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Die Vernichtung des englischen Linienschiffes „Goliath“.

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Von Korvettenkapitän a. D. Rudolf Firle, damals Kommandant eines türkischen Torpedobootes.

m 10. Mai war ich wieder einmal mit meinem treuen Kameraden und Adjutanten, dem Leutnant zur See Brami Andreae von einer U-Boots-Streife nach Pascha Liman zurückgekommen, die wir mit Vorliebe auf unseren kleinen Booten wegen ihrer schweren Sichtigkeit unternahmen, als mich ein Funkentelegramm des Oberbefehlshabers an den Dardanellen, Admirals von Usedom, dringend nach Chanak rief. Der Admiral bat in diesem Telegramm um Unterstützung durch Torpedoboote, welche durch einen Nachtangriff die in die Dardanelleneinfahrt eingedrungenen englischen Linienschiffe vertreiben sollten, da deren Feuer die Landungsstellungen der Türken auf die Dauer unhaltbar machte. Ich ging daher sofort am Abend mit „Muavenet“ nach Chanak in See. Im Morgengrauen kamen wir an Gallipoli vorbei, wo schon das dumpfe Donnern der schweren Schiffsgeschütze von den Dardanellen herüberschallte. Es waren die Tage der härtesten Kämpfe von See und Land aus, das Schicksal der Meerengen und der Türkei hing an einem seidenen Faden, an der Zähigkeit, Widerstandskraft und dem Selbstvertrauen der Verteidiger. Gleichzeitig meldeten Funksprüche, dass die russische Flotte den Bosporus beschieße, so dass einem jeden von uns der ganze Ernst der Lage und die Notwendigkeit rücksichtslosesten Einsatzes aller verfügbaren Mittel klar vor Augen stand. Gallipoli bestand nur noch aus Ruinen und rauchenden Trümmerhaufen, die 38 cm der „Queen Elisabeth“ hatten vom Saros-Golf aus ganze Arbeit getan. Fromm und voll ehrlicher Trauer trat die Besatzung meines Bootes beim Passieren der zerstörten Stadt, deren Bewohner hungernd mit den Resten ihrer eilends geborgenen Habe am Strande kauerten, an Oberdeck an und beteten für die Rettung ihrer Landsleute und schworen, sie im Kampfe zu rächen. Bei Nagara, dem Eingang zur Bucht von Chanak, wütete der Kampf. In der Luft ein unangenehmer gelber Fesselballon, der als funkentelegraphischer Artilleriebeobachter für die vom Dardanelleneingang und vom Saros-Golf indirekt schießenden englischen Seestreitkräfte diente.

Ringsum die Einschläge der Granaten, turmhohe Wassersäulen der 38 cm, die umso unangenehmer wirkten, als man ja die Schüsse und das Aufblitzen des feindlichen Mündungsfeuers nicht sehen konnte, sondern aus heiterem Himmel über die Berge hinweg auf einmal so ein Paket herankommen hörte.

Dazu das Abwehrfeuer der türkischen Batterien und das indirekte Feuer unserer Linienschiffe „Barbarossa“ und „Torgut Reis“, die unter dem Landabhang an der europäischen Seite oberhalb Maidos geklemmt, wirksam ihre braven 28-cm-Türme spielen ließen. Auf Reede irrten eben angekommene türkische Transporter umher, voll bepackt mit Menschen, Pferden, Munition und Vieh, hilflos sich nach einem Ankerplatz umsehend, wo sie vom Feuer geschützt ihre Truppen ausladen konnten. An Land in den Stellungen wurde heiß gekämpft, und die türkische Heeresleitung rief immer dringender nach Truppen und Munition. Gerade als ich im Beiboot von „Muavenet“ zur Meldung zu Admiral von Usedom, der am Strande seinen Beobachtungsstand hatte, von Bord absetzte, schlug eine 38 cm mitten in einen Transportdampfer, der im Nu in der reißenden Strömung verschwand. Aber auch diesmal hatte Allah seine gütige Hand über den Türken gehalten, denn aus einer Reihe von drei nebeneinander festgemachten Schiffen war dies gerade ein leerer, bereits ausgeladener Transporter gewesen.

