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Kapitel 3: Die Ansichtskarte

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Schloss Chambord, südlich von Paris, Ende November 2027

»Sie sind gut, verdammt gut!«, sagte Berger und sein Ton verriet nicht nur tiefste Verachtung, sondern man konnte durchaus auch ein gewisses Mass an Respekt heraushören.

»Mit wem stehen Sie im Bunde«, fragte er sich, denn es war für Berger unerklärlich, wie Lavoisier in so kurzer Zeit hinter den Grossteil der Geheimnisse gekommen war.

Er las die Ansichtskarte nochmals, und sein Erstaunen wurde nicht kleiner.

Sehr geehrter Herr Berger

Was Sie beabsichtigen, mag aus Ihrer Sicht lobenswert sein, aber ich bitte Sie, tun Sie es nicht. Götter brauchen kein Wurmloch, um zu uns zu kommen. Stoppen Sie die Aktivitäten, denn sonst wird die Menschheit untergehen.

Hochachtungsvoll Dr. M. Lavoisier

»Aber das Wichtigste wissen Sie immer noch nicht, und Sie werden keine Zeit mehr dazu haben, es herauszufinden«, dachte Berger und legte die Ansichtskarte in eine kleine Holzkiste in der untersten Schubblade seines Pults.

Er entschied, dass er ihn heute noch aufsuchen wollte, um ihm von der Ansichtskarte zu erzählen. Berger stellte sich das Gesicht von Lavoisier vor, wenn er ihn sehen würde. Ob es Entsetzen oder Verwunderung ausdrücken würde, fragte er sich, und ob er dann endlich begreifen würde, dass er das Richtige tat? Er streckte seine Beine unter dem Pult aus und versank in Gedanken.

Er versuchte sich daran zu erinnern, wie es ihm ergangen war, als er ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Es war kurz vor der Jahrtausendwende. Er hatte sich nach seiner Gefängnisstrafe dank der Unterstützung der Bruderschaft des reinen Herzens wieder gut in die Gesellschaft integriert. Er hatte eine Anstellung der Bruderschaft angenommen, die, einfach formuliert, mit Spezialfällen zu tun hatte. Bruder Aurelian war nun nicht nur sein Mentor, sondern auch direkter Vorgesetzter geworden. Er erhielt im Verlaufe der Jahre immer wichtigere Aufträge, mit denen er beweisen konnte, dass seine Loyalität gegenüber der Bruderschaft unantastbar war. Sein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn hatte im Gefängnis in keiner Weise gelitten. Der Glaube, dass er ein Werkzeug Gottes war, wuchs stetig. Irgendwann glaubte er nicht nur daran, sondern er war überzeugt, dass es eine göttliche Fügung war und dementsprechend eine unumstössliche Tatsache. Er war zu einem Racheengel Gottes geworden.

Bruder Aurelian war ein Visionär, dem es zwar gelang, seine Vorstellungen und Ideen auf höherer Stufe innerhalb der Bruderschaft einzubringen, aber er scheiterte oftmals an deren Umsetzung. Deshalb ernannte Bruder Aurelian Berger Anfang der Neunzigerjahre zu seinem persönlichen Assistenten. Nicht alle in der Bruderschaft sahen das gerne, denn einige fürchteten sich vor Berger. Kaum hatte er sein neues Amt angetreten, machte er sich schnell einen Namen. Getrieben von seinem Gerechtigkeitssinn und überzeugt, ein Werkzeug Gottes zu sein, setzte er Entscheide der Bruderschaft, wenn es sein musste, auch schonungslos um. Wo andere vielleicht Gnade vor Recht walten liessen, da kannte er kein Erbarmen. Er wich keiner Konfrontation aus, auch nicht gegenüber Brüdern des inneren Führungszirkels, der sogenannten Zwölf der Tafelrunde, die offiziell Grosskomture hiessen. So kam es, dass Bruder Aurelian nicht nur ein Visionär blieb, sondern unter seiner Leitung Projekte umgesetzt wurden, die früher als aussichtlos gegolten hatten. Hinter vorgehaltener Hand munkelte man bald, dass der Aufstieg von Bruder Aurelian nicht nur Gottes Wille war, sondern hauptsächlich mit der Tatkraft seines Assistenten Berger zu tun hatte.

