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Der Durchbruch S. M. Schiffe „Goeben“ und „Breslau“ von Messina nach den Dardanellen.

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Von Admiral z. D. Wilhelm Souchon, damals Chef der Mittelmeerdivision.

eim Ausbruch des Weltkrieges befanden sich von der deutschen Mittelmeerdivision im Mittelmeer nur das Flaggschiff S. M. S. „Goeben“, Kommandant Kapitän z. See Ackermann und S. M. S. „Breslau“, Kommandant Fregattenkapitän Kettner, dazu noch in Skutari, Albanien, eine Abteilung Marineinfanterie unter Major Schneider und im Bosporus das Stationsfahrzeug S. M. S. „Lorelei“, Kommandant Kapitänleutnant Humann. Die beiden fehlenden kleinen Kreuzer S. M. S. „Dresden“ und „Straßburg“ waren vorübergehend anderen Auslandsstationen zugeteilt.

„Goeben“ und „Breslau“ waren beides vortreffliche neue Schiffe, „Goeben“ ein erst 1911 in Hamburg von Stapel gelaufenes Großkampfschiff von 23 000 t Wasserverdrängung und 52 000 Wellenpferdestärken, einer Höchstgeschwindigkeit von 29 Knoten und einer Schwerarmierung von zehn 28 cm-Geschützen; der kleine Kreuzer „Breslau“, ebenfalls 1911 von Stapel gelaufen, von 4550 t Wasserverdrängung und 25 500 Wellenpferdestärken, 27 Knoten Höchstgeschwindigkeit und zwölf 10,5 cm-Geschützen. „Goeben“ galt als das stärkste und schnellste Kriegsschiff des Mittelmeeres. Letzteres traf im Sommer 1914 nicht mehr zu. „Goeben“ hatte lecke Kesselrohre und dadurch sehr verminderte Geschwindigkeit und Dampfstrecke. Es war deshalb ihr Austausch durch S. M. S. „Moltke“ für den 4. Oktober in Algeciras bereits befohlen.

Die englische Mittelmeerflotte enthielt sieben große Kreuzer (davon drei Großkampfschiffe mit 30,5 cm-Geschützen) und vier kleine Kreuzer, die französische siebzehn Linienschiffe mit 30,5 cm- Geschützen und sechs große Kreuzer. Dazu kamen sehr zahlreiche Torpedobootsstreitkräfte und Unterseeboote.

Am 23. Oktober 1913 hatte ich in Triest meine Flagge auf „Goeben“ gesetzt. Von der Zeit an hatte ich es mir sehr angelegen sein lassen, nicht nur alle in Betracht kommenden maritimen Stützpunkte und Hilfsquellen jeder Art selbst zu besuchen und beurteilen zu lernen, sondern auch mit den führenden Männern bekannt zu werden, mit denen ich bei Kriegsausbruch sei es als mit Gegnern oder sei es als mit Helfern und Waffenbrüdern zu arbeiten haben würde. So hatte ich die sardinischen und sizilianischen Häfen, Fahrwasser und Küstenbeobachtungsstationen und die italienischen Kriegshäfen und Marinearsenale alle persönlich besucht, in Rom war ich mit den Ministern der Marine und des Krieges und dem Admiralstabschef, in Spezia mit dem italienischen Flottenchef in Verkehr getreten. Die französischen Admirale, den bärbeißig blickenden, unter seinen Leuten als loup de mer gefürchteten Flottenchef Vizeadmiral Boué de Lapeyrére und dessen zweiten Admiral, der auf mich den Eindruck eines feinen alten Hofbeamten gemacht hatte, Konteradmiral Lacaze, hatte ich in ihren üppig ausgestatteten Flaggschiffsräumen an der zilizischen Küste getroffen. Mit dem hochbegabten, ungemein rührigen und tätigen italienischen Geschwaderchef, nachmaligem Flottenchef, dem Herzog der Abbruzzen, stand ich schon von früher her in regem, freundschaftlichem Verkehr, die österreichischen Admirale in Pola und Triest waren mir mit herzlicher Kameradschaft entgegengekommen. Nur die Engländer hatte ich nicht kennen gelernt, es war mir das in der verhältnismäßigen Kürze der Zeit vor dem Ausbruch des Krieges nicht möglich gewesen. Ich hatte sie in ihrem Hauptkriegshafen La Valetta auf Malta nicht aufgesucht, da mir Malta von früher her bekannt war. Dass wir uns nicht begegnet waren, lag aber auch an der von den Engländern konsequent durchgeführten Methode, ihre Kriegsschiffe nicht gleichzeitig mit unsern deutschen in fremden Häfen liegen zu lassen. Der englische Admiral erschien stets prompt nach meinem Verlassen eines Hafens in diesem, trat mit mehreren Schiffen sehr anspruchsvoll auf, stets offensichtlich bemüht, den Eindruck unseres Besuchs zu verwischen. John Bull musste immer in die Suppe spucken, wie es eine Randbemerkung von Allerhöchster Hand zu meinem Bericht darüber drastisch bezeichnete. Immerhin stand ich auch mit den englischen Admiralen in funkentelegraphischem, kameradschaftlichem Verkehr.

Vorausschickend möchte ich bemerken, dass die militärischen und politischen Erfolge der Mittelmeerdivision in der ersten Kriegszeit nur möglich gewesen sind durch die Höhe und Gediegenheit der Admiralstabsvorarbeit meines trefflichen ersten Admiralstabsoffiziers Korvettenkapitän Busse und durch die Funkspruchausbildung.

Die Nachricht von der Ermordung des Erzherzogpaares, mit dem ich noch am 27. März in dem lauschigen, sonnigen Schlösschen Miramar bei Erdbeerbowle und Kiebitzeiern heitere Stunden verlebt hatte, traf mich auf einer Abendgesellschaft beim deutschen Konsul in Haifa in Syrien. Sie ließ in mir sogleich die Überlegung aufkommen, dass das scheußliche Verbrechen für Deutschland zum Kriege führen könne und damit die drückende Sorge, dass ich in dem Falle gezwungen sein würde, in den Krieg mit einem durch lecke Kessel in seiner Verwendbarkeit arg herabgesetzten Flaggschiff einzutreten. Mein erstes Streben musste deshalb darauf gerichtet sein, zu versuchen, den Ersatz lecker Rohre, so weit irgend behelfsmäßig möglich, in dem österreichischen Kriegshafen Pola vorzunehmen. Ich funkte sofort an den Staatssekretär die dringende Bitte, mir Ersatzrohre in möglichst großer Zahl und in deren Einbau geübte Werftarbeiter nach Pola zu senden und richtete mich so ein, dass „Goeben“ einige Tage vor dem Eintreffen der Rohre und Arbeiter in Pola eintraf.

