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5. Die Auskunft

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Hagen meldete sich telefonisch bei Günther Niebel, obwohl ihre Büros direkt nebeneinander lagen: "Ich habe jetzt ausreichend Informationen. Sind Sie frei, kann ich kommen?" Der Junior ließ ihn kommen, und Hagen berichtete:

"Die Albrecht AG Xanten ist ein großes Ding, ein ziemlich unübersichtlicher Handelskonzern. Und er ist allein in der Hand von Brunhilde de Castro. Sie ist die Tochter von Alberto de Castro, einziges leibliches Kind. Unser Siggi heißt übrigens mit vollem Namen Siegfried de Castro, aber er ist nicht ihr wirklicher Bruder. Offensichtlich muß Alberto ihn irgendwann an Kindes Statt angenommen haben, aber erst Jahre nach der Geburt der Tochter. Sie ist übrigens acht Jahre älter. Mit dem Konzern hat dieser Siegfried allerdings nichts am Hut, nicht einmal ein paar Aktien sind in seiner Hand."

Es folgte eine Kunstpause, Hagen wußte es spannend zu machen. "Aber - er hat Vermögen, verteilt auf alle möglichen Beteiligungen, und das nicht schlecht. Was ich bis jetzt in Erfahrung bringen konnte, beläuft sich auf immerhin neunzehn Millionen Euro. Ob das alles ist, kann ich noch nicht sagen. Eher nicht. Dazu kommen zwei ehemals adlige Güter im Umland von Aachen, die bringen zwar nicht viel, aber sie könnten Spekulationsobjekte sein, zukünftiges Bauland. Dann noch ein Gestüt in der gleichen Gegend, Wert schlecht zu schätzen. Pferde sind ja durchaus eine Kapitalanlage. Die Zucht soll wohl erst richtig aufgebaut werden. Eine Versteigerung hat es jedenfalls noch nicht gegeben."

Hagen blickt noch einmal auf die Notizzettel, die er in der Hand hielt. "Ja, das wars. Nicht ganz unbegütert, dieser Siegfried, würde ich sagen." Das sollte ironisch wirken, aber der Tonfall klang eher nach Neid. "Im übrigen ist er in Mannheim seit zwei Jahren als Student eingeschrieben, Politik- und Gesellschaftswissenschaften. Lebt ganz unauffällig im Studentendorf, keinerlei größere Ausgaben. Er jobbte sogar in den letzten Semesterferien. Gilt unter Kommilitonen als politisch links stehend. Die Vermögensverwaltung erledigt übrigens ein renommierten Kölner Wirtschaftsanwalt. Hagen machte eine Pause, als wollte er seine Informationen wirken lassen, und es war schließlich den beiden Männern klar: Dieser Siegfried spielte in einer anderen Liga, wenn er es denn tat. Das Bankhaus Niebel stellte er jedenfalls leicht in den Schatten.

Günther dankte dem anderen für die ausgezeichnete Arbeit, er müsse das nun erst einmal sacken lassen. Und außerdem war es jetzt wohl angebracht, den Seniorchef zu unterrichten. Es galt, eine Strategie zu entwickeln, und das wäre Chefsache. Sein Vater würde sich sicherlich die gewonnenen Auskünfte noch einmal im einzelnen vortragen lassen, bis dahin gelte absolute Verschwiegenheit. Vor allem Hilla dürfe vorerst nichts davon erfahren.

Hagen nickte. Mit diesen Informationen war er im inneren Zirkel des Bankhauses angekommen, das schien ihm sicher. Und doch: Beratung und Entscheidung bleiben Sache der Familie, und bis dorthin war noch ein weiter Weg. Und er war steiler und steiniger geworden, denn dieser Siggi war ihm da um Längen voraus - wenn er denn wirklich Interesse an Hilla Niebel hatte. Vielleicht muß ich völlig umdisponieren, dachte er. Schade, denn eigentlich mag ich die Hilla. Aber gegen einen Siegfried de Castro hätte er wohl keinerlei Chancen - so oder so.

Am späten Vormittag wurde die Sprechanlage in dem alten Telefon aktiviert, das auf Hagens Schreibtisch stand. "Hagen, kommen Sie doch bitte mit Ihren Unterlagen zu mir!" Es war die Stimme des Seniorchefs.

