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Torpedobootsfahrten in der Ostsee.

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Von Kapitän zur See Franz Wieting, im Kriege Torpedobootskommandant und Flotillenchef.

1. Kreuzergefecht am 28. August 1914.

s war damals, zu Beginn des Krieges, eine schwere und doch so frisch-fröhliche Kriegführung in der östlichen Ostsee, die mir diese Zeit zu der liebsten Erinnerung im ganzen Kriege macht.

Schwer musste sie sein, da wir mit unseren zwei kleinen Kreuzern „Augsburg“, „Magdeburg“ und drei Torpedobooten, „V 25“, „V 26“ und „V 186“, den russischen vier Linienschiffen, fünf Panzerkreuzern, vier kleinen Kreuzern und 56 Torpedobooten an Zahl so weit unterlegen waren und trotzdem nicht nur den deutschen Handel und die deutschen Küsten schützen mussten, sondern den Feind in den eigenen Gewässern aufsuchten und die Seeherrschaft in der Ostsee behaupten wollten und behaupteten!

Frisch-fröhlich war die Kriegführung, weil jede derartige Fernunternehmung bis in die feindlichen Gewässer, 330 Seemeilen, also 600 km von der Basis Danzig, ein wunderbar belebendes Risiko in sich barg, weil wir begeisterte Offiziere und Besatzungen und einen hervorragenden Führer in der Person des Konteradmirals Behring hatten, der „ran an den Feind“ ging.

Er und sein schneidiger Admiralsstabsoffizier Korvettenkapitän Gercke weilen nun auch nicht mehr unter den Lebenden.

Ja, Behring war ein hervorragender Führer und ein ganzer Mann. Wie gering er jede persönliche Gefahr achtete, zeigt folgende kleine Episode:

Eines Nachts wurde sein Schiff, S. M. S. „Friedrich Carl“, ganz allein im dichten Nebel fahrend, von einer heftigen Explosion erschüttert. Es wurde steuerlos und begann zu sinken. Jeder glaubte an den Torpedoschuss eines englischen Unterseebootes, Plötzlich eine zweite noch heftigere Explosion! Der Untergang und damit, nachts im dicken Nebel ohne jede Hilfe, der Tod, ist wohl allen sicher. Da ertönt plötzlich ein frischer männlicher Bass: „Na, einen Trost, mein lieber Gercke, können wir doch mit auf den Meeresgrund nehmen, die Kerls, die Engländer, haben doch miserable Torpedos, was?“ . . .

Zum Glück kam dann doch noch unvorhergesehene Hilfe durch den kleinen Kreuzer „Augsburg“. Nur mit diesem Führer und solchen Besatzungen konnten die beinahe unmöglichen Aufgaben gelöst werden!

Es konnte nicht ausbleiben, dass wir dabei auch Verluste hatten.

So kam es, dass eines Tages die „Magdeburg“ unter Führung des Kapitäns zur See Habenicht im dicken Nebel bei der Insel Odensholm auf Strand lief, aufgegeben und gesprengt werden musste.

„Wir haben die ‚Magdeburg‘ verloren, das soll uns nicht hindern, vertrauensvoll in die Zukunft zu blicken“, so eröffnete Konteradmiral Behring die Sitzung, in der er uns seine weiteren Pläne entwickelte. Wohl war ihm das Schicksal der „Magdeburg“ ans Herz gegangen, trug er doch selbst bis zu einem gewissen Grade die Verantwortung dafür.

Aber nichts, auch nicht Unglück konnte seine prächtige Kriegernatur niederbeugen. Sicher war es ein herber Verlust für uns. Auch „V 26“ mit seinem inzwischen gefallenen Kommandanten,“ Kapitänleutnant Freiherr von Roeder, der die Besatzung der „Magdeburg“ im schneidigen Ausharren trotz der herbeigeeilten, heftig feuernden russischen Panzerkreuzer rettete, hatte sich, mit einem Schuss in der Turbine, einer längeren Reparatur unterziehen müssen.

