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Das Werteverständnis des klassischen Beraters

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Jeder Mensch hat Werte, die ihn zu dem machen, der er ist. Das Thema Werteverständnis wird im Kapitel »Chance: Identität und Werteverständnis« ausführlicher betrachtet – an dieser Stelle soll es nur darum gehen, zu verstehen, mit welchem Typ Mensch man es zu tun hat, wenn man auf einen Berater trifft. Was geht vor in diesen Menschen, die Tag und Nacht über Tabellen und PowerPoint-Charts brüten? Warum tun sie das, was sie tun? Was treibt sie an? Wie »ticken« diese Anzugträger?

Der »klassische« Berater bewegt sich in seinem Werteverständnis auf einer Ebene, auf der er zum einen auf den persönlichen Erfolg fokussiert ist, aber zum anderen immer auch das Ganze im Blick behält und seinen Erfolg nicht automatisch auf Kosten anderer aufbaut (auch wenn das besonders bei radikalen Lösungsmaßnahmen in der Praxis oft geschieht). Seinen persönlichen Erfolg verbindet der Berater mit dem Ziel, Komfort, Vermögen, Besitz und Luxus zu erlangen, zu erhalten und weiter anwachsen zu lassen. Ihm ist es wichtig, sich ständig weiterzuentwickeln und dadurch seine Leistung permanent zu steigern. Weniger die überaus gute Bezahlung spornt einen Berater an, sondern vielmehr die Tatsache, »Bester seines Fachs« zu sein, das auch zeigen zu können und für diese außerordentliche Leistung Anerkennung zu bekommen.

Dabei wetteifert er auch gerne mit anderen – schließlich soll jeder sehen, wie gut er ist. Er lebt und arbeitet extrem zielorientiert, kämpft hart um den besten Platz und stellt diese Einstellung durch seinen sprichwörtlich unerschöpflichen Arbeitseinsatz unter Beweis. In jedem neuen Projekt sieht er nicht nur den Kick einer neuen Herausforderung, sondern auch die Möglichkeit, neue Horizonte zu entdecken und sein Wissen zu erweitern. Er weiß, was er kann, und verlässt sich ungern auf andere. Der klassische Berater ist sich durchaus bewusst, dass er mit seinen besonderen Fähigkeiten und Stärken nicht zur breiten Masse gehört – darauf ist er sehr stolz. Dieses ausgeprägte Selbstbewusstsein mag auf Dritte überheblich wirken – und es spiegelt die beschriebene Fassade der Unnahbarkeit. Eine nicht zu verachtende Fähigkeit ist die des Allroundblicks. Für einen Berater ist es von großem Vorteil, wenn er erkennt, was sprichwörtlich links und rechts des Weges los ist, um schnell zu begreifen, wie die Dinge zusammenhängen.

Weil er so sehr auf persönliches Wachstum fokussiert ist, schaut sich ein Berater seinen potenziellen Arbeitgeber auch genau an, bevor er sich um eine Stelle bewirbt. Hat der einen guten Namen im Markt, sieht der Berater die Möglichkeit, seinen Wissenshunger und seinen Geltungsdrang zu stillen. Dabei schmückt er sich gerne mit renommierten Namen der Branche, bleibt aber nur so lange, wie ein Arbeitgeber sein persönliches Wachstum fördern kann. Sieht er für die Zukunft keine Weiterentwicklungsmöglichkeiten mehr, orientiert er sich neu. Er findet entweder einen neuen Brötchengeber im vertrauten Bereich der Beraterbranche oder durch einen Wechsel in die Industrie (zu einem Kunden), oder er geht den Schritt, sich als Berater selbstständig zu machen. Letzteres kann er sich getrost leisten, weil sein Gehalt als Berater hoch genug war, um das nötige Startkapital aufzubringen.

Auf dieser Werteebene sind jedoch nicht nur positive Ausprägungen angesiedelt – auch negative Ausprägungen finden sich hier, die dem Berater mehr schaden als nutzen. Typische »Macken« auf dieser Ebene sind zu stark ausgeprägtes Konkurrenzdenken, Geltungssucht und Leistungsdruck sowie die Gier nach noch mehr Ansehen und Wohlstand. Diese Art des Denkens führt dazu, dass sich Berater permanent selbst unter erheblichen Leistungsdruck stellen, der immer weiter wächst. In Kombination mit privaten Konflikten, die sich durch den in der Branche üblichen Arbeitseinsatz oft entwickeln, ist ein Burn-out praktisch vorprogrammiert.

Es liegt in der Natur eines klassischen Beraters, Projekte schnell durchziehen zu wollen – was zusätzlich durch die Vorgaben der Auftraggeber geschürt und unterstützt wird. Besonders in Veränderungsprozessen ist diese Vorgehensweise für betroffene Mitarbeiter eines Unternehmens äußerst belastend, wenn zum Beispiel das Ziel der schnellen Kostenoptimierung auf ihren Schultern ausgetragen wird. Vor allem dann, wenn es darum geht, Ziele nachhaltig auszurichten, kann ein Berater mit seinem Drang nach schnellem Erfolg eher das Gegenteil von dem bewirken, was ursprünglich als Aufgabenstellung festgelegt war.