Die Erfolge Bruder Aurelians beeindruckten auch den Grossmeister. Eines Tages gegen Ende des Jahrtausends wurde Bruder Aurelian vor den Grossmeister und den inneren Führungszirkel der Bruderschaft des reinen Herzens beordert und musste Rechenschaft über seine Projekte ablegen. Die Bruderschaft wurde durch den Grossmeister als Obersten des Ordens geleitet. Darunter dienten die zwölf Mitglieder des inneren Führungszirkels. Ein Grosskomtur hatte zwölf direkt Unterstellte. Bruder Aurelian war wie elf weitere Brüder einem Mitglied des inneren Führungszirkels, also einem Grosskomtur unterstellt. Berger begleitete ihn, und sie fuhren zum Schloss Chambord, dem Hauptsitz der Bruderschaft. Bruder Aurelian und Berger traten in den Thronsaal und sahen zum ersten Mal den grossen, runden Tisch, den die Brüder ehrfürchtig »Die Tafelrunde« nannten. Dahinter sahen sie leicht erhöht den Grossmeister auf einem grossen Stuhl sitzen. Alle Brüder hatten schon davon gehört, aber nur wenigen war es vergönnt, den Saal auch zu betreten. Als Berger Bruder Aurelian in den Thronsaal folgen wollte, gab der Grossmeister ein Zeichen, und augenblicklich wurde er am Eintreten gehindert. Bruder Aurelian nickte ihm zu, um ihm zu verstehen zu geben, dass alles in Ordnung sei und er draussen warten sollte. Berger verstand, und bevor er sich umgedreht hatte, um den Thronsaal zu verlassen, liess er den Blick kurz über die Tafelrunde schweifen. Ihm war aufgefallen, dass ein Platz leer war. Er erinnerte sich, dass vor wenigen Tagen einer der zwölf Grosskomture verstorben war. Bruder Malachias war stolze 92 Jahre alt geworden und hatte seit mehr als siebzig Jahren der Bruderschaft gedient. Nun hatte ihn Gott abberufen.

Nachdem Berger den Thronsaal verlassen hatte, schlossen zwei Brüder, die als Wächter bezeichnet wurden, die grosse, eichene Türe. Er war nicht der einzige, der draussen warten musste. Auch andere Brüder, ebenso Sekretäre wie er, mussten draussen bleiben. Er kannte ein paar von ihnen, verkehrte aber nicht näher mit ihnen, denn er empfand sie als Emporkömmlinge, die aus seiner Sicht keinen göttlichen Auftrag hatten. Sein Verhalten gegenüber ihnen war zwar respektvoll, aber man spürte schon, dass er aus anderem Holz geschnitzt war. Viele sind berufen, doch nur wenige sind auserwählt, dachte er. Berger wusste, dass er ein Auserwählter war, daran hatte er nicht den geringsten Zweifel. Während der Wartezeit, beschlich ihn plötzlich ein seltsames Gefühl, eines, das er in seinem ganzen Leben noch nie wahrgenommen hatte. Er empfand eine gewisse Glückseligkeit, ja Erhabenheit, die jedoch auch mit Furcht und Macht gepaart schien. Er blickte sich langsam um, aber er sah ausser den Wartenden niemanden. Er beobachtete seine Brüder und war überzeugt, dass die anderen nichts bemerkt hatten, dabei durchströmte, ja vereinnahmte förmlich dieses Gefühl den ganzen Raum. Er war überzeugt, dass etwas hier war, auch wenn er es nicht sehen konnte, denn es schien ihm, als durchdringe es alles.