Aber nicht hinter, sondern vor uns geschaut! Dann mussten eben „Augsburg“, „V 25“, dessen Kommandant ich war, und „V 186“ unter Korvettenkapitän Ehrhardt die Sache allein weitermachen. Nur die Russen nicht glauben lassen, dass der Verlust der „Magdeburg“ unseren Offensivgeist lahmgelegt hat.

So waren wir, „Augsburg“, „V 25“ und „V 186“ denn eines Tages, am 26. August 1914, wieder vor dem Finnischen Meerbusen versammelt, um die Russen irgendwie zu schädigen. Tin seltsamer Genosse hatte sich aber inzwischen eingefunden. Ein U-Boot, das alte „U 3“, mit seinem tüchtigen Kommandanten Kapitänleutnant Valentiner, das war ja großartig! Alle Achtung, dass es überhaupt soweit gekommen war. Unsere U-Bootsleistungen waren damals noch in den ersten Anfängen und ganz besonders konnte man von dieser alten Schlurre nicht viel verlangen. In der Nacht vom 26. zum 27. August schleppte die „Augsburg“ das U-Boot weiter nach Osten in den Finnischen Meerbusen hinein.

Es war eine böse Nacht. Dicker, dicker Nebel, dabei brach die Schleppleine ein paarmal, Wie oft tauchten die Umrisse des Ü-Bootes plötzlich gespensterhaft vor mir an Bord „V 25“ auf. Nur „Hart Ruder“ und „Äußerste Kraft zurück“ konnten ein Rammen vermeiden. Es war für uns Torpedoboote wahrlich nicht leicht, dem ganz langsam mit 7 Seemeilen 3,5 m in der Sekunde fahrenden Schleppzug zu folgen, ohne es in der Dunkelheit und im Nebel aus den Augen zu verlieren.

Morgens klarte es auf. Ein herrlicher Tag brach an. „U 3“ wurde losgeworfen und weiter ging es mit hoher Fahrt dem Feinde entgegen. Bald sichteten wir voraus neun fischdampferartige Fahrzeuge und mehrere Zerstörer, augenscheinlich schon mit Suchen oder Beseitigen einer von uns am 17. August geworfenen Minensperre beschäftigt.

Nun begann eine wilde Jagd. Der Gegner entfloh mit höchster Fahrt. Ein lahmer Krüppel war etwas zurückgeblieben. Bums: zu kurz, bums: zu weit. Bums: Treffer! Noch ein Treffer! Schon brannte das Fahrzeug.

Aber was ist denn das im Norden? Zwei russische Panzerkreuzer hatten unser Vordringen nach Osten benutzen wollen, uns den Weg nach Westen, aus dem Meerbusen heraus, abzuschneiden.

Also mit hoher Fahrt wieder nach Westen! Da taucht vor uns unser kleines U-Boot „U 3“ auf. Schnell ist der Plan bei Behring fertig.

„U 3“ muss zum Angriff angesetzt werden. Dazu ist aber voller Einsatz der Überwasserstreitkräfte „Augsburg“, „V 25“ und „V 186“ notwendig, Wir wollen versuchen, die beiden Panzerkreuzer zu binden und, wenn möglich, dem U-Boot entgegenzulocken, bis das U-Boot heran ist.

Das konnte natürlich lange dauern, da „U 3“ unter Wasser nicht mehr als 2 Seemeilen — 1 m in der Sekunde lief.

Ein herrliches Gefechtsbild begann! Wie auf dem Exerzierplatz, nur verteufelt ernst.

Statt mit äußerster Kraft weiter nach Westen zu entfliehen, hielt „Augsburg“ und hinter ihm „V 25“ auf den Feind zu, mährend „V 186“ auf besonderem Befehl seitwärts weiter ab fuhr. Der Russe fällt auch darauf hinein. Seiner Beute sicher, nichts ahnend von der Anwesenheit eines U-Bootes, stößt er mit schnaubender Fahrt auf uns zu. „U 3“ sucht inzwischen seinen Kurs unter Wasser dem Feinde entgegen.

