Читать книгу D&O - Versicherung und Managerhaftung - Dr. Rocco Jula - Страница 9

Оглавление

B. Beispielsfälle

Zur Einstimmung werden zunächst einige Haftungsfälle vorgestellt, bei denen es um Ansprüche geht, die im Versicherungsumfang der D&O-Versicherung enthalten sein können.

„Die versäumte Option“

Eine Aktiengesellschaft, die ein Computer-Systemhaus betreibt, das IT-Dienstleistungen aller Art für Firmenkundschaft anbietet, ist in einem Bürokomplex ansässig, wobei der Mietvertrag in Kürze ausläuft. Es gibt jedoch eine Option der AG zur Verlängerung des Mietvertrags, wonach dieser für weitere fünf Jahre zu einem vereinbarten Preis von 12 Euro den Quadratmeter fortgesetzt werden kann. Das zuständige Vorstandsmitglied der AG versäumt es jedoch, die Option zu ziehen. Als dies auffällt und man an den Vermieter herantritt, ist dieser zwar zur Fortsetzung des Mietverhältnisses bereit, möchte nun aber eine um 5 Euro höhere Miete pro Quadratmeter. Dies ergibt bei der gemieteten Fläche von 2.000 m2 immerhin einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 10.000 Euro pro Monat. Bezogen auf die fünf Jahre der weiteren Laufzeit müsste die AG daher 600.000 Euro zusätzlich an Miete netto entrichten.

Der Aufsichtsrat der AG beschließt, das Vorstandsmitglied wegen der versäumten Geltendmachung der Option gemäß § 93 AktG in die Haftung zu nehmen. Der Fall wird dem D&O-Versicherer vorgelegt. Dieser prüft die Angelegenheit und regt zunächst an, sich mit dem Vermieter abschließend zu einigen. Schließlich stünde der Schaden noch nicht abschließend fest, ggf. könne man ein günstigeres Ausweichquartier beziehen. Nach Verhandlungen mit dem Vermieter ist dieser schließlich bereit, da die AG mit dem Auszug droht und ein Nachfolgemieter zu der Wunschmiete des Vermieters schwer zu gewinnen sein wird, sich mit einer Mieterhöhung von 2,50 Euro den Quadratmeter zufrieden zu geben. Damit muss die AG insgesamt 300.000 € mehr Miete in fünf Jahren entrichten als bei Ausübung der Option. Daher einigen sich die AG und der Vorstand auf einen sofort fälligen Vergleichsbetrag in Höhe von 250.000 Euro zum Ausgleich des Haftungsanspruchs. Dieser Vergleich wurde vor dem Abschluss mit dem D&O-Versicherer abgestimmt. Der D&O-Versicherer stellt das Vorstandsmitglied von seiner Haftung gegenüber der AG frei und übernimmt die Zahlung des Betrags von 250.000 Euro.

„Das Fake Angebot“

Malte Martin (M) arbeitet seit 20 Jahren als Ingenieur der Verfahrenstechnik in einer GmbH, die Süßwarenfabriken betreibt. Nun wird er Mitglied der Geschäftsführung und zuständig für die Produktion. Es sollen künftig im Hause die Kakaobohnen auch geröstet und gemahlen werden, weshalb entsprechende Maschinen angeschafft werden sollen. M holt mehrere Angebote ein. Eines ist deutlich günstiger, verlangt aber zur Sicherung des Angebots eine Anzahlung von 30.000 Euro. M veranlasst die Anzahlung. Daraufhin passiert jedoch nichts, es erfolgt keine Reaktion. Das Angebot erweist sich als Fake-Angebot. Der Internetauftritt, über den M das Angebot angefordert hatte, war von einem taiwanesischen Anbieter komplett kopiert worden. Der Name des Anbieters, der sich als EU-Importeur des Herstellers ausgegeben hat, sowie die E-Mail-Anschrift wurden verfälscht, so dass die Anfrage bei dem Betrüger auflief. Die Rückforderung der Anzahlung bleibt erfolglos. Eine Strafanzeige führt zu keinem Ergebnis hinsichtlich des Verbleibs der Anzahlung. Das Konto gehörte einer Person, die aus Unwissenheit ihre Daten zur Verfügung gestellt hat. Von diesem Konto wurde die Anzahlung noch am Tage ihres Eingangs ins Ausland weitergeleitet.

