Читать книгу Poesía Visual im Spanischunterricht - Dr. Victoria del Valle Luque - Страница 7
Einleitung
ОглавлениеDass Literaturunterricht in der Fremdsprache immer auch Sprachunterricht bedeutet, heißt nicht, dass sich Literaturunterricht an den Sprachunterricht ohne weiteres anschließen lässt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass „der Sprachunterricht nicht einfach in Literaturunterricht“ (Weinrich 1983, 201) mündet. Denn erfolgreich erworbene Sprachkompetenzen sind kein Garant für einen erfolgreichen Literaturunterricht. Die erste Begegnung mit literarischen Texten, mit dem Ausdrucksreichtum und der Dichte von poetischer Sprache, kann im Fremdsprachenunterricht zu Motivationsverlust bei den Lernenden führen. Die von der Norm abweichende Form der literarischen Sprache und ihr hoher Grad an Poetizität und ihre Komplexität können bei den Fremdsprachenlernenden Beklemmung und eine ablehnende Haltung auslösen.
Weinrich erkannte diesen Umstand bereits vor mehr als drei Jahrzehnten und nennt diese beklemmende Begegnung mit der Komplexität von Literatur im Fremdsprachenunterricht „Literaturschock“ (ebd.). Er postuliert, dass im Fremdsprachenunterricht „der sprachlichen Komplexität nicht auszuweichen [ist], sondern [versucht werden soll,] Methoden zu entwickeln, ihr zu begegnen“ (ebd., 203). Aus diesem Grund plädiert er dafür, Literatur von Anfang an in den Fremdsprachenunterricht zu integrieren, sodass die Komplexität von Sprache als ihre Natur verstanden und gelernt wird, von Anfang an mit ihr umzugehen (vgl. ebd. 203f.).
Weinrichs Plädoyer bildet den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Ihm folgend geht sie davon aus, dass sich literarische Texte von Beginn an in den Fremdsprachenunterricht integrieren lassen und so dem Komplexitätsschock vorgebeugt werden kann. Besonders geeignet erscheinen ihm hierfür poetische Texte, die erstens kurz oder sehr kurz sind, damit sie im Fremdsprachunterricht früh zu bewältigen sind, und zweitens überdeterminiert, damit auch mit wenig Sprache viel Bedeutung erzeugt werden kann.
Die Besonderheit poetischer Texte im Fremdsprachenunterricht liegt jedoch letztlich nicht in ihrer Kürze. Die Begründung für den Einsatz poetischer Texte untermauert Weinrich mit der These, dass zwischen poetischem und fremdsprachlichem Lesen eine Strukturhomologie existiere, und er konstatiert, angelehnt an strukturalistische Untersuchungen, „dass die Literatur eine poetische Sprache hat, die häufig so beschaffen ist, dass sie den Leser durch allerlei Hemmnisse und Behinderungen zu einer erschwerten und folglich verlangsamten Rezeption des Textes zwingt“ (ebd., 204; vgl. auch Steinbrügge 2015). Das Lesen in der Fremdsprache hat insbesondere bei Fremdsprachenlernanfängern große Ähnlichkeit mit dem Lesen poetischer Texte (vgl. Weinrich 1983, 204). In beiden Fällen sind die Leserinnen und Leser gezwungen, mehr Aufmerksamkeit auf die sprachliche Form des Textes zu richten. Fremdsprache und poetische Sprache erfordern eine gleichermaßen intensive Auseinandersetzung, um zur Bedeutung des Textes zu gelangen. Der Umgang mit Sprache sei in beiden Fällen fast identisch: Der sperrige, überdeterminierte Signifikant verunmögliche einen Automatismus beim Lesen und erfordere ein längeres Verweilen am Text. So ist das Rezeptionstempo bei Lesern poetischer und fremdsprachlicher Texte gleichermaßen stark verlangsamt. Das langsame oder sogar sehr langsame Lesen bedeute jedoch nicht nur weniger schnelles Lesen, sondern vor allem eine andere Art des Lesens: Fremdsprachliche und poetische Texte würden nicht linear von links nach rechts gelesen, vielmehr sei der Leser wiederholt gezwungen, vor- und zurückzugehen und den Text förmlich zu umkreisen. Die Aufmerksamkeit des Lesers teile sich zudem in beiden Fällen immer auf zwischen Signifikant und Signifikat und befinde sich in einem ständigen Wechsel zwischen sprachlicher Form und der Bedeutung. Aus diesem Grund sei beim Lesen fremdsprachlicher einerseits und poetischer Texte andererseits sehr viel mehr Aufmerksamkeit auf die sprachliche Form zu richten als auf den Inhalt (vgl. ebd.).