Ssssst! Eine wohl 20 m hohe Wassersäule steigt etwa 30 m neben „V 25“ hoch. Wie konnten wir uns schön ducken! Selbst der wackere Kriegslotse Laudon, mein späterer tapferer Kriegskamerad in so vielen Unternehmungen, macht eine besonders tiefe Verbeugung, und hatte vorher noch so über diese „Anfängerkrankheit“ gespottet. Eine der dicken 20,3-cm-Granaten der Russen war unmittelbar neben „V 25“ eingeschlagen, so dass die Sprengstücke dicht an unseren Köpfen vorbeisausten.

Und nun folgte Salve auf Salve.

„Augsburg“, der die Schießerei besonders galt, war in Spreng- und Wasserwolken gehüllt. Wacker schoss sie wieder. Aber was konnten die 10,5-cm-Geschütze auf 12 000 m ausrichten. Sie tragen kaum bis 10 000 m. Immer näher kommt der Feind.

Jetzt ist er schon auf 10 000 m heran. Wäre doch das U-Boot erst am Feind! Konnte doch ein einziger Treffer die „Augsburg“ außer Gefecht setzen.

Plötzlich schwenkt der Gegner nach Westen ab. Hatte er Verdacht geschöpft? Oder wollte er uns aus 15 000 m Entfernung erledigen, ohne selbst in die Gefahr zu kommen, Treffer zu erhalten?

Aber so leicht lässt Behring seinen Plan nicht fallen, Plötzlich sehe ich die „Augsburg“, in weißem Dampf gehüllt, „hart Steuerbord“ herumdrehen.

Also hat sie doch einen schweren Treffer erhalten? „Dann müssen wir mit ‚V 25‘ die Panzerkreuzer angreifen und ‚Augsburg‘ so entlasten“, hatte ich gerade meinem Wachoffizier, dem braven Oberleutnant zur See Benninghoff, gesagt. Was das am hellen Tage bei einem unbeschossenen Gegner für die Torpedoboote bedeutete, war allen klar.

Bald aber merkte ich die List Behrings. Er hatte gefürchtet, die Panzerkreuzer würden von uns ablassen und dadurch das herankommen unseres „U 3“ zunichtemachen. Schnell entschlossen kommandierte er mit markiger Stimme: „hart Steuerbord! Dampf abblasen! Ich markiere Ruderstörung!“

Die List gelang! Die russischen Panzerkreuzer bissen wieder an, drehten zurück und eröffneten von neuem auf etwa 10 000 m ein lebhaftes Feuer. Wieder ertönt Salve auf Salve. Mal 100 m zu weit, mal 10 m zu kurz, dann etwas zu weit links, dann etwas zu weit rechts. Sprengstücke fliegen massenweise auf das Deck der „Augsburg“, hochauf spritzt das Wasser rings um „Augsburg“ und „V 25“, aber kein Treffer wird erzielt. Wohl erwidert „Augsburg“ das Feuer, aber es ist so gut wie zwecklos, da die Entfernung zu groß und die Beobachtungsmöglichkeit zu schwer.

Immer weiter geht die Jagd nach Süden, bis eine Sandbank uns zwingt, nach Westen abzubiegen. Aber nun muss „U 3“ auch endlich am Feinde sein? Wie begierig blickten wir hin, wie hofften wir jede Sekunde, dass der Plan des Admirals glücken würde!

Und da kam die bittere Enttäuschung!

Der Feind drehte plötzlich mit höchster Fahrt nach Norden ab.