In Pola wurde von „Goeben“ nun diese Arbeit mit Hochdruck in Angriff genommen und in Julihitze, Tag- und Nachtschichten so gefördert, dass bei der Ankunft des Schiffes in Messina am 2. August so viel Reihen Rohre ausgewechselt waren, dass das Schiff, wenn auch unter häufigem Ausfall von Kesseln und dadurch bedingtem Dampf- und Wasserverlust eine Marschgeschwindigkeit von 18 Knoten halten und wie die Not am August gezeigt hat, für kurze Zeit bis zu 24 Knoten laufen konnte. Das Hauptverdienst daran hat der leitende Ingenieur, der damalige Oberstabsingenieur Breuer, der Besten einer von den vielen vortrefflichen Ingenieuren, mit denen ich im Verlauf meiner langen Dienstzeit gefahren bin. Er kannte keine Schwierigkeiten und scheute keine Verantwortung. Selbst unermüdlich tätig, immer frisch und aufmunternd war er ein beliebter Vorgesetzter, der es verstand, aus Menschen, Kohlen und Maschinen die höchsten Leistungen herauszuholen.

S. M. S. „Breslau“ lag zu der Zeit mit einzelnen Kriegsschiffen anderer Mächte zur Stützung der Prinzlich Wiedschen Regierung vor Durazzo an der albanischen Küste. Ich unterrichtete sie am 8. Juli in Korfu mündlich über die Lage und Absichten und zog sie dann erst bei Ausspruch der Mobilmachung zu mir heran. Sie verließ die Reede von Durazzo als letztes der dort stationierten Kriegsschiffe. Mit ihrem ersten Gegner, dem englischen kleinen Kreuzer „Gloucester“ hatte sie dort engen kameradschaftlichen Verkehr gepflegt, täglich mit ihm im friedlichen Wasserballspiel ihre Kräfte gemessen.

Während des dreizehntägigen Arbeitsaufenthalts meines Flaggschiffs in Pola verkehrte ich sehr viel mit dem allgemein beliebten und verehrten Führer der österreichisch-ungarischen Flotte, dem während des Krieges verstorbenen Admiral Haus. Seine Gesundheit war schon damals nicht mehr fest. Er gab sich mancher Sorge für die Zukunft seines Vaterlandes hin. Wie die große Mehrzahl seiner Offiziere glaubte er aber nicht an Krieg. Auf meine die Einzelheiten unserer Kriegführung betreffenden Anregungen pflegte er nur zögernd einzugehen und er versicherte mir noch bei einem Abschiedsglas am 23. Juli, es wäre ja möglich, dass wir uns unter ganz veränderten Umständen wiedersähen, aber glauben täte er es nicht. — Am 26. Juli machte Österreich-Ungarn mobil.

Es lag mir sehr daran, auch mit dem italienischen Admiralstabschef vor dem eventuellen Ausbruch der Feindseligkeiten unser Vorgehen zu besprechen. Ich schlug ihm für den 30. Juli eine Zusammenkunft in Rimini vor, er dagegen mir für den 3. August eine solche in Alatri unweit Roms. Aus den Begleitumständen ersah ich, wie wenig er und der die Einladung vermittelnde Marineattaché sich des Ernstes der Lage bewusst waren.

Am 2. August, dem ersten Mobilmachungstage trafen die Schiffe in Messina ein.

Auf der Fahrt nach dem Süden brachten uns die Hertzschen Wellen die „drohende Kriegsgefahr“ und den Mobilmachungsbefehl. Der Schiffsdienst lief wie alltäglich weiter. In den Heizräumen ging die Arbeit des Rohreinsetzens zu Ende und wurde aufgeklart. In meinem Arbeitszimmer erwog ich mit meinem Stabschef die Aussichten, die sich uns boten, um wirkungsvoll am Kriege teilzunehmen, Von den Faktoren, die wir unserer Rechnung zugrunde legen mussten: wahrscheinliches Verhalten der Gegner England und Frankreich, Unterstützung durch unsere Bundesgenossen Österreich und Italien, Handhabung der Neutralität seitens Spaniens und Griechenlands, Funktionieren unseres Agentenwesens, Unterstützung aus der Heimat, waren fast alle unbestimmt und unbestimmbar. Fürs erste schien nur eins sicher, erdrückende feindliche Übermacht auf der einen und unsre beiden guten Schiffe auf sich selbst gestellt auf der andern Seite. Unter diesen Umstanden lag der Gedanke nahe, uns nach der Nordsee durchzuschlagen. Er schied aus der Überlegung aus wegen der Kesselhavarie der „Goeben“. Unsere Chancen, den Feind im Mittelmeer empfindlich zu schädigen, schienen, selbst wenn wir für alles die günstigsten Werte einsetzten, sehr gering. Dass sie sich bessern würden, sobald die Kriegs- und Neutralitätserklärungen erfolgt sein würden, schien nicht gerade wahrscheinlich. Deshalb ist uns der Gedanke, die Entwicklung der Dinge etwa in Pola abzuwarten, gar nicht gekommen. Das Gebot der Stunde lautete: Handeln, Ran an den Feind, keine Chance ungenutzt lassen, heute schlagen und wenn's sein soll in Ehren untergehen, wir wissen nicht, ob wir's morgen noch können!