Fremdsprachenlerner und Leser poetischer Texte befinden sich also in einer ähnlichen Situation angesichts eines Textes, dessen fremdsprachliches Vokabular oder dessen poetische Sprache den aus der Muttersprache beziehungsweise aus der nicht literarischen Standardsprache gewohnten automatischen Zugang zur Bedeutung nicht zulasse. In diesem Moment erhöhter, auf die sprachliche Form gerichteter Aufmerksamkeit befänden sich Fremdsprachenlernende sowie Leser poetischer Texte in einem „Schwebezustand“ oder „poetischen Zustand“ (ebd., 205). Das längere Verweilen am fremdsprachlichen Text sei dem Umstand geschuldet, dass er erst dekodiert, das heißt übersetzt werden muss. An poetischen Texten und Textteilen ist ein längeres Verweilen deshalb notwendig, weil es sich bei poetischer Sprache um Sprache handelt, die ästhetisch überdeterminiert und autoreferenziell ist und infolgedessen ein aufwändiges Entschlüsseln einfordert. Diese ästhetische Erfahrung als Teil des Leseprozesses bilde den formästhetischen Reiz poetischer Texte. Für den fremdsprachlichen Text ist diese Erfahrung nicht primär als ästhetisch zu bezeichnen, sondern zunächst als bewusste Wahrnehmung des Unbekannten, als eine außergewöhnliche Erfahrung. Der (fremdsprachen-)didaktische Mehrwert von ästhetisch-literarischem Lesen und fremdsprachlichem Lesen liegt im Wahrnehmungsprozess, der in beiden Fällen mit erhöhter Intensivität und Bewusstheit ablaufe.
Für die Auswahl literarischer Gegenstände für den Fremdsprachenunterricht zieht Weinrich deshalb folgende Schlussfolgerung: In besonderem Maße eigneten sich Texte, die für ein längeres Verweilen geschaffen wurden (vgl. ebd., 206). Wenn Leserinnen und Leser fremdsprachlicher Texte ohnehin große Aufmerksamkeit auf den Signifikanten richten, dann sollten ihnen Texte dargeboten werden, die ein langes Verweilen ertragen, die langsam, wiederholt und zögernd gelesen werden wollen (vgl. Steinbrügge 2015, 8). Es sind daher Texte zu wählen, die eine autoreferenzielle, verdichtete Sprache vorweisen:
Als Texte nun, die gerade für die ersten Lektionen des Fremdsprachunterrichts in Frage kommen, bieten sich zunächst höher strukturierte Gebilde an, die so beschaffen sind, daß sie einen wesentlich größeren Teil der Aufmerksamkeit der Lernenden bei den Sprachformen festhalten, und zwar auf lustbetonte Weise. Hierzu eignen sich in besonderem Maße die Texte der konkreten und visuellen Poesie (Weinrich 1983, 206).
Der Einsatz poetischer Texte im fremdsprachlichen Literaturunterricht wird hier ausdrücklich nicht mit ihrem Bildungsgehalt – einem der zentralen Argumente in der literaturdidaktischen Diskussion der letzten Jahrzehnte (vgl. z. B. Hellwig 2008) – begründet; vielmehr ist das entscheidende Kriterium für die Auswahl eines literarischen Textes für den Fremdsprachenunterricht seine besondere sprachliche Form und Strukturiertheit:
Dieses Kriterium erfüllen Texte, die eine hohe sprachliche Dichte aufweisen, oder, um es mit den Strukturalisten zu sagen, einen hohen Grad an Poetizität und Literarizität. Das heißt, der Text hat bestimmte Merkmale, die bewirken, dass die Sprache abweicht von der Alltagssprache (Steinbrügge 2015, 9).
Die Inhalte der poetischen Texte – so Steinbrügge (ebd.) – seien deswegen nicht bedeutungslos oder gar obsolet, sie seien nur nicht – im Gegensatz zu den formalen Aspekten – das ausschlaggebende Kriterium.
Ein solcher literaturdidaktischer Ansatz, der ganz von der Beschaffenheit seines Gegenstandes her denkt, also text- und formzentriert ist, mag vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um den Stellenwert literarischer Texte in einem kommunikations- und kompetenzorientierten und lernerzentrierten Fremdsprachenunterricht zunächst ungewöhnlich, wenn nicht befremdlich erscheinen. Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit wird es sein, aufzuzeigen, dass eine gegenstandsorientierte Literaturdidaktik und ein kompetenzorientierter Fremdsprachenunterricht sich nicht nur nicht ausschließen, sondern vielmehr miteinander versöhnt werden müssen und auch können.
