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Die Überfahrt

DIE JOLLE schwankte bedrohlich während der kurzen Überfahrt vom Hafen in Poole zur Insel draußen in der Lagune. Und ich konnte mich nicht einmal beschweren. Zad hatte mich gebeten, nicht in Anwesenheit des Skippers zu reden. »Man schätzt es hier an der Küste nicht, wenn Frauen sich einmischen«, war seine seltsame Begründung gewesen. »Smalltalk ist doch kein Einmischen – der soll sein Boot schon steuern, wie er’s für richtig hält …«, hatte ich eingewandt, doch Zads Blick ließ keinen Widerspruch zu. Ich war also allein mit meinem Magengrummeln – eigentlich war ich recht seefest, doch als Landratte einfach nicht gewohnt, in so einer Nussschale über schwere See zu fahren. Es war weniger echte Angst zu ertrinken als vielmehr das Gefühl, auf Gedeih und Verderb diesem dunkelgrünen Wasser und dem Verhältnis des Skippers zu selbigem ausgeliefert zu sein. Ich rechnete mir aus, dass die Strecke sich schwimmen lassen müsste, wenngleich die Wassertemperatur sicherlich nicht gerade angenehm war. Ich war auch allein mit meinen Gedanken über Zad und diesen unseren ersten Urlaub, der mir persönlich etwas zu bald nach unserem Kennenlernen stattfand. Doch Zad hatte einen Job zu erledigen auf der pittoresken Naturschutzinsel, und ich hatte die Wahl, ihn in diesem Sommer nicht mehr zu sehen oder aber meinen Urlaub zu nehmen und ihn bei voraussichtlich bestem Wetter zu begleiten. Für den Fall, dass wir überhaupt nicht miteinander zurechtkommen sollten, konnte ich immer noch frühzeitig abreisen und mir London, Stonehenge oder die Abtei von Canterbury anschauen.

Zad war ein handwerklich begabter Ornithologe, der selbst in seinem Urlaub keinen Stillstand, keine den ganzen Tag währende Untätigkeit vertrug. Stattdessen machte er sich lieber nützlich. Einen Mitarbeiter wie Zad konnte man brauchen auf Blackwater Island. Es gab immer etwas zu tun, über die Vögel in der Lagune – Anzahl, Artzusammensetzung – sollte täglich jemand eine Aufzeichnung machen. Die Heide wollte abgeplaggt und die mit Erlen verbuschende Binsenwiese gemäht werden. Der eingeschleppte Rhododendron, dieser schönblütige, aber auf die Dauer schädliche Strauch, der alles andere pflanzliche Leben auf der Insel früher oder später überwuchern würde, sollte gefällt, das Holz verbrannt, den aus den Strünken sprießenden Trieben mit Roundup das junge Leben ausgehaucht werden. Die Schächte der alten Tongrube sollten durch Gitter verschlossen werden, damit kein Kind und kein Hund hineinfiele. Und wenn das Wetter wirklich mal zu schlecht war, gab es in der Villa stets etwas zu reparieren.

Ich wusste noch nicht recht, ob auch ich mich bei diesen Dingen nützlich würde einbringen können, doch Zad hatte bereits von der gut ausgestatteten Küche berichtet, und wir hatten einen enormen Rucksack voller Lebensmittel aus Poole mit an Bord. Ich würde also die klassische Rolle der Küchenfee einnehmen, während er draußen in der Scheune, der Werkstatt oder aber in der Natur zugange war. Gerade weil ich mich selbst für emanzipiert hielt, eine gut bezahlte Stelle als Wissenschaftlerin in einem Umweltforschungszentrum hatte und in jeder Hinsicht unabhängig war, konnte ich es mir leisten, im Urlaub auch mal das Heimchen zu spielen – zumal es zur beschriebenen Atmosphäre der alten Villa passte, die wie eine Einsiedelei abseits von Schloss und Landesteg und einer Handvoll Häusern mitten im Naturschutzgebiet lag. Die Rolle schien mir sogar einigermaßen reizvoll; ich hatte einige Rezepte – vor allem mit Fisch – eingepackt, die ich immer schon hatte ausprobieren wollen.

Wir schleppten unser Gepäck zu Zads Landrover, der an der Rückseite des beeindruckenden Schlosses bereit stand. Auf dem Weg passierten wir den von Mauern umgebenen, überaus gepflegten Schlossgarten: ein rosa Laubengang mit rankenden Rosen und Blumenampeln, zu Tierfiguren geschnittene Buchsbäume und Zedern, Marmorstatuen auf englischem Rasen. Zad schien überall wie selbstverständlich Zutritt zu haben. Wir schlüpften durch ein niedriges »Tor im Tor« an der Rückseite des Gartens und beluden den Landrover. Eine holprige Fahrt über Waldwege begann; zur Linken erspähte ich zwischen hohen Kiefern die Ruine einer alten Kirche, grau und wie versteinert. Bald darauf erschien rechts ein Holztor, das die Brücke über den »Panzergraben«, wie Zad ihn nannte, absperrte. In Wirklichkeit war das träge fließende Gewässer der Ablauf einer ausgedehnten, von zahlreichen Quellen gespeisten Moorfläche, die ich später noch genauer kennenlernen sollte. »Hier kommen die Leute nur tagsüber mit den geführten Touren rein«, erklärte mir Zad, »wir sollten also unsere Ruhe haben.« Ich ahnte noch nicht, welche Folgen diese ausgedehnte Ruhe zwischen dem letzten Schiff abends um sechs und dem ersten morgens um halb neun haben würde, wie viele Gelegenheiten ihm diese menschenfreie Zone in Zeit und Raum geben würde, seine Triebe an mir auszuleben.

Nach weiteren spannenden Minuten der Fahrt durch hügligen Wald erreichten wir die »Villa«, die sich mit zahlreichen runden grauen Schornsteinen zwischen Kiefern und Erdbeerbäumen aus dem Grün heraushob. Die grauen, von Moosen und Algen stellenweise dünn überzogenen Mauern hatten etwas Strenges, ungemein Englisches. Zad lud unser Gepäck aus und wir stiegen einige steinerne Stufen hoch zum Eingang. Vor uns öffnete sich eine überraschend weitläufige Halle, die als Besucherraum des Naturschutzzentrums diente. Zwischen ausgestopften Eichhörnchen und Sikahirschen, Luftbildern und Karten von der Insel begrüßte uns eine liebe weißhaarige Dame. Ich erfuhr, dass sie als Freiwillige für den Wildlife Trust arbeitete. Unwillkürlich dachte ich: Eine Frau, es ist eine Frau da! Gott sei Dank! Zad schien meine Gedanken zu erraten. Als wir unseren Trakt betraten, sagte er leise: »Auch die gute alte Ann nimmt das letzte Schiff um sechs. Wir sind nachts allein hier im Haus.« Ich begann mich zu fragen, woher ich das Vertrauen zu diesem fast fremden Menschen genommen hatte, der bereits unsere ersten beiden Nächte auf dem Festland auf seine Art gestaltet hatte.

Blackwater Island

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