Dann geschah es. Aus dem verschlossenen Thronsaal drang durch die Türspalte und durch das Schlüsselloch gleissend helles Licht. Obwohl sie nur wenig sehen konnten, blendete sie das gleissend helle Licht. Auch vernahmen sie eine sehr tiefe Stimme, die sie zuerst dem Grossmeister zuordneten, aber sie tönte irgendwie anders. Als sie dann diejenige des Grossmeisters vernahmen, waren sie sicher, dass es jemand anderes sein musste. Das Gesprochene war zu leise, und so konnten sie den Inhalt nicht verstehen. Berger glaubte zu spüren, dass aus dem Saal dieses seltsame, nie gekannte Gefühl selbst durch die dicken Mauern zu ihm durchdringen konnte. Es fühlte sich an, als ob ihn jemand rufen wollte. Er wusste nicht, was es war, aber er fürchtete sich nicht davor, was man von seinen wartenden Brüdern nicht sagen konnte. Einige bekreuzigten sich und verliessen ängstlich den Warteraum. Dann wurde es wieder stiller im Thronsaal, und das gleissend helle Licht verschwand augenblicklich. Nach einer halben Stunde öffnete sich die Tür, und die Mitglieder des Führungszirkels verliessen den Raum. Berger schaute in den Thronsaal und suchte Bruder Aurelian, der den Raum noch nicht verlassen hatte. Der Grossmeister erblickte ihn, nickte und gab ihm zu verstehen, dass er eintreten sollte. Berger leistete der Aufforderung Folge und trat ein. Hinter ihm wurde die Türe von den Wächtern geschlossen. Im Thronsaal befanden sich nur Bruder Aurelian und der Grossmeister, die in ein Gespräch vertieft waren.

»Bruder Alain«, sagte der Grossmeister. Es war das erste Mal, dass er ihn ansprach.

»Setze dich«, sagte er und wies ihn an, neben Bruder Aurelian Platz zu nehmen, der bereits an der Tafelrunde sass. Berger folgte den Anweisungen und erwartete den weiteren Fortgang des Gesprächs mit gespannter Neugier und grossem Interesse.

»Heute ist ein wichtiger Tag für Bruder Aurelian«, sagte der Grossmeister, »und auch für dich.«

Berger versuchte anhand der Mimik und der Gestik des Grossmeisters herauszufinden, ob nun eine gute oder eine schlechte Nachricht kommen würde. Aber er konnte nichts erkennen.

»Es ist uns nicht verborgen geblieben, dass Bruder Aurelian in den letzten Jahren Grosses geleistet hat«, begann der Grossmeister, wobei er mit uns den inneren Führungszirkel und sich selbst meinte.

»Bruder Aurelian hat uns in der letzten Stunde seine Ergebnisse präsentiert. Seine Erfolge sprechen für sich, und er hat sich für höhere Aufgaben empfohlen.«

Berger schaute kurz zu Bruder Aurelian hinüber und deutete mit einem leichten Nicken seine Bewunderung und seine Wertschätzung an, wobei ein kurzes Lächeln, das Freude ausdrückte, in seinem Gesicht erkennbar war.

»Auch hat uns Bruder Aurelian erzählt, dass er ohne deine Hilfe nie so weit gekommen wäre. Er meinte sogar, dass er ohne dich nie so erfolgreich hätte sein können«, fuhr der Grossmeister weiter, und sein Ton hatte etwas sehr Wohlwollendes. Berger war das Lob irgendwie peinlich, denn er hatte es noch nie gemocht, wenn man ihn lobte. Er hatte einen göttlichen Auftrag und wenn er seine Aufgaben erfolgreich abschloss, so war er ein Werkzeug des Herrn, und es war nicht notwendig, ihn deswegen zu loben.

»Wir haben deshalb heute entschieden, dass Bruder Aurelian in den Rang eines Grosskomturs erhoben wird.«

»Einer der Zwölf«, dachte Berger, stand augenblicklich auf und verbeugte sich als Zeichen der Anerkennung und des Respekts vor Bruder Aurelian. Dieser legte ihm die Hand auf die Schulter und bat ihn, sich wieder zu setzen. Mit 69 Jahren war Bruder Aurelian nicht mehr der Jüngste, aber es gab noch ältere Brüder unter den Zwölf. Berger hörte den weiteren Ausführungen des Grossmeisters zu.

»Auch haben wir entschieden, dies auf ausdrücklichen Wunsch Bruder Aurelians, der sich ab sofort Grosskomtur nennen darf, dass du ebenso eine neue Aufgabe innerhalb unserer Bruderschaft übernehmen sollst. Wir erheben dich zum Grossmarschall der Bruderschaft des reinen Herzens. Seit mehr als hundert Jahren wurde dieser Titel nicht mehr vergeben. Nun haben wir entschieden, dass du ein würdiger Träger bist. Sehr grosse Herausforderungen gilt es zu meistern und er hat entschieden, dass du der richtige dafür bist. Grossmarschall Alain, du bist in der Tat ein Auserwählter«, sagte der Grossmeister.

