Читать книгу Intuitiv gesund. Werde dein eigener innerer Arzt! - Dr. med. Christina Barbara Petersen - Страница 8

Verstaubte Strukturen

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Schwierigkeiten, vor denen wir Mediziner stehen, sind die alten Glaubenssätze, die als ungeschriebene Gesetze in den Kliniken von Generation zu Generation weitergegeben wurden: Der Mythos vom unverwundbaren Helfer ist so tief verankert, dass wir ungern Schwäche zeigen. Gerade die eigene Verwundbarkeit ist ein schambehaftetes Thema. Dazu kommt, dass in Zeiten des Fachkräftemangels nur ungern Kollegen »im Stich« gelassen werden. Daher gehen wir Ärzte lieber krank zur Arbeit, um die Versorgung aufrechtzuerhalten. Genau diese Verhaltensweise wurde uns bereits im Studium eingeimpft, denn wer Fehlzeiten durch Krankheiten hatte, musste das Semester wiederholen.

Wir wurden also so »erzogen«, in dem System wie »fleißige Ameisen« zu funktionieren. Es gab weder Kurse noch Vorgesetzte, die uns lehrten, auf uns selbst und unsere eigene Gesundheit zu achten. Im Gegenteil: Wir wurden konsequent geschult, die Bedürfnisse und Probleme der Patienten wahrzunehmen, um dann eine Hilfestellung anzubieten. Dieser einseitige Fokus führte dann weitergehend dazu, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse vernachlässigten. Meines Erachtens fehlt im Studium die Basis: die Selbstfürsorge. Nur derjenige, der seine eigenen Bedürfnisse kennt, sie beachtet und sich versorgen kann, kann dann im nächsten Schritt anderen helfen.

Eine Herausforderung, vor der wir Mediziner stehen, ist die moralische Verpflichtung. Einem Hilfsbedürftigen steht aus moralischer Sicht Hilfe zu – das geht sozusagen vor. Da melden sich sonst ganz schnell das schlechte Gewissen und die Schuldgefühle. Und auch die eigene Verwundbarkeit spielt wieder eine Rolle: Ich möchte ja schließlich auch, dass mir geholfen wird, wenn ich in Not bin. So fällt es Medizinern oft leichter, andere Menschen zu versorgen, als die eigenen Bedürfnisse zu achten.

Eine weitere Schwierigkeit sind die psychischen Herausforderungen, die mit Krankheit und Tod verbunden sind. Diese Erlebnisse konfrontieren uns immer wieder mit dem menschlichen Verfall und der eigenen Vergänglichkeit.

Wenn diese Erlebnisse seelisch verarbeitet werden, sehe ich darin viel Potenzial zu persönlichem Wachstum. Oftmals ist für eine Reflexion weder Zeit noch ein Ansprechpartner da. Kein Wunder, dass sich bei diesen gefährdeten Helferpersönlichkeiten seelische Wunden psychisch oder körperlich bemerkbar machen.

Da viele Ärzte die Signale des Körpers überhören und nicht auf ihre eigenen Bedürfnisse achten, bedienen sie sich schnell mal der ihnen ständig verfügbaren Medikamente, um die Symptome zu bekämpfen – damit sie wieder funktionieren können. Sie diagnostizieren und behandeln sich selbst und gehen ungern zu Kollegen, weil sie auch hier die eigene Schwäche nicht zugeben möchten und nicht als Simulant wahrgenommen werden wollen.

Es gibt also niemanden, der sie krankschreibt oder nach Hause schickt. Denn als Kollege bist du heutzutage bei bestehender Arbeitsbelastung zum Schutz der eigenen Gesundheit darauf angewiesen, dass jede Arbeitskraft anwesend ist. Es gibt keine Definition von »unfit to work«. Leider gibt es auch kein positives Vorbild, denn alle Vorgesetzten tragen dieselben Glaubenssätze in sich. Vor lauter Schuldgefühlen wird also lieber Rücksicht auf Kollegen und Patienten genommen und die eigene Gesundheit missachtet. So ist es kein Wunder, dass Ärzte ungesund leben und aufgrund der Selbstaufopferung Süchte entwickeln. Bedürfnisse, die den ganzen Tag unterdrückt werden, fordert der Körper dann in Ruhephasen im extremen Maße ein. Arbeit wird mit Verzicht und Selbstaufgabe verknüpft, was dazu führt, dass der Körper sich in der freien Zeit das nimmt, was gefehlt hat. Wenn z. B. Entspannung mit Alkohol und Rauchen verknüpft ist, kommt es zu vermehrtem Alkoholkonsum und Rauchen. Ebenso häufige Themen sind Erschöpfung wie Burn-out. Das hängt mit der Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse zusammen, hat aber auch noch andere Komponenten, die in der heutigen Zeit zugenommen haben:

Die mangelnde Wertschätzung der psychisch und körperlich anstrengenden Arbeit führt zu Frust beim medizinischen Personal. In Deutschland haben wir zurzeit eine Arzt-und-Krankenhaus-Flat-Rate-Mentalität. Die Menschen haben keinerlei Überblick über die Kosten. Das führt dazu, dass in den Köpfen der Anspruch wächst, jederzeit direkt bedient zu werden. Wenn man sich in diese Perspektive versetzt, ist das nachvollziehbar, denn die Medien suggerieren diesen Zustand.

Der demografische Wandel in Verbindung mit altersbedingten Erkrankungen und dem gleichzeitig bestehenden Ärztemangel führt zu einer zunehmenden Patientenzahl, wodurch der Druck im System steigt.

Die Privatisierung der Kliniken führt zu Einsparungsmaßnahmen mit gleichzeitiger Arbeitsverdichtung, was wiederum den Druck im System erhöht.

Durch unsere Medien werden »Angstgedanken« verbreitet, was dazu führt, dass immer mehr Menschen direkt in die Notaufnahme kommen. Was fehlt, ist Aufklärung.

Durch die zunehmende Bürokratie vermindert sich der Arzt-Patienten-Kontakt, was beim medizinischen Personal zu einer Sinnkrise führt.

Intuitiv gesund. Werde dein eigener innerer Arzt!

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