Nacht, die Schiffe sorgfältig abgeblendet, Sturm gegenan, die Wachen auf der Brücke in Ölzeug, in den eingeschlossenen Decks in Troiern tun ihren regelmäßigen Dienst, in Spannung, was Messina bringen wird. An die enge, stickige Roje bringt mir der Flaggleutnant die von ihm entzifferten Funksprüche „Drohende Kriegsgefahr“, später „Mobilmachung befohlen“, korrekt, eisern, ohne eine Spur von Erregung zu zeigen, wie eine Maschine kommt und geht er. „Den Besatzungen erst bekanntgeben auf Befehl“, bemerke ich. „Kauffahrteischiffe unterrichten, anweisen neutrale Häfen aufzusuchen. — Wieviel Kessel sind ausgefallen?“ „Auf der Abendwache zwo, jetzt auch schon wieder einer.“ „Verd . . . . !“ Ein so schönes, mächtiges Schiff unter den Füßen und diese Not, jetzt, wo die große Stunde schlägt, wo dein Kaiser ruft, die Kameraden und die Deinen voll stolzen Vertrauens zu dir hindenken. Gott sei Dank weiß der Feind ja nicht, wie es mit uns steht. Noch gilt „Goeben“ als schnellstes Schiff im Mittelmeer. Nun aber schnell, ehe unser unglücklicher Zustand offenkundig wird. Drauf! und rausgeholt, was an Menschen- und Maschinenkraft drinsteckt so lange Kohlen, Wasser und Granaten reichen.

Auf nach Walhall! Hindernisse sind dazu da, um überwunden zu werden und wir wollen erst mal sehen, wer dem andern über ist. Ich oder du loup de mer oder ihr Epigonen Nelsons. Umsonst haben wir doch nicht dreißig Jahre gearbeitet wie keine Flotte gearbeitet hat, unter unserem für das Seewesen begeisterten obersten Kriegsherrn, unter Lehrmeistern wie Tirpitz und Koester, Winter und Sommer, Tag und Nacht, in Sturm und Nebel, Strom und Eis unsrer nordischen Heimatgewässer wie fernab in Tropenglanz und Fieberschwüle südlicher Meere, auf Schiffen und Werften, hoch oben in der Takelage und tief drunten im Bunker, an Deck und in der Maschine, am Geschütz und Torpedo, auf der Brücke wie am Schreibtisch, oft, ja meist mit unzureichenden Mitteln aber nie mit mangelnder Triebkraft, rastlos vorwärts, immer nur vorwärts um den Preis der höchsten Kriegsfertigkeit! Heil, dass wir den Tag erleben dürfen! Viel Feind, viel Ehr! Drauf!

Auf S. M. S. „Goeben“ wohnt der Admiral in einem Aufbau an Deck am hinteren Schornstein, mitten im Getriebe des Schiffsdienstes. Nach Hellwerden flutet das goldige Morgenlicht in die jetzt weit geöffneten Fenster meiner Wohnräume, viele geschäftige Hände fegen und klaren um mich auf. Gelegentlich ruhen fragende Blicke auf der weit offen stehenden Kajütstür. Ich sehe noch dein stummes fragendes Gesicht, mein lieber Hans Schinke, der du mich während meiner ganzen Mittelmeerzeit, Krieg und Aufruhr in der Heimat mit hingebender Liebe betreut hast.

Du verstandest mich, als ich dir nur zunickte und meldetest durch verstohlenes Handaufheben nach draußen „klar“, Vor versammelter Mannschaft hörte ich dann den Kommandanten den Mobilmachungsbefehl bekanntgeben und das Kaiserhoch ausbringen. Ein Freudentaumel ergriff dabei die Mannen, jubelnd schlug die Menschenwoge um mich zusammen. „Ja, es geht los. Wir geben den ersten Schuss ab!“ Elementare Hurras, Musik an Deck, Preußenmarsch, Friedericus Rex.

Wie nicht anders erwartet, waren bei unserer Ankunft in Messina weder Österreicher noch Italiener zur Stelle. Die italienische Regierung war in ihrem Verrat schamlos genug gewesen, eilends in ihren Häfen das Liefern von Kohlen und Proviant zu verbieten. Wir fragten nicht viel. Wir halfen uns so gut es ging durch Längsseitnehmen deutscher Dampfer, aus denen wir, wenn auch natürlich mit großer Mehranstrengung und Verzögerung, da gewöhnliche Dampfer nicht zur Abgabe von Kohlen eingerichtet sind, drauflos kohlten. Und wie kohlten die Schiffe! Ich habe vieles Kohlen gesehen, oft unter schwierigen Verhältnissen, bei Seegang, aus Dampfern und selbst in Fahrt während meiner Ersten-Offizier-Jahre geleitet. Jetzt bewährte sich unsre Ausbildung, die das Kohlen stets als Manöver, nie als Arbeit gehandhabt hatte. Dass Offiziere und Fähnriche im Prahm und Bunker selbst anfassten, jeder Törn den andern an Förderung zu übertreffen suchte, dass hierdurch Höchstleistungen erzielt wurden, die kaum noch steigerungsfähig erschienen, das waren wir gewohnt. Dies Kohlen in der Kriegsbegeisterung vor Messina war aber doch der Gipfel! Im Nu hatten Äxte und Maker alles weggeschlagen, was das Kohlenherausnehmen behinderte und dann setzte ein Kohlen ein, so heiß, so mitreißend, dass ich mich mühsam zurückgehalten habe, nicht selbst mit zur Schaufel zu greifen. Schweiß von hoch und niedrig mischte sich in Strömen. Wäre doch die Güte der Kohle dieses Schweißes der Edlen wert gewesen! Sie war es leider nicht. Handelsdampfer kohlen da, wo es am billigsten ist, ihre Kessel erfordern nicht so gleichmäßig hochwertiges Brennmaterial wie die komplizierten Kriegsschiffkessel, namentlich nicht wie die subtilsten aller Kessel, die engrohrigen Hochdruckwasserrohrkessel der „Goeben“. Nun, besser als nichts waren die Kohlen immer, Verhältnismäßig gut waren die vom Hamburger Dampfer „General“.