Berger wusste für einen Moment gar nicht, was er sagen sollte. Auch war ihm die Aufgabe eines Grossmarschalls im Detail nicht bekannt.

»Ich werde dir deine künftige Aufgabe erklären, aber vorher gehen wir zu ihm«, sagte der Grossmeister und bat Berger aufzustehen und ihm zu folgen. Bruder Aurelian stand ebenfalls auf, verliess aber den Thronsaal und es schien, als ob der Grossmeister und er das vorher so abgesprochen hätten. Im hinteren Bereich des Thronsaals hatte es eine überdimensionierte Türe, die zu einem andern, sehr hohen Raum führte. Sie durchquerten diesen und noch zwei weitere Räume, ebenfalls sehr hoch, und stiegen über eine breite und sehr hohe Wendeltreppe in ein tiefer gelegenes Stockwerk hinunter. Schon auf der Treppe spürte Berger es wieder und musste sein Tempo leicht verlangsamen. Es war das seltsame Gefühl, das er schon vor dem Thronsaal empfunden hatte. Aber er konnte es auch diesmal nicht deuten. Der Grossmeister schaute ihn an, als ob er wüsste, was für ein Gefühl sich seiner bemächtigt hatte. Berger tat, als ob nichts gewesen wäre, und schritt wieder in normalem Tempo weiter.

»Ich spüre es auch«, sagte wie aus dem Nichts der Grossmeister. »Und er weiss, dass wir es spüren. Deshalb sind wir nicht nur berufen, sondern gehören zu den Auserwählten.«

»Wer ist er?« wollte Berger wissen.

»Er wird mit uns Auserwählten die Welt verändern.« »Bist du bereit, ihm zu begegnen?«

Berger nickte und er hatte keine Angst, wem immer er auch begegnen würde. Noch ahnte er nicht, dass das, was er dann sehen würde, sein Vorstellungsvermögen übersteigen würde.

»Nun, Bruder Alain, dies ist die Stunde, die für dich alles verändern wird«, sagte der Grossmeister und klopfte in einem bestimmten Rhythmus an eine riesige Türe des vor ihnen liegenden Saals. Die Türe öffnete sich wie von Geisterhand. Der Raum war dunkel, nur zwei ganz kleine Lichter schienen zu brennen, die Berger an seine Kindheit erinnerten, als seine Mutter ihm jeweils zwei kleine Kerzen in sein Kinderzimmer stellte, um wenigsten ein wenig Licht zu haben. Kaum waren sie eingetreten, schloss sich die Türe wieder. Das seltsame Gefühl wurde stärker, aber Berger fürchtete sich nicht davor. Er stand unter dem Schutz des Herrn und da konnte auch er, wer immer es sein mochte, ihm nichts anhaben. Sie vernahmen ein leises Rascheln aus der Richtung der beiden kleinen Lichter.

»Kommt näher, seid willkommen«, ertönte nun eine mächtige, tiefe Stimme, die fast wie ein gedämpfter Donner den Raum erfüllte und leicht nachhallte. »Der Raum muss sehr gross sein«, dachte Berger. Augenblicklich stieg in Berger ein Gefühl der Geborgenheit, der Liebe, ja der Glückseligkeit hoch.

»Wie ist das möglich«, dachte er, und seine Neugier stieg ins Unermessliche.

»Sei gegrüsst, himmlischer Bote«, sagte nun der Grossmeister zu ihm.

Berger erhoffte sich, dank der beiden Lichter mehr erkennen zu können. Doch die Dunkelheit war zu gross. Aber wenige Augenblicke später änderte sich die Situation, und es blendete ihn dermassen, als würde er in tausend Sonnen blicken. Berger musste mit beiden Händen seine Augen bedecken, denn der Schmerz des gleissend hellen Lichts stieg für einen Moment schier ins Unermessliche. Dann nahm die Helligkeit des Lichts ab, und im grossen Saal war es nun angenehm hell. Bergers Augen gewöhnten sich schnell an die neuen Verhältnisse, und dann sah er ihn - und er würde diesen Augenblick sein Leben lang nicht mehr vergessen. Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Er hatte mit vielem gerechnet, aber was er sah, konnte er nicht fassen und erklären schon gar nicht. Er war innerlich sehr aufgewühlt und verwirrt. Konnte das alles sein, fragte er sich und er dachte, er müsse in einem Traum gefangen sein.