Die GmbH verzichtet wegen der 20-jährigen Tätigkeit auf eine Kündigung ihres Geschäftsführers, sie begehrt aber von M Schadensersatz wegen der erfolgten Anzahlung in Höhe von 30.000 Euro. Bereits eine Handelsregisterabfrage bzw. die Einholung einer Auskunft bei einer Auskunftei hätte ergeben, dass das Unternehmen, das die Offerte unterbreitet hat, gar nicht existiert. Mindestens diese Informationen hätte M vor dem Vertragsschluss nach Auffassung der Gesellschafterversammlung einholen müssen. M übersendet den Beschluss der Gesellschafterversammlung, der seine Inanspruchnahme vorsieht, dem D&O-Versicherer. Dieser reguliert nach eingehender Prüfung den Schaden durch Zahlung an die GmbH. Der D&O-Versicherer geht zwar davon aus, dass das Verhalten des M grob fahrlässig gewesen ist. Grobe Fahrlässigkeit wird jedoch in der D&O-Versicherung wie auch in jeder anderen geläufigen Haftpflichtversicherung mitversichert.

„Angebot über alle Phasen“

Malte Martin (M) aus dem vorgenannten Beispiel ist weiter für die GmbH tätig. Ein Jahr später soll ein neues Produktionsgebäude auf einem hinter dem Betrieb der GmbH gelegenen, ihr gehörenden Grundstück errichtet werden. M ist federführend für die Errichtung des neuen Gebäudes zuständig. Er lässt sich zunächst ein Angebot eines Architekten vorlegen. Dieses Angebot sollte sich eigentlich nach der Vorstellung von M und der im Vorfeld eingebundenen Gesellschafterversammlung nur auf die Leistungsphasen bis zur Genehmigungsplanung, also bis zu der Erteilung der Baugenehmigung erstrecken, es umfasst jedoch alle Leistungsphasen über die Ausführungsplanung bis zur Objektüberwachung und Objektbetreuung durch den Architekten. Dies hat M übersehen. Er war der Ansicht, die Phasen könne man optional dazu wählen, hat aber nicht überblickt, dass diese schon fest vereinbart gewesen sind. Die GmbH kämpft mit Umsatzausfällen, so dass die Betriebserweiterung jetzt doch nicht durchgeführt werden soll. Die Baugenehmigung liegt bereits vor. Der Architekt möchte seine Arbeit mit den weiteren Leistungsphasen fortsetzen. Da das Vorhaben absehbar nicht mehr realisiert werden soll, kündigt die GmbH den Architektenvertrag. Der Architekt berechnet hierfür eine Entschädigung in Höhe von 500.000 Euro. Die GmbH weigert sich zu zahlen, wird aber in einem anschließenden Gerichtsprozess hierzu verurteilt. Nach Ausgleich des Urteilsbetrags zuzüglich Kosten möchte die GmbH M wegen ihres gesamten Schadens, der durch Kosten und Zinsen auf 600.000 Euro angewachsen ist, in Rückgriff nehmen.

Der Anspruch der GmbH gegen den Geschäftsführer aus der sog. Innenhaftung besteht gemäß § 43 II GmbHG. Der Geschäftsführer hat pflichtwidrig und fahrlässig gehandelt, als er das Angebot über alle Leistungsphasen unterschrieben hat. Dadurch ist der GmbH der vorgenannte Schaden entstanden. Hierfür genösse M auch Versicherungsschutz in der D&O-Versicherung. Der D&O-Versicherer müsste hier den Geschäftsführer von dessen Haftung freistellen und den Schaden gegenüber der GmbH ausgleichen.

„Unterbrechung mit Folgen“

Die GmbH hält trotz des zweiten Haftungsfalls weiter an M fest. Auch der D&O-Versicherer gewährt weiterhin Versicherungsschutz, wobei allerdings die Prämien wegen der Schadenquote für die Zukunft kräftig erhöht wurden. Erneut zieht ein Jahr ins Land und es ereignet sich bei Bitumenschweißarbeiten auf dem Dach der bisherigen Produktionshalle ein schwerer Brand. Die Produktionshalle brennt bis auf die Grundmauern ab. Auch die Produktionsanlagen sind völlig zerstört. Die GmbH gerät dadurch schwer in die Krise. Sie kann allerdings über ihren zweiten Standort einen Teil des Produktionsausfalls auffangen und damit die Insolvenz vermeiden. Der Wiederaufbau gestaltet sich allerdings recht langwierig, zumal auch Bodensanierungen vorzunehmen sind. Nach fast drei Jahren steht das neue Fabrikgebäude. Die GmbH hat über den Feuer-Versicherer den Neuwert der Produktionshalle sowie einen neuwertigen Maschinenpark erhalten. Allerdings wurde bisher der Unterbrechungsschaden, d.h. der entgehende Gewinn und die fortlaufenden Kosten, noch nicht reguliert. Der Unterbrechungsversicherer, bei dem eine Haftzeit von 24 Monaten vereinbart ist, hat gleich zu Beginn seine Verantwortlichkeit abgelehnt, da er der Ansicht ist, dass Schutzvorkehrungen bei der Durchführung der Schweißarbeiten nicht eingehalten worden sind und daher der Schadensfall grob fahrlässig herbeigeführt wurde. M hat für die GmbH diese Ansprüche nicht weiterverfolgt.