Dieser kleine Exkurs weckt vielleicht ein wenig Verständnis für die Welt eines Beraters – er handelt eben entsprechend seiner Werteebene. Solange er sich in einem Umfeld mit den entsprechenden Rahmenbedingungen bewegt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich sein Werteverständnis ändert. Führen jedoch die Umstände dazu, dass er sein Denken, Fühlen und Handeln überdenkt und sich neu ausrichtet, wird er sich auch in eine andere Ebene »hineinentwickeln«. (Wie das genau funktioniert, und welche Rolle dabei die Werteebenen spielen, wird im Kapitel »Chance: Identität und Werteverständnis« erklärt.)

Doch im Augenblick ist etwas in Bewegung, das den Berater der Zukunft regelrecht zwingen wird, sich zu ändern oder anzupassen. Verschiedene Stimmen werden in der Wirtschaft laut, dass sich die Beratungsunternehmen in Zukunft radikal ändern müssen, um beim Kampf um Aufträge die Nase vorn zu haben. Dabei rückt das Wort Sinnkrise27 in den Fokus. In einem gesättigten und umkämpften Markt stellen Kunden demnach immer lauter die Frage nach dem Nutzen von Beratungsleistungen. Große Beratungshäuser bauen weiter auf ihre weitreichende Expertise, für die Unternehmen immer noch horrende Summen bezahlen, und sind somit noch relativ sicher vor größeren Umsatzeinbrüchen. Vergleichsweise gut geht es auch den kleineren Unternehmensberatungen, die sich spezialisiert haben und ihren Kunden wertvolle Praxistipps geben können. Doch besonders die mittelgroßen Beratungshäuser28 bekommen die aktuelle Lage zu spüren: Sie haben es verpasst, Arbeitsabläufe mithilfe von IT-Systemen zu optimieren. Früher wurde das fälschlicherweise als unwichtig erachtet. Heute werden die Folgen dieser Fehleinschätzung spürbar, weil Unternehmen nun genau in diesen Bereich investieren.

Was wir in den letzten Jahren schon beobachtet haben – und was sich aktuell weiter verstärkt und in Zukunft sicher von noch größerer Bedeutung sein wird – ist ein Trend zur individuellen Beratung in Verbindung mit Nahbarkeit. Das beschriebene Image eines klassischen Beraters macht deutlich, wie groß das Defizit in diesem Bereich noch ist. Analytisch und präzise sind sie alle – aber der Kunde möchte zunehmend eine Kombination aus Expertise und Soft Skills. Das Fehlen von Soft Skills wird heute als großes Manko gesehen und nicht mehr länger akzeptiert.

Folgendes Praxisbeispiel beschreibt wunderbar eine Kombination aus Expertise und Soft Skills. Es zeigt, dass Sensibilität gegenüber dem Kunden im Grunde genommen jeden betrifft:

■ Bei einem Gespräch mit einem Firmenkunden über seine neuen Herausforderungen offenbarte dieser dem Berater plötzlich sein Problem: Mit seinem 3000 Mitarbeiter starken Unternehmen hatte der Geschäftsführer über viele Jahre hinweg erfolgreich seine Produkte verkauft und war zu einer festen Größe in der Branche geworden. Nach langem konstanten Wachstum brach der Umsatz jedoch so stark ein, dass das Unternehmen innerhalb eines Jahres ins Minus rutschte. Auf die Frage, was wohl, im Nachhinein betrachtet, der Fehler gewesen sein könnte, gab der Kunde zu, eine dramatische Veränderung auf dem Markt zu spät erkannt zu haben. Er hatte lange Zeit seinen Schwerpunkt auf die Produkte gelegt und nicht mitbekommen, dass andere Anbieter in der Zwischenzeit dazu übergegangen waren, mit den Augen des Kunden zu sehen.

Dem Berater wird das Gleiche abverlangt, und dies sollte er ebenso an seine Klienten weitergeben: dem Kunden aktiv zuhören, sich auf seine Ebene begeben, Fragen stellen – das alles liefert wertvolle Informationen, die dem Experten die Richtung weisen.

■ Die Aufgabe im Beispiel war es nun, das Unternehmen so auszurichten, dass es mit den Augen des Kunden sehen lernte. Dazu wurden Mitarbeiter und Partner befragt, Chancen verglichen und Kundenideen hinterfragt. Aus diesen Erkenntnissen wurde eine neue Strategie entwickelt, die es dem Unternehmen ermöglichte, nicht nur neu durchzustarten, sondern auch in Zukunft Veränderungen schneller zu erkennen und darauf zu reagieren.

Schaut man sich nun die Werteebene eines klassischen Beraters an, haben Soft Skills dort jedoch überhaupt keinen Platz. Was also tun? Um es auf den Punkt zu bringen: In der Beraterbranche muss sich etwas ändern. Die Branche braucht einen Change!

Goodbye, McK... & Co.

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