Was war geschehen? „U 3“ war bis auf etwa 1500 m an den Feind herangekommen, hatte aber wegen Schwergängigkeit der alten Rudermaschine höher als nötig auftauchen müssen, und kaum sahen die Russen dies, suchten sie das Weite. Das war wirklich Pech. Wie leicht hätten wir schon damals einen vollen U-Bootserfolg durch Vernichtung der beiden Panzerkreuzer haben können. Der rücksichtslose schneidige und überlegte Einsatz unserer Überwasserstreitkräfte hätte es wahrlich verdient!

Ein Trost war es uns später, dass nach einigen Wochen einer der beiden Panzerkreuzer, die „Pallada“, doch noch von „U 26“, einem etwas moderneren Boot, unter seinem tapferen Kommandanten, Kapitänleutnant Freiherr von Berckheim, der später auch den Seemannstod gefunden, versenkt wurde.

Aber schön war dies Gefecht doch, wenn uns auch der unmittelbare Erfolg versagt blieb. Das ist Kriegsglück; hat man es heute nicht, hat man es ein andermal.

Wir hatten noch oft Gelegenheit, das Kriegsglück zu erkämpfen.

Bald wurden die Seestreitkräfte im Osten auch vermehrt, da die Überzahl der Feinde zu erdrückend war. Ich selbst wurde Chef der X. Torpedobootsflottille.

Unternehmung reihte sich an Unternehmung, bis die schönen Tage der Einnahme von Libau, später Riga, wobei wir Seite an Seite mit unserer glorreichen Armee kämpfen konnten, kamen und unsere Mühen krönten.

Und dann ging es wieder weiter, Winter und Sommer, Sommer und Winter hindurch. Nur selten lagen die Torpedoboote im Hafen. Fern von der Heimat, fern von den Angehörigen. Manchmal gutes Wetter, meist schlechtes Wetter, aber Offiziere und Besatzungen immer frohen Mutes und stolz darauf, im fernen Osten die eiserne treue Seewacht gegen eine erdrückende Übermacht zu halten, für Deutschlands Sieg, für das geliebte Vaterland.

2. Auf Minen geraten.

Es war der 9, November!

Mit brausender Fahrt jagten elf Boote der X. Torpedobootsflottille unter meiner Führung in den Finnischen Meerbusen hinein, dem Feinde entgegen!

Was konnte es Schöneres geben?

Tapfere, kriegserprobte Offiziere und Besatzungen unter mir, in mancherlei gefahrvollen Stunden als Kameraden miteinander verwachsen, einer dem anderen vertrauend, darauf brennend, mal wieder an den Feind zu kommen, für Deutschlands Sieg und Ehre zu kämpfen! Unter den Füßen das beste Material, die neuesten Torpedoboote, ein Ziel vor Augen, das jeden wackeren Seemann und Soldaten stolz machen musste: die Vernichtung feindlicher Schiffe!

Gewiss war der Einsatz groß und die Verantwortung für den Admiral, der die Unternehmung angesetzt, schwer.

Aber das ist nicht unsere, nicht meine Sache! Wohl wissen wir, dass die Russen viele Minen dort hingelegt haben, aber Glück gehört zum Kriegshandwerk und warum sollten wir das nicht haben.

Also los! „Kurs Ost, 21. Seemeilen Fahrt und Kiellinie“ lautete mein Signal bei Einbruch der Dämmerung.

In endlos langer Reihe, wegen der Minengefahr im Abstand von 300 m genau hintereinander herfahrend, folgten die Boote dem Flottillenboot „S 56“. von hier aus waren nur die vordersten drei Boote zu sehen, die anderen blieben in Dunkelheit getaucht. Das war nicht schön, aber nicht zu ändern, betrug doch der Abstand „S 56“ vom Schlußboot etwa 3000 m. Das Wetter war uns günstig. Mondschein, gemildert durch bedeckten Himmel und ruhige See.