Diesen schönen, mit Gütern und Passagieren für die Ausstellung in Dar-es-Salam vollbeladenen Dampfer der Deutschen Ostafrikalinie hatte ich funkentelegraphisch von Kreta zurückgerufen und als Trossdampfer requiriert. Er kam gleichzeitig mit uns in Messina an, ich fuhr gleich an Bord und ordnete die Ausschiffung der Passagiere an. Da diese ohne Barmittel und am Orte ohne Bankkredit waren, erhielt jeder aus unserm Kriegsgoldvorrat das Eisenbahnfahrgeld bis Neapel. Bald riefen sie uns von der Fähre nach Reggio herzliche Scheidegrüße zu. Dampfer General stand uns dann bereitwilligst zur Abgabe von Material und Proviant wie zur Übernahme von Reservevorräten und Aufbewahrung der für den Krieg hinderlichen Inventarien der Schiffe zur Verfügung. Unter seinem ausgezeichneten Führer, Kapitän Fiedler, ist er mir in sehr geschickter Weise nach Konstantinopel gefolgt und hat uns dort in vielseitigster Weise während des ganzen Krieges großen Nutzen gebracht.

Mein Operationsplan war schnell gefasst: die Hauptverschiffungshafen für das XIX. französische Armeekorps an der algerischen Küste, die befestigten Häfen Böne und Philippeville bombardieren, ihre Verladungseinrichtungen und Fahrzeuge möglichst zerstören.

Um dazu bei Hellwerden am 4. August an der algerischen Küste stehen zu können, verließen die Schiffe 1. Uhr nachts am 3. August heimlich Messina. Über die uns befreundete sardinische Funkstation Vittoria erhielten wir gerade rechtzeitig bevor wir uns teilten die Nachricht vom Kriegsausbruch gegen Frankreich.

Zwei Stunden vorm Feuereröffnen übermittelt uns Nauen den Allerhöchsten Befehl sofort nach Konstantinopel zu gehen. Sofort umkehren, so dicht vor der von uns allen mit heißer Sehnsucht erwarteten Feuereröffnung — das brachte ich nicht übers Herz, planmäßig mit Hellwerden sausten die ersten deutschen Granaten in die Rais und Transportschiffe in Böne und Philippeville unter den darauf zum Abtransport nach Frankreich versammelten Truppen Tod und Verderben verbreitend.

Hätten wir nun in Brindisi oder Messina genügend gute Kohlen auffüllen können, so hätten wir den Marsch nach den Dardanellen ohne Aufenthalt und Umwege machen können. So, wählte ich den Weg durch die Straße von Messina, wo ich hoffen konnte, aus deutschen Dampfern Kohlen ergänzen zu können. Unterwegs dorthin sollten wir spannungsvolle Stunden erleben, eine Hetze auf Leben und Tod.

„Goeben“ und „Breslau“ hatten kaum ihr Zerstörungswerk vollbracht und sich dem sehr spät einsetzenden Feuer der französischen Küstengeschütze entzogen, da schwirrten die Funksprüche französischer Küsten und Schiffsstationen wie unsinnig um uns rum, alle in offner Sprache, so dass wir mit stolzer Freude unsern Erfolg vernahmen. Es hieß jetzt schnell und unbemerkt wie wir herangekommen waren verschwinden. Das glückte aber nicht. Wir liefen dem britischen Löwen direkt in den Rachen.

10 Uhr vormittags kommen plötzlich voraus an Backbord 2 Großkampfschiffe in Sicht und auf Gegenkurs mit hoher Fahrt auf uns zu. „An die Geschütze!“ Klar zum Feuern stürmen wir weiter. Was mag werden? „Goeben“ mache deinem Namen Ehre, zeige, was deutsche Schießkunst, deutsches Material auch über überlegene Zahl und Kaliber vermag. Arme, schmucke, kleine „Breslau“, wie wird es dir ergehen!

Sie kommen schnell näher, da lässt sich ausmachen, es sind keine hochbordigen Franzosen, es sind Engländer mit Dreibeinmasten, Indomitables (Unbezähmbare). Mit höchst gespannter Erwartung sehen wir sie auf 90 Hektometer passieren, nicht feuern, aufdrehen und uns folgen. Ich durfte sie nicht unter Feuer nehmen, da ich nicht benachrichtigt war, dass England Feind sein würde, wunderte mich, dass sie nicht schossen. Noch jeden Krieg hat ja England damit eröffnet, dass es vor der Kriegserklärung, oft im tiefsten Frieden über den Gegner herfiel. Die englischen Kreuzer bemühten sich nur, planmäßig unsern Funkspruchverkehr zu stören.

Wir durften uns nun möglichst nicht merken lassen, dass wir kessellahm waren, und versuchten den Gegner abzuschütteln. Beides ist mit fast übermenschlicher Anstrengung unsres, dem englischen erstklassigen weit überlegenen Maschinenpersonal und dank dem glücklichen Umstande, dass es gegen Abend unsichtig wurde, erreicht worden. Die Engländer hatten noch mehrere kleine Kreuzer zu unsrer Verfolgung herangezogen, alles moderne 25- bis 26-Knotenschiffe. Trotzdem auf „Goeben“ ständig Kessel, bis zu dreien gleichzeitig, ausfielen, gelang es dem Schiff zeitweilig Umdrehungen bis zu 23 Knoten herauszukriegen und damit, o Wunder, den englischen Schiffen davonzulaufen!

Die englische Darstellung entschuldigt diesen Versager damit, dass sie den deutschen 29- und 27-Knotenkreuzern umso weniger hätten folgen können, als ihre Schiffe lange nicht im Dock und mit Maschinenpersonal nicht voll besetzt gewesen wären, würde das englische Publikum sich die kleine Mühe machen und auf der der englischen Darstellung beigegebenen Karte nachmessen, so würde es finden, dass seine modernen 26-Knotenschiffe bei dieser Fahrt während weniger Stunden nicht 22 Knoten haben halten können. Auch „Goeben“ hatte vor 10 Monaten zuletzt gedockt.

Die beiden Indomitables sackten schon am Nachmittag achteraus, 9 Uhr abends verloren wir den letzten englischen Kreuzer aus Sicht. Eine Stunde später, nahmen wir von der Funkstation Cavallo die sehr verzögerte Nachricht ab „Kriegserklärung Englands wird voraussichtlich erfolgen dritten August“ und am folgenden Morgen, also am 5. August, von der Station Vittoria „England hat Deutschland am 4. August den Krieg erklärt“.

