufgebahrt und am 30. Juli 1810 im Berliner Dom ( ▶ J 4) beigesetzt. Fünf Monate später findet Luise ihren endgültigen Platz in einem Mausoleum, das inzwischen von Heinrich Gentz unter Mitarbeit von Karl Friedrich Schinkel im Park des Schloss Charlottenburg neu errichtet worden war. Die Grabskulptur der Königin wurde auf Wunsch von Friedrich Wilhelm III. durch Christian Daniel Rauch geschaffen. Der König selbst begleitete den Bildhauer mit Vorschlägen. 30 Jahre später wird der König 1840 neben seiner geliebten Frau beigesetzt.Schloss Charlottenburg gilt immer als das Refugium von Königin Luise. Im Neuen Flügel befinden sich die original ausgestatteten Wohnräume. Ihre Räume sind schlicht, ohne Gold oder Stuck. Ihr Schlafzimmer mit einem eleganten Bett aus Birnbaumholz entwarf Schinkel für die junge Königin. Im Schlosspark steht eine Büste von Königin Luise. Da wirkt ihr Gesicht schon nicht mehr so unbeschwert, sondern eher nachdenklich und ein wenig traurig. Häufig liegen Blumen auf dem Sockel oder auf ihrem Haarkranz.

Am Anfang waren es vor allem ihre Schönheit und Anmut, ihre Offenheit und Freundlichkeit, später auch ihre Tapferkeit und Tatkraft, die Königin Luise von Preußen zu einer der großen deutschen Persönlichkeiten machte, obwohl ihr nur 15 Jahre für ihr Lebenswerk blieben. Eine Märchenkönigin, wie sie Berlin, Preußen und Deutschland nie wieder hatte.

KRONPRINZENPALAIS 19 ▶ H 4

Unter den Linden 3, Mitte

▶ S-Bahn: Hackescher Markt, Alexanderplatz

LUISENINSEL IM TIERGARTEN 22 ▶ D 5

Denkmal auf der Luiseninsel, Tiergarten

▶ U- und S-Bahn: Potsdamer Platz

PRINZESSINNENGRUPPE IN DER ALTEN NATIONALGALERIE 26 ▶ H 3

Bodestraße 1–3, Mitte

▶ U-Bahn: Friedrichstraße

SCHLOSS CHARLOTTENBURG UND MAUSOLEUM IM SCHLOSSPARK CHARLOTTENBURG

Charlottenburg

www.spsg.de

▶ U-Bahn: Mierendorffplatz, Richard-Wagner-Platz

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