Die beiden Niebels hatten ebenso wie auch Hagen geräumige und entsprechend ausgestattete Büros in der Firmenzentrale im Herzen der Stadt, aber Ulrich Niebel zog es vor, wann immer es möglich war, an dem schweren, unpraktischen Schreibtisch in der Villa zu arbeiten, mit Blick in den Park hinter dem Haus, auf die Rhododendronrabatten unter dem Dach von Kastanien und zwei Linden, die bereits genauso alt waren wie das Gebäude selbst. Also hatten auch sein Sohn und der Privatsekretär, wie er Hagen stets betitelte, dort ein Arbeitszimmer und waren ebenfalls meist in der Nähe des Chefs.

Hagen ordnete kurz seine Notizen und ging die wenigen Schritte durch die düstere Halle, klopfte und öffnete die mit irgendwelchem symbolischen Schnitzwerk gezierte Eichentür. Der Chef saß hinter seinem Schreibtisch und wies nur knapp auf den Stuhl davor, damit Hagen sich setzen konnte. Günther Niebel stand an der Fensterbank. Er hatte ins Freie geschaut, wandte sich nun aber dem Eingetretenen zu, ohne seinen Platz zu verlassen.

"Bitte" - die Aufforderung, mit dem Bericht zu beginnen. Hagen trug noch einmal vor, was er bereits dem Junior referiert hatte, vermied allerdings peinlichst jede Wertung, beschränkte sich ganz auf die Fakten und bemühte sich um einen absolut sachlichen, emotionslosen Ton. Niemand unterbrach ihn, er sprach in die Stille hinein, blickte nur selten auf - ein Geschäftsbericht wie gewöhnlich. Dann war er am Ende, glättete die Notizblätter, ein unbewußter Reflex, denn es gab nichts zu glätten - einziges Indiz für seine innere Teilnahme an dem Vorgetragenen. Günther Niebel registrierte auch das. Es war eine seiner Stärken, die Körpersprache seines Gegenübers zu erkennen und zu deuten, aber er hütete sich, jemals solche Beobachtungen mitzuteilen.

Ulrich Niebel saß eine Weile schweigend da, obwohl er sicher den Inhalt durch seinen Sohn längst kannte. Seinem straffen Gesicht unter dem kahlen Schädel sah man die 65 Jahre nicht an, die er nun schon hinter sich gebracht hatte. Eher verriet der etwas schwerfällige Gang, daß er das landläufige Rentenalter erreicht hatte. Aber die grauen Augen blickten scharf - immer noch ohne eine Brille - und seine Stimme war klar, klang bestimmend, ohne daß er sie heben mußte. So auch jetzt:

"Es ist durchaus möglich, daß das Ganze nur ein vorübergehender Flirt ist, eine Semesterliebe, nach den Ferien nur noch Erinnerung. Sollte Herr de Castro jedoch ernsthafte Absichten hegen, bleiben zwei Optionen: Er meint Hilla - oder die Firma. Auf beides sollten wir uns vorbereiten, aber ansonsten plädiere ich für Abwarten.

Keine Aktionen in dieser Sache mehr, keine Nachforschungen, die auf Dauer doch nicht verborgen bleiben. Und keinerlei Weitergabe dieser Informationen, auch nicht an Hilla. Wir wollen sie in keiner Weise beunruhigen oder beeinflussen. Ich denke, das wäre es erst einmal." Er lehnte sich zurück, ein kurzes Kopfnicken zu Hagen hinüber sollte beides ausdrücken: Entlassung und auch Anerkennung. Wer ihn kannte, wußte das zu deuten und zu schätzen.

Hagen erhob ich, grüßte knapp und sah im Hinausgehen, daß sich auch Günther Niebel der Tür zuwandte, die die beiden Arbeitsräume der Chefs untereinander verband. Immerhin ist dieser Siggi seitdem hier jedenfalls nicht mehr aufgetaucht, schoß es ihm noch durch den Kopf, als er an der Haustür vorbei in sein Büro ging. Vielleicht war das ganze ja doch ohne große Bedeutung. Und er gestand sich ein, daß er sich eben dies wünschte.

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