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Kapitel Vier

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Finn

»Pfffthhh.«

Er stieß die Luft prustend und mit einem übermäßigen Schulterzucken aus, während er die Hände gestikulierend in die Luft hob. Er hätte ebenso gut Wer weiß? sagen können.

Er hätte wirklich nicht so süß aussehen sollen, während er Finn die Zunge rausstreckte, aber diese sündigen Lippen bildeten den Fokus bei allem, was Jesse tat. Jede kleine Regung ließ Finn ihn anstarren, als wäre er selbst ein Sterbender und Jesse die Fata Morgana, die über dem Sand schimmerte.

Unter großen Mühen zwang Finn seine Aufmerksamkeit zurück auf die Frage. Richtig. Er hatte gefragt, wann Jesse seinen Freunden von ihnen erzählen würde, und es klang, als hätte Jesse keine Ahnung. Zu verständlich. Finn hatte nicht erwartet, dass das zwischen ihnen über eine Nacht hinausgehen würde, also hatte Jesse vermutlich auch nicht weiter darüber nachgedacht.

»Wollen wir ihnen etwas zum Tratschen geben?« Finn zwinkerte und ließ eine Spur die Stimme sinken.

Er wäre ein verfluchter Idiot gewesen, nicht mit dem großartigen Typ neben ihm zu flirten, der den ganzen Platz mit seinem Lächeln erhellte. Einem Lächeln, das bei seiner Bemerkung nur noch breiter wurde.

»Ich will nichts Festes.« Die Worte, die über Jesses Lippen kamen, standen im krassen Gegensatz zu seinem Fuß, der immer näher an Finns heranrückte.

»Tja, das ist gut.« Finns Lippen zuckten und bildeten ein Lächeln. »Ich bin froh, dass wir das geklärt haben.« Wie viel deutlicher konnte er seine Absichten noch machen? Er neigte sich zur Seite. »Aber ich habe überhaupt nichts von etwas Festem gesagt.«

Die Luft zwischen ihnen erwachte knisternd zum Leben. Genau genommen hatte es nie aufgehört zu knistern. Finn war sich ständig bewusst, wie viel Raum zwischen ihnen lag – oder wie wenig.

Sich zur Seite und nach unten zu beugen, den schlanken Mann in seinem perfekt sitzenden, gestärkten Hemd und seinen Jeans zu überschatten, betonte die Unterschiede ihres Körperbaus. Und wie ein Blitz, der ihm durch die Sinne toste, erinnerte er sich plötzlich daran, wie Jesse am Felsen gelehnt hatte, während er ihn fickte.

Himmel, fühlte sich so eine Sucht an? Eine unwiderstehliche Anziehung, obwohl man vom Kopf her wusste, dass es eine furchtbare Idee wäre, ihr nachzugeben?

»He, ein Hart auf dem Hart's Square. Heißt das, dass bei den Harts was querläuft? Ha ha.«

Ärger flackerte in Finns Bauch auf. Er versteifte sich und zog sich zurück, drehte den Kopf, bis er Gregory entdeckte.

Der Mann war harmlos. Er verbrachte den größten Teil seiner Abende im Cher's. Sein breiter irischer Akzent war ein vertrauter Klang im Hintergrundsummen der Bar. Wo er gerade darüber nachdachte: Finn war sich nicht sicher, ob Gregory überhaupt existierte, wenn geschlossen war. Er hatte ihn nie im Laden oder bei einem Spaziergang am Wasser gesehen. Vielleicht war er einfach das Ergebnis einer Masseneinbildung.

»Sehr witzig.« Finn zeigte Gregory einen Vogel, sein Magen wurde schwer. Tja, nun war die Katze aus dem Sack. Jesse würde herausfinden, wer er war.

»Jaja, wie auch immer.« Gregory grinste ihm ohne jede Reue zu und machte sich auf den Weg zu seinem Guinness, während Finn sich wieder Jesse zuwandte.

Das war er – der Moment, vor dem ihm gegraut hatte. Der Grund, aus dem er nach Portland fuhr, um sich mit Männern zu treffen, und warum er das Gefühl hatte, zwei verschiedene Leben zu führen. Denn bei beiden Gelegenheiten, bei denen er versucht hatte, mit jemandem aus der Nähe auszugehen, der wusste, wer er war… Na ja, es war nicht gut ausgegangen.