Die Nachtfahrt entlang der sizilianischen Küste brachte uns noch ein Zusammentreffen mit einer Torpedobootsflottille. Glücklicherweise wurde diese im hellen Mondschein gerade noch rechtzeitig als italienisch erkannt und daher nicht beschossen. Aufs äußerste erschöpft kamen die Schiffe nach Messina zurück. Die Leute hatten nicht nur wenig Schlaf gehabt, sie waren als Wache dauernd auf der Gefechtsstation, als Freiwache angestrengt beim Kohlentrimmen gewesen. Einen Jungmatrosen fanden wir tot an Überanstrengung im Bunker. Und doch konnte nun von Schonung erst recht keine Rede sein. Unser Bleiben in Messina musste so kurz wie möglich bemessen und dabei zum Kohlen unter schwierigen Verhältnissen aufs nachhaltigste ausgenutzt werden.

Weniger im Glauben, damit etwas zu erreichen als aus Bundespflichtgefühl funkte ich an Admiral Haus die Bitte, mir mit der österreichischen Flotte zu Hilfe zu kommen. Er antwortete „Zweite Mobilmachung entmutigte, kann nicht kommen“ und hat sich später damit entschuldigt, er habe nach seinen Nachrichten die Befreiung der deutschen Schiffe aus der kolossalen englisch-französischen Umklammerung für hoffnungslos ansehen müssen und daher nicht erst versucht.

Unsern Vertrauensmann in Athen baten wir funkentelegraphisch, uns einen Dampfer mit 800 Tonnen Kohlen nach der Südspitze von Griechenland, Kap Maleas zu senden, einen andern in Konstantinopel desgleichen nach der südlichsten Zykladeninsel Santorin.

In Messina wurde nichts unversucht gelassen, um Kohle zu kriegen. Es halfen uns dazu der Marineattache in Rom durch erfolgreiche Bearbeitung der mir persönlich bekannten Chefs im Marineministerium und Auswärtigen Amt, so dass diese die Kohlenübernahme zuließen „zum letzten Mal“, dann der sehr energische, rührige Vertreter von Hugo Stinnes in Messina, dessen Geschick wir mehrere Prähme guter Kohle verdankten, Von den im Hafen liegenden deutschen Dampfern wollte keiner hinter dem andern zurückstehen, um uns Kohlen und was wir sonst brauchen konnten abzugeben. Hätten sie nur bessere Kohle und Einrichtungen zur Abgabe gehabt! Das Hauptverdienst an der Kohlenbeschaffung gebührt aber meinem gewandten Stabschef Kapitän Busse. Er brachte es fertig, dass wir sogar aus einem englischen Dampfer kohlen konnten, wenn er auch nicht, wie die Legende ihm andichtete, persönlich dazu den englischen Kapitän unter den Tisch getrunken hat. Im Ganzen ist es uns gelungen, 2000 Tonnen Kohlen zu kriegen.

Abends spät erschien eine Abordnung von vier italienischen Offizieren mit einem Brief des Gouverneurs bei mir, der die „Mahnung“ enthielt, meinen Aufenthalt in dem neutralen Hafen nicht über 24 Stunden auszudehnen. Ich ließ ihn mit der Versicherung beruhigen, mein Aufenthalt zum Kohlennehmen würde sicher nicht 24 Stunden überschreiten, er rechne vom Eintreffen der Erlaubnis der italienischen Regierung zum Kohlennehmen, im Übrigen sei dreimal 24 Stunden als internationales Kriegsrecht anzusehen.

Das Kohlen dauerte jetzt in dem Erschöpfungszustand der Besatzungen, der Augusthitze und dem hohen Grußgehalt der meisten Kohlen Tag und Nacht durch schier endlos. Das Schleppen und Schippen wurde von Stunde zu Stunde langsamer. Aufmunternde Musik, Extraverpflegung, anfeuernde Zurufe und das Beispiel der ständig mitarbeitenden Offiziere, Scherzworte von meiner Seite, nichts vermochte mehr, die Leute auf den Beinen zu halten. Die Leute fielen vor Müdigkeit um, wurden abwechselnd für Stunden auf dem Dampfer General zum Schlafen in die Passagierkojen gesteckt, verschwenderisch mit kühlen Getränken und Bädern erfrischt, alles vergeblich, Ohnmacht und Sonnenstichfälle mehrten sich, es wurde nichts mehr geschafft. Da gab ich am 6. August mittags schweren Herzens, denn es waren noch viele Kohlen da, den Befehl zum Ausscheiden. Um 5 wollte ich auslaufen, der Feind erwartete uns. Dazu mussten die Schiffe wenigstens etwas ausgeruht und gefechtsfähig sein.

