Читать книгу "Nichts kannst du uns beweisen, das glaubt dir keiner!" - D.T.W. Rocken - Страница 5
Wir fanden uns
ОглавлениеEs war das Jahr 1990, ein denkwürdiges Jahr, das Jahr der Deutschen Einheit. Ein Jahr voller Umbrüche und Neuerungen, ein Jahr, das den meisten Menschen in Deutschland eine neue Zukunft, zahlreiche Chancen und glückliche Aussichten mit „blühenden Landschaften“ verleihen sollte.
Ich war 26 Jahre alt und lebte in einer großen deutschen Stadt. Zudem war ich beinahe geschieden, denn die Ehe mit meiner Frau war gescheitert. Damit war ich auf der Suche nach einer neuen Partnerin.
Bereits zu Beginn dieses besonderen Jahres lernte ich eine junge Frau, 24 Jahre alt, mit dem Namen Stephanie kennen – meine zukünftige Ehefrau. Sie war Krankenschwester und stammte aus dieser Stadt.
Recht schnell wurde Stephanie und mir klar, dass wir in jeder Beziehung gut zueinanderpassten. Wichtig war es uns, zukunftsorientiert zu handeln, um in unserem Leben Wünsche und gesteckte Ziele zu verwirklichen. Zu einem erfüllten Leben gehörten nach unserem Verständnis Kinder, eine fundierte Ausbildung mit guten beruflichen Perspektiven und ein heiß ersehntes Eigenheim, das ganz oben auf der Lebenswunschliste stand.
Das kurzfristige Ziel sah anders aus. Zuerst musste ein Familiennest gegründet, das heißt eine passende und bezahlbare Wohnung gesucht werden. Im Jahr 1990 war dies nicht so einfach, denn in der alten Bundesrepublik gab es seit jeher zu wenig Wohnungen. Preiswerte Mietwohnungen wurden zumeist nur über einen Wohnberechtigungsschein vergeben.
Die meisten Häuser aus der Altbausubstanz im Ostteil Deutschlands waren in derart schlechtem Zustand, dass ein Bewohnen dieser Wohnungen nur ausgemachten Altbau-Enthusiasten zuzumuten war. In den Plattenbauwohnungen kam aufgrund der Einfachheit und Anonymität derart wenig Behaglichkeit auf, dass viele, wenn sie die finanziellen Möglichkeiten dazu hatten, diese Plattenmonotonie verließen. Einige versuchten, mithilfe der damaligen Eigenheimzulage Wohneigentum zu erwerben, oder bauten selbst.
So weit waren wir noch nicht. Wir hatten aber durch einen Kontakt des Großvaters von Stephanie, der schon immer in der Stadt lebte, eine Zweizimmerwohnung in der zweiten und gleichzeitig obersten Etage einer kleinen Wohnanlage in Aussicht. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich eine Grundschule, die sich als praktisch für meinen Sohn Gordon erweisen sollte.
An dieser Stelle sei ein Rückblick erlaubt. Gordon stammte aus meiner ersten Ehe. Seine leibliche Mutter, die mit mir einst gemeinsam den Weg in den Westen gesucht hatte, war kurz darauf nicht mehr an uns interessiert, und es kam zum endgültigen Bruch. Sie hatte es vorgezogen, mich und unser gemeinsames Kind, das damals etwa fünf Jahre alt war, zurückzulassen und sich allein zu vergnügen. Im Gegensatz zu ihr wollte ich mich entwickeln, meinen Beruf ausüben, die zukunftswichtige Schule beenden, in der ich mein Abitur nachholte, und dennoch ein guter Vater sein. Für mich brach nach dem Eheaus eine schwere Zeit an, denn meine berufliche Tätigkeit als Elektriker, der abendliche Schulbesuch und die Tatsache, dass ich nunmehr alleinerziehender Vater war, mussten unter einen Hut gebracht werden. Meine damals noch lebende Großmutter half mir, sie konnte als Rentnerin noch vor der Maueröffnung aus der DDR in die Bundesrepublik einreisen und dabei ab und an den kleinen Gordon beaufsichtigen. Glücklicherweise öffnete sich wenig später, im November 1989, die Mauer.
Im Spätsommer des Jahres 1990 waren Stephanie und ich überglücklich und stolz, unsere neue, gemeinsame Wohnung zu übernehmen. Einziehen konnten wir allerdings noch nicht, denn die große Knappheit an Wohnraum versetzte den Vormieter in die komfortable Lage, sämtliche Renovierungsarbeiten den Nachmietern, also uns, zu überlassen. Wir aber nahmen die Herausforderung an und renovierten die gesamte Wohnung. Der erste Schritt in ein Zusammenleben, verbunden mit vielen Erwartungen, war getan.
Stephanie sah sich nach einer Tätigkeit in der Nähe unserer Wohnung um, und ich kündigte meine Anstellung als Handwerker. Mit meinem gerade abgeschlossenen Abitur wollte ich studieren, was ich ab Oktober 1990 dann auch tat. Es folgten hektische Monate, denn Stephanies neue Tätigkeit als Sprechstundenhilfe und mein Studium forderten von uns ein Höchstmaß an Organisation, Zeit und Energie.
Deshalb war es für Stephanie und mich eine große Entlastung, als meine Eltern anboten, den kleinen Gordon unter der Woche zu betreuen. An den Wochenenden sahen wir den kleinen Kerl, sodass der Kontakt wochentags über das Telefon und am Wochenende persönlich aufrechterhalten werden konnte.
Im Sommer 1991 normalisierte sich unser Alltag wieder, und mein Sohn Gordon zog bei uns ein. Ein weiterer Schritt war getan, der Sitz der kleinen Familie gegründet, sodass weitere Planungen und Umsetzungen folgen konnten.
Die Zeit verging und wir hielten beständig Ausschau nach einem geeigneten Grundstück für den Hausbau. Aber das passende Angebot wollte nicht erscheinen, damit kam bei Stephanie und mir eine gewisse innere Unruhe auf, schon allein deswegen, weil in der allgemeinen Nachwendeeuphorie die Grundstücks- und Baupreise von Jahr zu Jahr schneller stiegen, als unsere Sparleistung wuchs. Wir lebten recht spartanisch und legten jede Mark zur Seite, um dem erhofften Glück näher zu kommen, doch unter dem Strich glich der harte Sparvorgang lediglich einem Hinterhersparen.
Und noch ein weiterer Umstand beschäftigte mich: Stephanie wünschte sich ein eigenes Kind. Für sie und mich bedeutete dies, dass mit der sich vergrößernden Familie auch geheiratet werden musste.
Erschwert wurden die Familienplanung und der Traum vom eigenen Haus durch die Tatsache, dass ich studierte und somit nur über ein sehr geringes Einkommen verfügte. Zwar ging ich zwei Mal in der Woche für eine oder zwei Stunden in einem Büro arbeiten, aber das reichte gerade, um lediglich über die Runden zu kommen. Stephanie wechselte ihre berufliche Tätigkeit und arbeitete in einem Krankenhaus. Das Einkommen als Krankenschwester versorgte die Familie in dieser Zeit.
Im September 1993 heirateten wir und waren glücklich. Im selben Monat gründete ich eine Firma, ein Einzelunternehmen. Diese Selbstständigkeit sollte künftig die erhoffte Einnahmequelle bilden.
Meine Aufgaben waren von nun an, fleißig zu studieren, selbstständig zu arbeiten, aber auch für die Familie da zu sein.