Beim letzten Mal, vor ein paar Jahren, hatte er sich einen Klammeraffen angelacht, der an ihm klebte wie ein falscher Fuffziger. Blake hatte Finns Namen noch lange nach Ende der Beziehung eingesetzt. Für alles von einem offenen Deckel im Cher's bis dahin, sich eine Stelle im Millie's zu besorgen, hatte Blake Finns Namen benutzt. Und Finn hatte erst später davon erfahren – dann, wenn ihn jemand sanft darauf hinwies, dass sein Freund seine Rechnung nicht bezahlt oder ein Versprechen nicht gehalten hatte.

Uffz, es hatte Monate gedauert, das Chaos zu beseitigen. Hoffentlich würde es ihm besser ergehen, wenn er explizit nichts Festes hatte.

»Ein Hart?«, fragte Jesse.

Finns Wangen glühten, als er sich auf der Bank zurücklehnte. Der Moment zwischen ihnen war Geschichte. »Jepp. Deshalb habe ich das Gefühl, dass ich die Stadt nicht verlassen kann.«

»Hart wie Hart's Bay?«

Finn konnte sein Seufzen nicht unterdrücken. Er nickte und beobachtete Jesses Reaktion. Er erwartete die übliche Ehrfurcht oder Bemerkungen, die eine Distanz zwischen ihn aufbauen sollten, oder – noch schlimmer – die Erkenntnis, dass sein Name für ehrgeizige Menschen eine Gelegenheit darstellte. Als würde sein Name heute noch irgendetwas bedeuten oder an ein großes Vermögen geknüpft sein.

Nicht auf seiner Seite der Familie.

Seine schlimmste Befürchtung war jedoch, dass Jesse schlecht von seiner Familie denken könnte, weil sie die Stadt – verflucht, selbst den Platz, auf dem sie saßen – verkommen ließ.

Jesse konnte unmöglich verstehen, wie erniedrigend es war, dabei zuzusehen, wie entfernte Verwandte, an die man sich nur von den Weihnachtsessen in der Kindheit erinnerte, die ganze Stadt aufkauften und dann verfallen ließen.

Aber sosehr Finn sich auch stählte, Jesses Reaktion war… enttäuschend. »Oh. Cool.«

Es dauerte einen Moment, bis Finn begriff, dass es das war. »Cool?« Er stellte fest, dass er das vernagelte Gebäude auf der anderen Seite des Platzes angestarrt hatte.

Jesse betrachtete es ebenfalls. »Ich frage mich, wem das gehört.«

Finn entfuhr ein harsches Auflachen. Er gab sich Mühe, nicht über seine Verwandten herzuziehen, und konnte nur vermuten, dass sie es genauso hielten. Das war Teil des Waffenstillstands gewesen, den sie nach dem letzten Zusammenstoß vor zehn Jahren geschlossen hatten. »Einmal darfst du raten.«

Jesses Miene wechselte von fragend zu begreifend. »Oh. Es ist also alles nach dir benannt, weil…«

»Nicht das Gebäude nach mir. Eher andersherum, wenn überhaupt.«

Finns Kehle fühlte sich merkwürdig rau an, sein Herz nackt. Ihm drohten Gefühle zu entkommen, die er seit Jahren verdrängt hatte, vielleicht sogar seit verdammten Jahrzehnten. Nur weil ein süßer Kerl mit netten Augen unschuldige Fragen stellte. Was zum Teufel ging hier vor sich?

Aber Jesses Hand, warm und fest, legte sich auf sein Knie und Finn konnte nicht anders, als zu glauben, dass es ihm ernst war. Und es fühlte sich gut an zu reden, alles zu erklären, bevor Jesse sich ein falsches Bild machte.

»Ich meine einige meiner sogenannten Verwandten. Ihnen gehört fast alles hier. Aber sie fangen nichts damit an.« Sie hatten es nur gekauft, um ihren Namen auf dem Gebäude stehen zu sehen. Sie waren gierig geworden und nun konnten sie sich entweder die Instandhaltung nicht leisten oder gaben einen Scheiß drauf.

Aber sie sollten. Geld war alles, was sie interessierte, und der Wertverlust der Immobilien war etwas Greifbares. Aber was wusste Finn schon? Er war einer von jenen Harts und würde ganz sicher nie von den anderen Harts zu einer spontanen Weltreise eingeladen oder schon von Geburt an mit einem Fond für die Uni ausgestattet werden.

