Читать книгу Prostatakrebs-Kompass - Dr. med. Ludwig Manfred Jacob - Страница 46
3.8.6 Entsäuerung bei Krebs
ОглавлениеBei einer Krebserkrankung gilt es einerseits, die hohe extrazelluläre Säurelast auszugleichen, die von Tumorzellen erzeugt wird, indem sie sowohl rechtsdrehende als auch die besonders schwer abbaubare linksdrehende Milchsäure in den Extrazellulärraum pumpen. Denn diese begünstigt die Metastasierung und schützt den Tumor vor dem körpereigenen Immunsystem sowie vor der Wirkung von Chemo- und Strahlentherapie. Andererseits sollte der Tumor intrazellulär nicht alkalisiert werden, denn dies fördert sein Wachstum.
Natriumbikarbonat als Basenmittel entsäuert zwar wirkungsvoll, dürfte aber die anabolen Wirkungen der intrazellulären Alkalisierung bei Krebserkrankungen noch verstärken. Sein Einsatz ist damit mittel- und langfristig kontraindiziert, auch wenn die kurzfristige Anwendung durch eine Entsäuerung des Bindegewebes zunächst günstig wirken kann. Grundsätzlich sind Basenpulver auf Basis von Natrium und hochdosiertem Calcium zur Entsäuerung bei Krebserkrankungen aufgrund der beschriebenen Mechanismen ungeeignet.
Sinnvoll ist stattdessen eine physiologische Entsäuerung auf dem Wege, wie es der menschliche Organismus seit Urzeiten gewöhnt ist: durch reichlich pflanzliche Rohkost, die organische Basensalze wie Citrate und Laktate mit Kalium, Magnesium und Calcium als Kationen liefert. Bei Nierengesunden sollte Kalium in ausreichend hohen Dosen (mindestens 4,7 g pro Tag laut offizieller US-Empfehlung) aufgenommen werden. Bei der Einnahme von Arzneimitteln, die den Kaliumhaushalt stören, sollte dies mit dem Arzt abgestimmt werden. Das Verhältnis von Calcium zu Magnesium sollte nicht höher sein als 3 : 2, wie es in Gemüse, Kräutern und Obst vorliegt. So kann die Knochendichte erhalten werden, ohne dass es zu einer Calciumüberladung kommt. Insgesamt sollte etwa 1 g Calcium am Tag aufgenommen werden. Eine milchproduktfreie Ernährung ist im Rahmen einer Krebserkrankung empfehlenswert (vgl. Kapitel 4.3.2, Seite 85).
Eine Ernährung, die viel tierisches Protein und Salz enthält, greift die Knochen an und sollte gemieden werden. Reichlich basenbildende Rohkost – der Ansatz der Krebsärzte des letzten Jahrhunderts – ist dagegen eine wirkungsvolle Methode zur Bereinigung des microenvironments. Allerdings verträgt nicht jeder Rohkost. Kurzes Anbraten, wie die Asiaten dies tun, oder leichtes Dünsten erhält auch die Vitalstoffe und ist besser verträglich.
Positive Effekte der L-(+)-Milchsäure
Oral zugeführte L-(+)-Milchsäure wird seit Jahrzehnten in der komplementären Krebstherapie eingesetzt. Die Kombination von L-(+)-Milchsäure mit Citraten scheint physiologisch besonders sinnvoll – auch im Sinne einer echten Balance von Säuren und Basen.
Sowohl L-(+)-Milchsäure als auch Ballaststoffe werden im Dickdarm von Bakterien zu Butyrat fermentiert und führen so zu einem gesunden, leicht sauren Dickdarmmilieu (Bourriaud et al., 2005). Butyrat ist der wichtigste Nährstoff für die Darmmukosa sowie ein potenter Immunmodulator und Krebshemmstoff (vgl. auch Kapitel 3.8.4, Seite 55). L-(+)-Milchsäure dient auch der Wiederherstellung eines gesunden, leicht sauren Dickdarmmilieus. In einem sauren Dickdarm wird das gasförmige Ammoniak, das den Energiestoffwechsel in der Leber massiv belastet, als Ammoniumsalz mit dem Stuhl ausgeschieden. Die Leber als zentrales Organ des Energie- und Säure-Basen-Haushalts wird entlastet. Ist der Leberstoffwechsel funktionstüchtig, kann das Blut wieder Säuren aufnehmen und in die Leber zum oxidativen Abbau leiten. Ein erhöhter Dickdarm-pH-Wert erhöht das Risiko für Dickdarmkrebs (Thornton, 1981), weil die Umwandlung der Gallensäuren zu kanzerogenen, sekundären Gallensäuren gefördert wird. Eine Absenkung des Dickdarm-pH-Wertes hat somit diverse positive Effekte.