Inzwischen hatte ich über den Feind ununterbrochen Nachrichten von allen Seiten erhalten, von Berlin, von Rom, von Wien, am lebhaftesten und aufdringlichsten von Messina selbst. Aus allen war mit Sicherheit nur zu entnehmen, was ich erwartete, dass der Feind die beiden Ausgänge der Messinastraße besetzt hielt, einen beobachtenden englischen Kreuzer am Südausgang sahen wir mit eignen Augen. Über die Anwesenheit einer Flotte vom großen Schiffen am Nordausgang bei den Liparischen Inseln unterrichtete mich auf Grund der mündlich überbrachten Meldung des Konsularagenten in Milazzo unser verdienter Konsul Jacobs selbst. Der liebe alte Herr, der einst bei Spichern mit gestürmt hatte, war ganz gebrochen von dem vermutlichen Untergang, der den Schiffen bevorstand. Nachdem er mir alles, was er erfahren hatte — von Offizieren der italienischen Küstenartillerie stammte die Nachricht vom Sichten einer Flotte bei Taormina — umständlich berichtet hatte, suchte ich ihn hinsichtlich des erwarteten Untergangs der Schiffe zu beruhigen, die Schiffe seien so genial unterteilt und sinksicher gebaut, dass sie gar nicht zu versenken wären. Für die Nachrichten dankte ich ihm sehr, bat ihn aber, nun keinem andern Menschen davon zu erzählen, es genüge ja wohl, wenn ich genau unterrichtet sei. Wenn auch die Kampfstimmung der Leute und ihr Vertrauen zu der Führung fest und über jedes Lob erhaben schien, wurden diesen unnötige Belastungsproben doch besser ferngehalten. Umso mehr, als der mühselige Dienst des Kohlens und Vonbordgebens aller Holzteile und brennbaren, nur der Wohnlichkeit und Gemütlichkeit dienenden Einrichtungsgegenstände bei Dreck und Hitze den Übermüdungszustand der Leute in einen Desperadozustand übergehen lassen konnte. An äußerer Einwirkung dazu ließen es die die Schiffe in hunderten von Booten Tag und Nacht belagernden sensationslüsternen, aufdringlichen Sizilianer wahrhaftig nicht fehlen. Ringsum zerlumptes Volk mit Obst, Süßigkeiten, Ansichtskarten, Andenken aller Art zum Rauf, Bänkelsänger mit Mandolinen, Klavieren, Kastagnetten, Karabinieri, Dirnen, Mönche, Soldaten, Schwestern, vereinzelt auch gut gekleidetes Publikum versuchten unablässig unseren halbnackten, kohlengeschwärzten Gesellen zuzusetzen und alles, was nicht niet- und nagelfest war, vom Hosenknopf bis zur Kohlenschaufel, als Andenken an „die dem Tode Geweihten“ zu ergattern. In das Pochen und Brechen, Rauschen und Schütten, Schurren der Schaufeln, Kreischen der Winden, Ächzen der Giene, in Staub und Dunst, Gerüche von Öl und Schweiß mischen sich die Ausrufe der Extrablattverkäufer und Zeitungshändler: „in den Rachen des Todes“, „letzte Fahrt“, „Schande oder Untergang“, „der Salto vom Gipfel des Ruhmes“. . . Manch einer hat sich da wohl nach einer Atempause gesehnt, einem ruhigen Winkel zu einer vielleicht letzten Einkehr der Gedanken ins Elternhaus, zu ein paar Abschiedsworten, zu einem letzten liebkosenden Blick auf die Bilder seiner Lieben, bevor seine Habseligkeiten auf dem Trossdampfer oder unterm Panzerdeck verschwanden. Die braven Jungen konnten ja nicht so wie ich ganz ausgefüllt sein von dem Reiz der mir zugefallenen Aufgabe, dem Glauben, dass es mir gelingen musste und würde.

Die Legende hat von einem langen Zug der „Goeben“- und „Breslau“-Leute mit Kaiserbildern und letztwilligen Verfügungen an Land zum deutschen Konsulat berichtet, sehr zu Unrecht. Der Landgang ist auf einzelne Personen, die dienstlich an Land mussten, beschränkt geblieben. Aus meinen Räumen ist im Besonderen nicht ein Stück, nicht ein Bild von Bord gegeben oder vernichtet worden. Meine Burschen Schinke und Bohrmann haben alles ordnungsmäßig unterm Panzerdeck verstaut, von wo es später, im Bosporus, wieder hervorgeholt und dann allerdings so weit von Bord gewandert ist, als es sich um Dinge handelte, die im Kriege an Bord dauernd unnötig sind. Die ernsten Züge unseres Kaisers und die gütigen Augen unserer Kaiserin, beides persönlich geschenkte Bilder Ihrer Majestäten vom April 1914 stehen noch heute vor mir.

Neben dem Kohlen und Entholzen der Schiffe spielte sich an mehreren Stellen das Einstellungsgeschäft ab. Erhebend war der Andrang der Besatzungen der Kauffahrer zum Kriegsdienst. Reservisten, See- und Landwehr, Landsturm, Kriegsfreiwillige von Bord der im Hafen liegenden Schiffe und von Land drängten sich in heller Begeisterung, oft gegen den Widerspruch ihrer Kapitäne, zur Mitfahrt. Die wenigsten hatten Papiere. So geschah die Auswahl dem Bedarf entsprechend nach körperlicher Brauchbarkeit und dem Zeugnis der Kapitäne. Die für den Mobilmachungsfall vorgesehene Zahl von rund 400 Mann Auffüllungspersonal war bald überschritten. Seeleute, Kellner, Kolonialdeutsche, Suahelis wollten eingestellt sein. Staatsangehörige der österreichisch-ungarischen Monarchie, auch Ausländer, Schweizer und Amerikaner, ließen sich nicht abweisen. Nur die Söhne des Reichs der Mitte, unsere chinesischen Waschleute, wurden von der Kriegsbegeisterung nicht erfasst. Nach Konstantinopel kamen sie gerade noch mit, suchten aber dann bald das Weite. Unter den Freiwilligen war der stellvertretende Schiffsarzt des Dampfers „General“, ein hoher Sechziger, Magdeburger praktischer Arzt. Er hatte auf telegraphischen Abruf den Dampfer gerade vor der Abfahrt in Neapel erreicht und dabei bis auf einen Strohhut all sein Gepäck eingebüßt. Ein frischer 15jähriger Schiffsjunge versuchte es an allen Stellen mit Bitten, Vorstellung und Tränen, genommen zu werden. Er setzte es durch, mir vorgeführt zu werden. Ich konnte seinem stürmischen Verlangen ebenso wenig nachgeben wie die Schiffsärzte. Er wurde ein paar Tage später von „Breslau“-Leuten halbverschmachtet aus dem Bunker gezogen. Er hatte es also doch erreicht mitzukommen.

Er ist dann bei uns geblieben, gehörte zur Maschinengewehrabteilung der Flotte auf Gallipoli und hat wie so mancher seiner „Onkels“ die Heimat nicht wiedergesehen.