»Ich habe gehört, dass die Hart-Fischerei Pleite gemacht hat. Ich bin davon ausgegangen, dass man sie nach der Stadt benannt hat…«

Finn seufzte. Der Spruch kam fast mechanisch über seine Lippen. »Mein Ur-Ur-Urgroßvater Floyd Hart kam kurz nach Ende des Goldrauschs im Klondike her. Damals war es eine winzige Stadt und Seattle noch ein Handelszentrum.«

Wenn er die hölzernen Hausfronten betrachtete, konnte er es beinahe vor sich sehen: den Krämerladen, das Hotel, die Station für die Postkutschen. Nun fühlte es sich an, als wäre er der Kurator eines Museums, der auf feuchte, verfallene Ruinen starrte und versuchte, ihren Sinn zu verstehen.

»Wir wurden zu einer Fischereistadt, die über Generationen florierte, bis die Fischerei am Ende war. Ohne zu wissen, was auf sie zukam, hat meine Familie die Firma in zwei Hälften geteilt. Als die Fische ausblieben, ging die Stadt mit ihnen unter.«

Im letzten Satz verbarg sich vieles und Finn presste die Lippen aufeinander, um dem Bedürfnis zu widerstehen, weiter ins Detail zu gehen.

Es war wie eine gute Idee erschienen, den Fischereibetrieb in den Fang, die Verarbeitung und Verladung zu unterteilen. Es erlaubte den Geschwistern nach dem großen Streit gemeinsam, aber dennoch getrennt zu arbeiten. Dad und Roy hatten sich auf eine Seite geschlagen und da die Verarbeitung und Verladung ungefähr die Hälfte des Geschäfts ausmachten, hatten sie diesen Teil gern übernommen.

Auf der anderen Seite des Streits – worum auch immer es gegangen war – hatten Onkel Monty und sein Großvater Floyd gestanden, der nach dem Stadtgründer benannt war. Monty – Rains Vater – sollte die zweite Hälfte des Betriebs übernehmen. Aber er war noch jung gewesen und nicht sicher, wie man ein Geschäft führte. Daher hatte Floyd an seinem Teil des Geschäfts festgehalten, um es für Monty zu führen.

Und dann hat er seine Hälfte dichtgemacht, um so viel Geld für sich selbst zu retten, wie irgendwie möglich war, dachte Finn und drängte den schwelenden Zorn über die selbstsüchtige Entscheidung zurück.

Finns Vater und Onkel dagegen hatten lieber die Verarbeitung so lange wie möglich weiterlaufen lassen, als gute Männer und Frauen harten Zeiten auszuliefern. Irgendwann war trotz ihrer Bemühungen alles in sich zusammengebrochen.

Nun arbeitete Finn als Vorarbeiter in Onkel Roys neuer Baufirma – dem einzigen Arbeitsfeld, das ihnen mit einer Bonität wie ihrer offenstand.

Es war gute, ehrliche Arbeit. Finn konnte sich nicht beklagen. Er war gern im Freien, arbeitete mit den Händen und machte innerhalb strenger Zeitvorgaben und eines Budgets Wunder möglich.

Aber die Wunden schmerzten, wenn er ihnen herumstocherte. Unter dem Geflüster und Gemurmel über die eigenen Eltern und Onkel aufzuwachsen, war hart gewesen und auch wenn so etwas Jungen seines Alters nicht viel ausmachte, galt das nicht für deren Eltern. Sie waren diejenigen gewesen, die arbeitslos geworden waren und verzweifelt nach einer Stelle gesucht hatten, als Großvater gierig geworden war.

Da war es besser, sich auf billige Sextreffen zu beschränken, bei denen seine Vergangenheit keine Rolle spielte und niemand etwas von ihm erwartete, das er nicht leisten konnte.

»Klingt, als wärst du es gewohnt, diese Geschichte zu erzählen.« Jesses Bemerkung schnitten durch Finns Gedanken und brachten ihn zurück in die Gegenwart. Seine Hand lag immer noch als fester, warmer Trost auf Finns Knie.