Admiral von Usedom setzte mir die Lage kurz auseinander und wies darauf hin, dass die türkischen Stellungen, vor allem in der Nacht, durch das flankierende ununterbrochene Schnellfeuer der in der Meerenge eingelaufenen englischen Linienschiffe, die sich bei der Morto-Bucht am Eingang der Meerengen ganz ruhig zu Anker legten, so erschüttert würden, dass auf die Dauer ihr Halten nicht mehr möglich sei. Damit wäre aber die Hauptstellung verloren und das Aufrollen der übrigen Linie nur noch eine Frage der Zeit. Er fragte mich zum Schluss, ob ich einen Torpedobootsangriff auf diese Schiffe bei Nacht für möglich hielte und bat mich, ihm später darüber Meldung zu machen. Am Nachmittag fuhr ich in einer Dampfpinasse dicht unter Land an der europäischen Seite den nicht mit Minen gesperrten Teil des Fahrwassers ab, um zunächst festzustellen, ob überhaupt ein Auslaufen durch die ohne jede Durchfahrtslücke geworfenen vielreihigen türkischen Minensperren möglich sei. Ich hatte mich bereits entschlossen, in jedem Fall den Versuch nur mit meinem erprobten und bewährten Führerboot zu machen, auf dessen Besatzung und Waffen ich mich unbedingt verlassen konnte und nicht eines der als Wachboote der Dardanellenverteidigung von Admiral Souchon zur Verfügung gestellten kleinen Torpedoboote dazu zu benutzen. Außerdem hatte das große Boot den Vorteil, dass es in Aussehen und Größe den zur Sicherung der englischen Schiffe bis fast vor die türkischen Minensperren in den Meerengen patrouillierenden englischen Zerstörern glich, so dass ich bei Nacht durch diesen Sicherungsgürtel leichter unbemerkt durchzukommen hoffte. Das Fahrwasser durch unsere Sperren war für ein großes Torpedoboot zwar übel flach und ziemlich gewunden, doch durch mein letztes Friedenskommando als Kommandant des Flusskanonenbootes „Otter“ auf dem oberen Hangtse in China an enge Fahrwasser und Steine gewöhnt, glaubte ich es doch riskieren zu können. Zunächst musste ich mir aber über das Verhalten der englischen Schiffe während der Nacht und über die Art ihrer Sicherung ein Bild an Ort und Stelle machen. Ich fuhr daher mit Einbruch der Dämmerung in einer halsbrecherischen Autofahrt zu dem Hauptbeobachtungsstand der türkischen Küstenbatterien in Arenkioi an der asiatischen Seite, deren Befehlshaber, Oberstleutnant Wehrle, damals, am glorreichen (8. März, die englische und französische Flotte bei ihrem Einbruchsversuch zusammen mit den braven Marineartilleristen Kapitäns Wossidlo aus Fort Hamidije so übel zugerichtet hatte, um mir das Bild und das Benehmen der feindlichen Schiffe vor und in den Dardanellen bei Nacht anzusehen. Es war eine herrliche sternklare Nacht, Ich kam mir vor wie im Hotel Bellevue in Kiel während der Kieler Woche. Unter mir die Wasserfläche vor und in den Meerengen bis nach Tenedos bedeckt mit Lichtern, darauf die in aller Ruhe und Friedlichkeit vor den Dardanellen unübersehbar ankernde englisch- französische Flotte mit den gewaltigen Parks ihrer Tross- und Transportschiffe. Das wäre ein Fressen für einen Torpedobootsnachtangriff deutscher Flottillen gewesen! Auf der anderen Seite am europäischen Ufer, aus den sich schwarz am Sternenhimmel absetzenden Berghängen hörte man Maschinengewehrfeuer, beides aber übertönt von den dumpfen Salven der auch diese Nacht wieder unter der europäischen Seite in der unmittelbar am Eingang befindlichen Mortobucht liegenden beiden englischen Linienschiffe, deren Schattenrisse ich mit dem Glas deutlich sehen konnte. Noch weiter innerhalb der Dardanellenstraße fuhren zur Sicherung der beiden Schiffe auch diese Nacht sechs Zerstörer hin und her, so dass der schmale Meeresarm in Abstand von 400 m von einem feindlichen Späher besetzt war. Ein enges Netz, durch das man, wie mir da oben klar wurde, nur durchkommen konnte, wenn man sich ganz dicht unter Land an der europäischen Seite der Dardanellenausfahrt entlang drückte, so dass man durch den schwarzen Hintergrund der Berge geschützt war. Auch dann musste man noch mit recht viel Glück rechnen. Gegen Mitternacht hörten die englischen Schiffe endlich mit ihrer Beschießung auf. Die> Besatzung war dann wohl auch ihres rauen Handwerks müde, und mir schien, dass so die Zeit zwischen ein und zwei Uhr morgens, die Zeit des schönsten, tiefsten Schlafes, für meinen geplanten Angriff die geeignetste sein dürfte.