Um 8 Uhr 38 Minuten nachmittags ein Morsespruch von achtern mit der Laterne, dass Boote zurückgeblieben seien. Also kehrtmachen und nachsehen, was dort los ist. Die drei letzten Boote fehlen, „S 57“ mit dem wackeren, später gefallenen Oberleutnant zur See von Prittwitz, „V 75“ mit Kapitänleutnant Menche und „O 89“ mit Kapitänleutnant Saupe als Kommandanten, Von den drei Booten ist nichts zu sehen. Da kommt endlich ein Morsespruch, von achtern nach vorn durch die ganze Linie weitergegeben und entsprechend verzögert, dass eins der letzten Boote auf Minen geraten sei.

Das war kein schöner Anfang! Aber was hilft‘s. Langes Suchen nach den drei Booten, die wohl schon weit im Westen zurückgeblieben sind, hat keinen Zweck. Es sind auch zwei Boote bei dem Unglücksboot, wie es befehlsgemäß vorgesehen war.

Also Kehrtschwenkung und mit dem Rest von acht Booten wieder weiter nach Osten! Erst nach Rückkehr von der Unternehmung erfuhr ich genauer, was geschehen war. Eine Mine hatte „V 75“ unter der Kommandobrücke getroffen. Die Kesselräume liefen sofort voll Wasser. „S 57“ kam zu Hilfe. Da erschüttert eine starke Explosion „V 75“, und „S 57“ wird mit davon betroffen. „V 75“ wird in drei Teile gerissen, auf „S 57“ reißt die Hauptdampfrohrleitung, und bald darauf gerät „S 57“ auf eine zweite Mine. „O 89“ nahm beide Besatzungen über, „S 57“ und „V 75“ versanken.

Die Flottille hatte inzwischen ihren Vormarsch mit 21. Seemeilen fortgesetzt. Mit vieler Mühe gelingt es, um 10 Uhr nachmittags die Insel Odensholm anzusteuern, um dort für die kommenden Aufgaben einen genauen Schiffsort zu gewinnen.

Da geht endlich ein Funkspruch von „O 89“ ein, dass „V 75“ und „S 57“ gesunken sind.

Als ich gerade befehlen will, dass drei Boote „O 89“, das ja nun mit drei Besatzungen allein, zu Hilfe eilen sollen, kommt der nächste Funkspruch, dass „O 89“ mit 30 Seemeilen nach Westen zurückdampft. Umso besser. So kann ich mit acht Booten die Unternehmung fortsetzen und den Verlust der beiden Boote durch einen Erfolg wieder ausgleichen.

Aber wo ist der Feind? Ist ihm unser Vorstoß einmal wieder vorzeitig verraten? Rein Schiff, kein Wachfahrzeug zeigt sich, obschon unser Kurs bis in die späte Nacht weit in den Finnischen Meerbusen hineinführt. Das ist bitter!

Um wenigstens einen Erfolg zu buchen, beschließe ich, in das Rooger Wik einzudringen und den befestigten Hafenort Baltischport zu beschießen, Vielleicht liegen dort im Hafen noch feindliche Schiffe.

Fünf Boote lasse ich vor der Bucht; mit „O 90“, Kapitänleutnant Höring, und „S 59“, Kapitänleutnant Klein, dringe ich mit dem Flottillenboot „S 56“ unter seinem braven, immer tatenfreudigen, später auch gefallenen Kommandanten und Kapitänleutnant Krech in das Rooger Wik ein.

Minen liegen anscheinend nicht aus.

Vorsichtig geht es dicht an dem Fort der Ostseite vorbei bis auf 600 m an die Hafenmolen heran. Aber kein Schiff liegt hier, noch in der Bucht. Wie ärgerlich ist das! So bleibt mir nichts übrig als eine Beschießung der militärischen Anlagen.

Ihr armen Baltischporter, die ihr euch so sicher hinter euren Minensperren glaubet, was mögt ihr für einen Schreck bekommen haben, als plötzlich um l Uhr 30 Minuten nachts sechs Scheinwerfer aufblitzen und ein fürchterliches Geschieße beginnt. Aber die „Barbaren“ beschießen nur die Hafenanlagen, also Schuppen und Speicher und dergleichen und schonen die Stadt selbst. 162 Sprenggranaten werden verfeuert, Soldaten, Pferde getötet, militärische Anlagen in Trümmer geschossen.