Am 6. August nachmittags wusch und ruhte alles, die Gefechtsstationen wurden gesäubert und wer‘s noch hatte, zog sich reines Zeug an. 11 Uhr vormittags hatte ich vom Admiralstab die Mitteilung bekommen: Einlaufen Konstantinopel zurzeit noch nicht möglich aus politischen Gründen. Dies sowie die mir durch den Admiralstab übermittelte dringliche Empfehlung des Marineattaches in Rom, nach der Adria zu gehen, machten mich in meinem Entschluss, nach den Dardanellen zu gehen, nicht wankend. Im Mittelmeer war bei der Übermacht von Feinden und beim Fehlen aller Subsistenzmöglichkeiten meines Bleibens nicht, in die Adria wollte ich unter keinen Umständen in dem wohl sicheren Gefühl, dass ich dort, auf österreichische Unterstützung angewiesen, kaum zu aktiver Verwendung kommen würde. So stand in mir der Entschluss fest, wenn nicht mit, so im Notfall gegen den Willen der Türkei durch Dardanellen und Bosporus den Krieg ins Schwarze Meer zu tragen. Ich hatte die Hoffnung, die Türken zum Mitgehen gegen ihren Erzfeind, den „Moskov“, zu kriegen.

Für das Gelingen des Durchbruchs nach den Dardanellen rechnete ich damit, dass dem Feinde die Kesselhavarie und die daraus resultierende Einbuße an Geschwindigkeit und Dampfstrecke der „Goeben“ unbekannt war, dass der Feind unser Reiseziel nicht kannte und in seinen Dispositionen nicht berücksichtigte und hauptsächlich — das sagte mir mehr das Gefühl als der Verstand — dass die modernen englischen Admirale mir nicht entgegentreten würden, es sei denn, dass es ihnen gelänge, ihre große Übermacht dazu gesammelt heranzubringen. Mit den Franzosen glaubte ich nicht rechnen zu brauchen. Englische Torpedobootsangriffe waren, da es Vollmond und klar war, nicht sehr zu fürchten. Alles hing im Übrigen davon ab, dass es mir gelang, vor der englischen Verfolgung genug Vorsprung zu gewinnen, um unterwegs Kohlen auffüllen zu können, und dass ich wenigstens einen der bestellten Kohlendampfer zu mir heranziehen konnte.

Mein Operationsbefehl war einfach: „Goeben“ läuft 5 Uhr aus, Fahrt 17 Knoten, „Breslau“ folgt mit fünf Seemeilen Abstand. Ich werde zunächst den Eindruck zu erwecken suchen, dass wir nach der Adria wollen und dann, falls das erreicht scheint, in der Nacht durch überraschendes Rechtsum mit höchster Fahrt Vorsprung auf Kap Matapan zu gewinnen suchen.

Das Auslaufen vollzog sich wie befohlen. Unter nicht endenwollenden Evvivas und Hurras der Menge auf Schiffen und Booten, die an den Felsen von Scylla und Charybdis das Echo weckten, bei Tageslicht, in Sicht des vor dem Ausgang stationierten Kreuzers glitten die Schiffe stolz von dannen, voller Siegeshoffnung einem ungewissen Schicksal entgegen. Es verbreitete sich das hübsche Märchen, um das Auslaufen der Schiffe zu verschleiern sei die Musik im Nordausgange der Straße auf einem Prahm zurückgelassen worden und habe dort so lange „Deutschland, Deutschland über alles“ ertönen lassen, bis die Schiffe aus dem Südausgang entschwunden waren. Das Märchen hat dem Musikdirigenten für seine Ausdauer von Seiten eines rheinischen Gesangvereins einen silberbeschlagenen Taktstock als Ehrengabe eingebracht.

Wie vorausgesehen, nahm der vor dem Südausgang der Straße stationierte englische kleine Kreuzer „Gloucester“ an uns Fühlung und hielt diese in der klaren, stillen Vollmondnacht, auch als wir 10 Uhr 45 abends das beabsichtigte Rechtsum machten, Von diesem Zeitpunkt an wurde nun der englische Funkenverkehr eine Stunde lang planmäßig nach bestimmtem System gestört, um die Meldung über unsere Kursänderung möglichst zu verzögern. Da dies Verfahren das Durchkommen feindlicher Funksprüche zwar sehr erschweren, nie aber sicher verhindern kann und im übrigen Personal und Apparate sehr anstrengt, wurde es nicht über eine Stunde fortgesetzt. „Gloucester“ folgte uns bis zum nächsten Mittag nach und verabschiedete sich nach einem kurzen Gefecht mit S. M. S. „Breslau“ als S. M. S. „Goeben“ eingriff. „Breslau“ bekam dabei einen wirkungslosen Treffer auf die Bordwand ab. Obgleich unsere Schiffe nach dem Rechtsum mit nur 18 Knoten Durchschnittsfahrt marschiert waren, hatten es die Engländer bis dahin nicht fertig bekommen, irgendwelche Schiffe oder Torpedoboote an uns heranzubringen.

Den Fühlungshalter waren wir nun glücklich los, immerhin kannte der Feind genau unseren Schiffsort, Kurs und Fahrt, bis nach den Dardanellen war es noch weit und genug Kohlen, um hinzukommen, hatten wir noch nicht, wahrlich Chancen übergenug für „Milne“ und „Troubridge“, uns mit Übermacht vor den Dardanellen zur Schlacht zu stellen. Wo und wie weit ab von „Gloucester“ die feindlichen Streitkräfte standen, wusste ich nicht. Vor uns vermutete ich sie am wenigsten. Deshalb hielt ich es für das Beste, weiter nach Osten Vorsprung zu gewinnen, um ihnen das Wiederfinden zu erschweren.

Alles hing nun davon ab, dass unsere Admiralstabsvorarbeit klappte, dass ein richtig ausgerüsteter Kohlendampfer uns am befohlenen Ort erwartete. Und sie klappte! 4 Uhr 40 nachmittags trafen wir ihn bei Kap Maleas zu Anker liegend. Unauffällig erhielt er im Vorbeifahren Signalbefehl: Liegen bleiben. Nachts wurde er dann von „Breslau“ herangelenkt.