Am nächsten Morgen erstattete ich Admiral von Usedom Meldung, dass ich den Angriff mit meinem Führerboot „Muavenet“ in der kommenden Nacht durchführen wolle. Von Admiral Souchon erhielt ich auf meine Meldung sofortige zustimmende Antwort. Der Tag verging mit Klarmachen der Kessel, Maschinen und Waffen. Mit besonderer Liebe wurden die Feuerungen und Torpedos behandelt. Rauchlos fahren bis zum Angriff ohne irgendein Fünkchen aus dem Schornstein und dann gut laufende Torpedos waren die Vorbedingungen für den Erfolg. Von meinem Vorhaben unterrichtet waren nur der türkische Kommandant und der tüchtige türkische Torpedooffizier, Oberleutnant zur See Haidar, aber worum es sich handelte, wusste natürlich bald das ganze Boot. Sie waren alle begeistert, aber auch der Verantwortung sich bewusst, und jeder sah nach besten Kräften noch einmal nach, dass alles in seinen Dienstobliegenheiten in Ordnung war. Rain es doch auf das einwandfreie Arbeiten jeder Kleinigkeit an. Ruder- und Rudermaschine, Scheinwerfer, alles wurde genau überholt, das Material zum Stopfen von Lecks oder Treffern klar gemacht, alles Überflüssige von Bord gegeben. Es war ja nur eine kurze Fahrt, denn die Entfernung von Nagara nach dem Dardanellenausgang betrug nur wenige Seemeilen. Ich rechnete allerdings auch damit, unter Umständen nicht mehr zurücklaufen zu können, sondern den Spuren meines tapferen Freundes Fircks, der vor zwei Monaten mit einem unserer Babies1 eine kühne Wikingerfahrt erfolgreich bis Smyrna gemacht hatte, folgend, nach Smyrna oder sonst wo ins Mittelmeer laufen zu müssen. Aber darüber machte ich mir noch wenig Gedanken. Erst wollte ich gut durch unsere Minensperren hindurch sein, das übrige würde sich dann schon historisch entwickeln. Diese Minen machten dem philosophischen Achmed, dem türkischen Mitkommandanten, die meisten Kopfschmerzen. Er kam immer wieder mit neuen Überlegungen, ob und wenn man das und das täte, den und den Kurs nähme, es nicht besser wäre. Ich tröstete ihn dann immer wieder mit denselben Argumenten, vor allem, dass ja auch die Engländer noch ihrerseits Minen gegen uns gelegt hätten, von denen wir nun gar nichts wüssten, dass ja auch im Übrigen für ihn die Sache ohne Interesse sei, da er nach seiner Theorie schon seit ¾ Jahren gestorben wäre. Er aß dann aber doch recht nachdenklich das übliche türkische Torpedobootsabendessen mit uns, weißen Käse und Brot, zu dem Brami und ich uns immer noch mit Schokolade oder sonstigen, damals aus der Heimat noch reichlich fließenden Liebesgaben halfen. Allein war es etwas mager, vor allem, wenn noch als besondere Delikatesse Knoblauch in Spargelart gereicht wurde. Um 7 Uhr nachmittags ging ich Anker auf, kurz vorher hatte mir noch Enver Pascha, der aus den Schützengräben kommend, eigentlich mit „Muavenet“ nach Konstantinopel hatte zurückfahren wollen, „Weidmannsheil“ gewünscht und war selbst auf einer ganz kleinen Schlurre an Lord gestiegen, wo ich ihn, an den Schornstein gelehnt, im sinkenden Dämmerlicht Kurs auf Konstantinopel nehmen sah. Es war ein ganzer Mann, der sich selbst überall zuerst einsetzte, darum auch ein geborener Führer seiner ihn vergötternden Armee.