Dann geht‘s wieder hinaus aus der Bucht und mit 26 Seemeilen Fahrt nach Westen, den dort, außerhalb des Minengebiets in Aufnahmestellung befindlichen Kleinen Kreuzern entgegen.

Um nicht die Unglücksstelle von „S 57“ und „V 75“ zu passieren, wählte ich einen etwas anderen Kurs.

Plötzlich ganz hinten bei den letzten Booten der Kiellinie ein Aufblitzen von Schüssen und Geschützdonner! Also muss der Feind uns doch erspäht und die letzten Boote angegriffen haben! Äußerste Kraft voraus, kehrtschwenken und den Kameraden zu Hilfe! Da erhebt sich dicht hinter mir auf dem zweiten Boot, „O 90“, Kapitänleutnant Höring, eine gewaltige Wassersäule. Zu hören ist nichts. Auch auf dem Boot selbst ist musterhafte Ruhe. Während das Flottillenboot an „O 90“ vorbeischwenkt, sehe ich das Unglück, Minentreffer in Höhe der Turbine. Schon ist das dritte Boot, „S 59“, Kapitänleutnant Klein, längsseit bei „O 90“ und nimmt die Besatzung über. „O 90“ fängt an zu sinken. Noch sinne ich über diesen bitteren Verlust nach, da erhellt bei den letzten Booten der Kiellinie ein Scheinwerfer das Dunkel der Nacht und schmerzerfüllt lesen wir ab: „V 72 M. M.“ (Minentreffer), es wurde auf vermeintliche U-Boote geschossen.

Das ist ja ein Höllengebiet, in das wir geraten sind!

Als ich den hinten fahrenden Booten näherkomme, liegt „V 77“, Kapitänleutnant Stratmann, schon längsseit von „V 72“, dem Boot des schneidigen, später auch gefallenen Halbflottillenchefs, Kapitänleutnant Freiherr von Roeder, und nimmt die Besatzung über. An ein Nachhauseschleppen ist bei allen Booten gar nicht zu denken. Sie sind sämtlich zu schwer getroffen und schwimmen nur noch eben.

„S 57“ und „V 75“ sind auf dem Hinmarsch und jetzt „O 90“ und „V 72“ von der stolzen Flottille bereits gesunken! Was mag das Schicksal uns noch weiter bringen? Mit dem Rest von sechs Booten — „O 89“ war inzwischen schon bei den Kreuzern angekommen — wird der Marsch nach Westen fortgesetzt. Noch haben alle Boote nicht ganz gesammelt, schon wieder das fürchterliche „M. M.“ auf einem Boot hinter mir! Diesmal ist es „S 58“ unter dem braven Kapitänleutnant Herrmann, der später ebenfalls gefallen ist.

Auch dieses Boot ist so schwer getroffen, dass es nicht mehr schwimmen kann. In Mengen strömt das Wasser in die Abteilungen und plötzlich kentert das ganze Boot. „Gott sei Dank“ sind die Besatzungen schon größtenteils auf „S 59“ übergestiegen.

Es ist eine grausige Nacht! Tiefer Finsternis umher, das Wetter wird immer schlechter, der Feind wahrscheinlich außerhalb des Minengebiets auf die dezimierte Flottille wartend und mitten im Teufelskessel nur Minen, gegen die man ohnmächtig ist, sich nicht wehren kann! Dann immer wieder dieses grelle Scheinwerferleuchten „M. M.“, darauf die gefahrvollen Rettungsversuche und endlich das Bitterste, die Versenkung der Boote mit eigenen Torpedos, wenn sie durchaus nicht gleich sinken wollten!

Denn sinken mussten sie, da wir sie nicht mitnehmen konnten und sie den Russen nicht schwimmend in die Hände fallen durften.

