Читать книгу Jetzt einfach atmen! - Dr. med. Ruediger Dahlke - Страница 6
Vorwort
ОглавлениеDas große Anliegen dieses kleinen Buches ist es, den Atem als Freund, ja sogar besten Freund zu gewinnen. Er ist der ideale Partner, der uns, ohne Forderungen zu stellen, ständig begleitet, also über alle Maßen treu ist. Natürlich hat er Vorlieben wie saubere Landluft oder die dünnere Höhenluft in den Bergen, frischen Wind über den Wassern und natürlich – das ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen – die heilende Waldluft. Eigentlich aber liebt er einfach generell gute Luft, und die gibt es zum Glück auch noch überall in der freien Natur. In der Enge der Städte leidet er dagegen – besonders aufgrund der von Industrie und Verkehr verpesteten Luft, durch Staub und den Mangel an Lebensenergie Prana. So jedenfalls würde ein Inder der alten Tradition das moderne Elend ohne Kraft und Energie umschreiben. Doch selbst in diesem atem- und daher letztlich lebensfeindlichen Umfeld leistet unser Atem(trakt) sein Bestes, um mit der schwierigen Situation fertig zu werden. Nur im schlimmsten Fall sendet er Signale in Form von Atemwegserkrankungen und ihren Symptomen, um auf seine (und unsere Bedrohung) hinzuweisen. Wenn wir diese Zeichen deuten, können wir Schlimmeres abwenden und notwendige Schritte zur Heilung unternehmen. Genauso wie wirkliche Vorbeugung möglich ist, wenn wir das Wesen des Atems und der Lunge verstehen und ihren Bedürfnissen rechtzeitig und freiwillig entsprechen.
Unser Atem steht uns in jedweder Gefahr und Bedrohung, Herausforderung oder Stresssituation zur Seite. So nah und gut. Wenn wir ihn achten und lassen, dient er uns besser noch als ein bester Freund – anders und oft tiefergehend, als dieser es könnte. Tatsächlich begleitet er uns vom ersten Ein- atemzug, mit dem wir in diese Welt der Gegensätze eintreten, bis zum letzten Ausatemseufzer, mit dem wir das Leben aushauchen. Bis zu dem Augenblick, in dem der Atem in unser Leben tritt, ist dieses ein von unserer Mutter und ihrem Atem geliehenes, völlig von ihr abhängiges Leben. Und erst wenn der Atem uns wieder verlässt, können auch wir loslassen und gehen. Mehr Treue und bessere Begleitung sind wahrlich nicht möglich.
Der Atem ist unsere Brücke zwischen Körper und Seele. Keine andere Organfunktion können wir so bewusst beeinflussen, keine ist unserer Seele so nah. Daher spielt er auch bei allen Achtsamkeitsübungen eine wichtige Rolle, genauso wie im Yoga und Tai-Chi. Er begleitet uns. Je bewusster, desto besser. Immer zur Stelle, wenn wir ihn brauchen – und darüber hinaus, wenn wir ihn weder bemerken noch beachten. So wie es sich für einen guten Freund gehört.
Wo wir den Atem unbewusst anhalten, stockt er zwar für einen Moment und wir geraten zunehmend und rasch in größte Spannung. Aber er kommt mit Sicherheit zurück und sorgt weiter für uns. Und das tut er oft besser als wir selbst. Willentlich können wir den Atem gar nicht so lange anhalten, dass er sich mit dem Leben aus unserem Körperhaus zurückziehen würde. Stattdessen kehrt er mit Macht zu unserer Rettung zurück, um uns weiter mit Lebensenergie zu versorgen. Uns am und im Leben zu halten. Er steht uns bei, was immer auch passiert und was immer uns auch geschehen mag.
Wer den Atem als besten Freund gewinnt, findet – nach meinen Erfahrungen – auch bald wieder unter den Menschen einen besten Freund oder eine beste Freundin. Und das ist ungleich wichtiger, als viele ahnen. In 40 Arztjahren habe ich nie einen Burn- oder Bore-out-Patienten erlebt, der einen besten Freund beziehungsweise eine beste Freundin gehabt hätte. Und ich durfte viele Patient(inn)en begleiten, die von moderner Hektik wirklich angeschlagen und überfordert waren. In der Umkehrung heißt das: Beste Freunde verhindern ein Versinken in den neuen „Volksseuchen“.
Tatsächlich kann das auch der Atem verhindern – mit ganz einfachen, aber auch erhebenden und sogar gewaltigen Übungen. Ganz wie es zu uns passt. Der Atem hilft uns in jeder Situation, wir brauchen uns nur auf ihn zu besinnen. Wer sich ihm bewusst zuwendet, kann jeden Stress bewältigen.