Ich selbst lief mit „Muavenet“ herüber nach Maidos an der europäischen Seite und in peinvoller Schlangenfahrt hart am Ufer entlang durch unsere Minensperren. Es war gerade noch Büchsenlicht, aber doch nicht mehr so hell, dass ich glauben konnte, von den beiden englischen Schiffen, die gerade um dieselbe Zeit in den Dardanellenmund einliefen, gesehen zu werden. Es ging alles gut, einmal stieß das Boot leicht auf, aber ohne weitere Folgen. Dicht unter einer türkischen Batterie ging ich etwa um 7,30 Uhr abends zu Anker, um dort, an der Mündung des Suandere-Flusses, durch einen kleinen Vorsprung gegen Sicht von der Meerengeneinfahrt gedeckt, meine Angriffszeit abzuwarten. Ich musste darauf hoffen, dass die patrouillierenden englischen Zerstörer sich nicht so weit in die Dardanellen hinein bis an die türkischen Minensperren heranwagen würden, um mich in meinem Schlupfwinkel entdecken zu können. Anfangs schauten wir daher auch noch ziemlich hellhörig nach dem Ausgang der Dardanellenstraße aus. Allmählich aber wurde es dunkler, von See aus rollten nur die Salven der programmmäßig die Beschießung der Landstellung beginnenden beiden englischen Schiffe, meiner Freunde, für die ich auf dem Anstand lag und die meine Bekanntschaft hoffentlich in wenigen Stunden machen würden. Es war keine schöne Zeit, diese Warterei. Wie vor einem Examen. Anzuordnen war nichts mehr. Alles was zu tun war, war schon besprochen, und man hätte die Leute nur unnötig kribbelich gemacht. Immer wieder sah ich mir die Karte an, überlegte Hinlauf- und Rücklaufkurs sowie tausenderlei andere Möglichkeiten. Endlich tat ich das Schlaueste, was die nicht auf Kriegswache befindlichen Offiziere — außer Andreae hatte ich noch für diese Fahrt als deutschen Wachoffizier den bis dahin als Kommandanten eines Wachttorpedobootes an den Dardanellen verwandten Oberleutnant zur See Sebelin wegen seiner vorzüglichen Ortskenntnisse mitgenommen — auch taten, setzte mich auf einen Stuhl ins offene Kartenhaus, befahl dem Signalgasten, mich um Mitternacht zu wecken, und schlief. So lagen wir da, das schwarze Boot ganz an die Bergwand gequetscht, die stille Mainacht ohne Mond, nur mit schönem Sternenhimmel, dazwischen als Musik das Donnern der Geschütze, hier und da ein Scheinwerferblitzen und eine Signalrakete aus den Schützengräben. Ich schlief glänzend, und als ich um 12 Uhr geweckt wurde, dachte ich, Gott sei Dank, jetzt hast du die Sache bald hinter dir. Offiziere und Mannschaften rief ich nochmals kurz zusammen, befahl jeden an seine Station, Sebelin die beiden vorderen Torpedorohre und das vordere Geschütz, Andreae das hintere Torpedorohr und das Hintere Geschütz, meine drei Rohrmeister Stamm, Buskohl und Eggers, stete Begleiter auf allen bisherigen Fahrten, bis kurz vor dem Angriff neben mich auf die Brücke, damit sie sich den dicken Kerl und seine Lage erst vorher ansehen konnten, um ihm dann den Blattschuss zu geben; meinen besten Signalgasten, einen dicken, vergnügten Schiffsjungenunteroffizier, oben auf das Scheinwerferpodest mit der Handmorselampe ausgerüstet für etwaige Erkennungssignale. Eine freundliche Unterredung mit meinem getreuen Obermaschinisten Jendrszock, von dem ich auch so wusste, dass er die Feuer und Maschinen für diese Ehrenfahrt so schön bedienen würde, wie man es auf einem deutschen Halbflottillenboot nicht besser hätte erwarten können. Am Ruder ließ ich den türkischen Rudergänger, der seine Sache in Odessa und überall so hervorragend gemacht hatte, dass ich gar keinen besseren Gefechtsrudergänger hätte haben können, um ihm auch diesmal seinen Platz zu lassen und die Türken nicht zu kränken. Desgleichen blieben die Geschütze von den türkischen Mannschaften besetzt. Achmed betraute ich noch ausdrücklich mit der besonderen Überwachung der Navigation, da ich sie wegen der vielen Minen, wie ich ihm sagte, für das Wichtigste hielte. Man musste den Türken gegenüber immer nur die Form wahren, dann waren sie in dem Gefühl ihrer militärischen Unterlegenheit in jeder Weise hilfsbereite, liebenswürdige Mitarbeiter, vor allem aber treue und zuverlässige Kameraden.