Erste Schritte auf diesem Weg sind bereits in den 1990er Jahren (und damit einige Zeit vor dem Greifen des Paradigmenwechsels zu einem kompetenz- und standardorientierten Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis) Gienow und Hellwig (1996) mit ihrer prozessorientierten Mediendidaktik gegangen. Sie verbinden in ihrem methodisch-didaktischen Ansatz Gegenstands- und Lernerorientierung miteinander, indem sie dafür plädieren, nur solche Texte im Fremdsprachenunterricht einzusetzen, die „bedeutungsgeschichtet, mehrdeutig, interpretationsoffen, problemhaltig, rätselhaft, beunruhigend, innovativ und alternativ“ (Gienow/Hellwig 1996, 6) seien und zudem „die allgemeine Lebenspraxis und -erfahrung der Lerner so weit wie möglich betreffen“ und kommen zu dem Schluss, dass alle genannten Auswahlkriterien bei „kunsthaltigen Texten“ (ebd.) gegeben seien. Küster (2003) konstatiert folgerichtig:
Im Gegensatz zu rein sprachfertigkeitsorientierten Ansätzen der Fremdsprachendidaktik sehen Gienow/Hellwig (1997: 17) eine Interdependenz von Sprach-, Bedeutungs- und Sinnbildung im Fremdsprachenunterricht. (…) Mit diesem Konstrukt verbindet das Autorenduo zwei ansonsten als unüberbrückbar erscheinende didaktische Ansätze, jene nämlich, die vom Gegenstand und jene, die vom Lerner ausgehen (Küster 2003, 129).
Die vorliegende Arbeit knüpft daran an, geht aber noch einen Schritt weiter, insofern es ihr darum zu tun ist, die Gegenstandsorientierung nicht nur mit der Lernerorientierung, sondern mit der Kompetenzorientierung insgesamt zu versöhnen, und macht sich damit auf einen Weg, den nicht zuletzt Hellwig selbst viele Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen seiner Beiträge zu einer prozessorientierten Mediendidaktik und wohl unter dem Eindruck des oben genannten Paradigmenwechsels eingeschlagen und vorgezeichnet hat (vgl. Hellwig 2008).
Der Gegenstand meiner Studie, den ich für dieses literaturdidaktische Anliegen im Hinblick auf den hier in Rede stehenden Spanischunterricht zum Ausgangspunkt nehme, ist die bisher für den Spanischunterricht wenig beachtete Gattung der Poesía Visual. Sie erfüllt die oben genannten Kriterien in besonderem Maße und kann einerseits mit Gienow/Hellwig als „bedeutungs- und belangvoller“ (ebd.) Lerngegenstand für den Spanischunterricht und andererseits mit Weinrich als „höher strukturiertes Gebilde“ (1983, 206), als verdichteter Text mit einem hohen Überschuss an impliziter Bedeutung eingestuft werden. Als Äquivalent zur Konkreten Poesie (die Weinrich selbst als potenziellen Gegenstand für den fremdsprachlichen Literaturunterricht ins Spiel brachte) können poemas visuales für den fremdsprachlichen Literaturunterricht allein durch ihre externe Kürze und Überdeterminiertheit in Betracht gezogen werden: Sie funktionieren mit nur sehr wenigen Wörtern, manchmal mit nur einem einzigen Wort, das zu einem Bildelement in Beziehung gesetzt wird. Darüber hinaus sind poemas visuales - und hier liegt das besondere didaktische Potenzial dieser Gattung - intermediale und hybride poetische Texte, bestehend aus Schrift und Bild. Was bedeutet, dass poetische Botschaften durch visuell-kommunikative Zeichen mitgestaltet werden. Das Bild ist somit im Zusammenspiel mit der Schrift als ein kommunikatives und zugleich poetisches Zeichen zu sehen.
Das Bild als konstitutives Element dieser hybriden literarischen Kurzgattung ist noch aus einem zweiten Grund relevant für die Wahl gerade dieses Gegenstandes für die vorliegende Studie. Im Zeitalter des sogenannten iconic turn (Boehm 1994)1 ist unser Alltag stärker denn je von Bildern geprägt. Aufgrund ihrer gattungsspezifischen Schrift-Bild-Kombination und ihrer Verbreitung im Internet handelt es sich bei der Poesía Visual somit um eine aktuelle poetische Gattung, die einen starken Bezug zur Erfahrungswelt von jugendlichen Schülerinnen und Schülern vorweist. Mit Bildern zu sprechen und Bilder zu lesen, ist den Jugendlichen von heute nicht fremd. Poemas visuales als Gegenstand des Spanischunterrichts aufzunehmen, bedeutet, Elemente der Bildsprache als Elemente einer poetisch-ästhetischen Sprache im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts thematisieren zu können und damit einen entscheidenden Beitrag zur Ausbildung und Förderung einer visual literacy zu leisten. Sie ermöglichen die Sensibilisierung für das ästhetische Lesen von ikonischen (und grafischen) Zeichen, die nach den Vorstellungen Weinrichs an die Notwendigkeit, die „Ästhetik des Alltags“ (Jakobson 1960) in den Unterricht zu holen, anknüpft.