Nach mehr als drei Jahren konsultiert er nunmehr einen Rechtsanwalt und legt diesem die Unterlagen vor. Der Rechtsanwalt meint, dass bei grober Fahrlässigkeit nur eine Kürzung in Betracht käme und der Betriebsunterbrechungsversicherer wenigstens anteilig zahlen müsse; außerdem könne man sich auch über die grobe Fahrlässigkeit streiten. Er gehe davon aus, dass nur einfache Fahrlässigkeit vorliege und daher vollständig reguliert werden müsse. Zwischenzeitlich ist allerdings die Verjährungsfrist von drei Jahren verstrichen, so dass sich der Unterbrechungsversicherer weiterhin auf vollständige Leistungsfreiheit beruft. Eine anschließende Klage gegen den Unterbrechungsversicherer wird daher schon wegen der Verjährung abgewiesen. Bei vollständiger Regulierung hätte die GmbH 12 Mio. Euro erhalten. Wäre nur anteilig wegen einer Kürzung von z.B. 50% aufgrund der Bejahung der groben Fahrlässigkeit reguliert worden, wäre dies ein Betrag von 6 Mio. Euro gewesen.

Die Gesellschafterversammlung beschließt, den Geschäftsführer, der den Anspruch zu spät verfolgt hat, in die Haftung zu nehmen. Der D&O-Versicherer weist darauf hin, dass die Versicherungssumme nur 5 Mio. Euro betrage, mehr werde ohnehin nicht geleistet. Nach zähen Verhandlungen mit dem Versicherer einigt man sich schließlich auf Zahlung eines Betrags in Höhe der Deckungssumme von 5 Mio. Euro. Künftig ist allerdings der D&O-Versicherer nicht mehr bereit, den Vertrag fortzuführen, er kündigt diesen anlässlich des Schadensfalls.

Die Versicherungsbedingungen enthielten nicht, wie dies etwa bei den Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) der Fall ist, einen Ausschluss des Versicherers bei unzureichendem Versicherungsschutz. Solche Ausschlüsse kann der Versicherer vereinbaren. Dadurch wird erreicht, dass Defizite bei versicherungsrechtlichen Ansprüchen nicht durch die D&O-Versicherung ausgeglichen werden.

„Das sonnige Gemüt“

Eine AG betreibt Bauträgergeschäfte. Im dreiköpfigen Aufsichtsrat sitzt ein Professor für Schiffbau, dessen Name auch als Aushängeschild für die AG benutzt wird. Der Professor kümmert sich indes um nichts, er nimmt an den Aufsichtsratssitzungen nicht teil und lässt sich auch sonst nicht informieren. Die AG vereinnahmt über einen Zeitraum von 15 Monaten Anzahlungen von Kunden, die die beiden Vorstandsmitglieder zweckwidrig verwenden, im großen Stil sogar eigenmächtig entnehmen. Der Vorstand beantragt, nachdem er sich „seine Taschen vollgesteckt hat“, die Einleitung des Insolvenzverfahrens und taucht ab. Das Insolvenzverfahren wird eröffnet, der Vorstand und die Gelder bleiben verschwunden.

Der Insolvenzverwalter meint, der Aufsichtsrat hätte nach spätestens sechs Monaten bereits anhand der Zahlen des Rechnungswesens merken müssen, dass Gelder abfließen. Von den drei Aufsichtsratsmitgliedern ist nur noch der Professor greifbar. Diesen will nun der Insolvenzverwalter in die Haftung nehmen, weil er meint, dass dann, wenn dieser rechtzeitig eingegriffen hätte, 2 Mio. Euro nicht mehr unberechtigt entnommen worden wären. Der Fall wird dem D&O-Versicherer gemeldet, der offen lässt, ob ggf. eine Leistungsfreiheit wegen wissentlicher Pflichtverletzung besteht. Sie käme – so der Versicherer - in Betracht, wenn am Ende eine rechtskräftige Verurteilung deshalb erfolge, weil der Aufsichtsrat jegliche Überwachungstätigkeit unterlassen habe. Einstweilen gewährt der D&O-Versicherer aber erst einmal Abwehrdeckung. Im Prozess ergeht am Ende ein Urteil, in dem die Klage gegen den Professor abgewiesen wird. Das Gericht ist zu der Überzeugung gekommen, dass die Entnahmen so geschickt in der Buchhaltung kaschiert wurden, dass der Aufsichtsrat dies bis zur Insolvenzantragstellung nicht hätte merken müssen. Da die Insolvenzmasse unzulänglich ist, werden die Anwaltskosten auf Seiten des Professors nicht erstattet, so dass das verklagte Aufsichtsratsmitglied dankbar dafür ist, dass der D&O-Versicherer diese Kosten übernommen hat.

D&O - Versicherung und Managerhaftung

Подняться наверх