Finn legte die Hand über Jesse und fuhr sanft mit dem Daumen über die glatte Haut bis zu seinem Handgelenk. »Ja. Jeder, der nicht von hier ist, fragt, sobald er herausfindet, dass ich ein Hart bin.«

»Dann tut es mir leid, dass ich so berechenbar bin.« Jesses Augen funkelten. »Ich werde dich auf der Straße ignorieren, wenn das ein Ausgleich für all diesen Ruhm sein sollte.«

Finn grinste Jesse an. Er war ein kleiner Unruhestifter, oder? Verdammt, das gefiel ihm. »Dann hast du mir einen Gefallen getan, als du mit deinen Freunden unterwegs warst. Hast mein Ego im Zaum gehalten. Danke.«

»Wenn du es nicht erwähnst, tu ich es auch nicht.« Jesse zwinkerte. »Was vermutlich das Beste für uns ist, hm?«

Uns?

Das Wort hatte eine seltsame Wirkung auf Finns Blut. Es erhitzte seine Wangen und ließ seine Zehen kribbeln. Es sorgte dafür, dass Finn nachhaken und fragen wollte, was genau damit gemeint war. Dass er jeden Zentimeter von Jesses Körper an jedem Zentimeter der Stadt, die er so gut kannte, erkunden wollte. Dass er ihn zu jedem verborgenen Winkel mitnehmen wollte. Ihn durch die Hintertür hineinschmuggeln – oder sich selbst durch Jesses Hintertür. Wortspiel beabsichtigt.

Finn leckte sich die Lippen, sein Mund war plötzlich trocken. »Oh?«

»Nicht jedem zu erzählen, was wir am Strand gemacht haben.« Jesses Stimme war überraschend fest und höflich, als versuche er, ihn auf Abstand zu halten. Er nahm sogar seine Hand von Finns Knie.

Das plötzliche Fehlen der Berührung weckte in Finn den Wunsch, seine Grenzen abzuklopfen. Er musste herausfinden, was Jesse wirklich wollte; nicht nur das, was er sagte, dass er es wollte.

Schweigend rutschte Finn näher und legte hinter Jesse den Arm auf die rissige Holzlehne. Als er sich Jesse zuwandte, stießen ihre Knie gegeneinander. Dann plötzlich drückten sich ihre Oberschenkel aneinander.

Sein Mund war nur Zentimeter von Jesses entfernt. Ihr Atem war warm und ging schnell, während Jesses Blick zwischen Finns Augen umherhuschte. Er beugte sich nicht nach hinten und stand auch nicht auf, um zu flüchten. Nein, er hielt die Stellung. Selbst wenn er Finn herausfordernd in die Augen sah.

Aber selbst als Finn sich die Lippen leckte, machte Jesse keine Anstalten, ihn zu küssen.

Finn konnte spüren, dass er es wollte. Er nahm die leise Vibration von Jesses Körper und in der Luft zwischen ihnen wahr. Wie Jesses Blick über sein Gesicht tanzte und jedes Detail in sich aufnahm.

Was hielt ihn auf?

»Du hast vorhin gesagt, dass du auch nicht auf etwas Festes aus bist.« Jesses Worte waren leise, beinahe ein Flüstern, das nur Finns Ohren erreichte. »Also vermute ich, dass du nur eines willst.« Selbst hier, mitten in der Stadt, fühlte es sich an, als wären sie ganz allein.

Und zum ersten Mal war Finn froh, dass der Stadtkern verlassen war. Es gab nur sie beide und das leise Gemurmel, das aus der Bar kam, dazu das Flüstern des Ozeans hinter den Häusern.

Was wollte Jesse, wenn er Finn nicht küssen wollte? Ihm wieder in die Arme fallen und noch einmal für Minuten, die sich nach einem ganzen Leben anfühlten, in Ekstase versinken?

»In Versuchung?« Finn atmete die Silben gegen Jesses Lippen und schloss die Distanz zwischen ihnen, bis sich fast ihre Nasen berührten. Er wartete auf ein Zeichen – ein Ja oder Nein, ob laut ausgesprochen oder nicht.

»Mehr als das. Aber ich habe ein Versprechen zu halten.« Jesses Stimme geriet ins Wanken.

Finn kannte das Gefühl nur zu gut. »Anderen oder dir selbst gegenüber?«

»Beides.«

»Warum sollte sich das nicht bewerkstelligen lassen?«, fragte Finn. Seine Hand glitt von seinem Oberschenkel zu Jesses. Er ließ sie ein wenig umherwandern und lauschte auf das Stocken in Jesses Atmung. Wenn er jetzt ein Geräusch ausstieße, wäre es ein leises, lustvolles Wimmern, das durch die kalte Nachtluft schnitt.

Und Finns Selbstbeherrschung würde davongefegt werden wie die Gischt auf den zerklüfteten Felsen, die keine zehn Minuten entfernt lagen.