Leise und lautlos lichteten wir die Anker und drehten dann den Bug der Ausfahrt zu, mit langsamer Fahrt uns nur etwa 50 m unter das Land an der europäischen Küste klemmend. Vom Ankerplatz bis zur Mortobucht waren nur fünf Seemeilen, in 20 Minuten waren wir am Ziel, schon nach fünf Minuten mussten wir das Unangenehmste, die Zerstörerkette, bekommen, sofern sie gerade einlaufenden Kurs hatten. Das war ja nun die Frage, wo diese Brüder sich auf ihrem stumpfsinnigen Patrouillengang gerade befinden würden, Vielleicht hatte ich Dusel und sahen wir sie überhaupt nicht, indem sie gerade vor uns her liefen. Aber wir hatten! Pech oder auch wie man es nimmt, Glück, denn ick? sah sie wohl, aber sie uns nicht. Es war ein spannender Moment, als ich mit meinem Glas an Backbord querab etwa 200 m so in richtiger Mittelwachtsruhe einen englischen Zerstörer einwärts an mir vorbeipassieren sah. Die Sekunden, wo ich immer dachte, jetzt sieht er dich, jetzt morst er herüber oder vielleicht dreht er gleich auf uns zu, schießt dir eine Salve in die Seite, kamen uns allen wie ebenso viele Stunden vor. Aber er sah nichts, sein Wachoffizier dachte wahrscheinlich an alles andere, als dass ein Kollege von der verhassten deutschen schwarzen Kunst selber auch mal Wachoffizier gewesen und daher die Stimmung auf einer Torpedobootsbrücke nachts gegen 1 Uhr, wenn so gar nichts los ist, auch ganz gut sich vorstellen und entsprechend ausnutzen konnte. Und der englische Kommandant lag wahrscheinlich unten in seiner Kajüte und kam wohl entsetzt erst wenige Minuten später auf seiner Brücke, als die Teufelei bereits geschehen war, zum Vorschein. Denn nun ging es etwas schneller. Ich legte etwas Fahrt zu, um auf jeden Fall angegriffen zu haben, ehe die Zerstörer wieder kehrtmachten. Recht voraus sah ich jetzt schon genau an dem Platz, wo sie die Nacht vorher gelegen hatten, die Umrisse eines dicken Schiffes aus dem Wasser wachsen, dicke Masten, Schornsteine und Wanten. Mit Backbordruder hielt ich von Land etwas nach der Mitte des Fahrwassers herüber, um für den Angriff und den Schuss den nötigen Abstand zu haben, als ich im selben Augenblicke von der Brücke des sich jetzt deutlicher abhebenden vor Anker liegenden vorderen Linienschiffes mit einer kleinen Handlaterne angemorst wurde. Darauf war ich vorbereitet. Mein Signalgast auf dem Scheinwerferpodest meldete mit einer in solchen Momenten wohltuenden, jugendfrischen vergnügten Stimme: „Der Engländer macht Erkennungssignal ‚Otto‘, Herr Kapitänleutnant, was soll ich antworten?“ „Dasselbe, Sie Heldensohn“, denn ich hatte ihm ausdrücklich vorher befohlen, er solle stumpfsinnig nach einem Anruf denselben Buchstaben erst einmal zurückmachen, damit der Feind annehme, er würde auch angemorst und zum mindesten etwas Zeit gewonnen würde. Er machte nun brav „Otto“ (drei lange Blinke) und ich wiederholte dasselbe, worauf der Engländer nochmals „Otto“ machte. Als er aber zum dritten Male die Handlaterne blinken ließ, da tönte bereits meine Hupe als Feuersignal zum ersten Mal über das Boot und der erste Torpedo aus dem vorderen Steuerbordrohr fuhr dem Engländer auf 300 m in die Seiten, Wenige Sekunden später der zweite und dritte, jedes Mal auf das Signal mit der Hupe, das ich mir doch nicht nehmen ließ, hell über mein Boot ertönen zu lassen, nachdem ich es so viel hundert Male im Frieden auf den Schießplätzen der Flensburger