Als altem Admiralstäbler hat mir diese erste Kriegsfrucht langer Papierkriegsvorbereitung besondere Genugtuung bereitet. Welch unendlich mühsame, peinlich genaue, meist unfruchtbar erscheinende Arbeit ist für uns nötig gewesen, das Fehlen von Stützpunkten für die Auslandskriegführung, durch ein Netz von vertrauenswürdigen, leistungsfähigen, zweckmäßig unterwiesenen Agenten allerorten, bestmöglich wettzumachen, welcher Hingabe in erster Linie der Astos (Admiralstabsoffiziere) hat es bedurft, um die dauernd in Fluss befindlichen Abmachungen bei dem ununterbrochenen Wechsel der Agenten ständig auf dem Laufenden zu halten, oft durch englische Verdachtschnüffelei behindert und meist durch unsere amtlichen Vertreter erschwert. Es ist das die Kleinarbeit, die Generalfeldmarschall von Hindenburg in seinen Lebenserinnerungen als einen so unerlässlichen Teil der Generalstabsarbeit nennt.

Sie hat für den Seekrieg fast noch größere Bedeutung als für den Landkrieg, reißt doch spätestens mit Kriegsausbruch die Verbindung unserer Auslandskreuzer mit dem Admiralstab ab und muss daher für diesen Fall stets alles fertig und in Händen der Beteiligten sein, während im Krieg auf dem Lande die persönliche Berührung zwischen Generalstab und Truppe fortbesteht.

Die Schiffe traten nun in die ägäischen Inseln ein, trennten sich, vermieden die Hauptfahrstraßen und gaben den Besatzungen die so sehr nötige Ruhepause. Den Kohlendampfer erwartend hielten wir uns den 8. August über aus Sicht von Land. Da es nicht gelang, mit Konstantinopel Funkverbindung herzustellen, wurde Dampfer „General“ nach Smyrna gelenkt, um von dort telegraphische Verbindung dorthin herzustellen. Er übermittelte an unseren Marine-Etappenkommandanten Kapitänleutnant Humann, den gewandten, in Smyrna aufgewachsenen Sohn des Pergamon-Ausgräbers: Tun Sie Ihr Äußerstes, dass ich die Meerengen passieren kann, mit Erlaubnis der türkischen Regierung, gegebenenfalls ohne ihr formelles Einverständnis.

Mit Hellwerden am 9, August ankert „Goeben“, einige Stunden später „Breslau“ und nachmittags der langsame Kohlendampfer in der geschützten Bucht der abgelegenen, vom Weltverkehr noch nicht berührten kleinen Felseninsel Denusa. Den Dampfer, es war der deutsche Levantedampfer „Bogador“, hatte ein „Breslau“-Offizier, der später auf Gallipoli gefallene Leutnant zur See der Reserve Oskar Hildebrandt, unauffällig herangebracht als griechischen Dampfer „Polymitis“, wie auf dem Namenschild und den griechischen Mützenbändern der Leute zu lesen war. Er hatte reichlich Kohlen, Schmier- und Brennöl an Deck und in den Laderäumen zur Abgabe klar, wurde nun zwischen beiden Schiffen vertäut und wieder ging's ans Kohlen, von beiden Seiten um die Wette, „nach gänzlich neuem und erweitertem Programm“, wie es der Witzbold der „Goeben“-Mannschaft nannte. Währendem lagen die Schiffe klar zum fechten und Kette schlippen unter Dampf, von den Bergkuppen der Insel aus hielten Signalgäste den Sichtkreis unter Beobachtung.

Die Nacht wurde durchgekohlt. Mit Hellwerden am 10. August wurde mit 18 Knoten auf die Dardanellen losmarschiert. Kein Feind weit und breit. Auch kein Funkspruch zu hören, der auf die Nähe eines Feindes hätte schließen lassen. Für den Fall, dass uns trotzdem der Feind vor den Dardanellen auflauerte oder dass wir uns die Einfahrt in die Dardanellen mit Gewalt erzwingen mussten, waren die Schiffe in voller Gefechtsbereitschaft und gegen Minengefahr rollenmäßig gesichert. Mein bewährter Flaggleutnant, Oberleutnant zur See Wichelhausen, kannte die Lage der türkischen Minensperren aus dem Türkisch-Italienischen Kriege, den er auf der „Loreley“ miterlebt hatte. Die Wahrscheinlichkeit sprach dafür, dass die Minenfelder jetzt ähnlich lagen und wie damals an der europäischen Seite die Durchfahrt gestatten würden. Ich war entschlossen, hier die Durchfahrt zu erzwingen. Dampfer „General“ funkte ein in Smyrna verstümmelt eingelaufenes Ziffer-Telegramm: Fragezeichen, Einlaufen, Festung zur Kapitulation auffordern, Rest verstümmelt. 4 Uhr nachmittags kamen Tenedos und Imbros, die trojanische Ebene und der Hellespont in Sicht. Die Einfahrt schien frei. In höchster Spannung, alles auf Gefechtsstation, klar zum Feuern liefen wir ein. Ich signalisierte an die Signalstation Rap Helles: Schicken Sie mir sofort einen Lotsen. Da kommt aus der Einfahrt ein türkisches Torpedoboot auf uns zu. Es hat das Signal wehen: Folgen Sie mir. Ich schüttle dem mir von Smyrna her bekannten, deutschsprechenden türkischen Generalstabsmajor Kerameddin freudig die Hand und dann umarme ich den „Chief“, Oberstabsingenieur Breuer. Eben noch vor Dunkelheit ankern unsere Schiffe friedlich innen vor Tschanak, und draußen wird ein fremdes Kriegsschiff gesichtet.

Der Durchbruch war gelungen. Jeder einzelne hatte seine Schuldigkeit dazu getan. Nun winkte der Lohn. Die Mittelmeerdivision hatte die ihr drohenden Fesseln gesprengt, sie war frei zum Leben und Kämpfen für das deutsche Vaterland. Überlegene deutsche Kriegsfertigkeit, ein wenig Wagemut und viel Glück hatten einen großen militärischen Erfolg errungen, Was die Engländer versiebt, durch Unentschlossenheit und Unselbständigkeit der Führer angerichtet hatten, ging ihnen und ihren Heloten bald auf. Wenige Tage nach dem Einlaufen der „Goeben“ und „Breslau“ übernahm der Chef der deutschen Mittelmeerdivision den Oberbefehl über die türkische Flotte, bald besetzten deutsche Matrosenartilleristen die Kanonen an den Dardanellen, beschoss die deutsch-türkische Flotte Sebastopol.


Auf See unbesiegt

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