»Fürchte dich nicht, Bruder Alain«, hörte er die Stimme sagen, und augenblicklich besänftigte er sich. Er war sich nun sicher, dass es kein Traum war.

»Lass dich ansehen«, sagte er.

Berger trat vor ihn und versuchte sich ein Bild von ihm zu machen, wobei das, was er sah, für ihn unfassbar war.

Berger schätze, dass er etwa 5 Meter gross war. Er erinnerte ihn an den David von Michelangelo, der in der Galleria dell’Accademia in Florenz stand. Als er noch in Rom studierte, nahm er an einem Ausflug nach Florenz teil und durfte das Original sehen. Obwohl er eine menschenähnliche Gestalt hatte, waren seine Proportionen und sein Körperbau, wenn man denn von Körper überhaupt sprechen konnte, komplett anders. Beide Beine waren sehr kurz, ebenso die Füsse, die in einer Art von Schuhen steckten. Der Oberkörper zog sich sehr in die Länge. Die beiden Arme waren viel länger als bei Menschen, und die Hände hatten nicht fünf, sondern sieben Finger, wobei jeweils der erste und der siebte Finger an jeder Hand anders konzipiert waren, ähnlich einem inneren und einem äusseren Daumen. Der Kopf hatte Ähnlichkeiten mit dem eines Menschen, jedoch war er grösser. Auch silberne Haare konnte er erkennen, wenn auch eher wenige. Die Stirne war wesentlich breiter und zog sich in verjüngender Form nach hinten. Ohren hatte er zwei, wie wir es gewohnt sind, nur die Form glich eher der Zahl Acht. Der Mund war eher schmal, die Nase unten sehr breit und der Abstand zu den Lippen, die wulstig erschienen, sehr gross. Aber am eindrücklichsten erschienen Berger die Augen. Er erblickte darin Feuerfackeln, und nun wurde ihm bewusst, dass er beim Eintreten nicht zwei Kerzenlichter erblickt hatte, sondern die Augen von ihm. Als sie sich gegenseitig musterten, hörte er in seinem Kopf seine Stimme, als ob er über telepathische Fähigkeiten verfügen würde. Er trug ein weisses Kleid, das durch einen goldfarbenen Gürtel aus einem Material zusammengehalten wurde, das Berger nicht zuordnen konnte. Der Gürtel schien sich im Kreis zu drehen und leuchtete pulsierend abwechselnd in Rot und Dunkelblau auf, vergleichbar mit einem Herzschlag. Aber am meisten faszinierte ihn etwas anderes. Unter dem weissen Kleid schien, ebenfalls pulsierend, die Farbe seines Körpers durch. Die Farberscheinungen sahen so aus, als ob sie zwischen Indigo und Türkis hin und her wechselten, und zwar exakt auf jeden Pulsschlag, wobei nach jedem Pulsschlag die Farben an Intensität verloren.

»Hast du genug gesehen?«, wurde er von ihm gefragt.

Berger nickte und schien nicht weiter beunruhigt zu sein, was für Aussenstehende kaum nachvollziehbar war.

»Weisst du, wer ich bin?«

Berger hatte eine Vermutung, aber er wagte nicht, sie auszusprechen. Die Stimme von ihm in seinem Kopf forderte ihn auf, zu sagen, was er dachte.

»Du bist ein Engel des Herrn!«, antwortete Berger, und seine Stimme vibrierte, jedoch nicht aus Angst, sondern vor lauter Ehrfurcht.

»Ich hatte in den letzten paar tausend Jahre verschiedene Namen«, begann er.

»Einige nannten mich גַּבְרִיאֵל, also Gavri-El, andere جبريل, also Ǧibrīl. Für euch aber trug ich den Namen Gabriel. Ich bin der Erzengel Gabriel, ein Bote Gottes.«

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