Föhrde und Geltinger Bucht bei friedlichem Angriff hatte erschallen lassen. Alle drei Schuss trafen mit lautem Knall, bei dem dritten, der anscheinend eine Munitionskammer im Achterschiff gefasst hatte, schlug eine hohe Flamme bis zur Mastspitze des Großmastes empor, der im Feuer zusammenbrach. Im Übrigen habe ich nicht mehr viel gesehen. Das ganze Schiff, in schwarzen Rauch gehüllt, legte sich sehr stark nach Steuerbord über, es gab einen ungeheuren Lärm, die Scheinwerfer der dahinter liegenden Schiffe leuchteten, dazwischen wurde wahllos geschossen, sowohl von den Schiffen, wie auch von den englischen und türkischen Batterien an Land, da kein Mensch natürlich wusste, was eigentlich geschehen war, als die Stille der Nacht, es war gerade 7 Uhr vormittags am Himmelfahrtstage, Donnerstag den 13. Mai 1915, durch die drei aufeinander folgenden Detonationen jäh unterbrochen worden war.

Meine drei Torpedos war ich in Ehren losgeworden. Der geringen Sprengladung der türkischen Torpedos wegen musste ich zur Sicherheit alle drei Stück für ein Linienschiff hergeben, da die bloße Beschädigung einen Erfolg nicht bedeutet hätte. Eine weitere Verwendung noch in dieser Nacht kam daher nicht mehr in Frage. Ich schlängelte mich daher im Scheinwerferlicht zwischen unterdessen von allen Seiten heraneilenden Fahrzeugen eiligst wieder nach dem europäischen Ufer durch, um denselben Kurs, den ich ja auf der Hinfahrt als minenfrei erprobt, auch auf der Rückfahrt zu benutzen. Rücksicht auf die Schornsteine brauchte ich jetzt nicht mehr zu nehmen, lustig sprühten die Funken des mit äußerster Kraft dahinsausenden Bootes zum Himmel. Von Land wurde ich anscheinend für einen Engländer gehalten und von den türkischen Landstellungen aus mit einigen liebenswürdigen Maschinengewehr- und Flintenkugeln bedacht. Nach wenigen Almuten hatte ich meinen Ankerplatz bei Suandere erreicht und machte dort außerhalb der türkischen Minensperren Halt, um mir die Sache zunächst einmal in Ruhe anzusehen, denn in der Meerenge herrschte anscheinend noch ein wilder Betrieb. Scheinwerfer, Kanonenschüsse von allen Seiten, so dass ich es auch nicht geraten hielt, sofort einzulaufen, da ich von den türkischen Batterien beim besten Willen nicht verlangen konnte, dass sie mich als Freund erkennen und behandeln würden. In solchen Zweifelfällen trifft aber in der Regel auch die Kugel des schlechtesten Schützen. Es war außerdem unterdessen 2 Uhr morgens geworden, so dass es bis zum Hellwerden doch nicht mehr lange dauern würde. Einmal sahen wir in einiger Entfernung mehrere feindliche Zerstörer die Gegend absuchen, ohne uns zu entdecken. Allmählich wurde es aber ruhiger und die Stille der Nacht legte sich wie ein Vorhang nach beendetem Theaterstück über die Szene. In dieser Nacht schliefen wir nicht mehr. Wir saßen zusammen auf der Brücke, Achmeds freundliches Gesicht strahlte, und er hatte mir bei einer Tasse des unvermeidlichen türkischen Kaffees soeben in längerer philosophischer Rede auseinandergesetzt, dass er und ich und wir alle doch wirklich gute Leute sein müssten, da uns Allah so sichtbarlich geschützt, denn Allah hülfe immer den braven und frommen Menschen. Worauf ich nur ergänzend hinzufügte, dass dazu aber auch gut in Ordnung gebrachte Torpedos, anständige Geschütze, zielsichere Rohrmeister und sauber bediente Feuer gehörten. Auch damit war er durchaus einverstanden.