Jesse schluckte einmal, dann erneut. Seine Hand kam auf Finns zu liegen, bremste ihre Bewegungen und dann schoben sich seine Finger unter Finns und lösten sie von seinem Bein. Er ließ ihre Hände locker ineinander liegen, kein Handschlag, aber auch keine romantische Geste.

»Ich muss gehen«, sagte Jesse schließlich. Er entzog sich und stand auf. »Meine Freunde warten drinnen auf mich.«

Das gilt nur für dich.

Finn versuchte, den Anflug von Eifersucht abzustreifen, aber wie es plötzliche Erkenntnisse an sich hatten, ließ sie sich nur schwer abstreifen, nachdem sie sich gesetzt hatte.

Es war lächerlich. Er kannte jeden in der Bar. Die meisten von ihnen hatten ihn aufwachsen sehen – hatten ihm sogar dabei geholfen. Sie alle grüßten ihn, wenn sie ihn sahen, und er kannte von einigen die Kinder. In den letzten Jahren hatte er sogar an ihren Häusern gearbeitet, wenn ihre Familien gewachsen waren und sie mehr Platz benötigt hatten. Das war mehr, als man von den anderen Harts sagen konnte.

Es war dumm, sich darüber zu ärgern, dass er so viel Aufmerksamkeit von freundlichen Nachbarn bekam. Es ließ ihn klingen wie ein ichbezogenes Arschloch.

»Ja«, murmelte Finn. Er sah zu Jesse auf und nahm jedes Detail seines sehnigen Körpers in sich auf. Besonders die Beule im Schritt seiner Hose, die Finn verriet, dass er nicht der Einzige war, der sich nur mit Mühe beherrschte.

Finn blieb auf der Bank sitzen. Er traute sich nicht über den Weg. Wenn er aufstand, würde er Jesse wieder von den Füßen reißen und ihn an seine Brust drücken, ihn küssen, bis sie nicht mehr richtig denken konnten.

Nimm ihn dieses Mal mit nach Hause, nicht an den Strand. Gib ihm Zucker, wie ein anständiger Nachbar es tun würde.

»Ich glaube, ich bleibe noch ein bisschen draußen.« Finn hoffte, dass seine Stimme für Jesse weniger erstickt klang, als sie sich anfühlte. Sein Ständer schmerzte und dasselbe galt dafür, sich von diesem hinreißenden Mann mit den traurigen Augen, dem strahlenden Lächeln und dem unersättlichen Stöhnen fernzuhalten.

»Wir sehen uns«, sagte Jesse atemlos und dann war er fort.

Scheiß darauf, das Bier auszutrinken. Finn ließ die Flasche auf der Bank und ging nach Hause, sein Gang zwar verkrampft, aber das Ziel fest im Auge.

Keine zwanzig Minuten später schoss sein Sperma gegen die Duschwand und sein Körper sank gegen die Fliesen. Finn schloss die Augen und lehnte die Stirn an die kühle Oberfläche.

Die Anspannung hatte sich gelöst, aber der Schmerz in seiner Brust verschwand nicht. Wenn überhaupt, wurde er schlimmer. Was zum Teufel war hier los? Das war ungerecht. Sich einen runterzuholen, sollte alles geraderücken, statt ihn nur verzweifelter zurückzulassen.

Selbst die Vorstellung, nächstes Wochenende nach Portland zu fahren und sich einen süßen Twink zu suchen, den er in die Matratze vögeln konnte, half nicht.

Es war, als hätte er jemanden gefunden, der perfekt zu ihm passte. Einfach einen anderen an seinen Platz zu schieben, fühlte sich schlicht falsch an. Er war nun an Jesse gebunden. Es musste eine Schwärmerei sein, was das Ganze nur noch ungerechter machte, da sie kaum miteinander geredet hatten. Er konnte nur darauf hoffen, dass Jesse irgendeinen richtig bösen Charakterfehler hatte, der den Griff seiner Vorstellungskraft um ihn lockern würde.

Diese Form von Verzweiflung, die Finn heute Abend erfasst hatte… Es war Jahre her, dass er so etwas empfunden hatte. Was zum Henker hatte Jesse mit ihm angestellt?

Und was vielleicht wichtiger war: Gab es irgendeinen Weg, ihn dazu zu bringen, es zu wiederholen?

Hart's Bay: Wo unser Herz sich entscheidet

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