In der vorliegenden Dissertation werden zum ersten Mal die Gattung der Poesía Visual und das visuelle kommunikative Zeichen als (fremd)sprachliches und poetisches Ausdrucksmittel aus didaktischer Perspektive untersucht. Sie ist folgerichtig im Spannungsfeld zwischen Literatur- und Bildwissenschaft einerseits und der fremdsprachlichen Literatur- und Bilddidaktik andererseits angesiedelt. Im Sinne der Gegenstandsorientierung macht sie es sich zunächst zur Aufgabe, die noch weitgehend unerforschte Gattung der Poesía Visual für den Spanischunterricht systematisch zu erschließen. Da es in der Hispanistik bisher nur wenige Untersuchungen zur Poesía Visual gibt, wird sie zunächst als Gegenstand in der spanischsprachigen Literaturwissenschaft und Literaturgeschichte (TEIL I) beleuchtet. Die daraus resultierenden Erkenntnisse bilden die Voraussetzung für die in TEIL II erfolgende didaktisch-methodische Analyse der Gattung als Gegenstand des Spanischunterrichts.
Was ist überhaupt Poesía Visual? Wie lässt sich diese Gattung begrifflich fassen? Welche formalen Charakteristika weist sie auf? Und welche Typen von poemas visuales gibt es? Dies sind die Leitfragen, denen im ersten Kapitel von Teil I (Poesía Visual: Definition – Theorie – Typologie) nachgegangen wird. Anliegen und gleichermaßen Herausforderung des Kapitels ist es, eine Gattungsanalyse vorzulegen, die für den literaturwissenschaftlichen Forschungsstand in der Hispanistik repräsentativ und für die Spanischdidaktik relevant ist. So werden verschiedene Definitionen herausgearbeitet und verschiedene Typen von poemas visuales vorgestellt und analysiert.
Als Korpus diente eine Auswahl von über 300 poemas visuales, die in der akademischen Version der Dissertation als editorischer Teil in Form einer Anthologie von poemas visuales vorgelegt wurde und das Ziel verfolgte, einen repräsentativen Überblick über die aktuelle Poesía Visual zu geben. Es wurde auf eine möglichst breite Zusammenstellung von Gedichten und, damit verbunden, auf eine vielfältige Auswahl von Dichterinnen und Dichtern geachtet. In Anbetracht der kaum überblickbaren Fülle von veröffentlichten poemas in Zeitschriften und insbesondere im Internet wurde als zentrale Quellen auf bestimmte Einrichtungen, Veröffentlichungsorgane und Internetportale rekurriert. Da nicht alle spanischsprachigen visuell-poetischen Veröffentlichungen berücksichtigt werden konnten, wurde die Poesía Visual auf ihr Vorkommen auf der Iberischen Halbinsel beschränkt, was bedeutet, dass die ausgesuchten Quellen in Spanien verortet sind (im Fall des Internetportals wurde die Postadresse des Webmasters herangezogen). Die geografische Eingrenzung bezieht sich jedoch lediglich auf die Quellen und somit auf gewisse Kern- und Versammlungspunkte der visuell-poetischen Szene. Eine geografische Eingrenzung der Poesía Visual als Gattungsphänomen ist gänzlich unmöglich und im Übrigen auch ganz und gar nicht im Sinne der Poesía Visual, die sich als avantgardistische Kunst und daher in jeglicher Hinsicht als grenzenlose Gattung versteht (siehe Kapitel 1.3). Bei der Auswahl der Quellen, aus denen die poemas visuales geschöpft wurden, lag die höchste Priorität darin, eine authentische und mithin vielseitige Repräsentation der aktuellen Poesía Visual zu erlangen.
Kapitel 2 widmet sich der historischen Entwicklung der Poesía Visual, verfolgt also eine literaturgeschichtliche Fragestellung. In aktuellen deutschsprachigen Forschungsarbeiten ist zu beobachten, dass der Betrachtung der historischen Entwicklung dieser Gattung zunehmend Beachtung geschenkt wird (vgl. v. a. Dencker 2011; Ernst 2012). Dies gilt gleichermaßen für spanische Studien (vgl. v. a. Fernández Serrato 1995; Millán Domínguez 1999). Der Grund für das wachsende historische Forschungsinteresse dürfte nicht zuletzt daran liegen, die Visuelle Poesie überhaupt erst als eigenständige Gattung zu etablieren, ein Prozess, der noch nicht als abgeschlossen gelten kann.