Aber all das Grässliche wurde gemildert durch das heldenmütige Verhalten von Offizieren und Mannschaften!

Es ist auch keine Zeit, sich viel Gedanken zu machen. Die Boote, die sinken, und die, die retten, haben genug mit sich zu tun! Ich selbst muss Befehl auf Befehl geben und nach Möglichkeit so steuern, dass die übrigen Boote nicht auf Minen kommen. Der Kurs Nordsüd erscheint mir dazu am geeignetsten, weil die Sperren wohl selbst Nordsüd liegen und ich dann parallel zu ihnen laufe.

Gewiss brachte man die rettenden Boote durch das Längsseitgehen bei dem havarierten Boote in schwere Gefahr. Aber was anderes zu machen! Hätte man nur die Lage der Sperren gekannt, dann wären alle Torpedoboote einfach außerhalb der Minen geblieben und die Rettung hätte durch Ruderboote geschehen können. So aber, wo überall Minen liegen konnten und auch lagen, kam nur zweierlei für mich als Führer in Frage. Entweder überließ ich das havarierte Boot seinem Schicksal und steuerte mit den anderen Booten mit äußerster Kraft fort aus dem Minengebiet, oder ich schickte ein Boot zur Rettung der Besatzungen längsseit und blieb mit dem Rest der Boote in der Nähe, um helfen zu können, falls auch das zweite Boot auf Minen kam. Ersteres kam für mich als deutscher Offizier nicht in Frage, also musste ich letzteres tun.

Auch dauerte das Retten mit Ruderbooten zu lange. Über eine Stunde brauchte „S 59“ dazu, das ausnahmsweise mit Ruderbooten rettete, weil es wegen neben „S 58“ an der Oberfläche sichtbarer Minen nicht an dieses herankommen konnte. Und diese ganze Zeit mussten die anderen Boote im Minengebiet warten! Endlich ist „S 59“ fertig und folgt den anderen Booten. Aber kaum ist es einige tausend Meter gefahren, ereilt „S 59“ sein Schicksal. „M. M.“ blitzt es wieder durch das Dunkel der Nacht.

Nun gehe ich selbst bei „S 59“ längsseit.

Eine besonders unheimliche Fahrt, sehe ich doch in unmittelbarer Nähe bei „S 59“ zwei dicke Minen an der Oberfläche.

Also möglichst schnell längsseit und dann hinab mit dir, du braves Boot. Auch du bist zu schwer getroffen, um den Weg geschleppt nach Hause zu finden.

„S 59“ hatte bereits zwei Besatzungen an Bord. Nun, wo „S 56“ auch die Leute von „S 59“ nimmt, hat „S 56“ drei fremde Besatzungen, also beinahe 400 Mann an Bord.

Aber wie wunderbar ist die Haltung der Leute! Kein Wort der Angst oder des Ärgers, nicht mal der Eile hört man beim Übersteigen! Es geht so ruhig zu wie bei einem einfachen Manöver. Nur hier und da hört man den Ruf: „Erst die Verwundeten rüber, dann kommen wir.“ Ja, sie waren prächtig, diese Leute von damals.

Nun habe ich noch vier Boote!

Ist diese Teufelsnacht denn noch nicht bald zu Ende? Nein! Wo wir sind, können immer noch Minen liegen. Aber was nützt das Grübeln! Nur so schnell als möglich raus aus dieser bösen Gegend. Also weiter mit „S 56“, „V 76“, „V 77“, „V 78“ nach Westen und 27 Seemeilen Fahrt.

Ein Trost, dass es mittlerweile hell geworden ist. Aber noch war das Unglück nicht zu Ende. Plötzlich wieder ein leises Schwenken des letzten Bootes der Kiellinie, „V 76“, Kapitänleutnant Jasper, und dann eine hohe Wassersäule und ,M. M.“. „V 77“ rettet die Besatzung, auch „V 76“ sinkt.