Als die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne über die aus jahrtausendalter Geschichte bekannten Berge des alten Troja und dieser klassischen Orte, in deren Umgebung unsere Kämpfe sich abspielten, aufgingen, lief ich mit „Muavenet“ um 5 Uhr morgens nach Chanak ein und ging dort zu Anker. Hier erhielt ich das erste Funkentelegramm meines verehrten Admirals, dem ich sofort nach dem Angriff offen die Versenkung eines Linienschiffes gemeldet hatte, um im Falle meines Nichtzurückkommens den Engländern die Möglichkeit einer Verschleierung zu nehmen. „Gut gemacht, Muavenet“, war sein Inhalt. Nach dem traditionellen Torpedobootsfrühstück, das diesmal der Bursche Siemß mit besonderer Liebe und erhöhter Spiegeleierzahl anrichtete, gingen Brami und ich an Land, um dort Näheres über die Nacht zu erfahren. Auf beiden Seiten der Meerengen hatte man in den Schützengräben den Untergang und die Detonationen beobachtet und mit lauten Hurras die Vernichtung des Schiffes begrüßt, dessen Feuer die armen türkischen Infanteristen sogar in der Nacht nicht zur Ruhe hatte kommen lassen. Als die Sonne hell am Himmel stand, stieg ein Flugzeug auf und stellte fest, dass dort, wo nachts das Schiff geankert hatte, der für den Untergang typische große Fleck der ausgelaufenen Öle und Petroleumvorräte als Grabmal die Wasseroberfläche bedeckte. An der Vernichtung war daher kein Zweifel. Mittags trat ich mit „Muavenet“ die Rückfahrt nach Konstantinopel an. Wie ein Lauffeuer war von unserem Erfolge die Runde vorausgeeilt. Wo wir vorbei kamen, flaggten die Fahrzeuge und Schiffe über die Toppen und grüßten mit lauten Hurras. In Pascha Liman machten wir am Nachmittag einen kurzen Aufenthalt, um die dort zurückgelassenen Torpedoboote über die weitere Verwendung im Unterseebootsabwehrdienst zu instruieren. Hier wurde auch von der türkischen Besatzung durch Schlachten eines Hammels und Verspritzen seines Blutes an den Mündungen der drei siegreichen Torpedorohre der Dankgottesdienst für den bescherten Erfolg abgehalten. Dann liefen wir am Freitag, dem türkischen Sonntag, vormittags in den Bosporus ein. Die Sonne schien auf die goldenen Kuppeln der Moscheen, es war ein Tag, wie ihn so strahlend und schön nur der südliche Himmel zaubern kann. Die Gärten des Bosporus alle in Blumen getaucht, dazwischen als weiße und rote Flecken die schmucken türkischen Holzhäuser und die weißen Marmorpaläste des Sultans. Alle Hafendampfer bis an die Mastspitzen beflaggt, voll jubelnder Menschen. Auf der „Goeben“ war die Besatzung in Paradeaufstellung am Heck angetreten, die Musik spielte, drei Hurras erschallten, als wir mit den drei querab geschwenkten leeren Torpedorohren, am Heck vorbei, längsseit unserer Flottille gingen. Meinem türkischen Rudergänger, demselben, der im Gefecht und beim Angriff das Boot gesteuert, liefen die hellen Tränen über die Backen und er hätte beinah zu guter Letzt noch durch falsches Ruderlegen den Rai gerammt. Es war ein stolzer militärischer Moment gemeinsamer treuer Waffenkameradschaft für uns und die Türken. Darüber hinaus aber blieb für uns alle die Vernichtung des „Goliath“ — erst