Das wesentliche Ziel von TEIL II besteht indes darin, das fremdsprachendidaktische Potenzial von poemas visuales auszuloten und eine didaktisch-funktionale Typologie für diese Gattung vorzulegen.
Die vorliegende Arbeit versteht sich als eine multiperspektivische Didaktik, die einen künstlerisch-poetischen Gegenstand zum Thema hat. Weil die Poesía Visual ein dynamischer und facettenreicher Gegenstand ist, wird ein perspektivenreicher und interdisziplinärer Blick auf sie gerichtet, aus dem unterschiedliche Konsequenzen für eine didaktische Operationalisierung dieses Gegenstandes folgen. Der didaktischen Transformation liegen so zwei entscheidende konzeptuelle Vorüberlegungen zugrunde: Zum einen wird ein interdisziplinärer Zugang verfolgt, der literatur-, medien-, sprach- und kulturdidaktische Reflexionen integriert. Der hybride und intermediale Gegenstand Poesía Visual macht eindeutige Genrezuordnungen und Gattungsdefinitionen unmöglich, lässt sie bisweilen sogar absurd erscheinen. Die interdisziplinäre Orientierung erlaubt indes eine perspektivenreiche Annäherung an diesen vielschichtigen Gegenstand.
Außerdem verorten sich die vorgeschlagenen didaktischen Transformationen im Spannungsfeld eines gegenstandsorientierten Unterricht einerseits und eines kompetenzorientierten Unterrichts andererseits (Kapitel 6.1). Gegenstandsorientiert bedeutet zunächst den Text mit seinen gattungsspezifischen Charakteristika und Besonderheiten an unterrichtliche, methodische und lernpsychologische Erfordernisse anzuknüpfen, und nicht a priori den Lerner als Ausgang zu sehen. Kompetenzorientiert ist das Vorgehen, weil es ausgehend von den Spezifika des Gegenstandes danach fragt, welche funktionalen kommunikativen Kompetenzen und welche Text- und Medienkompetenzen damit ausgebildet und gefördert werden können. Folgerichtig werden die didaktischen Potenziale der Poesía Visual nach Kompetenzen und Teilkompetenzen ausdifferenziert.
Im Einzelnen gliedert sich TEIL II der Dissertation folgendermaßen: Nach einer Bestandsaufnahme des aktuellen Forschungsstandes zu visuell-poetischen Texten im Fremdsprachenunterricht (Kapitel 3) werden im Kapitel 4 die Gattungsmerkmale der Poesía Visual im Sinne einer fremdsprachendidaktisch relevanten Sachanalyse herausgefiltert, um ihr (fremdsprachen-)didaktisches Potenzial zu bestimmen und entsprechende didaktisch-methodische Überlegungen anzuschließen. Dabei erweisen sich die Untersuchungen zum Verhältnis von Schrift und Bild im poema visual – als hybride und intermediale Repräsentationsformen – als besonders zielführend. Als Analyseinstrumentarium werden strukturalistisch-mediensemiotische Ansätze gewählt, die das Zusammenspiel von Schrift und Bild im poema visual sowie die für den Sprachunterricht relevanten Konsequenzen begreifbar und beschreibbar machen. Daran schließt sich eine Typologisierung der Poesía Visual an (Kapitel 5), in der drei Typen von poemas visuales unterschieden werden: poemas verbales, poemas verbo-visuales und poemas imagen. Es handelt sich hierbei um eine ganz bewusst und genuin für den Unterricht konzipierte Typologie, die deshalb als didaktisch-funktionale Typologie bezeichnet wird. Sie bildet die Grundlage für die darauffolgende methodisch-didaktische Transformation nach (Teil-)Kompetenzbereichen (Kapitel 6). Es werden drei Kompetenzbereiche für den Umgang mit poemas visuales im Spanischunterricht ausdifferenziert, die aus ihren Gattungsspezifika hervorgehen: die visuell-literarische Kompetenz (Kapitel 6.2), die lexikalische Kompetenz (Kapitel 6.3) und die inter- und transkulturelle Kompetenz (Kapitel 6.4), alle integrieren jeweils Einzel- und Teilkompetenzen. In den Unterkapiteln zu den jeweiligen Kompetenzen werden konkrete Unterrichtsbeispiele vorgestellt.