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11.

»Marble Arch« nennt sich die Ausstellung, zu der die drei mit allen anderen gehen. Marmorbogen. Die Formen, die die Künstlerin aus Marmor geschaffen hat, sind sehr stilisiert und erinnern entfernt an menschliche Körper. Abgerundete, weiche, glänzende Gestalten laden den Betrachter ein, sich im Miteinander und Ineinander verschiedener Steinskulpturen zu verlieren. Der große Marmorbogen, der der Ausstellung den Titel verleiht, überragt deutlich die anderen Kunstwerke. Er erinnert an einen weiblichen nach hinten gebogenen Leib. Der Oberkörper des weiblichen Wesens zerfließt wie eine große Lache auf dem Boden, hingegeben, ekstatisch. Zwischen das, was an zwei Beine denken lässt, schiebt sich eine lange runde Form, an deren Ende eine runde Kugel thront, die dementsprechend an eine prall gefüllte Eichel erinnert.

Bei einem weiteren Exponat muss Sandrine unweigerlich an weit gespreizte Beine denken. Die dazugehörige Steinskulptur, die sich über die Gespreizte beugt, hat wieder die Form eines Bogens. Sie gleitet in die andere Form hinein, passt sich dieser haargenau an, wie zwei Wellen, die ineinander fließen, die genau zusammenpassen.

Auch wenn all diese Formen sehr abstrakt sind, kann Sandrine nicht umhin, sich immer mehr von kopulierenden Paaren umgeben zu fühlen. »Geil!« Saira scheint es nicht anders zu gehen, sonst wäre ihr dieser Ausspruch nicht über die Lippen gekommen. Schwänze gleiten in Mösen. Brüste umtanzen Schwänze. Schwänze dringen in Gesäßspalten ein. Münder wölben sich über Schwänze. Riesige Mösen nehmen zig Schwänze auf. Aus einem Schwanz fließt eine Unzahl von Schwänzen heraus. Überdimensionale Schamlippen umwickeln viele kleine Schwänze.

Immer öfter ist ein Räuspern und Hüsteln von den anderen Betrachtern zu hören. Die Atmosphäre im Raum wird immer schwüler, immer heißer. Luft wird sich zu gefächert. Alle scheinen nicht recht zu wissen, was sie mit dieser erotischen Spannung machen sollen. So schnell wie sich der Raum zu Beginn gefüllt hat, so schnell beginnt er nun, sich zu leeren. Mit einem peinlichen, unsicheren Lächeln verabschieden sich die Gäste von der Künstlerin und jenem attraktiven Hotelbesitzer.

Auch Sandrine überlegt, ob sie nicht doch lieber gehen soll. Wieder sind es Anna und Saira, die sie festhalten und nicht enteilen lassen wollen. »Das ist deine Chance. Los, mach dich an ihn ran!« Perplex schaut Sandrine Anna an. »Erzähl ihm, wie toll du die Ausstellung findest und wie sehr dich das antörnt.« Mit einem leichten Schubser bewegt sie Sandrine direkt neben zwei Marmorkugeln, die entfernt an Köpfe erinnern, die sich umeinander drehen; weit geöffnete Münder werden erahnbar, die sich aufeinander stülpen. Marble Kiss, denkt Sandrine. Genau in dem Moment erzählt die Künstlerin einem noch verbliebenen Gast, dass die Skulptur »Marble Kiss« heißt und dass sie versucht habe, das Heiße und das Weiche eines Kusses in die Formen hineinzugeben, auch wenn der Marmor eher an Kälte und Härte denken lässt. Das sei ihr gut gelungen, kann Sandrine ihr als Kompliment erwidern. Besonders gefalle ihr, dass der Kuss so leidenschaftlich und verschmelzend wirke. Sie ist selbst überrascht über ihre eigenen Aussagen.

Durch diese Worte ist ER jetzt endlich auf sie aufmerksam geworden. »Hello Sandrine!«, sagt er sogleich. Ihre Blicke treffen sich. Ihre Körper verharren für einen kurzen Moment. Verharren einen Moment zu lange, sodass die Umstehenden aufmerksam werden. »You mean a kiss as passionate as this one.« Wie in Zeitlupe kommt er auf Sandrine zu. Sein Kopf wandert zu ihrer linken Schulter, sodass Sandrine ihren Kopf wenden muss, um sein Gesicht zu sehen, ihre Köpfe wie umeinander gedreht erscheinen. Beide Häupter neigen sich langsam zur Seite, sodass sich dieser Eindruck des Verdreht-Seins noch verstärkt. Es kommt Sandrine so vor, als würde die Zeit stillstehen. Jeder Moment scheint eine Ewigkeit zu währen. Jahrbillionen scheinen zu vergehen, bis seine Lippen zart und doch immer eindringlicher sich auf die ihren setzen. Wenn sie sich eben vielleicht noch wie ein hartes Stück Stein gefühlt hat, so schmilzt Sandrine jetzt wie ein Eisberg dahin, ist nur noch eine einzige glitzernde Wasserlache, in der sich sein Antlitz spiegelt.

Sie habe nicht gewusst, dass selbst Marmor schmelzen kann, sagt sie ihm. Das würde nur für weißen Marmor gelten, antwortet er daraufhin. Der sei etwas Besonderes, weshalb er ihn so liebe. Er sei magisch. Wenn sie wolle, könne er ihr am nächsten Tag noch mehr Kunstwerke aus Marmor zeigen. Er würde ihr eine Einladung zukommen lassen. Damit wendet er sich wieder seinen Gästen und der Künstlerin zu, wirft Sandrine noch ein letztes Lächeln zu, die daraufhin zusammensackt und nur noch ein »Ich brauch jetzt ein Bier« herausbringen kann.

Der Maharadscha und ich | Erotischer Roman

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