in Konstantinopel erfuhren wir Name und Art unseres Gegners — eine Lebenserinnerung, die unvergesslich sein wird. Am selben Nachmittage erhielt ich auf telegraphischen Befehl unseres Kaisers von Admiral Souchon das Eiserne Kreuz I. Klasse, die ganze Besatzung dasselbe II. Klasse. Vom Sultan wurden wir mit Orden und Uhren reich beschenkt und in einem besonderen Empfang, an dem auch die ganze Besatzung teilnahm, sagte er uns noch persönlich für die seiner in schwerem Kampfe stehenden Armee geschaffene Entlastung seinen kaiserlichen Dank. Seit diesem Tage hörte das Nachtfeuer der Schiffe auf die Landstellungen auf, zwei Wochen später erschien der siegreiche Hersing mit seinem Unterseeboot „U 21“ und brachte in derselben Gegend zwei weitere englische Linienschiffe „Triumph“ und „Majestic“ zur Strecke, worauf die Hauptgefahr von See aus endgültig abgewehrt war.

Wenn man sich wieder in diese schöne Vergangenheit versenkt, so kommt es einem vor, als ob man aus einer alten Eichentruhe vergilbte Briefe längst Verstorbener lese. Trotzdem werden diese Erinnerungen einmal wieder Leben bekommen, denn die Taten unseres braven Volkes, die es in seinem Verteidigungskampfe um Land und Heimat in allen Ländern der Erde getan hat, werden beständiger sein als des kleinmütigen Tages leicht vergängliche Meinungen und Stimmungen, Was da unten in der Türkei, wie überall in der Welt, unsere Mannschaften an selbstloser Hingabe für ihr Vaterland Unsterbliches geleistet haben, das kann nicht untergehen und wird, so sicher es ein ewiges Weltenschicksal und Weltengericht gibt, einmal wieder zu seinem Rechte kommen. Die Jugend ist dabei unsere Zukunft und unsere Hoffnung. Ihr vertrauen wir daher auch unsere Kriegserinnerungen als unser heiligstes Vermächtnis an. Im Botschaftsgarten zu Therapia, auf der höchsten Erhebung, steht ein einfacher Marmorobelisk zur Erinnerung an Helmuth von Moltke, unseren größten Feldherrn und den ersten Lehrmeister und Berater der türkischen Wehrmacht. Es ist wohl der schönste Platz am ganzen Bosporus. Man sieht über das am Fuße der Abhänge dahinströmende Wasser auf der einen Seite in schmalem Ausschnitt zwischen zypressenbewachsenen Höhen in der Ferne die weite Fläche des Schwarzen Meeres, auf der anderen Seite nach Osten das schneebedeckte Haupt des bei Brussa liegenden asiatischen Olymps. Hier liegen unsere deutschen Kameraden begraben, die unter der türkischen Flagge an Bord der Schiffe den Heldentod starben. Zuerst waren es Matrosen der „Goeben“ und „Breslau“, der Minensuchboote und der Flottille, die dort unter dem vom verschollenen Minenleger „Nilufer“ angetriebenen Rettungsring ruhten. Dann kamen auf schmucklosen Kreuzen die in der Geschichte verewigten Namen des alten Generalfeldmarschalls Freiherrn von der Goltz, des Botschafters von Wangenheim und vieler anderer hinzu. Treu halten sie alle da unten Wacht und erwarten von uns Lebenden und den Nachkommenden, dass ihr Leben, ihre Taten und ihr Sterben nicht umsonst waren.


1 Baby war Scherzwort für ganz kleine (100 Tonnen) Torpedoboote.

Auf See unbesiegt

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