Nun sind es noch drei Boote, die einsam und traurig den Weg nach Hause suchen und auch finden. Nur „S 56“, das merkwürdigerweise bisher, trotzdem es als Flottillenboot und vorderstes Boot die Kiellinie führte, allen Minen entgangen war, hat noch ein Missgeschick, das aber keine bösen Folgen hat. Ganz plötzlich erhält es infolge Rohrbruchs starke Wasserverluste in den Kesseln, so dass es stoppen muss. Schnell kommen „V 77“ unter Kapitänleutnant Stratmann und „V 78“ unter dem getreuen Halbflottillenchef, Kapitänleutnant Rebensburg, mit seinem wackeren Kommandanten, Kapitänleutnant Cranz, längsseit und geben Wasser über. Aber doch dauert die Beseitigung der Havarie fast eine Stunde, noch mitten im Minengebiet.

Dann aber sind die Sorgen um die noch heilen Boote meiner Flottille vorbei.

Allmählich sind wir in das minenfreie Gebiet gelangt und schon kommen uns andere Torpedoboote, von dem Admiral auf „Kolberg“, unserem unternehmungsfreudigen Führer, Konteradmiral Langemak ausgesandt, entgegen, und bald begrüßt uns der Admiral selbst mit warmem, zu Herzen gehendem Signal.

Vom Feinde aber war nichts zu sehen. Er hat sich, wie wir später hörten, nicht herausgetraut.

Eine böse, böse unglücksschwangere Nacht lag hinter uns!

Von elf Booten waren noch vier: „S 56“, „V 77“, „V 78“ und „O 89“, übrig.

Wohl wühlte der Schmerz in mir und meinen (Offizieren und Besatzungen.

Aber wir hatten getan, was wir konnten, und was hilft ein langes Nachtrauern!

Der Krieg verlangt seine Opfer, und wenn wir auch keine feindlichen Schiffe vernichtet hatten, so hatten wir doch wichtige Anlagen in Baltischport zerstört und von uns bislang nie befahrene Gewässer, in denen sich der Russe bisher ganz sicher fühlte, heimgesucht.


Von nun ab musste der Feind stets mit einer Wiederholung einer solchen überraschenden Unternehmung rechnen und sich danach richten, eine Tatsache, die besonders von erheblichem Einfluss auf die bereits stattfindenden Truppentransporte von Reval nach Riga sein musste, Transporte, die unserer Armee vor Riga damals äußerst nachteilig waren. Wir aber, Offiziere und Besatzungen der X. Flottille, hatten uns in diesen schweren Stunden wahrlich kennengelernt. Rein Wort, keine Tat, kein Kommando trübt die Erinnerung an diese Stunden innigster und aufopferungsfreudigster Kameradschaft! So konnte ich mit Trauer wegen der Bootsverluste, doch mit Stolz auf die Besatzungen und in Hoffnung auf kommende Unternehmungen mit solchen Offizieren und Leuten zum Schluss in meinem Gefechtsbericht schreiben: „Die in kurzen Zwischenräumen erfolgenden Explosionen und Bootsverluste sowie die dauernd vorliegende nahe Möglichkeit weiterer Verluste stellten die höchsten Anforderungen an Verhalten und Leistungen der Offiziere und Mannschaften. Mit freudigem Stolz kann ich als Flottillenchef melden, dass das Verhalten aller Offiziere und Mannschaften geradezu hervorragend war. Die Leute wetteiferten darin, zunächst die Verwundeten zu bergen.

Alle Manöver, Rettungs- und Sprengarbeiten wurden mit der größten Ruhe und Sorgfalt durchgeführt.

Dem mustergültigen, besonnenen und schneidigen Verhalten von Offizieren und Mannschaften ist es in erster Linie zu verdanken, dass tatsächlich alle Lebenden gerettet sind und nur ein Gesamtverlust von 16 Toten zu beklagen ist.“

Auf See unbesiegt

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