Insgesamt fördern präbiotische Ballaststoffe eine gesunde Darmflora, säuern den Dickdarm durch die Bildung anti-entzündlicher kurzkettiger Fettsäuren wie Butyrat leicht an, fördern so die Ammoniak-Ausscheidung und entlasten den Leberstoffwechsel.
Nach dem Krebsarzt Dr. Dr. Seeger steigert die L-(+)-Milchsäure die Zellatmung deutlich. Laut Dr. W. Fryda soll Milchsäure das Blutplasma ansäuern und so die Voraussetzung schaffen, dass das übersäuerte Gewebe seine Säurelast wieder ins Blut abgeben kann. Der Ansatz von Dr. Fryda ist wohl richtig, jedoch dürfte der Wirkmechanismus komplexer sein.
Unter physiologischen Bedingungen dissoziieren 99 % der Milchsäure zu Laktat und H+-Ionen. Die Milchsäure gelangt in den Darm und verbessert dort die Ammoniak-Ausscheidung über den Stuhl (Leberentlastung). Zum Teil gelangt das Laktat auch ins Blut und wirkt dort als Signalmolekül (Brooks, 2009). Es übt einen „Trainingseffekt“ auf Erythrozyten und Gewebe aus. Unter regelmäßiger Milchsäurebelastung (durch die Ernährung oder durch Sport) werden verstärkt Monocarboxylattransporter (MCT) in der Erythrozytenmembran exprimiert. Die Erythrozyten können dadurch Milchsäure aus dem Plasma aufnehmen und zu Geweben transportieren, die Laktat verstoffwechseln (Herz, Gehirn). Durch den Abtransport erhöht sich der Laktatgradient zwischen Gewebe bzw. Muskel und Plasma, was einen erhöhten Protonenefflux aus dem Gewebe ermöglicht. Denn beim MCT-Transport handelt es sich um einen Symport von Laktat und Protonen. Der Trainingseffekt äußert sich durch eine verbesserte Protonenaufnahmefähigkeit und Pufferfähigkeit der Erythrozyten. Insbesondere bei Krebserkrankungen kann ein solchermaßen trainiertes System die Tumormilchsäure, welche den Tumor schützt und die Metastasierung vorantreibt, effektiver aus dem Gewebe entfernen und unschädlich machen. Das MCT-Transportsystem hat unter Belastung den größten Stellenwert bei der pH-Regulation, weil es seine Transportleistung deutlich steigern kann. Die MCTs bestimmen damit die reale Pufferkapazität eines Gewebes (Brooks, 2009).
Bewegung fördert Entsäuerung – trotz Azidose
Bekanntlich reduziert Sport sehr nachhaltig das Krebsrisiko und die Rezidivrate. Sicherlich spielen hier auch immunologische und psychische Faktoren eine wichtige Rolle, jedoch sind daneben die direkten Effekte auf Tumorzellen und Tumornische nicht zu unterschätzen. So sagt ein Tumormodell aus, dass eine permanente Azidose, die tumorbedingt und ernährungsbedingt auftreten kann, das Tumorwachstum nicht hemmt, jedoch dass eine vorübergehende Azidose durch Sport die maligne Entartung verlangsamt (Smallbone et al., 2010).
Sport bewirkt sowohl durch verstärkte Zellatmung als auch durch aerobe Glykolyse zunächst eine Azidose. Intensive Belastungen gehen zwangsläufig mit vertiefter und beschleunigter Atmung einher. Damit wird vermehrt Sauerstoff (O2) eingeatmet (Verbesserung der Oxygenierung) und Kohlendioxid (CO2) (und damit quasi Kohlensäure) abgeatmet, um einem weiteren Absinken des Blut-pH-Wertes entgegenzuwirken. Bewegung sorgt auf diese Weise für eine Basenflut im Gewebe und entsäuert letztlich effektiv die extrazelluläre Matrix, erhöht die Körpertemperatur, fördert die Durchblutung und damit den Stoffaustausch und die Ausleitung der Säuren aus der extrazellulären Matrix. Regelmäßige körperliche Bewegung erhöht die Funktion und die Anzahl der Mitochondrien. Hochleistungssport kann wiederum eine ungünstige chronische Azidose fördern, da die Pufferreserven überlastet werden.