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Warum brauchen Menschen eine Theorie für ihr Handeln?

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Die Welt, in der wir leben, ist so komplex geworden, dass es für Personen, denen Selbsterkenntnis, Autonomie und Achtsamkeit Werte darstellen, gar keine andere Wahl gibt, als bewusst und geplant Hypothesen über sich selbst, andere und das Leben aufzustellen und diese zu überprüfen. Wir müssen also theoretisieren und dies in einem positiven Sinne. „Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie“, sagte schon Kurt Lewin (Marrow, 1977). Natürlich ist es für uns als Manager, Berater und Trainer auch gut zu wissen, was wir wollen und was wir tun. Viele von uns streben danach, Klarheit über die eigenen Ziele zu gewinnen, bevor geeignete Schritte zur Realisierung unternommen werden.

Wenn wir Ziele mit anderen erreichen wollen und das geht natürlich Führungskräfte besonders an, sollten wir erst einmal etwas über unsere praktizierte Selbstführung wissen. Wenn uns bewusst wird, wie wir uns selbst führen, können wir als Zeugen unserer selbst, unser Verhalten korrigieren und somit Lernen und Tun aufeinander abstimmen. Auch würde sich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass unsere Überzeugungen, die in unserem Zielsystem zum Ausdruck kommen, mit unserem Handeln eher übereinstimmen, als wenn wir den Dingen unreflektiert ihren Lauf lassen. Die häufig vorzufindende Diskrepanz zwischen Sagen und Tun, zwischen erklärter Zieltheorie und adäquater Handlungstheorie und dem ausgeübten Verhalten, würde wahrscheinlich geringer werden.

In der Praxis finden wir uns häufig im Erklärungsnotstand dafür, warum – trotz einer überwiegend auf Logik beruhenden rationalen Erziehung – Diskrepanzen zwischen unseren beabsichtigten Zielen und unserem Verhalten auftreten. Wenn wir die Wahl zwischen Verstand und Emotion haben, entscheiden wir uns meist für die ursprünglichere Psychologik.

Gelegentlich erkläre ich meinen Studenten, dass aktionsfördernde Methoden wie Gruppenunterricht weit lernfördernder sind als Vorträge. Manchmal ertappe ich mich aber selbst dabei, wie ich gerade diese Gedanken mit Hilfe viel zu langer Vorträge verbreite.

Meine Theorie weicht also von meinem praktischen Verhalten ab. Das liegt natürlich an meinem inneren Konflikt zwischen Verstand und Gefühlen, der sich wiederum auswirkt auf meine Bereitschaft, Theorie und Praxis meines Handelns aufeinander abzustimmen.

Genauso hängt es aber auch mit angelernten Gewohnheiten zusammen, geformt aus elterlichen Geboten und Verboten, die im Leben allzu oft als Antreiber und ebenso oft auch als Bremser wirken. So bilden sich aus früheren Enttäuschungen oder Erfolgserlebnissen die gegenwärtigen, immer wieder korrigierten Annahmen über uns selbst, über andere und über die gesamte Welt.

Anregungen, Verbote und andere Impulse von Eltern, Lehrern, Vorgesetzten, Freunden und Kollegen stoßen auf Resonanz und führen oft unbewusst zur

Bildung von Reaktionsmustern, die, einem Drehbuch gleich, ein Szenario für mein Verhalten ergeben, was Eric Berne, der Erfinder der Transaktionsanalyse auch als Skript bezeichnet. „Dem Begriff liegt die Vorstellung zugrunde, dass schon das Kleinkind durch Schlüsselerlebnisse sich bis zur Zeit des Schuleintritts ein bestimmtes Bild macht (1.) von sich selbst, (2.) von den anderen, (3.) von der Welt und dem Leben als ganzem und (4.) darüber, wie sein Leben verlaufen wird. Diese Vorstellungen bilden insgesamt den unbewussten aber bewusstseinsfähigen Lebensplan“ (Schlegel, L., 1993). Das Skript wird zu einem erfolgreichen Plan – zu einem Gewinner-Skript –, wenn wir die Ziele, die wir uns gesetzt haben, erreichen. Sabotieren wir uns selbst, indem wir uns und andere abwerten, kommt es zu Unzufriedenheit und Misserfolg.

Für das Lernen und Üben von sozialer Kompetenz spielt der Prozess des Korrigierens, des Testens und Überprüfens eine bedeutende und wichtige Rolle. Gleichsam als Aktionsforscher überprüfen wir unsere Hypothesen durch Beobachtungen. Durch das Beweiserlebnis integrieren wir Erfahrungen und können die Kluft zwischen unserer subjektiven Wahrheit und der Wirklichkeit verkleinern.

In einem Experiment, das ich seit Jahren meinen Gruppen anbiete, haben wir herausgefunden, dass abwertende Elemente im Führungs- und Verhaltensstil auch zu abwertenden Reaktionen bei den Adressaten führen. Die Konsequenz für mein Verhalten könnte also sein, auf abwertenden Worte und Haltungen zu verzichten und meine Aufmerksamkeit auf Zuwendung, Verstehen und positive Interaktionen zu richten. Hieraus haben wir Trainingsprogramme entwickelt, die Chancen für nichtverletzende Kommunikation und niederlageloses Konfliktmanagement eröffnen. Volksweisheiten finden ihre Bestätigung: „Wie du in den Wald hineinrufst, so hallt es auch wieder zurück“ oder „Wie du dich bettest, so schläfst du“ oder „Haust du meine Tante, hau ich deine Tante“.

Will ich mein Skript ändern, so kann ich herausfinden, wie es und die daraus abgeleitete Handlungstheorie in den frühen Kindheitsjahren zustande gekommen ist. Für manche ist das Bewusstwerden der negativen Auswirkungen des immer wiederholten Skriptverhaltens Anlass für Neuentscheidung und für Einüben neuer erlaubender Verhaltensweisen. Ein anderer Ansatz ist, gewünschtes Verhalten so zu lernen, wie ein Schauspieler es mit einer neuen Rolle tut. Neues Verhalten führt zu neuen Einstellungen und einer neuen inneren Landkarte. Wenn ich mein Verhalten schrittweise ändere, so ändern sich nach einiger Zeit auch Ziele, Einstellungen, Motive und Verhaltensweisen.

In Selbsterfahrungsseminaren haben die Teilnehmer Gelegenheit, sich selbst und andere zu beobachten. Sie richten ihre Aufmerksamkeit darauf, welche Verhaltensmuster sich in welchen Sequenzen wiederholen.

Viele von uns tendieren dazu, eher kritisch und abwertend mit sich selbst und anderen umzugehen. Als Zeuge ihrer selbst können sie herausfinden, wie häufig sie bei inneren Dialogen und auch bei sozialen Interaktionen freundliche oder abwertende Gesten, Sprachäußerungen, Gedanken oder Gefühle verwenden und welche immer wiederkehrenden Muster und Gewohnheiten, Widerstände und Abwehrverhalten sie reproduzieren. Eher negative Ziele und Annahmen führen zu Verhaltenssequenzen, die ich als „Konkurrenztheorie“ zusammengefasst habe (Vgl. auch die Modelle I und II von Argyris C. 1999). Diese Strategie fällt uns meist leicht und erscheint ziemlich einfach zu sein. Sie führt zu nicht effektivem sozialen Verhalten. Das hier vorherrschende Prinzip ist Abwertung und Ablehnung.

Wie wir aus Stroh Gold machen können

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